Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.03.2012, Az. 2 B 8/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 8586

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Gegenstand

Dienstvergehen; Kollegendiebstahl; Verfahrensmangel; Nichtbeachtung entlastender Umstände


Gründe

1

[X.]ie Beschwerde der [X.]n hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO und § 70 [X.] an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. [X.]as Berufungsurteil beruht auf einem von der [X.]n geltend gemachten Verstoß gegen die aus § 3 [X.] und § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO folgende Pflicht zur Angabe der Gründe im Urteil, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. [X.]amit hat das Oberverwaltungsgericht zugleich, wie von der [X.]n gerügt, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 3 [X.] und § 108 Abs. 2 VwGO).

2

[X.]ie [X.] steht als Justizobersekretärin im [X.]ienst des [X.]. Sie wird beim [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle verwendet. [X.] wurde die [X.] wegen [X.]iebstahls in Tatmehrheit mit [X.]omputerbetrug verurteilt. Sie hatte an ihrer Arbeitsstätte einer Kollegin die E[X.]-Karte entwendet und mit dieser unter Angabe der ausgespähten Geheimnummer vom Konto der Kollegin 1 000 € abgehoben. Gegenstand der [X.] ist zum einen dieser durch einen Strafbefehl geahndete Sachverhalt und zum anderen der Umstand, dass die [X.] im unmittelbaren [X.] an die erste erfolgreiche Abhebung auf dieselbe Art versucht hatte, weitere 1 000 € vom Konto der Kollegin abzubuchen. [X.]as Verwaltungsgericht hat die [X.] aus dem [X.]ienst entfernt. [X.]as Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

3

1. [X.]ie Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 70 [X.] und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des [X.] erheblich sein wird (stRspr, u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). [X.]as ist hier nicht der Fall.

5

Als Frage von grundsätzlicher Bedeutung nennt die [X.] zunächst:

Liegt bei objektiv feststehendem intakten Betriebsklima und nicht nachhaltig vergiftetem Betriebsfrieden in der [X.]ienststelle noch ein typisierter Fall des [X.] vor, bei dem im Sinne der Rechtsprechung des [X.] regelmäßig, d.h. im Sinne eines Indizienschlusses, die Entfernung aus dem [X.]ienst die angemessene disziplinarrechtliche Sanktion ist oder handelt es sich bei feststehender nicht eingetretener nachhaltiger Störung des Arbeitsfriedens in der [X.]ienststelle um einen typisierten Fall des "minder schweren" [X.], für den eine Entfernung aus dem [X.]ienst - anders als im typischen Fall - nicht indiziert ist?

6

[X.]iese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht, weil sie sich - soweit sie über den Einzelfall hinausgehende Aspekte überhaupt aufweist - an Hand der gesetzlichen Regelung und der Rechtsprechung des [X.] ohne [X.]urchführung eines Revisionsverfahrens beantworten lässt.

7

Hat das Gericht im Einzelfall ein [X.]ienstvergehen festgestellt, richtet sich die Bemessung der erforderlichen [X.]isziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] nach der Schwere des [X.]ienstvergehens; das Persönlichkeitsbild des Beamten ist ebenso angemessen zu berücksichtigen wie das Ausmaß der durch das [X.]ienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. [X.]en Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe hat der Senat in seiner Rechtsprechung näher bestimmt (Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 [X.] 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>, vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3, vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 [X.] 59.07 - [X.] 235.1 § 70 [X.] Nr. 3 und vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 [X.] 16.10 - [X.] 2011, 414, Rn. 29 ).

8

[X.]a die Schwere des [X.]ienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen [X.]isziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte [X.]ienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 [X.] aufgeführten Maßnahme zugeordnet werden. [X.]ie Schwere des [X.]ienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten [X.]ienstpflichten, [X.]auer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für [X.]ritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens. Hiervon ausgehend lassen sich, anknüpfend an die Rechtsprechung des [X.]isziplinarsenats des [X.], Fallgruppen von [X.]ienstvergehen bestimmen, denen aufgrund ihrer Schwere jeweils eine der im Gesetz aufgeführten [X.]isziplinarmaßnahmen im Sinne einer Regeleinstufung zuzuordnen ist.

9

Nach der Rechtsprechung des Senats gelten diese Grundsätze auch für die disziplinarische Ahndung eines im [X.]ienst zum Nachteil eines Kollegen begangenen [X.]iebstahls ("Kollegendiebstahl"; Urteile vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 [X.] 43.07 - juris Rn. 19 und vom 29. Mai 2008 juris Rn. 21 m.w.N.). Hinsichtlich der Schwere ist ein solcher [X.]iebstahl nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]isziplinarsenats des [X.] im Grundsatz der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar. [X.]enn auch hier gilt, dass sich der [X.]ienstherr auf die Ehrlichkeit seiner Bediensteten verlassen können muss. Ein [X.]iebstahl zum Nachteil eines Kollegen vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise (Urteile vom 9. August 1995 - BVerwG 1 [X.] 7.95 - juris Rn. 18 und vom 29. September 1998 - BVerwG 1 [X.] 82.97 - juris Rn. 11). Aufgrund der Schwere des [X.]ienstvergehens ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die Beträge - wie hier einschließlich des Versuchs mit insgesamt 2 000 € - die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen.

Ausgehend vom dargelegten Bedeutungsgehalt des Begriffs der Schwere des [X.]ienstvergehens sind  - unter Umständen - entlastende Umstände des konkreten Einzelfalles auf [X.] der Zuordnung einer [X.]isziplinarmaßnahme nach § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht von Bedeutung. [X.]ie durch die Schwere des [X.]ienstvergehens bestimmte Zuordnung einer Maßnahme hat lediglich Indizwirkung. [X.]iese Wirkung entfällt, wenn sich im Einzelfall aufgrund des Persönlichkeitsbildes des Beamten Entlastungsgründe von solchem Gewicht ergeben, dass die prognostische Gesamtwürdigung den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauensverhältnis noch nicht vollständig zerstört (Urteile vom 29. Mai 2008 juris Rn. 21 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 [X.] 83.08 - BVerwGE 136, 173 = [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 11 jeweils Rn. 18, stRspr). [X.]enn nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] hat das [X.]isziplinargericht für die von ihm zu treffende Bemessungsentscheidung die genannten Kriterien mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Gesamtabwägung einzustellen. Nach dem im [X.]isziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die gegen den Beamten ausgesprochene Maßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalles in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des [X.]ienstvergehens stehen, die maßgebend auch vom Verschulden das Beamten abhängt.

Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar.

Auch die beiden weiteren von der [X.]n aufgeworfenen Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht.

Sind die subjektiven Vertrauensbekundungen von Kollegen des Beamten und des Opfers im Rahmen der Bestimmung der [X.]isziplinarmaßnahme beim Kollegendiebstahl ein objektiver Umstand, der zumindest dann, wenn sich daraus ergibt, dass das Betriebsklima und der Arbeitsfrieden trotz des [X.] in der [X.]ienststelle nicht nachhaltig vergiftet bzw. gestört ist, die Unverhältnismäßigkeit der [X.] Entfernung aus dem [X.]ienst (gegen)indiziert?

Kann der endgültige Vertrauensverlust seitens des [X.]ienstherrn bei der Anwendung des § 13 Abs. 2 Satz 1 [X.] auch dann angenommen werden, wenn ein Beamter objektiv das Vertrauen derjenigen [X.]ienststelle genießt, bei der er derzeit tätig ist? Ist mithin als Maßstab für die Feststellung des endgültigen Vertrauensverlustes des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit die Gesamtheit der hypothetisch möglichen Einsatzorte beim [X.]ienstherrn heranzuziehen oder genügt vielmehr zur Widerlegung des endgültigen Vertrauensverlustes der Beweis, dass im Rahmen des unmittelbaren [X.]ienstumfeldes des Beamten jener das volle Vertrauen der Angehörigen dieser [X.]ienststelle - einschließlich ihres Leiters - genießt?

[X.]iese Fragen lassen sich ebenfalls an Hand des Wortlauts des Gesetzes und der bisherigen Rechtsprechung des [X.] ohne [X.]urchführung eines Revisionsverfahrens dahingehend beantworten, dass es nicht auf die Umstände bei der derzeitigen [X.]ienststelle des Beamten ankommt.

§ 61 Abs. 2 Satz 2 [X.] überträgt dem Gericht die Befugnis zur Bestimmung der erforderlichen [X.]isziplinarmaßnahme. Im Falle der Berufung ist das Oberverwaltungsgericht nicht auf die Überprüfung des Urteils des [X.] beschränkt, sondern trifft eine eigenständige Zumessungsentscheidung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

[X.]er Bezugspunkt für diese Zumessungsentscheidung ist im Gesetz vorgegeben. Nach § 13 Abs. 1 Satz 4 [X.] kommt es auf die Beeinträchtigung des Vertrauens des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit an, nicht auf die Verhältnisse bei der konkreten [X.]ienststelle. Hat der Beamte dieses Vertrauen durch ein schweres [X.]ienstvergehen endgültig verloren, so ist er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

[X.]ie prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 1 Satz 4 [X.]) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des [X.]ienstherrn und der Allgemeinheit künftig wieder so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine [X.]ienstpflichten als [X.] erwartet wird. [X.]as Vertrauen des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter (vgl. dazu Urteil des [X.]isziplinarsenats vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 [X.] 33.02 - BVerwGE 120, 33 <53 f.>), daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung, z.B. als Polizei- oder Zollbeamter, und auf dessen konkret ausgeübte Funktion, z.B. als Vorgesetzter. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des [X.]ienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen [X.]ienstvorgesetzten, sondern schon aus Gründen der Gleichbehandlung der Beamten (Art. 3 Abs. 1 GG) die Frage, inwieweit der [X.]ienstherr oder die Allgemeinheit bei objektiver Gewichtung des [X.]ienstvergehens auf der Basis der festgestellten be- und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen [X.]ienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird (Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.[X.] und vom 25. August 2009 - BVerwG 1 [X.] 1.08 - juris Rn. 78 § 77 [X.] 2009 Nr. 1>). [X.] ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das [X.]ienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde.

[X.]ie Prüfung, ob der betreffende Beamte im Beamtenverhältnis verbleiben darf, hat sich auf sein Amt als Ganzes und nicht nur auf einen begrenzten Tätigkeitsbereich (Amt im funktionellen Sinne) zu beziehen. [X.]enn das [X.]isziplinargericht kann einer Behörde nicht eine eingeschränkte Verwendung eines disziplinarisch in Erscheinung getretenen Beamten vorschreiben (Urteil vom 22. Mai 1996 - BVerwG 1 [X.] 72.95 - [X.] 232 § 54 Satz 3 [X.] Nr. 6 S. 17 m.w.N.).

2. Begründet ist jedoch die Verfahrensrüge des Verstoßes gegen die aus § 3 [X.] und § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO folgende Pflicht zur Angabe der für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe im Urteil und des Verstoßes gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 3 [X.] und § 108 Abs. 2 VwGO).

[X.]er Anspruch der Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, deren Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. [X.]avon ist zwar grundsätzlich auszugehen; dies setzt aber voraus, dass die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen jedenfalls in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden ([X.], Beschlüsse vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - [X.]E 86, 133 <146>, vom 10. Mai 1990 - 2 BvR 1236/89 - [X.] 1990, 280 <281>, vom 29. Januar 1991 - 2 BvR 513/90 - [X.] 1991, 179 <180>, vom 14. Januar 1992 - 2 BvR 472/91 - [X.] 1992, 222 <225> und vom 13. November 1992 - 1 BvR 708/92 - NJW 1993, 1461). [X.]ementsprechend verlangt die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, dass in den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. [X.]as Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat (Urteil vom 18. Februar 1981 - BVerwG 6 [X.] 159.80 - BVerwGE 61, 365 <368>). Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, jedes rechtliche Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber dann verletzt, wenn sich im Einzelfall eindeutig ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen des Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist (Beschluss vom 26. Mai 1999 - BVerwG 6 [X.] - NVwZ-RR 1999, 745). Nach diesen Grundsätzen liegt der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil auch beruhen kann.

[X.]iesen Anforderungen ist das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend gerecht geworden. Es ist zwar im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass die in der Rechtsprechung des [X.]isziplinarsenats zu den Zugriffsdelikten entwickelten Milderungsgründe nicht als abschließender Kanon der allein beachtlichen Entlastungsgründe anzusehen sind (Urteil vom 29. Mai 2008 juris Rn. 23 m.w.N. ). Eine Zumessungsentscheidung nach § 13 [X.], die vor dem im [X.]isziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bestand haben soll, setzt voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene [X.]isziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des [X.]ienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.[X.] f. und vom 3. Mai 2007 a.a.[X.] Rn. 20 f.). [X.]ementsprechend sind entlastende Umstände auch dann beachtlich und in die Gesamtabwägung einzustellen, wenn sie die Voraussetzungen eines anerkannten Milderungsgrundes nicht erfüllen. [X.]as [X.] hat zu entscheiden, ob die bemessungsrelevanten mildernden Umstände in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines anerkannten Milderungsgrundes kompensieren können. [X.]abei bieten die anerkannten Milderungsgründe Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das [X.]elikt aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Handlungen und der Begehung von "[X.]" und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt (Urteile vom 3. Mai 2007 juris Rn. 23 und vom 29. Mai 2008 juris Rn. 23 ).

Bei der konkreten Zuweisung der [X.]isziplinarmaßnahme hat sich das Oberverwaltungsgericht jedoch mit dem Vorbringen der [X.]n zu sonstigen Milderungsgründen nicht hinreichend beschäftigt. Im [X.] an die Erörterung, ob anerkannte Milderungsgründe vorliegen, hat es sich nur kurz mit der Motivation der [X.]n für das schwere [X.]ienstvergehen befasst und diese als nicht aufklärbar bezeichnet. Im Übrigen beschränken sich die Ausführungen auf die Bewertung der Vertrauensbekundungen von 22 Beschäftigten des [X.]s. [X.]as Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Würdigung sämtlicher Gesichtspunkte aber nicht mit dem von der [X.]n in der Berufungsbegründung herausgehobenen - und auch im Tatbestand wiedergegebenen - Umstand befasst, dass sie auch noch nach Aufdeckung ihres [X.]ienstvergehens im August 2007 mit einer kurzen Unterbrechung bis zur Berufungsverhandlung auf ihrem bisherigen [X.]ienstposten in der Geschäftsstelle des Gerichts verwendet worden ist. [X.]ies beruhte darauf, dass der [X.]ienstherr nach dem Beschluss des [X.] im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom [X.]ezember 2008 keine erneute Ermessensentscheidung nach § 38 [X.] getroffen hat. Auch die Vertrauensbekundung der Geschädigten, die mit der [X.]n weiterhin in einem gemeinsamen [X.]ienstzimmer zusammengearbeitet hat, hätte besonders erörtert werden müssen. Ihre Bedeutung mag über die derjenigen Stellungnahmen hinausgehen, die sonstige Mitarbeiter der derzeitigen [X.]ienststelle der [X.]n abgegeben haben. Unabhängig von der Frage, ob diesen Umständen nach der Rechtsprechung des Senats rechtliche Relevanz zukommt, sind sie im Vorbringen der [X.]n von zentraler Bedeutung und hätten deshalb erkennbar und nachvollziehbar im Urteil gewürdigt werden müssen.

Meta

2 B 8/11

02.03.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 23. September 2010, Az: D 6 A 611/09, Urteil

§ 13 DG SN 2007, § 3 DG SN 2007, Art 103 Abs 1 GG, § 108 Abs 1 S 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.03.2012, Az. 2 B 8/11 (REWIS RS 2012, 8586)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8586

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2 B 29/18

AN 13b D 15.02473

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