Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.06.2011, Az. 1 Ni 5/09 (EU)

1. Senat | REWIS RS 2011, 5383

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren - "Vorrichtung zur langsame Freigabe eines Pestizids (europäisches Patent)" – zur Kostenentscheidung – Erklärung der Erledigung der Hauptsache – hat der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den Klageanspruch sofort anerkannt - keine Kostentragung durch den Beklagten – hier: Kostentragung durch Beklagten


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das europäische Patent 0 292 948

([X.] 77 823)

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] am 28. Juni 2011 durch die Präsidentin [X.], die Richter [X.] und Dr. Baumgart

beschlossen:

1. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

2. [X.] wird auf 250.000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

[X.]ie [X.] war eingetragene Inhaberin des u. a. für die [X.] erteilten [X.] Patents 0 292 948 ([X.]), das unter Inanspruchnahme der [X.] Priorität ZA 873761 vom 26. Mai 1987 als [X.] Patentanmeldung Nr. 88108349.7 am 25. Mai 1988 angemeldet worden ist und durch Zeitablauf am 25. Mai 2008 erloschen ist. [X.]as in [X.] veröffentlichte [X.] trägt in der [X.] Übersetzung ([X.] 77 823 T2, Anlage [X.]) die Bezeichnung “Vorrichtung zur langsamen Freigabe eines Pestizids“.

2

[X.]as [X.] umfasst in der erteilten Fassung 17 Patentansprüche. Anspruch 1 lautet:

3

Anwendungsvorrichtung zur langsamen Abgabe [X.] oder [X.]ampfes aus einem hydrolysierbaren aktiven Bestandteil eines in dieser Vorrichtung enthaltenen Schädlingsbekämpfungsmittels an eine Umgebung, wobei die Vorrichtung einen Behälter zum Aufbewahren des Schädlingsbekämpfungsmittels umfasst, der zumindest teilweise aus einem gas- und dampfdurchlässigen spinngebundenen Polyolefin-[X.] gebildet wird, dadurch gekennzeichnet, dass das [X.] für druckloses flüssiges Wasser praktisch undurchlässig ist und eine Wasserdampfdurchlässigkeit von 500 bis 750 g/[X.] hat.

4

[X.]ie übrigen Ansprüche sind direkt oder indirekt auf den Anspruch 1 rückbezogen.

5

[X.]ie Klägerin hat mit der beim [X.] am 11. März 2009 eingegangenen Nichtigkeitsklage vom 10. März 2009 das [X.] im Umfang der Ansprüche 1 bis 5 sowie 7 bis 16 unter dem Aspekt der mangelnden Ausführbarkeit und fehlenden Patentfähigkeit aufgrund mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit angegriffen. [X.]ie Klageschrift ist dem [X.]nvertreter am 11. Mai 2009 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Zur Stützung ihres Vorbringens bezieht sich die Klägerin u. a. auf folgende Unterlagen:

6
[X.] EP  0 131 759  [X.]
7
[X.] N.N.: „[X.]: [X.]“. In: Textile Horizons, Band 6, 1986, Heft 7, S. 31 - 33.
8

[X.]ie Klägerin war [X.] in einem von der jetzigen [X.]n gegen die Abnehmerin der jetzigen Klägerin - die Fa. PROSANTIS, [X.] - gerichteten Verletzungsverfahren vor dem [X.] ([X.]. 21 O 2331/03). [X.] waren das [X.] sowie das - das Parallelverfahren 1 Ni 6/09 ([X.]) betreffende - [X.] Patent 0 686 571. Nachdem durch Teil- Endurteil vom 24. Juni 2009 die Verletzungsklage rechtskräftig zurückgewiesen worden war, soweit sie auf das [X.] gestützt worden war, hat die Klägerin mit [X.] vom 20. August 2009 ([X.]. 105 d. A.) die Erledigung in der Hauptsache erklärt. [X.]ie [X.] hat das [X.] mit [X.] vom 26. August 2009 ([X.]. 125 d. A.) weiterhin mit beschränkten Anspruchssätzen nach Haupt- und Hilfsantrag ([X.]. 151 d. A. und [X.]. 152 d. A.) verteidigt und beantragt zunächst mit [X.] vom 28. Juni 2010 ([X.]. 193), die Klage insoweit abzuweisen.

9

Mit [X.] vom 18. Mai 2011 ([X.]. 259 d. A.) hat die [X.] sich schließlich der [X.] der Klägerin angeschlossen und widerstreitenden Kostenantrag gestellt.

Zur Stützung ihres Vorbringens hat die [X.] mit [X.] vom 28. Juni 2010 folgende Unterlagen vorgelegt:

[X.] Prüfbericht [X.]
[X.]1 Auszug Firmenbroschüre [X.]UPONT Tyvek for Packaging.

Patentanspruch 1 der nach Hauptantrag verteidigten Fassung des insgesamt 15 Ansprüche umfassenden [X.]s lautet:

Anwendungsvorrichtung zur langsamen Abgabe [X.] oder [X.]ampfes aus einem hydrolysierbaren Metallphospid eines in dieser Vorrichtung enthaltenen Schädlingsbekämpfungsmittels an eine Umgebung, wobei die Vorrichtung einen Behälter zum Aufbewahren des Schädlingsbekämpfungsmittels umfasst, der zumindest teilweise aus einem gas- und dampfdurchlässigen spinngebundenen Polyolefin-[X.] gebildet wird, dadurch gekennzeichnet, dass das [X.] für druckloses flüssiges Wasser praktisch undurchlässig ist und eine Wasserdampfdurchlässigkeit von 500 bis 750 g/[X.] hat, wobei für das handelsübliche [X.] Tyvek 1073 [X.] eine Wasserdampfdurchlässigkeit von ca. 614g/m

Patentanspruch 1 der nach Hilfsantrag verteidigten Fassung des insgesamt 11 Ansprüche umfassenden [X.]s lautet:

Begasungsbeutel zur langsamen Abgabe [X.] oder [X.]ampfes aus einem hydrolysierbaren Metallphospid eines in diesem Beutel enthaltenen Schädlingsbekämpfungsmittels an eine Umgebung, wobei der Beutel zum Aufbewahren des Schädlingsbekämpfungsmittels zumindest teilweise aus einem gas- und dampfdurchlässigen spinngebundenen Polyolefin-[X.] gebildet wird, dadurch gekennzeichnet, dass das [X.] für druckloses flüssiges Wasser praktisch undurchlässig ist und eine Wasserdampfdurchlässigkeit von 500 bis 750 g/[X.] hat, wobei für das handelsübliche [X.] Tyvek 1073 [X.] eine Wasserdampfdurchlässigkeit von ca. 614g/m

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und des Inhalts der weiteren Patentansprüche sowie der vorgelegten [X.]okumente wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Nachdem die Parteien den Rechtstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist durch den Senat (§ 67 Abs. 2 Alt. 2 [X.]) unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 91a Abs. 1 ZPO), was im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss erfolgen kann.

Gemäß §§ 84 Abs. 2, 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 91a Abs. 1 ZPO ist diese Entscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen, wobei auf die Prognose des Verfahrensausgangs im Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklärungen und das von den Parteien bis dahin Vorgebrachte sowie die bis dahin erhobenen Beweise und ihre Ergebnisse abzustellen ist ([X.], 140 Zeittelegramm; [X.] 4. Aufl. (2011) S. 120 Rdn. 207, m. w. H.). [X.]anach sind für die Prognose des Verfahrensausgangs auch die von der [X.]n mit [X.] vom 26. August 2009 eingereichten und mit Haupt- und Hilfsantrag verteidigten geänderten Fassungen des [X.]s einzubeziehen. [X.]ie von den Parteien zunächst kontrovers erörterte Frage, ob die von der [X.]n nach [X.] der Klägerin eingereichten geänderten Fassungen des [X.]s auch ohne die spätere übereinstimmende Anschließung an die [X.] für die dann durch Urteil zu treffende streitige Feststellung der Erledigung der Hauptsache - hier der Rechtskraft des Urteils des [X.] vom 24. Juni 2009 - beachtlich gewesen wären, kann deshalb dahinstehen.

Soweit sich die [X.] mit [X.] vom 6. Juni 2011 ([X.]. 272 d. A.) auf eine fehlende Veranlassung der Klägerin zur Klageerhebung mit der Begründung berufen hat, die Klägerin hätte als [X.] im Verletzungsverfahren vor Erhebung der Nichtigkeitsklage am 10. März 2009 den auf 1. April 2009 bestimmten Verkündungstermin des [X.] abwarten können, rechtfertigt auch dieser Vortrag keine abweichende Beurteilung. Zwar ist auch im Rahmen der nach § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 91a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung § 93 ZPO entsprechend anwendbar (vgl. hierzu [X.], 726, 727 – Luftverteiler; [X.], 138, 141 - [X.]ynamisches Mikrofon; B[X.]E 34, 93, 94; [X.], [X.], 10. Aufl. (2006), § 81 Rn. 37), wonach dem Kläger die Prozesskosten zur Last fallen, wenn der [X.] durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage keine Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt (vgl. [X.], 272, 276 - Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung; Busse/ [X.], [X.], 6. Aufl. (2003), § 84 Rdn. 18). Unabhängig davon, dass das hier maßgebliche Urteil erst am 24. Juni 2009 und nicht am 1. April 2009 verkündet worden ist und nicht ersichtlich ist, weshalb allein ein anstehender Termin zur Verkündung (irgendeiner) Entscheidung eine entsprechende Verhaltenspflicht auslösen soll, fehlt es vorliegend an dem von § 93 ZPO vorausgesetzten sofortigen Anerkenntnis der [X.]n, die noch mit [X.] vom 28. Juni 2010 ([X.]. 193) weiterhin die Abweisung der Klage beantragt hat und das Klagebegehren unter beschränkter Verteidigung des [X.]s als insoweit unbegründet zurückweist.

2. Hiernach entspricht es vorliegend unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands dem billigen Ermessen, der [X.]n die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da nach der gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage das [X.] auch in den nach Haupt- und Hilfsantrag beschränkten Fassungen mangels Patentfähigkeit keinen Bestand gehabt und nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ zur Nichtigerklärung des [X.]s geführt hätte.

a. Anwendungsvorrichtungen gemäß der Erfindung können zur Entseuchung von Massengütern, Gebäuden, Verpackungsmitteln und Transportmitteln verwendet werden, indem diese ein schädlingstötendes Gas freisetzen und in entsprechender Konzentration aufrechterhalten, vgl. Seite 15, Abs. 2 in [X.] 77 823  2 ([X.]).

Eine der zu begasenden Umgebung ausgesetzte Anwendungsvorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 soll - wie in der Patentschrift als allgemein bekannt vorausgesetzt (vgl. Seite 2, dritter Absatz) - einerseits die Einwirkung von [X.] auf ein in der Vorrichtung enthaltenes, hierbei ein schädlingsbekämpfendes Gas entwickelndes Mittel sowie ein Entweichen [X.] ermöglichen, andererseits das Mittel und dessen Rückstände in der Anwendungsvorrichtung zurückhalten sowie vor versehentlicher Berührung mit flüssigem Wasser schützen (vgl. Seite 11, zweiter Absatz). [X.]iese Funktionalität soll sich bei der erfindungsgemäßen Vorrichtung in vorteilhafter Weise einstellen, wenn der Behälter zumindest teilweise aus einem die geforderten Eigenschaften aufweisenden Material gebildet ist.

b. Mit dem Patentanspruch 1
b1. in der nach Hauptantrag verteidigten Fassung ist Schutz für einen Gegenstand beansprucht, der insgesamt folgende Merkmale aufweist:
[X.] Anwendungsvorrichtung
M2 zur langsamen Abgabe [X.] oder [X.]ampfes
M3 . aus einem hydrolysierbaren Metallphosphid eines in dieser
Vorrichtung enthaltenen Schädlingsbekämpfungsmittels
M4 . an eine Umgebung,
M5 wobei die Vorrichtung einen Behälter zum Aufbewahren des Schädlingsbekämpfungsmittels umfasst,
[X.] . der zumindest teilweise aus einem gas- und dampfdurchlässigen spinngebundenen Polyolefin-[X.] gebildet wird;
[X.] . das [X.] ist für druckloses flüssiges Wasser praktisch undurchlässig;
[X.] . das [X.] hat eine Wasserdampfdurchlässigkeit von 500 bis 750 g/m²/24h hat;
M9 für das handelsübliche [X.] Tyvek 1073 [X.] gilt eine Wasserdampfdurchlässigkeit von ca. 614 g/m²x24h.
b2. in der Hilfsantrag verteidigten Fassung ist Schutz für einen Gegenstand beansprucht, der insgesamt folgende Merkmale aufweist:
[X.]H Begasungsbeutel
M2 zur langsamen Abgabe [X.] oder [X.]ampfes
M3H . aus einem hydrolysierbaren Metallphosphid eines in diesem
Beutel enthaltenen Schädlingsbekämpfungsmittels
M4 . an eine Umgebung,
[X.]H . wobei der Beutel zum Aufbewahren des Schädlingsbekämpfungsmittels zumindest teilweise aus einem gas- und dampfdurchlässigen spinngebundenen Polyolefin-[X.] gebildet wird;
[X.] . das [X.] ist für druckloses flüssiges Wasser praktisch undurchlässig;
[X.] . das [X.] hat eine Wasserdampfdurchlässigkeit von 500 bis 750 g/m²/24h hat;
M9 für das handelsübliche [X.] Tyvek 1073 [X.] gilt eine Wasserdampfdurchlässigkeit von ca. 614 g/m²x24h;
[X.]0H . das gesamte [X.] an der Innenseite des Beutels ist mit einer thermoplastischen, stark porösen Heißsiegelverbindungsschicht beschichtet;
[X.]1H . . die Heißsiegelverbindungsschicht besitzt einen Schmelzpunkt bzw. Schmelzbereich, der um soviel unter dem der Polyolefinfasern liegt, dass konventionelles Verschweißen unter [X.]ruck und Hitze zu einer Schweißnaht führt, bevor die Fasern ihren Schmelzpunkt erreichen, so dass die physikalischen Eigenschaften der Polyolefinfasern im Wesentlichen erhalten bleiben;
[X.]2H . . die Feuchtigkeitsdurchlässigkeit der [X.] ist so hoch, dass das beschichtete [X.] die genannte Wasserdampfdurchlässigkeit besitzt, wobei die [X.]urchlässigkeit der [X.] vorzugsweise um Größenordnungen über der des [X.]s liegt.
c. Es kann dahinstehen, ob die nach Art. II § 6 Abs. 3 IntPatÜG mögliche beschränkte Verteidigung des [X.]s im [X.] hinsichtlich der jeweiligen Fassung der Ansprüche nach Haupt- und Hilfsantrag auf einer zulässigen Änderung beruht, insbesondere ob sich diese im Hinblick auf eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung (§ 123 Abs. 2 EPÜ) oder des Schutzbereichs (Art. 123 Abs. 3 EPÜ) oder das Erfordernis der Klarheit und knappen Anspruchsfassung (Art. 84 EPÜ) als zulässig erweisen (vgl. [X.], 709, [X.] 55 - Proxyserversystem; [X.] GRUR 2001, 571, [X.] 55). Auch kann dahinstehen, ob die Klägerin zu Recht die Ausführbarkeit der insoweit beanspruchten Patentgegenstände angreift. [X.]enn unter Berücksichtigung einer summarischen Prüfung des hier maßgeblichen Sach- und Streitstandes ergab sich für den hier maßgeblichen Fachmann im Zeitpunkt der Anmeldung des [X.]s die insoweit beanspruchte technische Lehre gemäß Haupt- und Hilfsantrag in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 56 EPÜ).
d. Zuständiger Fachmann ist ein Ingenieur (FH) der Fachrichtung Verpackungstechnik, der mit dem Aufbau des Behälters bzw. der Auswahl der Materialien in Anpassung an den Einsatzort und das Schädlingsbekämpfungsmittel, d. h. dessen Gebrauchseigenschaften, betraut ist.
e. Nach dem maßgeblichen Verständnis des Fachmanns hängt die hier als von der [X.] abhängig zu unterstellende Gasentwicklung über der Zeit je nach hydrolisierbarem, aktiven Bestandteil nicht nur von der Art des zur - auch lediglich teilweisen - Bildung des Beutels gelehrten Materials ab (Merkmal [X.]), sondern auch von der freien, den Zutritt feuchter Umgebungsluft überhaupt ermöglichenden Oberfläche des Behälters sowie von der Menge, Struktur und Verteilung des Mittels in dem Behälter. So ist in [X.] 77 823 T2 ([X.]) selbst darauf hingewiesen, dass die Ausgasungsgeschwindigkeit im umgekehrten Verhältnis zur gas- und feuchtigkeitsdurchlässigen Oberfläche steht, vgl. [X.], Seite 14, erster Absatz. [X.]urch die Angaben im Anspruch 1 ist jedenfalls der Anteil des dampfdurchlässigen [X.]s an der von den Wandungen eines Behälters insgesamt aufgespannten Oberfläche nicht näher bestimmt, der Anspruch schweigt sich über die Gestaltung des Behälters auch im Übrigen aus. Mithin umschreiben die Merkmale [X.] und [X.] wie auch der Merkmale [X.]0H und [X.]1H die am fertigen Behälter der Anwendungsvorrichtung (Anspruch 1 gemäß Hauptantrag) bzw. am Beutel (Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag) festzustellenden Eigenschaften eines spinngebundenen Polyolefin-[X.] in den Bereichen, in denen dieses entsprechend Merkmal [X.] als gas- und dampfdurchlässig im Sinne der Erfindung eingesetzt wird; diese Merkmale definieren jedoch nicht die [X.]ampfdurchlässigkeit des Behälters insgesamt.

Merkmal [X.]2

Mit dem Merkmal M9 ist lediglich die Ausführungsvariante eines Materials benannt, dass die Eigenschaften gemäß den Merkmalen [X.] und [X.] aufweisen soll, ohne dass die Lehre des Anspruchs 1 die Anwendung genau dieses Materials zwingend vorschreibt.

f. Zum Hauptantrag

Ausgangspunkt für die Überlegungen des Fachmanns bildet die [X.], die Beutel und somit Behälter zur Aufnahme eines gasentwickelnden Schädlingsbekämpfungsmittels (vgl. Spalte 1, Zeilen 3 bis 6 ) zeigt und beschreibt: [X.]er in Figur 5 gezeigte [X.] soll ebenfalls zumindest teilweise (vgl. Wortlaut Anspruch 1) aus gas- und wasserdampfdurchlässigen [X.] bestehen und mit dem unter dem Einfluss von Luftfeuchtigkeit ausgasungsfähigen Schädlingsbekämpfungsmittel - hierfür schlägt die [X.] u. a. [X.], also ein Metallphosphid vor - gefüllt sein, vgl. Spalte 2, Zeilen 16 bis 19, Spalte 11, Zeilen 3 bis 8 im Zusammenhang mit Spalte 8, Zeilen 30 bis 37 sowie Spalte 1, Zeilen 7 bis 13. Auch diese Beutel sollen für die Anwendung - nämlich eine Gasfreisetzung über „einige Tage“ hinweg aufgrund „langsamen“ Zerfalls, vgl. Spalte 1, Zeilen 24 bis 28 in Verbindung mit Spalte 11, Zeilen 18 bis 32 - ausgebildet sein. Für das herzunehmende [X.] schlägt die [X.] beispielhaft die Materialkomponenten Polypropylen und Polyäthylen vor, vgl. Spalte 2, Zeilen 45 bis 48 und 51 bis 56. Weil das Patent selbst durch Charakterisierung des für eine Ausführungsform des Polyolefin-[X.]s benannten Materials „Tyvek“ als aus Polyethylenfasern bestehend dem Fachmann das Grundlagenwissen unterstellt, dass es sich bei Polyäthylen um einen Kunststoff der Gruppe der [X.] handelt - vgl. in [X.] Seite 1, erster Absatz - kann dieses allgemeine Fachwissen auch für das Verständnis der [X.] unterstellt werden.

Weil die [X.] derartiges Fliesmaterial als Ersatz für Papierbeutel vorschlägt, das somit den gleichen genannten Anforderungen hinsichtlich „Festigkeit, Gasdurchlässigkeit und wasserabweisender Ausrüstung“ (vgl. Spalte 1, Zeilen 31 bis 34) genügen muss, durch das „zwar Gase noch ohne Weiteres durchtreten können, jedoch Stäube […] am [X.]urchgang gehindert werden“ (vgl. Spalte 4, Zeilen 20 bis 25), unterstellt der Fachmann dem dort als „gas- und wasserdampfdurchlässig“ sowie „wasserfrei“ bezeichneten Vliesstoff (vgl. Spalte 2, Zeilen 18 und 19) zwanglos eine Undurchlässigkeit für druckloses Wasser entsprechend Merkmal [X.], zumal die [X.] noch die Behandlung mit einem „hydrophobierenden Mittel“ vorschlägt, um das Beutelmaterial „besser wasserabstoßend zu machen“, vgl. Spalte 8, Zeilen 25 bis 29.

[X.]ie [X.] unterstellt bereits die allgemeine Verfügbarkeit derartiger Vliesstoffe - vgl. Spalte 2, Zeilen 45 bis 48 - auch in Form von Spinnfliesen, vgl. Spalte 4 Zeilen 50 bis 55, deren Art durch die in [X.] in Spalte 4 ab Zeile 56 ff. beschriebenen Herstellungsverfahren als spinngebundene [X.]ien charakterisiert ist.

Somit sind die Merkmale [X.] bis [X.] bereits aus [X.] bekannt, die den Fachmann anleitet, ein Beutelmaterial auch unter Berücksichtigung kommerziell erhältlicher, spinngebundener Polyolefin-[X.]ien auszuwählen, die den allgemeinen Anforderungen für die beabsichtigte Verwendung entsprechen.

Ein derartige Gebrauchseigenschaften aufweisendes Material beschreibt die [X.], die bestimmten Typen eines spinngebundenen Polythylen-[X.]s („spunbonded [X.] polyethylene“, vgl. erste Seite, linke Spalte, zweiter Absatz) neben einer größeren Luftdurchlässigkeit („greater air-permeability“, vgl. erste Seite, rechte Spalte unten) und somit Gasdurchlässigkeit auch eine Barriereeigenschaft gegen Schwallwasser („outer barrier against accidental splashes“, vgl. dritte Seite, linke Spalte, dritter Absatz im Abschnitt „[X.]“) ausdrücklich zuschreibt - so ist in den Tafeln 1 und 2 auch eine die Wasserundurchlässigkeit bezeichnende Kenngröße aufgeführt („[X.] Test AATCC“).

Bei der durch den Stand der Technik nach [X.] veranlassten, einfachen Auswahlentscheidung unter bekannten Materialien wird der Fachmann das in [X.] für vielfältige Anwendungen und als im Handel frei verfügbar beschriebene Polyolefin-[X.] „Tyvek“ (vgl. Kurzfassung Seite 1 oben rechts) in seine Überlegungen einbeziehen und eine Variante anwenden, die den Anforderungen der Merkmale [X.] und [X.] genügt. Bei Befolgung der durch [X.] vorgegebenen Lehre ergibt sich die vom Merkmal [X.] definierte Wasserdampfdurchlässigkeit als zwangsläufiges Ergebnis einer folgerichtigen Auswahl des in der Patentschrift selbst als „handelsüblich“ (Merkmal M9) zum Anmeldezeitpunkt bezeichneten [X.]s „Tyvek 1073 [X.]“. [X.]ie routinemäßige Vorgehensweise des Fachmanns schließt eine Überprüfung herstellerseitig verfügbarer [X.]okumentationen wie der von der [X.]n mit [X.] vom 28. Juni 2010 vorgelegten [X.] gemäß Anlage [X.]1 ein. Folgerichtig würde der Fachmann die Varianten mit ausgewiesener Wasserundurchlässigkeit berücksichtigen - die hierfür charakteristische Kenngröße „hydrostatic head“ bezeichnet den für eine [X.]urchdringung erforderlichen Wasserdruck. [X.]ie mit dem Merkmal [X.] geforderte Wasserdampfdurchlässigkeit ist hierbei eine inhärente Gebrauchseigenschaft des [X.]s, worauf die [X.] selbst mit [X.] vom 28. Juni 2010 mit Hinweis auf den Prüfbericht gemäß Anlage [X.] hingewiesen hat.

Somit ergibt sich die Merkmalskombination des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag als Ergebnis einer Befolgung der durch [X.] vorgeschlagenen Lehre.

g. Zum Hilfsantrag

Hinsichtlich der Merkmale [X.]

Für die in [X.] angesprochene Herstellung des Beutels durch Verschweißung des Beutelmaterials unter Wärmeeinwirkung (vgl. Spalte 2, Zeilen 3 bis 12) ist die Aufbringung einer zweiten Materialkomponente durch Besinterung mit einem weiteren Material vorgeschlagen, das einen niedrigeren Schmelzpunkt als das faserbildende Material des Beutels besitzt, vgl. dort Spalte 2, Zeilen 16 bis 33 in Verbindung mit Spalte 2, Zeile 63 bis Spalte 3, Zeile 5; somit kann eine Verschweißung bei Temperaturen erfolgen, die unter dem Schmelzpunkt des [X.]s liegen. [X.]as Material mit dem niedrigeren Schmelzpunkt, das nach einem Vorschlag in [X.] auch über den gesamten [X.] des [X.] aufgebracht werden soll, vgl. Spalte 3, Zeilen 25 bis 36, dient dabei somit der Bildung von Schweißnähten entsprechend Merkmal [X.]1

[X.]ie durch Besinterung erfolgte Beschichtung, bei der ein Pulver auf das Vlies auch im den [X.] umfassenden Bereich aufgebracht und thermisch fixiert wird - vgl. Spalte 3, Zeilen 6 bis 17, bildet hierbei per se eine stark poröse Heißsiegelverbindungsschicht entsprechend Merkmal [X.]0

Zur selektiven Verbesserung der Schweißnähte einerseits und wegen der einhergehenden Veränderung der Porengröße des [X.] andererseits schlägt die [X.] noch vor, im von den Schweißnähten umrahmten Bereich - also der für den Gasdurchtritt vorgesehen Beutelfläche - eine geringere Menge der zweiten Materialkomponente als im Schweißnahtbereich vorzusehen, vgl. Spalte 10, Zeilen 12 bis 21 im Zusammenhang mit Figur 1. [X.]er Fachmann wird bei Befolgung dieser Lehre der [X.] zur Herstellung eines Beutels aus mittels Beschichtung schweißbar hergerichtetem [X.] zwangsläufig die Zielvorstellung gemäß Merkmal [X.]2

Mithin ergibt sich auch die Merkmalskombination des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag bei Befolgung der durch [X.] vorgeschlagenen Lehre.

h. [X.]ie Unteransprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag weisen keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt auf. Ein solcher wurde von der [X.]n auch nicht geltend gemacht.

3. Nach alledem entspricht es dem billigen Ermessen, der [X.]n die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang aufzuerlegen.

[X.]

[X.]er für das vorliegende Patentnichtigkeitsverfahren gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 63 GKG festzusetzende und gemäß § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmende Streitwert für die Gerichtsgebühren entspricht dem wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des angegriffenen Patents für die restliche Laufzeit und ist nicht auf das von der Klägerin angesprochene wirtschaftliche Interesse der Parteien reduziert. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] und der Senate des [X.]s ist dafür im [X.] bei Erhebung der Klage zuzüglich des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich ([X.] 1957, 79; GRUR 2009, 1100 - [X.]ruckmaschinen-Temperierungssystem III; [X.] 2011, 757 - Nichtigkeitsstreitwert). Für das erloschene [X.] hält auch der Senat den von der Klägerin mit 250 000,00 € bezifferten und sich am Verletzungsverfahren orientierenden Streitwert mangels anderer Anhaltspunkte für angemessen. Einer Erhöhung im Hinblick auf das über das [X.] hinausgehende Allgemeininteresse (vgl. [X.] 2011, 757 - Nichtigkeitsstreitwert) bedarf es deshalb vorliegend nicht. Auch die [X.] hat dem angegebenen Streitwert nicht widersprochen.

Meta

1 Ni 5/09 (EU)

28.06.2011

Bundespatentgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: Ni

§ 91a ZPO § 93 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.06.2011, Az. 1 Ni 5/09 (EU) (REWIS RS 2011, 5383)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5383

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