Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.04.2015, Az. 27 W (pat) 74/14

27. Senat | REWIS RS 2015, 12853

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "BLÄTTERPDF" – keine Unterscheidungskraft – zur Kostenauferlegung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 033 653 ([X.]/13 Lösch)

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 13. April 2015 durch [X.] [X.], den Richter [X.] und die Richterin Werner

beschlossen:

Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.   

1

Gegen die am 21. Juni 2011 angemeldete, am 26. August 2001 eingetragene und am 30. September 2011 für die Waren und Dienstleistungen der

2

[X.]: Computerprogramme [gespeichert]; Computerprogramme [herunterladbar]; Computersoftware [gespeichert]; elektronische Publikationen; Interfaces (Schnittstellenprogramme für Computer); Mikroskope; elektronische Publikationen [herunterladbar]; Zeichentrickfilme,

3

[X.]: Kataloge; Broschüren; Prospekte; Bücher; Handbücher; Magazine und Zeitschriften; Zeitschriften (Magazine); Zeitungen; Toilettenpapier,

4

[X.]: Organisation und Veranstaltung von Symposien; Bücherverleih [Leihbücherei]; Verfassen von Texten, ausgenommen Werbetexte; Desktop-Publishing (Erstellen von Publikationen mit dem Computer); Herausgabe von [X.] in elektronischer Form, auch im [X.]; Herausgabe von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im [X.]; Onlinepublikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften; redaktionelle Betreuung von [X.]auftritten,

5

[X.]: Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (hosting); Zurverfügungstellung oder Vermietung von elektronischen Speicherplätzen (Webspace) im [X.]; Beratung bei der Gestaltung von Homepages und [X.]seiten; Konzeptionierung von Webseiten; Dienstleistungen von Ingenieuren; Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen; Computersoftwareberatung; Design von Computersoftware; Dienstleistungen eines [X.]; EDV-Beratung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Erstellung von Computeranimationen; Hard- und Softwareberatung; Implementierung von EDV-Programmen in Netzwerken; Konvertieren von Computerprogrammen und Daten (ausgenommen physische Veränderung); Pflege und Installation von Software; technisches Projektmanagement im EDV-Bereich; Vermietung von Computersoftware; Wartung von Computersoftware,

6

Klasse 45: Lizenzieren von Computersoftware (juristische Dienstleistungen); Lizenzierung von Software

7

30 2011 033 653.9

8

BLÄTTER[X.]

9

hat die Antragstellerin mit Eingang am 13. November 2013 einen Antrag auf Löschung wegen bestehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 [X.] gestellt.

Der Markeninhaber hat dem an ihn am 17. Dezember 2013 versendeten Löschungsantrag mit Schriftsatz vom 12. Februar 2014 widersprochen.

[X.] [X.] hat mit Beschluss vom 10. Juli 2014 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für alle Waren und Dienstleistungen bis auf die Waren der

[X.]: Mikroskope; Zeichentrickfilme und

[X.]: Toilettenpapier,

wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] angeordnet und den weitergehenden Löschungsantrag zurückgewiesen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die eingetragene Marke „[X.]“ habe schon im Zeitpunkt der Anmeldung für die nun gelöschten Waren und Dienstleistungen nicht die Anforderungen an die Unterscheidungskraft erfüllt. Das Schutzhindernis bestehe auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag fort.

Das angegriffene Zeichen setze sich ohne weiteres erkennbar aus „[X.]“ und „[X.]“ zusammen.

„[X.]“ könne im [X.] den Plural von „Blatt“ bezeichnen oder auch auf den Wortstamm des Verbs „blättern“ hinweisen.

Mit „[X.]“ (Portable Document Format) werde ein plattformunabhängiges Austauschformat der Firma [X.] für illustrierte Dokumente bezeichnet. Der freie „[X.]“ zum Lesen des [X.] sei mittlerweile auf … Arbeitsstationen installiert und durch [X.] 15930 normiert. Ziel des 1993 entwickelten Dateiformats sei es, ein Dateiformat für elektronische Dokumente zu schaffen, das diese unabhängig vom ursprünglichen Anwendungsprogramm, vom Betriebssystem oder von der Hardwareplattform originalgetreu weitergeben könne. Unternehmen würden ihre gedruckten Magazine, Kataloge und Prospekte seit vielen Jahren auch in elektronischer Form als [X.] ins [X.] stellen. Spezielle Software unterschiedlichster Anbieter könne ein [X.] dabei so umwandeln, dass der Betrachter die Seiten des elektronischen Katalogs, Magazins oder Prospekts durch einen Mausklick „umblättern“ könne. Der Übergang von einer Seite des Dokuments zur nächsten werde dabei so „animiert“, dass es auf dem Bildschirm aussehe, als würde die Seite „geblättert“. Dieser Effekt werde auch „Blätter(n)effekt“ genannt.

Vor diesem Hintergrund könne das angegriffene Zeichen „[X.]“ zum einen ein [X.] bezeichnen, dessen Dateninhalt aus Blättern bestehe (z. [X.], politische Blätter u. a.) oder sich mit Blättern beschäftige. Naheliegend sei ein Verständnis, dass das [X.] mit der oben beschriebenen Software versehen sei, die beim Übergang von einer Seite zur nächsten einen realistischen Blättereffekt erzeuge, so dass der Betrachter wie in einer Printausgabe darin von Seite zu Seite blättern könne. Der Ausdruck „Blättern“ sei für das sich nacheinander Anzeigenlassen von Daten einer Datei seit langem üblich. Bereits vor der Anmeldung der angegriffenen Marke, d. h. vor dem 21. Juni 2011, hätte zahlreiche [X.]magazine und Blogs unter Stichworten wie „[X.]-Blätterfunktion“ oder „Blättern in [X.]“ über blätterbare [X.] umfangreich berichtet und diskutiert.

Das hier angesprochene allgemeine Publikum, Fachkreise sowie Personen mit spezifischem Interesse für Software, Präsentationen und Publikationen, online und im [X.], habe dem angegriffenen Zeichen bereits im Zeitpunkt der Anmeldung in Bezug auf die gelöschten Waren und Dienstleistungen einen lediglich sachbezogenen Begriffsinhalt dahingehend entnommen, dass diese ein blätterbares [X.] zum Gegenstand haben bzw. sich auf ein solches beziehen könnten. Und auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag tue es dies noch.

So könne es sich bei den Waren der [X.] um solche handeln, die eine Umwandlung in ein blätterbares [X.] ermöglichten bzw. in Form von blätterbaren [X.]s angeboten würden. Die Waren der [X.] könnten sich inhaltlich mit blätterbaren [X.]s beschäftigen oder auch als solche erhältlich sein. Die Dienstleistungen der [X.] könnten sich inhaltlich mit dem Erstellen von blätterbaren [X.]s beschäftigen oder blätterbare [X.]s (E-Books) zum Gegenstand haben oder den Inhalt der Texte beschreiben oder auf das Format der Texte und deren Art der Erstellung hinweisen. Zu den Dienstleistungen der [X.] stehe die angegriffene Marke zumindest in engem beschreibenden Bezug, da das Erstellen blätterbarer [X.]s Teil der Dienstleistung sein könne oder die Dienstleistung das Erstellung blätterbarer [X.]s ermöglichen könne.

Für die Waren der [X.] „Mikroskope; Zeichentrickfilme“ und 16 „Toilettenpapier“ ergebe sich indessen kein ohne Weiteres erkennbarer Sinngehalt für „[X.]“, so dass insoweit von der Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke auszugehen sei.

Eine Kostenauferlegung zu Lasten des Markeninhabers sei nicht veranlasst.

Er hätte zwar Kenntnis von der Zurückweisung der zuvor angemeldeten und durchaus vergleichbaren Marke [X.]. 30 2010 000 070.8 „[X.]“ gehabt. Bei diesem Markenwort handle es sich jedoch weder um einen Fachbegriff noch um ein üblicherweise im geschäftlichen Verkehr beschreibend verwendetes Zeichen, sondern um eine Wortneubildung, deren Beurteilung als nicht schutzfähiges Zeichen - unabhängig von der Entscheidung des Prüfers - hier nicht als zweifelsfrei erkennbar angesehen werden könne.

Der Beschluss ist dem Markeninhaber am 21. Juli 2014 zugestellt worden.

Dagegen wendet er sich mit seiner Beschwerde vom 13. August 2014.

Er ist der Ansicht, die von der Antragstellerin eingebrachten und vom [X.] Patent- und Markenamt ermittelten Tatsachen böten keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein beschreibendes Begriffsverständnis von „[X.]“ im Anmeldezeitpunkt. [X.] der von der Antragstellerin vorgelegten Beweismittel datiere vor dem Zeitpunkt der Anmeldung. [X.] erlaube daher Rückschlüsse auf [X.] vor dem Anmeldezeitpunkt. Die von der Markenabteilung ermittelten Dokumente seien nicht oder nach dem Anmeldezeitpunkt datiert. Die wenigen Dokumente vor dem Anmeldezeitpunkt sprächen allgemein von [X.], [X.], "[X.]-Blätterfunktion", "Blättern in [X.]" oder „Umblättereffekt“.

Das angegriffene Zeichen sei nicht dem [X.] Sprachgebrauch zuzurechnen und könne nicht lexikalisch nachgewiesen werden. Aus Sicht der maßgeblichen inländischen Kreise habe das Zeichen auch im Kontext der Wortfamilie „blättern / Blatt / blätterbar“ keinen objektiven Sinngehalt.

„Blätter“ sei der Plural des Wortes Blatt. Mit dem Substantiv Blatt werde immer etwas Physisches, in der Regel ein Blatt Papier, bezeichnet. Eine [X.]-Datei sei etwas Elektronisches mit verschiedenen Seiten, die nicht als Blätter sondern eben als Seiten bezeichnet würden. Insofern widerspreche die Bedeutung des ersten Bestandteils „[X.]“ dem des zweiten „[X.]“.

Das Verb „blättern“ habe zudem den Buchstaben „N“ am Ende, der in dem angegriffenen Zeichen nicht auftauche. Es könne sich um den Imperativ handeln, der allerdings immer einen Artikel erfordere. „[X.]" verkörpere insofern weder eine orthographisch und grammatikalisch korrekte Wortbildung, noch sei eine tatsächliche Verwendung als sachbezogene Angabe erkennbar. Soweit die Antragstellerin und die Markenabteilung Wortbedeutungen des Zeichens in Bezug nähmen, in denen "[X.]" als erster Bestandteil eines mehrteiligen Zeichens und „[X.]“ einen bestimmten Dateityp anzeige, unterliege bereits das angenommene Verständnis dieser Komponenten Bedenken.

Die für die Marke eingetragenen Waren, wie beispielsweise „Computerprogramme“, unterlägen keiner gegenständlichen Einschränkung. Diese Waren seien namentlich nicht auf solche Computerprogramme reduziert, die das Lesen von elektronischen Dateien ermöglichten. Die beanspruchten Computerproramme in diesem Sinn umfassten daher beispielsweise Computerprogramme zur Steuerung von Robotern oder zur Spracherkennung.

Jedenfalls führe der Widerspruch zwischen gedruckten Büchern, die man physisch blättern könne, und elektronischen Dateien in sich allein schon zu einem gewissen Fantasiegehalt von „[X.]“, der einem Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen entgegenstehe.

Für das angemeldete Zeichen ergäben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es insoweit als konkrete Angabe über Eigenschaften oder die Bestimmung dieser Waren und Dienstleistungen dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müsste.

Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 10. Juli 2014 aufzuheben, soweit die Löschung der Marke angeordnet worden ist, und den Löschungsantrag insgesamt zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt unter Bezugnahme auf ihre Ausführen vor dem [X.] Patent- und Markenamt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Begriff „[X.]“ sei aus der einfachen Bezeichnung der Funktion entstanden.

Zunächst sei „klicken" oder „scrollen“ möglich gewesen, dann auch „blättern" und mittlerweile auch „wischen". Ein [X.], welches sich wie ein Buch Seite für Seite blättern ließe, sei ein Blätter-[X.] oder [X.] oder BLAETTER[X.]. Der Begriff sei auch grammatikalisch zutreffend gebildet, wie etwa auch ein Lappen zum Wischen ein Wischlappen und nicht Wischenlappen, ein Besteck zum Essen Essbesteck und nicht Essenbesteck, [X.] zum Lesen eine Leselupe und nicht Lesenlupe und eine Hilfe fürs Einparken eine Einparkhilfe und nicht [X.] sei.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Auch nach Auffassung des Senats war und ist die Eintragung der angemeldeten Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ausgeschlossen.

1.

Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 69 [X.]; die Parteien hatten ausreichend Gelegenheit, Stellung zu nehmen und der Markeninhaber hat seinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

2.

Die Beschwerde des Markeninhabers ist zulässig, soweit sie sich gegen die Löschung der Marke richtet, § 66 Abs. 1 [X.].

Der Markeninhaber hatte dem Löschungsantrag (wirksam) widersprochen, so dass das Löschungsverfahren durchzuführen war (§ 54 Abs. 2 Satz 3 [X.]).

3.

Die Markenabteilung hat die Löschung der angegriffenen Marke zu Recht und mit zutreffender Begründung §§ 54, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für die im dortigen Tenor genannten Waren und Dienstleistungen angeordnet.

Sowohl im Anmeldezeitpunkt im Jahre 2011 als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag im Juli 2014 fehlte bzw. fehlt dem Markenwort heute noch für die beanspruchten und im Beschwerdeverfahren (noch) gegenständlichen Waren und Dienstleistungen das für eine Eintragung notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a)

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen und auf entsprechenden Antrag nach §§ 54, 50 Abs. 1 [X.] zu löschen, wenn ihnen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen ([X.], Beschluss v. 01.07.2010 – [X.], [X.], 935 Rn. 8 – [X.]; [X.], Urteil v. 08.05.2008 – [X.]/06 P, [X.], 608, 611 Rn. 66 f. – [X.]). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.], Beschluss v. 22.01.2009 – [X.], [X.], 949 Rn. 10 - My World; [X.], Urteil v. 12.01.2006 – [X.]/04 P, [X.], 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], Beschluss v. 15.01.2009 – [X.], [X.], 411 Rn. 8 - STREETBALL).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und / oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] Urteil v. 09.03.2006 – C-421/04, [X.], 411, 412 Rn. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 8 – [X.]).

Ebenso ist zu berücksichtigen, dass das Publikum ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.], Beschluss v. 01.03.2001 – [X.], [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.], Urteil v. 12.02.2004 – [X.]/01; [X.], 428, 431 Rn. 53 - Henkel).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Kreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.], Beschluss v. 22.01.2009 – [X.], [X.], 952, 953 Rn. 10 - [X.]; [X.], Urteil v. 12.02.2004 – [X.]/99, [X.], 674, 678 Rn. 86 – Postkantoor) oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.], Beschluss v. 28.08.2003 – [X.], [X.], 1050, 1051 - [X.]). Darüber hinaus fehlt Unterscheidungskraft auch jenen Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], Beschluss v. 24.06.2010 – [X.], [X.], 1100, 1102 Rn. 23 – TOOOR!).

b)

Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügt die angegriffene Marke nicht - weder im Zeitpunkt der Anmeldung noch bei Entscheidung über den Löschungsantrag -, da sie eine Sachaussage beinhaltet, die sich in der Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen erschöpft.

Das Markenwort war und ist erkennbar aus den Wörtern „[X.]“ und „[X.]“ zusammengesetzt und sprachüblich gebildet.

Als Plural des Wortes „Blatt“ beschreibt „Blätter“ flächige, meist durch Chlorophyll grün gefärbte Teile von Pflanzen. Wortzusammensetzungen mit dem vorangestellten Wort „Blätter“ und einem weiteren Substantiv sind üblich, wie etwa [X.], [X.], Blätterschmuck, Blätterteig, Blätterwerk etc. Das Verb „blättern“ hat die primäre Bedeutung, in einem Buch o. Ä. die Seiten umzublättern. Im Computerbereich ist der Begriff „blättern“ für das sich nacheinander Anzeigenlassen von Daten einer Datei seit langem üblich (vgl. [X.], Lexikon der Computer Fachbegriffe, 1991; [X.], Computerlexikon – Fachbegriffe schlüssig erklärt, 2003; [X.], 8. Aufl. 2005).

„[X.]“ ist die Abkürzung für „portable document format“ (deutsch: (trans)portables Dokumentenformat), das das Unternehmen [X.] Systems entwickelt und 1993 veröffentlicht hat. Es ist ein plattformunabhängiges Dateiformat für elektronische Dokumente wie Bilder, Grafiken oder Texte, das diese unabhängig vom ursprünglichen Anwendungsprogramm, vom Betriebssystem oder von der Hardwareplattform originalgetreu weiter- und wiedergeben kann. Es ist in der 2001 erschienen Normenserie der [X.] ([X.] 15930 für [X.]/X) standardisiert ([X.], [X.], 2009). Ein Leser einer [X.]-Datei soll das Dokument immer in der Form betrachten und ausdrucken können, die der Autor festgelegt hat. Die typischen Konvertierungsprobleme (wie veränderter Seitenumbruch oder falsche Schriftarten) beim Austausch eines Dokuments zwischen verschiedenen Programmen entfallen dadurch. [X.] ist mittlerweile weit verbreitet und wird von vielen elektronischen Zeitschriften ([X.]) genutzt. Es gibt auf dem Markt zahlreiche Softwareprodukte, die [X.]-Dateien erzeugen können ([X.], Hardware, Software, Multimedia, [X.], Telekommunikation, 2003).

„[X.]“ wies und weist weder eine ungewöhnliche Wortstruktur noch Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt der beiden [X.] wegführen könnten.

Der erkennbar aus den Wörtern „[X.]“ und „[X.]“ zusammengesetzte Begriff weist für die gelöschten Waren und Dienstleistungen einen lediglich sachbezogenen Begriffsinhalt dahingehend auf, dass diese ein blätterbares [X.] zum Gegenstand haben bzw. sich auf ein solches beziehen.

Ein merklicher und schutzbegründender Unterschied zwischen der beanspruchten Wortkombination und der bloßen Summe ihrer Bestandteile ([X.], Urteil v. 12.02.2004 – [X.]/00, [X.], 680 Rn. 39 ff. - [X.]), „Blätter“ und „pdf“, besteht nicht und bestand auch im Jahre 2011 nicht.

Wie bereits die Markenabteilung in der angegriffenen Entscheidung belegt hat, wurde deutlich vor Anmeldung der angegriffenen Marke im Jahr 2011 in zahlreichen [X.]magazinen und auf Blogs unter Stichworten wie „[X.]-Blätterfunktion“ oder „Blättern in [X.]“ über blätterbare [X.] berichtet und diskutiert.

Ein inländischer aufmerksamer Durchschnittsverbraucher, der den Begriff „[X.]“ im Jahre 2011 zum [X.] im Inland hörte, konnte ihn also ohne weiteres Nachdenken als Sachangabe im Sinne von „[X.] zum Blättern, aus Blättern, mit Blättern oder über Blätter“ verstehen.

Die Bezeichnung „[X.]“ ist - wie die Markenabteilung in dem angegriffenen Beschluss bereits eingehend ausgeführt hat und worauf zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen Bezug genommen wird - für alle strittigen Waren und Dienstleistungen eine Sachangabe. Sie weist das angesprochene allgemeine Publikum wie auch die Fachkreise darauf hin, dass die Waren und Dienstleistungen ein blätterbares [X.] zum Gegenstand haben bzw. sich auf ein solches beziehen.

Dies gilt entgegen der Annahme des Markeninhabers insbesondere für die beanspruchten Waren der Klassen 9 und 16. Gerade „Computerprogramme (gespeichert oder herunterladbar), Computersoftware (gespeichert) und Interfaces (Schnittstellenprogramme für Computer)“ können u. a. dazu dienen, [X.]s zu erstellen, anzuzeigen oder zu übermitteln. Diese Waren werden jedenfalls um die Dienstleistungen "Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen und technisches Projektmanagement im EDV-Bereich" ergänzt, da die Erstellung blätterbarer [X.]s Teil der Dienstleistung sein kann.

Elektronische Publikationen, Kataloge, Broschüren, Prospekte, Bücher, Handbücher, Magazine, Zeitschriften, Zeitschriften (Magazine) und Zeitungen können in Form von blätterbaren [X.]s angeboten werden, sich inhaltlich mit blätterbaren [X.]s beschäftigen oder auch als solche erhältlich sein. Diese Waren können als blätterbare [X.]s Gegenstand der „Herausgabe von [X.] in elektronischer Form, auch über das [X.]“ sein. Die weiteren Dienstleistungen der Klassen 41, insbesondere Symposien - damit jedenfalls ergänzend auch deren Organisation und Durchführung -, können sich inhaltlich mit dem Erstellen von blätterbaren [X.]s, etwa für museale Zwecke, bei digitalisierten alten Handschriften, beschäftigen. „Redaktionelle Betreuung von [X.]auftritten“ kann den Inhalt der Texte beschreiben oder auf das Format der Texte hinweisen, denen die Dienstleistung dient. „Lizenzierung von Software“ kann sich auf die Rechte für Software zur Erstellung oder Umwandlung blätterbarer [X.] beziehen.

Nach alledem war der Beschwerde des Markeninhabers der Erfolg zu versagen.

4.

Ob die streitgegenständliche Marke darüber hinaus für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen auch eine freihaltebedürftige Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist - wofür nach den obigen Ausführungen einiges spricht -, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

5.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen besteht kein Anlass.

Bei der von Amts wegen zu treffenden Kostenentscheidung können nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] einem Beteiligten die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.

Ein Billigkeitsgrund besteht, wenn besondere Umstände ein Abweichen von der als Regelfall vorgesehenen Kostenaufhebung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] rechtfertigen. Solche besonderen Umstände liegen vor, ein Beteiligter gegen seine prozessualen Sorgfaltspflichten verstoßen hat, indem er unter erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Erfolg versprechenden Umständen ein Verfahren anstrengt und dadurch dem [X.] vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. [X.], Beschluss v. 17.12.2013 – 27 W (pat) 40/12, juris Rn. 11 ff.; Beschluss v. 26.07.2005 – 27 W (pat) 182/04, [X.] 2006, 172, 175 - [X.]; Beschluss v. 14.07.1971 – 27 W (pat) 113/70, [X.]E 12, 238, 240 - Valsette/Garsette).

Ein Verstoß gegen die prozessualen Sorgfaltspflichten ist auch dann anzunehmen, wenn der Löschungsantrag ersichtlich begründet ist und der Antragsgegner dennoch an seiner schutzunfähigen Marke festhält und damit den Löschungsantrag provoziert ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 71 Rn. 15). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt und dass das Zeichen ursprünglich nach [X.] eingetragen wurde.

Der Markeninhaber hatte zwar Kenntnis von der Zurückweisung der (nahezu bis auf die unbeachtliche abweichende Schreibwiese in Kleinbuchstaben) identischen Wortmarke 30 2010 000 070.8 „blätterpdf“. Dieses Zeichen betraf auch bis auf die nicht der Beschwerde unterliegenden Waren (Mikroskope, Zeichentrickfilme und Toilettenpapier) und die darüber hinaus beanspruchten Dienstleitungen (Organisation und Veranstaltung von Symposien; Bücherverleih [Leihbücherei]; Verfassen von Texten, ausgenommen Werbetexte; Zurverfügungstellung oder Vermietung von elektronischen Speicherplätzen (Webspace) im [X.]) identische Waren und Dienstleistungen.

Hat ein Löschungsantrag Erfolg, sind dem Markeninhaber die Kosten des [X.] dennoch nicht in jedem Fall aufzuerlegen, zumal der Markeninhaber davon ausgehen durfte, dass die Eintragung nach Prüfung durch das [X.] haben würde (vgl. [X.], Urteil v. 19.01.2006 – [X.], [X.], 432 Rn. 25 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II); das muss sogar dann gelten, wenn der Inhaber des angegriffenen Zeichens mit anderen, entsprechenden Zeichen bereits im Eintragungsverfahren gescheitert ist. Hier muss dem Markeninhaber möglich sein, eine letztinstanzliche Klärung herbeizuführen ([X.] in: Kur / v. [X.] / [X.], BeckOK [X.], [X.] § 71 Rn. 27; [X.], Beschluss v. 12.11.2012 – 26 W (pat) 64/08, [X.] 2013, 10 – hop on hop off; Beschluss v. [X.] 02.10.1998 – 33 W (pat) 15/98, BeckRS 1998, 14598 – [X.] Nomen est Omen; Beschluss v. 16.11.1999 – 27 W (pat) 94/99, [X.], 809 (812) – [X.]; Beschluss v. 12.12.2000 – 24 W (pat) 232/98, [X.], 744 (748) – S. 100; Beschluss v. 15.02.2006 – 29 W (pat) 341/00, [X.], 1032 (1034) – [X.]; Beschluss v. 22.12.2009 – 25 W (pat) 224/03, BeckRS 2010, 414 – [X.]; Beschluss v. 22.12.2009 – 25 W (pat) 225/03, BeckRS 2010, 415 – [X.]; Beschluss v. 30.12.2009 – 25 W (pat) 76/05, BeckRS 2010, 597 – [X.]; Beschluss v. 29.04.2010 – 25 W (pat) 151/09, BeckRS 2010, 15357 – [X.]; Beschluss v. 21.08.2009 – 28 W (pat) 113/08, BeckRS 2009, 23959 – Petlas).

Es entspricht dem Recht auf gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG), auch bislang anerkannte Rechtsprechungsgrundsätze einer (erneuten) gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Selbst eine einheitliche entgegenstehende Entscheidungspraxis ([X.], Beschluss v. 10.08.2010 – 33 W (pat) 9/09, BeckRS 2010, 22361 – Igel plus; Beschluss v. 23.07.2013 – 27 W (pat) 109/11, BeckRS 2013, 14387 – XX; Beschluss v. 14.11.2013 – 27 W (pat) 6/13, BeckRS 2013, 21042 – Ferdinand-Tönnies) reicht dann nicht aus, Kosten wegen des Betreibens aussichtsloser Verfahren aufzuerlegen.

6.

Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 1 u. 2 [X.] besteht kein Anlass. Der Entscheidung liegt ein rechtlicher Maßstab zugrunde, der der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] entspricht. Da nicht von Entscheidungen anderer Senate des [X.] oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, ist die Rechtsbeschwerde auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Meta

27 W (pat) 74/14

13.04.2015

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.04.2015, Az. 27 W (pat) 74/14 (REWIS RS 2015, 12853)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12853

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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