Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.04.2018, Az. 9 BN 1/17

9. Senat | REWIS RS 2018, 10877

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Gegenstand

Straßenreinigungspflicht für mittelbare Anlieger; erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde


Gründe

1

Die zulässige [X.]eschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache und des [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

2

1. Grundsätzliche [X.]edeutung hat eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von [X.]edeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. August 2006 - 9 [X.] 9.06 - NVwZ 2006, 1290 Rn. 5 und vom 22. Januar 2014 - 9 [X.] 56.13 - juris Rn. 4).

3

a) Daran gemessen verleiht die Frage,

ob die Gesetzgebungskompetenz für die Übertragung der Gehwegreinigungspflicht bei Straßen mit einseitiger Gehwegbebauung auf Anlieger derjenigen Gehwegseite, die erst durch Überquerung des Straßenkörpers den zu reinigenden Gehweg erreichen können (mittelbare Anlieger), beim [X.]und liegt,

der Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung. Denn es ist in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt, dass der [X.]und auf der Grundlage seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für den Straßenverkehr nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG keine Regelungen getroffen hat, die landesrechtliche [X.]estimmungen über eine den Anliegern im Rahmen des Zumutbaren auferlegte Straßenreinigungspflicht nach Art. 72 Abs. 1 GG ausschließen ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. Juli 2015 - 9 [X.] 1.15 - NVwZ 2015, 1695 Rn. 4).

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Dazu hat das [X.]undesverwaltungsgericht in seinen [X.]eschlüssen vom 18. Juni 2015 - 9 [X.] 3.15 - ([X.]uchholz 407.5 Straßengesetze der Länder Nr. 8 Rn. 6 ff.) und vom 15. Juli 2015 - 9 [X.] 1.15 - (NVwZ 2015, 1695 Rn. 5) ausgeführt:

"Nach § 25 Abs. 1 [X.] muss, wer zu Fuß geht, die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gegangen werden. Für das Überqueren der Straße gilt, dass die Fahrbahn unter [X.]eachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten ist (§ 25 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Diese [X.]estimmungen richten sich an 'Fußgänger', also an Verkehrsteilnehmer, die sich zu Fuß von einem Ort an einen anderen bewegen.

Demgegenüber sind Personen, die sich zum Zweck der Straßenreinigung auf der Fahrbahn aufhalten, keine Fußgänger im Sinne des § 25 [X.] (a.[X.]/[X.], [X.] 2013, 546). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortsinn, sondern mittelbar auch aus der Sonderregelung des § 35 Abs. 6 Satz 1 und 4 [X.], wonach Personen, die unter anderem bei der Reinigung von Straßen eingesetzt sind, bei ihrer Arbeit außerhalb von Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung zu tragen haben. Diese [X.]estimmung setzt erkennbar voraus, dass die Fahrbahnen von Straßen zu [X.] betreten werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang überzeugend auf die Entstehungsgeschichte des geltenden § 35 Abs. 6 [X.] verwiesen. So hatte § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] vom 29. März 1956 ([X.]G[X.]l. I S. 271, 327) in der Fassung der Verordnung vom 7. Juli 1960 ([X.]G[X.]l. I S. 485) ausdrücklich vorgesehen, dass für Personen, die unter anderem bei der Reinigung der Straßen tätig sind, 'nicht die Vorschriften dieser Verordnung (gelten), soweit diese die [X.]enutzung der Straße durch Fußgänger beschränken'. Mit der Neuregelung in § 35 Abs. 6 [X.], die auf die Straßenverkehrsordnung vom 16. November 1970 ([X.]G[X.]l. I S. 1565) zurückgeht, war keine sachliche Änderung der früheren Rechtslage beabsichtigt. Vielmehr war aus Sicht des Verordnungsgebers für die Personen, die die dort genannten Arbeiten verrichten, schon wegen ihres [X.] klar, dass sie sich unabhängig von den für Fußgänger geltenden [X.]eschränkungen auch auf der Fahrbahn bewegen dürfen (s. amtl. [X.]egründung, Vk[X.]l. 1970, 797 <816 f.>).

Für das Ergebnis, dass Personen, die die Straße zu [X.] betreten, keine Fußgänger im Sinne des § 25 [X.] sind, kommt es entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde nicht entscheidend darauf an, ob sich das Gebot, auffällige Warnkleidung zu tragen (§ 35 Abs. 6 Satz 4 [X.]), auch an reinigungspflichtige Straßenanlieger oder nur an berufsmäßig tätige Personen richtet. Für die letztere Annahme mag der Wortlaut der Norm ('die hierbei eingesetzt sind') ebenso sprechen wie ihr systematischer Zusammenhang mit § 35 Abs. 6 Satz 1 [X.] ('Fahrzeuge, die dem [X.]au, der Unterhaltung oder Reinigung der Straßen und Anlagen im Straßenraum oder der Müllabfuhr dienen'; s. [X.], in: [X.]/[X.]/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 35 [X.] Rn. 14). Verstärkt wird dies durch die Überlegung, dass Anlieger - anders als berufsmäßige Reinigungskräfte - nicht nur nach der hier einschlägigen landesrechtlichen Regelung (§ 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.]bgStrG), sondern auch wegen des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes zur Reinigung von Fahrbahnen nur verpflichtet werden können, soweit und solange dies unter [X.]erücksichtigung der Verkehrsverhältnisse ohne eigene Gefährdung zumutbar ist.

Sollten Privatpersonen, die ihre satzungsrechtliche Kehrpflicht erfüllen, nicht in den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 6 [X.] fallen, unterliegen sie unbeschadet dessen nicht den für Fußgänger geltenden Einschränkungen des § 25 [X.]. Unter dieser Prämisse ist anzunehmen, dass das Straßenverkehrsrecht, welches im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des [X.]undes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG) die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs gewährleisten und auf ihn einwirkenden Gefahren begegnen will (s. zuletzt [X.]VerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 3 [X.] 6.13 - juris Rn. 27 m.w.N.), insoweit wegen der [X.]egrenzungen, denen die Straßenreinigungspflicht der Anlieger ohnehin unterworfen ist, keinen spezifischen Regelungsbedarf sieht."

5

Diese Ausführungen gelten ohne weiteres auch für mittelbare Anlieger, die der Straßenreinigungspflicht für einen jenseits der Straße gelegenen Gehweg unterliegen. Die [X.]esonderheit, dass sie den von ihnen zu reinigenden Gehweg mit Räum- oder Reinigungsgerät erst durch Überquerung der Fahrbahn erreichen können, löst keinen weitergehenden Regelungsbedarf aus.

6

b) Keine grundsätzliche [X.]edeutung hat die Rechtssache auch hinsichtlich der Frage, ob

die Übertragung der Straßenreinigungspflicht nebst Verkehrssicherungspflicht mit unbegrenzter Haftung auf Anlieger mit Art. 14 GG vereinbar ist, solange keine Regelung vorliegt, welche die [X.]elastung des Eigentümers über das Maß des nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG Zulässigen begrenzt.

7

Diese Frage hat sich dem [X.]erufungsgericht so nicht gestellt. Das Urteil enthält keine Ausführungen zur Vereinbarkeit der Übertragung der Straßenreinigungspflicht und der Verkehrssicherungspflicht ohne Haftungsbeschränkung mit dem Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 GG, sondern befasst sich nur mit deren Zumutbarkeit im Allgemeinen. Soweit der Antragsteller darin eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht sieht, kann dies die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache nicht begründen (vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.]uchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14).

8

Im Übrigen ist die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache auch nicht den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Die vom Antragsteller gestellte Frage betrifft die Vereinbarkeit der landesrechtlichen Straßenreinigungspflicht mit Art. 14 GG. Da sich die rechtsgrundsätzliche klärungsbedürftige Frage insoweit gerade im Hinblick auf das revisible Verfassungsrecht als Kontrollmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des Landesrechts stellen muss, wäre darzulegen gewesen, inwieweit Art. 14 GG als bundesverfassungsrechtliche Norm selbst ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft (vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 17. Januar 2000 - 6 [X.] 2.99 - NVwZ-RR 2000, 339 = juris Rn. 8 f.). Daran fehlt es. Denn der Antragsteller beschränkt sich darauf, die Maßstäbe aufzuzeigen, die sich seines Erachtens nach der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts aus Art. 14 GG ergeben. Einen insoweit bestehenden weiteren Klärungsbedarf legt er hingegen nicht dar.

9

c) Auch die Frage,

ob vorliegend die Übertragung der Straßenreinigungspflicht nebst Verkehrssicherungspflicht und der damit einhergehenden unbeschränkten persönlichen Haftung des [X.] verhältnismäßig und damit gerechtfertigt ist,

verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung. Es handelt sich in dieser Form schon nicht um eine fallübergreifende Frage. Denn nach ihrem Wortlaut ("vorliegend") bezieht sie sich allein auf die Verhältnismäßigkeit der Übertragung der Straßenreinigungspflicht auf die Anlieger durch § 1 Abs. 1 der Straßenreinigungssatzung der Antragsgegnerin ([X.]) und reicht damit nicht über den Einzelfall hinaus. Soweit die Frage darüber hinaus darauf abzielen sollte, ob die Übertragung der Straßenreinigungspflicht auf die Anlieger im Hinblick auf das damit verbundene Haftungsrisiko generell mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar ist, genügt die [X.]eschwerdebegründung nicht den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Die Darlegung der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache setzt eine Auseinandersetzung mit der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage voraus. Wird wie hier der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit einer Regelung erhoben, so genügt es zur Darlegung der grundsätzlichen [X.]edeutung nicht, auf das Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung zu dieser Frage hinzuweisen. Es sind vielmehr Gründe darzutun, aus denen sich die Möglichkeit von Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit ergibt. Soweit die Vorinstanz sich mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Streitstoffs die Erörterung aller Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die Zulassung der Revision rechtlich [X.]edeutung haben ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. März 1993 - 3 [X.] 105.92 - [X.]uchholz 310 § 133 VwGO Nr. 11 S. 13). Daran fehlt es hier.

Zwar beschränkt sich der Antragsteller nicht auf den Hinweis, eine höchstrichterliche Entscheidung sei nicht ersichtlich, sondern führt außerdem aus, die Übertragung der Straßenreinigungspflicht sei unverhältnismäßig, weil sie im Hinblick darauf zu einer unbegrenzten Haftung führen könne, dass Versicherungspolicen mit unbegrenzter Deckung nicht verfügbar seien. Auch bleibe der [X.] nach § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] selbst bei einer Einschaltung von [X.] gegenüber der [X.] verantwortlich. Das Oberverwaltungsgericht hat demgegenüber aber die Unverhältnismäßigkeit der Straßenreinigungspflicht der Anlieger wegen einer etwaigen unbegrenzten Haftung mit der [X.]egründung verneint, dass für eine Haftung ein vorwerfbarer Verstoß erforderlich sei und der Pflichtige es selbst in der Hand habe, eine Haftung zu vermeiden. Damit setzt sich die [X.]eschwerdebegründung nicht hinreichend auseinander. Hinsichtlich eigener Pflichtverletzungen des Anliegers äußert sie sich dazu nicht. In [X.]ezug auf Dritte behauptet sie lediglich eine verschuldensunabhängige Haftung, ohne auf die entgegengesetzte Auffassung des [X.] näher einzugehen.

Im Übrigen legt die [X.]eschwerdebegründung nicht dar, inwieweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als bundesverfassungsrechtlicher Kontrollmaßstab selbst rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen aufwirft.

d) Grundsätzliche [X.]edeutung hat die Rechtssache auch nicht im Hinblick auf die Fragen,

ob die Auferlegung der Straßenreinigungspflicht durch die ununterbrochene tägliche Schneeräumpflicht gemäß § 7 der Straßenreinigungssatzung zwischen 07.00 Uhr (sonn- und feiertags 09.00 Uhr) und 20.00 Uhr gegen das Übermaßverbot verstößt und

ob durch die Auferlegung der Straßenreinigungspflicht, insbesondere durch die ununterbrochene tägliche Schneeräumpflicht zwischen 07.00 Uhr (sonn- und feiertags 09.00 Uhr) und 20.00 Uhr in die EU-Grundfreiheit "Freizügigkeit der Arbeitnehmer" eingegriffen wird.

Denn diese Fragen waren für die Entscheidung des [X.] nicht von [X.]edeutung. Es hat sich mit ihnen nicht befasst, weil sie vom Antragsteller in der [X.]eschwerdebegründung erstmals aufgeworfen werden.

Die Zulassung der Revision hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit käme daher im Übrigen selbst dann nicht in [X.]etracht, wenn zu ihrer Klärung in einem Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] nach Art. 267 Satz 3 AEUV einzuholen wäre (vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 22. Oktober 1986 - 3 [X.] 43.86 - [X.]uchholz 310 § 132 VwGO Nr. 243 S. 25 f.).

e) Schließlich hat die Rechtssache auch in [X.]ezug auf die Frage keine grundsätzliche [X.]edeutung,

ob die Auferlegung einer Räumpflicht bei sogenannten Schrammbords mit dem Inhalt, dass [X.]egegnungsverkehr möglich sein muss, gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstößt.

Auch diese Frage hat sich dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt, weil der Antragsteller sie erst in der [X.]eschwerdebegründung aufgeworfen hat. Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass der in § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] erwähnte [X.]egegnungsverkehr nur dann durch die Räumung ermöglicht werden kann, wenn der Gehweg eine gewisse Mindestbreite aufweist, die [X.]egegnungsverkehr zulässt. Um dies klarzustellen, bedarf es nicht der Zulassung eines Revisionsverfahrens.

2. Die Revision ist auch nicht zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a) Der Antragsteller rügt zunächst, das Oberverwaltungsgericht habe seine Pflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Es habe nicht aufgeklärt, wie viele Straßen nur auf einer Straßenseite über einen Gehweg verfügten und wie viele Anlieger von den solche Straßen betreffenden Regelungen der Straßenreinigungssatzung betroffen seien, obwohl der Antragsteller die Richtigkeit des von der Antragsgegnerin vorgelegten [X.] substantiiert bestritten habe. Eine Klärung dieser Fragen sei geboten gewesen, weil zwei [X.]räte, die am [X.]eschluss der Straßenreinigungssatzung mitgewirkt hätten, Anlieger von Straßen mit nur einem Gehweg seien. Sie seien deshalb nach § 20 Abs. 1 [X.] von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen, es sei denn, der Satzungsbeschluss hätte nur die gemeinsamen Interessen der Anlieger als einer [X.]evölkerungsgruppe betroffen (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Dies könne nur beurteilt werden, wenn geklärt sei, wie viele Anlieger betroffen seien. Mit diesen Ausführungen ist ein Aufklärungsmangel aber nicht in einer den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.

Maßstab dafür, ob das Oberverwaltungsgericht seiner Aufklärungspflicht genügt hat, ist allein dessen Rechtsauffassung (stRspr; vgl. etwa [X.]VerwG, Urteil vom 24. Oktober 1984 - 6 [X.] 49.84 - [X.]VerwGE 70, 216 <221 f.>). Dass sich dem Oberverwaltungsgericht auf dieser Grundlage eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, ist dem [X.]eschwerdevorbringen aber trotz des Hinweises des Antragstellers auf seine wiederholten [X.] der Unrichtigkeit des von der Antragsgegnerin im vorinstanzlichen Verfahren vorgelegten [X.] nicht zu entnehmen.

Das Oberverwaltungsgericht begründet seine Auffassung, es handele sich bei den Anliegern der Straßen mit nur einseitigem Gehweg um eine [X.]evölkerungsgruppe mit gemeinsamen Interessen im Sinne von § 20 Abs. 2 Nr. 2 [X.], nicht nur mit der von der Antragstellerin vorgelegten Straßenübersicht und den von der (früheren) [X.]ürgermeisterin genannten [X.]. Es stützt sie - unter [X.]ezugnahme auf ein näher bezeichnetes Protokoll einer [X.]ratssitzung - vielmehr auch darauf, dass in der Öffentlichkeit ein [X.]edürfnis nach einer gerechten Verteilung der Straßenreinigungspflicht auf alle Anlieger geäußert worden sei. Durch die Neuregelung habe man auf diese Kritik reagieren wollen ([X.] 14).

Außerdem hält das Oberverwaltungsgericht eine ergänzende Erhebung zu den betroffenen Straßen und Anliegern aus einem weiteren Grund nicht für erforderlich. Es erscheine ausgeschlossen, dass sich die Gruppe der Anlieger an Straßen mit nur einem Gehweg auf eine verschwindend geringe Zahl vermindern könne, wenn ein Teil der in der Übersicht der [X.] erfassten Straßen unberücksichtigt bleibe. Dies folge aus dem [X.]harakter der übrigen Straßen, wie er sich aus der Übersicht ergebe ([X.] Rn. 20). Mit diesen beiden Argumenten setzt sich der Antragsteller nicht substantiiert auseinander.

b) Die Revision ist auch nicht wegen einer Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO zuzulassen.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs erfordert es, dass das entscheidende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht. Es verpflichtet das Gericht aber nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch zu folgen (stRspr; vgl. etwa [X.]VerfG, [X.] vom 10. November 2004 - 1 [X.]vR 179/03 - NVwZ 2005, 204 <205>; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. Februar 2008 - 5 [X.] 17.08 - juris Rn. 3). Diesen Anforderungen ist das Oberverwaltungsgericht gerecht geworden.

aa) Dies gilt zunächst, soweit der Antragsteller geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe weder zur Kenntnis genommen noch in Erwägung gezogen, dass er mehrfach substantiiert die Unrichtigkeit des von der Antragsgegnerin vorgelegten [X.] gerügt und die Straßen benannt habe, die darin zu Unrecht als Straßen mit nur einem Gehweg ausgewiesen seien.

Denn aus dem Vorstehenden (unter 2 a), folgt, dass sich das Oberverwaltungsgericht mit dem betreffenden Vorbringen näher befasst hat.

bb) Insbesondere den Vortrag des Antragstellers zu den als "Schrammborde" bezeichneten Straßenteilen hat das Oberverwaltungsgericht offensichtlich nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch ausdrücklich in Erwägung gezogen. Denn es hat sich mit der Frage befasst, ob es sich bei den Schrammborden um Gehwege im Sinne von § 3 Abs. 1 [X.] handelt, und begründet, warum unabhängig von der [X.]eantwortung dieser Frage von einer [X.]evölkerungsgruppe mit gemeinsamen Interessen auszugehen ist. Zudem gewähren Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines [X.]eteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen (vgl. etwa [X.]VerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 [X.]vR 1621/94 - [X.]VerfGE 96, 205 <216>). Demgemäß ist das rechtliche Gehör nicht verletzt, wenn wie hier eine von einem [X.]eteiligten aufgeworfene Frage nicht abschließend beantwortet wird, weil sie nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich ist.

cc) Soweit der Antragsteller darüber hinaus geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe das Vorbringen, das er bis zum ersten, vom [X.]undesverwaltungsgericht aufgehobenen Urteil in den Prozess eingeführt habe, nicht zur Kenntnis genommen, ist eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör nicht in einer den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.

Die [X.]eschwerdebegründung beschränkt sich auf den pauschalen Hinweis, das frühere Vorbringen des Antragstellers sei nicht berücksichtigt worden, legt aber nicht substantiiert dar, welcher Vortrag im Einzelnen nicht zur Kenntnis genommen worden sein soll.

Im Übrigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der [X.]eteiligten zur Kenntnis genommen hat. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der [X.]eteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist das Recht auf rechtliches Gehör verletzt ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 15. Januar 1969 - 2 [X.]vR 326/67 - [X.]VerfGE 25, 137 <140> und vom 25. März 1992 - 1 [X.]vR 1430/88 - [X.]VerfGE 85, 386 <404>). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Das Oberverwaltungsgericht hat sich die Ausführungen in dem vom [X.]undesverwaltungsgericht im [X.] wegen eines Verstoßes gegen die Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) aufgehobenen Urteil vom 21. März 2014, die es wörtlich wiedergegeben hat, ausdrücklich vollinhaltlich zu eigen gemacht und zur [X.]egründung seiner Entscheidung darauf verwiesen. Die Äußerung des [X.], das ergänzende Vorbringen des Antragstellers rechtfertige keine abweichende Rechtsauffassung, belegt nicht, dass das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung nur dieses ergänzende Vorbringen zugrunde gelegt, früheren Vortrag des Antragstellers aber außer [X.] gelassen hat. Die Übernahme offensichtlicher Schreibfehler ist Folge der wörtlichen Wiedergabe der in [X.]ezug genommenen Ausführungen, lässt aber nicht auf eine Nichtberücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers schließen.

c) [X.] ist die Revision schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, kraft dessen das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet.

Zwar kann insoweit ein Verfahrensmangel vorliegen, wenn die vom Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (stRspr; vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 13. Februar 2012 - 9 [X.] 77.11 - [X.]uchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 und vom 5. Juni 2014 - 4 [X.] 8.14 - juris Rn. 3). Ein solcher Verstoß wird aber nicht dargelegt.

Dies gilt zunächst, soweit die Verpflichtung zur Reinigung des Gehwegs nach den Ausführungen des [X.] gleichermaßen alle Grundstückseigentümer und dinglich [X.]erechtigten trifft, ohne dass zwischen einzelnen Personengruppen unterschieden wird ([X.] 14). Zwar trifft es zu, dass die Satzung zwischen Anliegern an Straßen mit beidseitigen Gehwegen oder mit einseitigem Gehweg unterscheidet, weil nach § 2 Abs. 4 [X.] die Anlieger an Straßen mit einseitigen Gehwegen nur in den geraden (Anlieger am Gehweg) oder ungeraden Kalenderwochen (Anlieger gegenüber dem Gehweg) zur Straßenreinigung verpflichtet sind. Dies ändert aber nichts daran, dass die Verpflichtung zur Reinigung des Gehwegs grundsätzlich alle Grundstückseigentümer und dinglich [X.]erechtigten von Grundstücken trifft, die durch Straßen mit Gehwegen erschlossen werden. Nur darauf bezieht sich die betreffende Passage im angefochtenen Urteil.

Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt auch nicht vor, soweit das Oberverwaltungsgericht ausführt, der Annahme einer [X.]evölkerungsgruppe mit gemeinsamen Interessen stehe nicht entgegen, dass im Vergleich zur Vorgängersatzung die direkten Anlieger eines Gehwegs entlastet und die Eigentümer und dinglich [X.]erechtigten der gegenüberliegenden Grundstücke erstmalig verpflichtet würden; es handele sich dabei um die inhaltliche Ausgestaltung einer einheitlichen Pflicht ([X.] 15). Zwar konnte bis zur Erstreckung der Gehwegreinigungspflicht auf die Anlieger der dem Gehweg gegenüber liegenden Straßenseite eine einheitliche Verpflichtung aller Anlieger einer nur einseitig mit einem Gehweg ausgestatteten Straße keine Rede sein. Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist es aber logisch nicht zu beanstanden, wenn das Oberverwaltungsgericht von einer solchen einheitlichen Verpflichtung zur Gehwegreinigung ausgeht, die insbesondere durch § 2 Abs. 4 [X.] näher ausgestaltet und auf die [X.] verteilt wird.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

9 BN 1/17

12.04.2018

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 15. September 2016, Az: 3 C 14/15, Urteil

§ 35 Abs 6 StVO 2013, § 20 Abs 2 Nr 2 GemO SN 2018, Art 74 Abs 1 Nr 22 GG, Art 72 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.04.2018, Az. 9 BN 1/17 (REWIS RS 2018, 10877)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10877


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 BN 1/17

Bundesverwaltungsgericht, 9 BN 1/17, 12.04.2018.


Az. 3 C 14/15

Bundesverwaltungsgericht, 3 C 14/15, 01.12.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 1621/94

1 BvR 1430/88

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