Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.03.2014, Az. 2 BvE 1/14

2. Senat | REWIS RS 2014, 7192

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Zurückweisung eines Antrags im Organstreitverfahren: Fristen für Einreichung von Wahlvorschlägen für die Europawahl sowie Zeitpunkt für Entscheidung über Zulässigkeit der Wahlvorschläge (§ 11 Abs 1 EuWG; § 14 Abs 1 S 1 EuWG) verfassungsrechtlich unbedenklich - keine Verletzung der Chancengleichheit (Art 21 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG)


Gründe

1

Das Organstreitverfahren betrifft die Frage, ob die Festsetzung des Termins für die Einreichung der Wahlvorschläge und des Termins für die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung der Wahlvorschläge für die [X.] die Antragstellerin in ihrem Recht auf Chancengleichheit bei Wahlen verletzt.

2

1. § 11 Abs. 1 [X.]gesetz ([X.]) in der Fassung durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des [X.]gesetzes vom 7. Oktober 2013 ([X.] 3749) bestimmt, dass Wahlvorschläge für die [X.] beim [X.] einzureichen sind, und legt hierfür eine Frist fest. Die Vorschrift lautet:

Listen für ein Land und gemeinsame Listen für alle Länder sind dem [X.] spätestens am dreiundachtzigsten Tage vor der Wahl bis 18 Uhr schriftlich einzureichen.

3

Wahlvorschläge können Parteien oder sonstige politische Vereinigungen nur unter Vorlage von Unterstützungsunterschriften einreichen. Für die Einreichung von Wahlvorschlägen ist in § 9 Abs. 5 [X.] dazu seit der Erstfassung aus dem [X.] bestimmt:

Listen für einzelne Länder von Parteien und sonstigen politischen Vereinigungen, die nicht im [X.], im [X.] oder einem [X.] seit deren letzter Wahl auf Grund eigener Wahlvorschläge im Wahlgebiet ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind, müssen außerdem von 1 vom Tausend der Wahlberechtigten des betreffenden [X.] bei der letzten Wahl zum [X.], jedoch höchstens 2000 Wahlberechtigten, persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Gemeinsame Listen für alle Länder von [X.] im Sinne des Satzes 1 müssen außerdem von 4000 Wahl-berechtigten persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Die Wahlberechtigung muss im [X.]punkt der Unterzeichnung gegeben sein und ist bei Einreichung des Wahlvorschlages nachzuweisen.

4

§ 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der Fassung durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des [X.]gesetzes vom 7. Oktober 2013 ([X.] 3749) bestimmt den Termin, an dem der [X.] über die Voraussetzungen für die Zulassung der Wahlvorschläge entscheidet. Die Vorschrift lautet:

Der [X.] entscheidet am zweiundsiebzigsten Tage vor der Wahl für alle Wahlorgane verbindlich über alle Voraussetzungen für die Zulassung der Listen für einzelne Länder und der gemeinsamen Listen für alle Länder.

5

2. Die Antragstellerin strebt die Teilnahme an der [X.] am 25. Mai 2014 an und hat hierfür einen Wahlvorschlag in Form einer gemeinsamen Liste für alle Länder eingereicht. Nach eigenen Angaben hat sie bis zum Ablauf der Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge am 83. Tag vor der Wahl lediglich etwa 2.350 Unterstützungsunterschriften sammeln und vorlegen können, womit ihr Wahlvorschlag wegen Nichterreichens des Unterschriftenquorums vom [X.] zurückzuweisen wäre (§ 14 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 [X.]).

6

Die Antragstellerin hält die in § 11 Abs. 1 [X.] bestimmte Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge sowie den in § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmten [X.]punkt für die Entscheidung über die Zulassung der Wahlvorschläge für unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG). Sie sieht sich durch das Erfordernis der Beibringung von 4.000 Unter-stützungsunterschriften (§ 9 Abs. 5 [X.]) erheblich benachteiligt gegenüber den in einem Parlament vertretenen Parteien, die von dem Unterschriftenquorum befreit seien. Der Antragsgegner habe durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des [X.]gesetzes die Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge ohne sachlichen Grund vom 66. bzw. 68. Tag vor der Wahl auf den 83. Tag vor der Wahl vorverlegt. Dies habe zu einer signifikanten Verringerung der Chancen der Antragstellerin geführt, die erforderlichen Unterstützungsunterschriften rechtzeitig nachzuweisen.

7

3. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt die Antragstellerin, ihr zu gestatten, die noch fehlenden Unterstützungsunterschriften bis spätestens am 68. Tag vor der Wahl, hilfsweise am 69. Tag vor der Wahl, einzureichen.

8

Der Antrag im Organstreitverfahren ist teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls offensichtlich unbegründet.

9

1. Soweit die Antragstellerin im Erfordernis einer bestimmten Unterschriftenzahl für Wahlvorschläge eine Benachteiligung nicht ausreichend in einem Parlament vertretener Parteien und politischer Vereinigungen sieht, ist ihr Antrag verfristet (§ 64 Abs. 3 [X.]). Die maßgebliche Bestimmung des § 9 Abs. 5 [X.] gehört seit jeher zum Bestand des [X.]rechts und ist durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des [X.]gesetzes nicht geändert worden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das [X.] wahlrechtliche Unterschriftenquoren in ständiger Rechtsprechung als sachlich gerechtfertigt angesehen hat, wenn und soweit sie dazu dienen, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken, dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und so indirekt der Gefahr der Stimmenzersplitterung vorzubeugen (vgl. [X.] 60, 162 <168>; 82, 353 <364>; 111, 289 <302>).

2. Die Bestimmung des Ablaufs der Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge in § 11 Abs. 1 [X.] und die Festlegung des [X.]punkts für die Entscheidung über die Zulassung der Wahlvorschläge in § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Sie überschreiten offensichtlich nicht den Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber bei der Regelung des Wahlverfahrens zukommt (vgl. [X.] 123, 39 <70 f.> m.w.N.).

Der Gesetzgeber hat sich bei der Zulassung von Wahlvorschlägen für die [X.] und der Kontrolle dieser Entscheidung durch das [X.] (§ 14 Abs. 4a [X.]) für ein Verfahren entschieden, das sich von dem Verfahren für die [X.] unterscheidet und deshalb teilweise zu anderen Fristen und Entscheidungszeitpunkten führt (vgl. BTDrucks 17/13705, [X.] ff.). Dass die für die [X.] geltenden Fristen Wahlbewerbern die Teilnahme an der Wahl praktisch unmöglich machen oder übermäßig - generell oder in Bezug auf die konkrete Vorbereitung der [X.] 2014 - erschweren könnten (vgl. [X.] 82, 353 <366>; 111, 289 <303>), ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich.

Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die [X.] von der Ausgabe der Vordrucke für die Unterschriftensammlung im Oktober 2013 bis zum Ablauf der Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge am 3. März 2014 (83. Tag vor der Wahl) nicht ausgereicht haben könnte, die erforderlichen Unterstützungsunterschriften einzuholen und nachzuweisen. Selbst wenn, wie die Antragstellerin meint, zu berücksichtigen sein sollte, dass in der Vorweihnachts- und Karnevalszeit die Unterschriftensammlung faktisch erschwert sei, hätte hierfür dennoch ausreichend [X.] zur Verfügung gestanden. Etwaige Verzögerungen bei der Bestätigung der Wahlberechtigung der Unterzeichner durch die [X.] führen - unabhängig davon, ob sie dem Antragsgegner zuzurechnen wären (vgl. [X.] 82, 353 <366>) - nicht dazu, dass die Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge zu kurz bemessen ist. Kann der Nachweis der Wahlberechtigung infolge von Umständen, die der [X.] nicht zu vertreten hat, nicht rechtzeitig vorgelegt werden, kann dieser Mangel im Zulassungsverfahren behoben werden (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt sich mit der Zurückweisung des Antrags im Organstreitverfahren.

Meta

2 BvE 1/14

12.03.2014

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvE

Art 3 Abs 1 GG, Art 21 Abs 1 GG, § 64 Abs 3 BVerfGG, § 11 Abs 1 EuWG vom 07.10.2013, § 14 Abs 1 S 1 EuWG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.03.2014, Az. 2 BvE 1/14 (REWIS RS 2014, 7192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7192 BVerfGE 135, 312-317 REWIS RS 2014, 7192

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