Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.06.2017, Az. B 5 R 376/16 B

5. Senat | REWIS RS 2017, 9904

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Recht auf Befragung des Sachverständigen im Rechtszug - grundsätzliche Bedeutung


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt [X.], A., zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 20.10.2016 hat das [X.] einen Anspruch der Klägerin auf Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den [X.] hinaus, hilfsweise zu einem späteren Zeitpunkt, abgelehnt.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim [X.] eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler.

3

Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt [X.], A., beantragt.

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

5

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

        

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] SGG),

        

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das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO [X.]) oder

        

-       

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO [X.]).

6

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 [X.] SGG nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 [X.] iVm § 169 SGG zu verwerfen.

7

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

8

Die Klägerin wird bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Sie hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen ([X.] (vgl § 162 SGG) gestellt. Die Formulierung einer Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ([X.], [X.] 2007, 261, 265; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.] Rd[X.]81). Es gehört nicht zu den Aufgaben des [X.], den Vortrag der Beschwerdeführerin daraufhin zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]6 S 48). Zusätzlich fehlt es an ausreichenden Ausführungen zur Klärungsfähigkeit. Insofern hätte der Kläger aufzeigen müssen, welchen Sachverhalt das [X.] für das [X.] bindend festgestellt hat (§ 163 SGG) und dass auf dieser Grundlage im angestrebten Revisionsverfahren notwendig über die mit der Beschwerde angesprochene Problematik entschieden werden muss.

9

Soweit die Klägerin dem [X.] vorwirft, es habe [X.] auf die Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. M. verzichtet, hat sie nicht ausreichend dargelegt, dass das [X.] Hinweispflichten aus § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 [X.] SGG verletzt habe. Denn die [X.]e sind nicht verpflichtet, auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken (vgl [X.] [X.] 1500 § 160 [X.]3) oder im Rahmen von Beweisanträgen sonstige Formulierungshilfen zu geben ([X.] in [X.]/ [X.], Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 8 Rd[X.]41). Hält das [X.] eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es keinen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung dagegen ab, so muss es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag hinwirken und damit helfen, eine Nichtzulassungsbeschwerde vorzubereiten (vgl [X.] [X.] 1500 § 160 [X.]3; [X.], [X.] 2007, 328, 331; [X.], aaO, § 8 Rd[X.]41; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.] Rd[X.]32). Vertraut der Kläger darauf und unterlässt deshalb - prozessordnungskonforme - Beweisanträge, so kann er später im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend machen, das [X.] habe nicht gesetzesgemäß gehandelt (vgl [X.]/[X.] aaO, [X.] Rd[X.]27).

Unabhängig davon hat die Klägerin auch nicht dargelegt, von den [X.] nach § 116 [X.] SGG, § 118 Abs 1 [X.] SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO Gebrauch gemacht zu haben. Neben der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, steht den Beteiligten gemäß § 116 [X.] SGG, § 118 Abs 1 [X.] SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten ([X.] vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94 - Juris Rd[X.]1; vgl auch [X.] vom 12.12.2006 - [X.] R 427/06 B - Juris Rd[X.]; [X.] vom 7.10.1997 - [X.] - Juris Rd[X.]0 - alle mwN). Dabei müssen die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen nicht formuliert werden. Es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen ([X.] [X.] 3-1750 § 411 [X.] S 4), zB auf Lücken oder Widersprüche hinzuweisen. Einwendungen in diesem Sinn sind dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen (vgl § 411 Abs 4 ZPO). Eine Form für die Befragung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sodass sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann. Da die Rüge der Verletzung des Rechts auf Befragung eines Sachverständigen letztlich eine Gehörsrüge darstellt, müssen zudem deren Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss der Beschwerdeführer alles getan haben, um eine Anhörung des Sachverständigen zu erreichen (vgl allgemein zu dieser Voraussetzung: [X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]2 [X.]5; vgl auch [X.]E 68, 205, 210 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 6). Dieser Obliegenheit ist ein Beteiligter jedenfalls dann nachgekommen, wenn er rechtzeitig den Antrag gestellt hat, einen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuhören und er schriftlich Fragen im oben dargelegten Sinne angekündigt hat, die objektiv sachdienlich sind; liegen diese Voraussetzungen vor, muss das Gericht dem Antrag folgen, soweit er aufrechterhalten bleibt (vgl [X.] [X.] 4-1500 § 62 [X.] RdNr 5). Anhaltspunkte, dass die Klägerin rechtzeitig einen Antrag auf Anhörung des Sachverständigen gestellt und sie objektiv-sachliche Fragen angekündigt hat, lassen sich ihrem Vortrag nicht entnehmen.

Soweit die Klägerin schließlich das Ergebnis der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 [X.] SGG) des [X.] als "nicht nachvollziehbar" angreift, kann eine Verfahrensrüge nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 SGG hierauf nicht gestützt werden. Auch die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.]). Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 SGG).

Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann dem Kläger für das Beschwerdeverfahren vor dem [X.] PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht gewährt werden (vgl § 73a Abs 1 [X.] SGG iVm § 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Meta

B 5 R 376/16 B

06.06.2017

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Würzburg, 13. Mai 2014, Az: S 4 R 718/13, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 4 S 1 SGG, § 162 SGG, § 169 SGG, § 103 SGG, § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 397 SGG, § 402 SGG, § 397 ZPO, § 402 ZPO, § 411 Abs 3 ZPO, § 411 Abs 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.06.2017, Az. B 5 R 376/16 B (REWIS RS 2017, 9904)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9904

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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