Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.09.2016, Az. B 10 LW 1/16 B

10. Senat | REWIS RS 2016, 5828

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Alterssicherung der Landwirte - Hofabgabe (weiterhin) geeignet für Strukturwandel in der Landwirtschaft - Verfassungsmäßigkeit - keine neuerlichen Bedenken aufgrund Gesetzentwurf vom 8.10.2015


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 1. Dezember 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Streitig ist die Gewährung einer Regelaltersrente ([X.]) nach § 11 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte [X.]) ohne Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft (§ 11 Abs 1 [X.], § 21 ALG).

2

Der 1947 geborene Kläger ist verheiratet und bewirtschaftete als Landwirt von August 1968 bis Dezember 1994 sowie aktuell seit dem [X.] ein landwirtschaftliches Unternehmen, welches die Mindestgröße im Sinne von § 1 Abs 5 ALG erreicht. Seit dem 1.12.2012 bezieht er eine Altersrente von der [X.]. Sein Antrag auf [X.] wurde von der [X.]eklagten mit [X.]escheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.7.2014 abgelehnt, weil der Kläger sein Unternehmen nicht abgegeben habe. Die anschließende Klage und [X.]erufung des [X.] sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des [X.] vom 27.1.2015; Urteil des L[X.] vom 1.12.2015).

3

Mit seiner am 10.2.2016 eingelegten [X.]eschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.], welches ihm am 25.1.2016 zugestellt wurde, und macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die [X.]egründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

5

Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche [X.]edeutung hat. In der [X.]eschwerdebegründung muss diese grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G). Hierzu ist zunächst anzugeben, welcher bestimmten Rechtfrage grundsätzliche [X.]edeutung beigemessen wird ([X.][X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1), denn die Zulassung der Revision erfolgt zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und nicht zur weiteren Entscheidung des [X.]. Die Rechtsfrage ist so klar zu formulieren, dass an ihr die weiteren Voraussetzungen für die begehrte Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G geprüft werden können ([X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.], Rd[X.]81). Des Weiteren ist es erforderlich auszuführen, inwiefern die Klärung dieser Rechtsfrage grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung hat (sogenannte [X.]reitenwirkung). Die Rechtsfrage darf sich nicht auf den Einzelfall in dem Sinne beschränken, ob das L[X.] nach unrichtigen rechtlichen Maßstäben entschieden habe ([X.][X.] [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.]/[X.], aaO, Rd[X.] 58).

6

Ferner hat der [X.]eschwerdeführer darzutun, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (vgl [X.][X.] [X.] 1500 § 160 [X.]; [X.][X.] [X.] 1500 § 160a [X.]3, 65), wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist (vgl [X.][X.] [X.] 1300 § 13 [X.]; [X.][X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.]), wenn sie so gut wie unbestritten ist (vgl [X.][X.] [X.] 1500 § 160 [X.]7), wenn sie praktisch außer Zweifel steht (vgl [X.][X.]E 40, 40 = [X.] 1500 § 160a [X.] 4) oder wenn sich für die Antwort in vorhandenen höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (vgl [X.][X.] [X.] 3-1500 § 146 [X.] 2; [X.][X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.] 8; [X.], die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, Rd[X.]13 ff; [X.]/[X.], aaO, Rd[X.] 66). Falls zu der Rechtsfrage schon Rechtsprechung eines obersten [X.]undesgerichts oder des [X.] vorliegt, kommt es darauf an, ob sie erneut klärungsbedürftig geworden ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn im neueren Schrifttum bislang noch nicht berücksichtigte Argumente angeführt oder sonst erhebliche Einwände vorgebracht werden (vgl [X.][X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] 21 S 38; [X.] 23 S 42; [X.][X.] [X.] 3-4100 § 111 [X.] [X.]; siehe auch [X.][X.] [X.] 3-2500 § 240 [X.]3 S 151 f, jeweils mwN). Eine Rechtsfrage kann auch dann wieder klärungsbedürftig werden, wenn sich im Geltungsbereich einer unveränderten gesetzlichen [X.]estimmung die tatsächlichen Verhältnisse grundlegend geändert haben (siehe [X.], aaO, Rd[X.]20). Das folgt auch daraus, dass nach der Rechtsprechung des [X.] eine ursprünglich verfassungsmäßige Norm wegen Veränderungen der maßgeblichen Umstände als verfassungswidrig beurteilt werden kann ([X.]E 59, 336, 357; [X.]E 97, 251, 293).

7

Schließlich ist zu begründen, inwiefern die Frage klärungsfähig, mithin rechtserheblich ist, dass also hierzu eine Entscheidung des [X.] zu erwarten ist ([X.][X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]; [X.][X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]6).

8

Der Kläger hat folgende auf die Verfassungsmäßigkeit der sogenannten [X.] als Anspruchsvoraussetzung für die [X.] (vgl § 11 Abs 1 [X.]) abzielende Frage als klärungsbedürftig bezeichnet:

        

"Sind die Vorschriften der § 11 i.V.m § 21 ALG mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 [X.] vereinbar? Ist der Gesetzgeber insofern seiner Verpflichtung, die [X.] auf ihre Geeignetheit zur Förderung des Strukturwandels in der Landwirtschaft hin zu überprüfen, nachgekommen? Kann die [X.] heute noch geeignet sein, das gesetzgeberische Ziel des Strukturwandels in der Landwirtschaft zu erreichen?"

        

9

Der Kläger will damit eine revisionsgerichtliche Prüfung und Entscheidung über die Frage erreichen, ob die Verpflichtung zur Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens nach § 11 Abs 1 [X.] und § 21 ALG - nach wie vor - eine wirksame Voraussetzung für den Anspruch auf [X.] ist oder ob sie wegen Verstoßes gegen die genannte Vorschrift des [X.] verfassungswidrig und damit unwirksam ist. Unter [X.]enennung umfangreicher Rechtsprechung des [X.][X.] sowie des [X.] hält er eine Klärungsbedürftigkeit für gegeben, weil die bereits in der Vergangenheit in Entscheidungen des erkennenden Senats beantworteten Fragen vor dem Hintergrund der zum 1.1.2016 erfolgten Gesetzesänderung und der neuerlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Mehl in den [X.] 18 (11) 453 und 18 (11) 455 vom 4.11.2015 auch im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des [X.][X.] erneut klärungsbedürftig geworden seien. Denn dadurch habe eine nachweislich weitere Aushöhlung der agrarstrukturellen Wirkung der [X.] stattgefunden. Denn statistisch seien lediglich noch 21 % der Landwirte voll und 15 % teilweise von den Auswirkungen der [X.] betroffen. Anhand der zitierten Rechtsprechung des [X.][X.] lasse sich die Frage der Geeignetheit der [X.] und die Einhaltung der damit korrespondierenden Überprüfungspflicht des Gesetzgebers und damit die Frage der Vereinbarkeit der [X.] mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 [X.] nicht beantworten.

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger jedoch insgesamt eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache nicht in der gesetzlich gebotenen Form dargelegt (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G). Er hat insbesondere nicht hinreichend beachtet, dass der Senat bereits mit [X.]eschluss vom 20.5.2014 ([X.] 10 LW 5/14 [X.]) wortwörtlich dieselbe Rechtsfrage auch unter Hinweis auf die [X.]eschlüsse vom [X.] (unter anderem - [X.] 10 LW 5/12 [X.] - und - [X.] 10 LW 7/12 [X.] - Juris) dergestalt entschieden hat, dass die Rechtsfragen, ob § 11 iVm § 21 ALG mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 [X.] vereinbar sind, ob der Gesetzgeber insoweit seiner Verpflichtung, die [X.] auf ihre Geeignetheit zur Förderung des Strukturwandels in der Landwirtschaft hin zu überprüfen, nachgekommen ist und ob die [X.] heute noch geeignet ist, dass gesetzgeberische Ziel des Strukturwandels in der Landwirtschaft zu erreichen, nicht (erneut) klärungsbedürftig geworden sind. Demgegenüber hat es der Kläger versäumt darzulegen, dass die nunmehr erneut wortwörtlich von ihm vorgebrachten Rechtsfragen vor dem Hintergrund des [X.] vom 20.5.2014 ([X.] 10 LW 5/14 [X.]) erneut klärungsbedürftig geworden sind. Sein bereits vor dem L[X.] gebrachter Hinweis auf die [X.]eratungen des Entwurfs eines [X.] der [X.] (vgl Gesetzesentwurf der [X.]undesregierung vom 8.10.2015, [X.]T-Drucks 18/6284) unter Hinweis auf die im Rahmen der [X.] eingeholte neuerliche Stellungnahme des Dr. Mehl vom 16.10.2015 (vgl Mehl, Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf, Ausschussdrucksache 18 <11> 453 vom 4.11.2015) enthalten keine neuerlichen Argumente für eine Unvereinbarkeit der [X.] mit Art 3 Abs 1 [X.]. Insoweit hätte es zunächst eine Auseinandersetzung des [X.] unter anderem mit der Entscheidung des [X.][X.] vom 2.12.2012 ([X.] 10 LW 2/11 R - [X.] 4-5868 § 12 [X.] Rd[X.] 50 ff) bedurft, wonach insbesondere das [X.] [X.] [LSV-NOG vom 12.4.2012 ([X.]G[X.]l I 579) und die darin durchgeführte Änderung des § 21 ALG mit Wirkung ab dem 19.4.2012 (Art 14 Abs 2 iVm Art 4 [X.] 5 LSV-NOG) mit Art 3 Abs 1 [X.] vereinbar ist. Auf der Grundlage dieser Gesetzesfassung ist die vorliegende Entscheidung des L[X.] ergangen, sodass es bereits an der Darlegung fehlt, weshalb die zum 1.1.2016 vermeintlich eingetretenen Gesetzesänderungen vorliegend von [X.]edeutung sein sollen. Entsprechend hat auch bereits das L[X.] in seiner angefochtenen Entscheidung auf Seite 7 des Urteils darauf hingewiesen, dass der vom Kläger vorgebrachte Gesetzesentwurf im Zeitpunkt der Urteilsfindung keine Gesetzeskraft erlangt habe.

Darüber hinaus fehlt es aber auch an der Darlegung, weshalb eine Verfassungsmäßigkeit der [X.] unter dem Gesichtspunkt einer angeblich verletzten [X.]eobachtungspflicht des Gesetzgebers nach den Ausführungen des Senats im [X.]eschluss vom 20.5.2014 ([X.] 10 LW 5/14 [X.]) erneut klärungsbedürftig geworden sein sollte. Dies gilt entsprechend den Ausführungen des Senats in erster Linie für die hier zugrunde liegende Rechtslage sowie im Übrigen auch für die zukünftige Rechtslage, da der Gesetzgeber durch seine [X.]eratung der Vorschrift der [X.] gerade das Gegenteil belegt hat (vgl [X.]eschlussempfehlung und [X.]ericht des [X.] zu dem Entwurf der [X.]undesregierung eines Gesetzes zur Änderung des 12. [X.]uches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften, [X.]T-Drucks 18/6674 vom 11.11.2015, [X.]). Die [X.]eschlussempfehlung enthält insbesondere den Hinweis, dass die [X.] wegen der nach wie vor für einige [X.]etriebe bestehenden Probleme "weiterentwickelt werden" soll (vgl [X.]T-Drucks aaO, [X.]). Im Übrigen fehlt es auch an Darlegungen des [X.] zur Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Mehl, der sich im Rahmen seiner öffentlichen Anhörung nach den vom Kläger bezeichneten [X.] nicht für eine Abschaffung der [X.] ausgesprochen hat. Gleiches gilt für die erneut vom Kläger aufgegriffene verfassungsrechtliche Relevanz eines möglichen Vollzugsdefizites, welches der Senat bereits in seinen [X.]eschlüssen vom [X.] (unter anderem - [X.] 10 LW 5/12 [X.] - und - [X.] 10 LW 7/12 [X.] - Juris) sowie im [X.]eschluss vom 20.5.2014 ([X.] 10 LW 5/14 [X.]) berücksichtigt hat. Neues Vorbringen ist insoweit nicht zu erkennen, eine tatsächlich im Vorbringen enthaltene Kritik an der Entscheidung des Gesetzgebers vermag an der Unzulässigkeit der Darlegungen nichts zu ändern.

Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 [X.]G).

Die [X.]eschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 10 LW 1/16 B

07.09.2016

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: LW

vorgehend SG Nürnberg, 27. Januar 2015, Az: S 16 LW 7/14, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 11 Abs 1 Nr 3 ALG, § 21 ALG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.09.2016, Az. B 10 LW 1/16 B (REWIS RS 2016, 5828)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5828

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