Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.09.2012, Az. B 5 R 82/12 B

5. Senat | REWIS RS 2012, 3469

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Rechtspflicht zur Anhörung eines Sachverständigen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 17. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 17.1.2012 hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum [X.] eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensmängel und eine grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist aber nur zuzulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G),

        

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das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO [X.]) oder

        

-       

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO [X.]).

        

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 [X.] [X.]G dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 [X.] iVm § 169 [X.]G zu verwerfen.

6

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 [X.] [X.]G) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.

7

Der Kläger trägt vor, er habe im [X.] (Schriftsatz vom [X.]) und auch im [X.]-Verfahren beantragt, die gerichtlichen Sachverständigen [X.] und Dr. med. [X.] zur mündlichen Erörterung der erstellten Gutachten zum Termin zu laden; dem seien weder das [X.] noch das [X.] gefolgt. Dies verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG), gleichzeitig sei das [X.] damit seiner Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 [X.]G) nicht nachgekommen.

8

Damit ist ein Verfahrensfehler indessen nicht schlüssig gerügt.

9

Soweit der Kläger die Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]G) geltend macht und dabei sinngemäß rügt, das [X.] habe es ermessensfehlerhaft unterlassen, das Erscheinen der Sachverständigen von Amts wegen anzuordnen, damit sie ihre schriftlichen Gutachten erläutern (§ 118 Abs 1 [X.] [X.]G iVm § 411 Abs 3 ZPO), muss sich diese Sachaufklärungsrüge gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G auf einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag beziehen, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch einen entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten worden ist und dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist ([X.] SozR 4-1500 § 116 [X.] Rd[X.]1). Einen derartigen Antrag, der notwendig die Bezeichnung von [X.] und Beweismittel erfordert, hat der Kläger schon seiner Art nach nicht bezeichnet.

Das Entschließungsermessen, das § 411 Abs 3 ZPO dem [X.] einräumt, wandelt sich in eine (revisible) Rechtspflicht ([X.] Urteil vom 18.6.1997 - [X.] - NJW-RR 1997, 1487 - Juris RdNr 5; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 118 Rd[X.]2c), den Sachverständigen mündlich ([X.] Urteil vom 11.7.2001 - [X.]/00 - NJW 2001, 3269 - Juris Rd[X.]5) oder schriftlich ([X.] SozR 3-1750 § 411 [X.] S 5 f mwN) anzuhören, wenn der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren sachdienliche Fragen zu einem im ersten Rechtszug eingeholten Gutachten angekündigt ([X.], NZ[X.]992, 50, 53) oder weiteren Aufklärungs- bzw Ermittlungsbedarf aufgezeigt hat ([X.], Beschluss vom [X.] - B 9 VJ 1/98 B - [X.]b 2000, 269 - Juris RdNr 5). Der Kläger hat schon nicht dargelegt, dass und ggf welche sachdienlichen Fragen er dem [X.] angekündigt hatte und bei welchen konkreten Punkten er noch weiteren Aufklärungs- und Erläuterungsbedarf gesehen hat. Der Hinweis, dass die Sachverständige [X.] im Gegensatz zum Sachverständigen Dr. med. [X.] die vorliegende schwerwiegende Schmerzerkrankung nicht ausreichend gewichte, reicht hierfür nicht aus.

Im Übrigen hat er auch nicht aufgezeigt, dass er den am [X.] gestellten und im Berufungsverfahren wiederholten Antrag im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] am 17.1.2012 noch aufrechterhalten hat. Er hat damit auch nicht schlüssig behauptet, selbst alles getan zu haben, sein Recht auf rechtliches Gehör im Berufungsverfahren durchzusetzen (vgl auch insofern [X.] [X.]b 2000, 269 - Juris Rd[X.]3).

Schließlich hat der Kläger auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl [X.] SozR 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN).

Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,

        

"inwieweit die Gerichte, um hinreichendes Gehör zu gewähren, diesem Antrag nachkommen müssen, zumal sich diese Frage in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann (vgl. nur [X.] Karlsruhe S 8 U 5233/09 Urteil vom 21.12.2011 Seite 14: 'Der Antrag, die Sachverständigen [X.], Dr. S. mündlich ergänzend zu befragen, war mangels Sachdienlichkeit abzulehnen') und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt".

Mit dieser Formulierung wird die Beschwerdebegründung schon dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Denn der Kläger hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 [X.]G) gestellt, die der Senat mit "Ja" oder "Nein" beantworten könnte (vgl Senatsbeschluss vom [X.] - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 Rd[X.]0; [X.] Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 [X.]/07 B - BeckRS 2009, 50073 [X.] sowie [X.], 52 RdNr 5 f). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ([X.], [X.]b 2007, 261, 265; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.], Rd[X.]81). Es gehört nicht zu den Aufgaben des [X.], den Vortrag daraufhin zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl [X.] SozR 3-1500 § 160a [X.]6 S 48).

Soweit der Kläger eigenständig das Ergebnis der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 [X.] [X.]G) des [X.] angreift, kann eine Verfahrensrüge nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G hierauf nicht gestützt werden. Auch die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit des Berufungsurteils kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden ([X.] SozR 1500 § 160a [X.]).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 5 R 82/12 B

04.09.2012

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Karlsruhe, 6. Oktober 2010, Az: S 6 R 3706/07

§ 411 Abs 3 ZPO, § 103 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 4 S 1 SGG, § 160a Abs 5 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 169 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.09.2012, Az. B 5 R 82/12 B (REWIS RS 2012, 3469)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3469

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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