Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.04.2018, Az. B 3 KR 46/17 B

3. Senat | REWIS RS 2018, 10843

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung eines Verfahrensmangels - Willkür


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 6. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 31 932,82 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil vom 6.7.2017 einen Anspruch der klagenden GmbH - die ein Sanitätshaus betreibt - gegen die beklagte Krankenkasse auf Schadensersatz aus einem (vorvertraglichen) Schuldverhältnis in Höhe der entgangenen Vergütungsforderung von insgesamt 31 932,82 Euro nebst Zinsen seit [X.] für die Versorgung von Versicherten mit [X.] mangels Verschulden der Beklagten nach § 276 BGB für die [X.] vom 1.1.2011 bis 30.8.2011 verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim [X.] eingelegt. Sie rügt Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 [X.] und 3 [X.]).

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe des [X.] und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht formgerecht aufgezeigt hat (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

5

Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel, dass das Urteil des [X.] auf Willkür beruhe. Aus diesem Grund sei sie in ihren Rechten aus Art 3 Abs 1 GG verletzt. Hierzu führt sie aus, dass das Berufungsgericht keine sachliche Begründung für seine Ansicht gegeben habe, dass § 276 Abs 2 BGB so auszulegen sei, dass eine Pflichtverletzung des Schuldners von diesem nicht zu vertreten sei, wenn er nicht willkürlich, sondern sachlich geleitet war. Die angegebenen [X.] stützten die Rechtsansicht des [X.] unter keinem denkbaren Gesichtspunkt. Insbesondere sei das Berufungsgericht nach Auswertung der Rechtsprechung des [X.] bewusst von dieser Rechtsprechung abgewichen ([X.], NJW 2014, 2717, Rd[X.]4 ff). Das Berufungsgericht habe keinen sachlichen Grund für die abweichende Auffassung von dieser Rechtsprechung benannt. Es habe sich auch nicht mit der Rechtsprechung des [X.] auseinandergesetzt. Das [X.] habe den aus "[X.], 76. A. 2017, § 276 Rn 22 ff" entnommenen Verweis auf den [X.] (NJW 1974, 1903) unzutreffend auf den zu entscheidenden Fall angewandt. Insofern habe das [X.] auch entgegen der Rechtsprechung des [X.] den Rechtssatz aufgestellt, "dass fahrlässiges Verhalten beim Rechtsirrtum des Schuldners ausscheidet, wenn er bei der Pflichtverletzung nicht willkürlich, sondern sachlich geleitet handelte". Daher sei die Begründung des [X.] nicht nachvollziehbar und auch objektiv willkürlich.

6

Zur Darlegung eines formgerechten [X.] hat die Klägerin eine Verletzung des Willkürverbots in Ausprägung des Anspruchs auf ein faires Verfahren (vgl dazu [X.] 86, 59, 62 f; [X.] vom 13.11.2007, NJW 2008, 570) iVm dem Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG (vgl [X.] 87, 273, 278 f) damit nicht hinreichend aufgezeigt. Denn Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine Entscheidung unzutreffend ist, sondern erst, wenn sie unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist, wenn die Rechtsanwendung nicht mehr verständlich ist und sich deswegen der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhe. Die Rechtslage muss daher in krasser Weise verkannt worden sein (vgl [X.] vom 11.8.1989 - 2 BU 56/89 - Juris Rd[X.]0 mwN zum Willkürverbot). Das ist aber nicht der Fall, wenn sich das Gericht - wie hier über mehrere Seiten - mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jeder sachlichen Begründung entbehrt (vgl [X.] NJW 2000, 2494). Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs hat die Klägerin willkürliches und gegen Art 3 Abs 1 GG relevantes Handeln des [X.] nicht hinreichend dargelegt.

7

Im [X.] ihrer Ausführungen rügt die Klägerin, dass das [X.] einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, der von der Rechtsprechung des [X.] abweiche. Eine [X.] ist aber schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 [X.] [X.] nur gegen die Abweichung von einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] möglich. Hingegen ist die Zulassung wegen Divergenz gegen eine Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofes des Bundes oder des [X.] nicht zulässig (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]1 mwN).

8

2. Die Klägerin hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinreichend dargelegt.

9

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.] nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl [X.] SozR 1500 § 160 [X.]7 und § 160a [X.], 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl [X.] SozR 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin für grundsätzlich bedeutsam die Frage,

        

"ob bei gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechender Anwendung des § 276 Abs. 2 BGB beim Rechtsirrtum des Schuldners Verschulden dann nicht vorliegt, wenn von ihm zwar mit einer abweichenden Meinung des Gerichtes zu rechnen ist, die pflichtwidrige Handlung aber nicht willkürlich, sondern sachlich geleitet war?"

Es ist bereits fraglich, ob es sich nicht um eine auf den Einzelfall der Klägerin zugeschnittene Frage handelt, der es von vornherein an einer über diesen Einzelfall hinausgehenden Breitenwirkung fehlt. Dies kann aber dahingestellt bleiben, weil es an ausreichendem Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Fragestellung fehlt. Dem steht nicht bereits entgegen, dass sich die Klägerin für die Klärungsbedürftigkeit auf höchstrichterliche Rechtsprechung des [X.] beruft. Sie hätte dann aber vortragen müssen, dass der [X.] die aufgeworfene Fragestellung entweder noch nicht entschieden habe oder dass neuer Klärungsbedarf auf der Basis bereits vorhandener Rechtsprechung des [X.] entstanden sei. Anstelle dessen hat die Klägerin aber selbst vorgetragen, dass die von ihr formulierte Frage nach der Rechtsprechung des [X.] hätte beantwortet werden können und dass das [X.] aus der insoweit relevanten Rechtsprechung des [X.] lediglich unzutreffende Folgerungen gezogen habe (s bereits oben 1.). Die vermeintliche Unrichtigkeit einer Entscheidung des [X.] eröffnet aber nicht die Revisionsinstanz (vgl [X.] SozR 1500 § 160a [X.]). Es bleibt im Übrigen auch unklar, ob die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre. Hierzu führt die Klägerin aus, dass das Berufungsgericht hätte prüfen müssen, ob nach den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls die Beklagte mit einer abweichenden Meinung in Bezug auf die Auflage des [X.] ernsthaft rechnen musste, was seinerzeit bereits die Zulassung der Revision indizierte. Die Beklagte sei damit bewusst das Risiko eines [X.] eingegangen. Aus diesen Darlegungen ergibt sich nicht klar und deutlich, dass das Revisionsgericht im Fall der Revisionszulassung die von der Klägerin aufgeworfene Frage in entscheidungserheblicher Weise einer Klärung zuführen müsste.

Auch soweit die Klägerin weitere Verfahrensfehler bemängelt, insbesondere, dass das [X.] in dem angefochtenen Berufungsurteil die Revision nicht zugelassen habe, liegt darin kein hinreichendes Aufzeigen eines Verfahrensfehlers. Denn wie bereits ausgeführt, ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsurteil auf einer klärungsbedürftigen und -fähigen abstrakten Rechtsfrage des [X.] beruht.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 S 1 [X.] iVm § 154 Abs 2 VwGO.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.] iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Meta

B 3 KR 46/17 B

12.04.2018

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG München, 18. November 2015, Az: S 3 KR 769/13

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.04.2018, Az. B 3 KR 46/17 B (REWIS RS 2018, 10843)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10843

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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