Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.08.2013, Az. B 12 R 52/12 B

12. Senat | REWIS RS 2013, 3262

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - Bezeichnung des Verfahrensmangels - nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts - "Abwesenheit" eines Richters während der mündlichen Verhandlung


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. Juni 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten (allein) darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Altenpflegehelfer als Beschäftigter bei der Klägerin ab dem 15.1.2004 versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung war, wie es die Beklagte aufgrund einer Betriebsprüfung festgestellt hat.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom [X.] ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 [X.] SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das [X.] darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des [X.] nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht ([X.]) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden ([X.] 3).

4

Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen.

5

1. Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom [X.] zunächst auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) und macht hierzu auf den Seiten 3 bis 9 ihrer Begründung ein vermeintliches Abweichen des [X.] von der Rechtsprechung anderer [X.]e (Urteil des Bayerischen [X.] vom 24.11.2009 - L 5 R 867/08 - und Urteil des [X.] Berlin-Brandenburg vom 2.11.2006 - [X.] 1097/05) geltend. Damit wird eine mögliche Divergenz schon deshalb nicht dargelegt, weil diese nach § 160 Abs 2 [X.] SGG nur in einem Abweichen des [X.]-Urteils von einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] bestehen kann. Rechtssätze dieser Gerichte, von denen das [X.] abgewichen sein könnte, hat die Klägerin nicht benannt und somit den aus § 160a Abs 2 [X.] iVm § 160 Abs 2 [X.] SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz nicht genügt.

6

2. Daneben beruft sich die Klägerin auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.] und 65; [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]6 mwN - stRspr; vgl auch [X.], 304 und [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 31).

7

Für grundsätzlich bedeutend hält die Klägerin die Frage,

        

"ob bzw. unter welchen Umständen im Einzelfall Pflegekräfte als Selbstständige angesehen werden können".

8

Es kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm formuliert hat. Denn jedenfalls legt sie die Klärungsbedürftigkeit der Frage - ihre Qualität als Rechtsfrage unterstellt - nicht in der gebotenen Weise dar. Hierfür hätte die Klägerin im Einzelnen auf die im angegriffenen Urteil teilweise zitierte umfangreiche Rechtsprechung des [X.] zur Frage der Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und (abhängiger) Beschäftigung (zB zuletzt [X.] [X.] 4-2400 § 28e [X.] 4 Rd[X.]7; [X.] [X.] 4-2400 § 7 [X.] 6 Rd[X.]4 mwN; siehe insbesondere auch [X.] [X.] 3-2400 § 7 [X.]9 S 69 f, [X.]3 [X.]1 f und [X.] 4 S 13, jeweils mwN; [X.]E 78, 34, 36 = [X.] 3-2940 § 2 [X.] 5 S 26 f mwN; speziell zur Frage, dass die Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin im Auftrag eines privaten [X.] - je nach den Umständen des Einzelfalls - grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann: [X.] Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125) eingehen und detailliert darlegen müssen, dass sich die von ihr umschriebene Fragestellung auf Grundlage der hierin entwickelten Rechtssätze nicht hinreichend sicher beantworten lässt. Bereits diese Rechtssätze herauszuarbeiten versäumt die Klägerin. Stattdessen beruft sie sich allein auf das vermeintliche Voneinanderabweichen der zur [X.] benannten [X.]-Urteile und eine "nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit" für Pflegekräfte und Pflegeeinrichtungen. Den og Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung genügt dies nicht.

9

3. Auch soweit die Klägerin gegen Ende der Begründungsschrift das Vorliegen des Zulassungsgrundes eines [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] 3 SGG) wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 202 SGG iVm § 547 [X.] ZPO) geltend macht, wird dies nicht den hierfür geltenden Anforderungen entsprechend dargelegt. Für die Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 [X.] SGG) müssen aber die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]4, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]4, 36). Speziell für die Darlegung eines [X.] wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des erkennenden Gerichts aufgrund von "Abwesenheit" eines [X.]s während der mündlichen Verhandlung sind konkrete Tatsachen vorzutragen, welche eine Wahrnehmung des [X.]s von den wesentlichen Vorgängen der Verhandlung ausschließen. Dabei sind der [X.]punkt, die Dauer und die Einzelheiten des Verhaltens des [X.]s genau anzugeben. Weiterhin hat die Besetzungsrüge darzulegen, was während dieser [X.] in der mündlichen Verhandlung geschehen ist und welche für die Entscheidung wichtigen Vorgänge der [X.] nicht hat erfassen können (zu Fällen des "schlafenden [X.]s" vgl BVerwG Beschluss vom 17.12.2003 - 4 BN 54/03 - NVwZ-RR 2004, 325 = [X.] 406.11 § 165 BauGB [X.]3; BVerwG Beschluss vom 13.6.2001 - 5 B 105.00 - NJW 2001, 2898 = [X.] 310 § 138 Ziff 1 VwGO [X.] 38 mwN; vgl [X.], [X.], 2. Aufl, Rd[X.] 515). Daher hätte die Klägerin jedenfalls die Dauer der Abwesenheit des ehrenamtlichen [X.]s, den Inhalt der während dieser [X.] vom Beigeladenen zu 1. abgegebenen Erklärungen sowie deren Bedeutung für die Urteilsfindung des [X.] darlegen müssen. Zudem hätte die Klägerin mit Rücksicht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach ein Besetzungsmangel durch Wiederholen der wesentlichen Teile der mündlichen Verhandlung behoben werden kann (BVerwG Beschluss vom 5.11.2004 - 10 [X.]/04 - NVwZ 2005, 231 = [X.] 310 § 138 Ziff 1 VwGO [X.] 41) und eine Beweiserhebung nach einem [X.]wechsel nicht zwingend wiederholt werden muss, sondern auch andere Möglichkeiten der Unterrichtung von hinzugetretenen [X.]n zulässig sind (BVerwG Beschluss vom [X.] - 4 B 100.88 - NVwZ-RR 1990, 166 = [X.] 310 § 96 VwGO [X.] 34; BVerwG Beschluss vom [X.] - 8 [X.]/06; BVerwG Beschluss vom [X.] - 2 B 12/12 - mwN; vgl zur Beweisaufnahme durch den Einzelrichter zB [X.] Urteil vom 13.3.2013 - VIII ZR 49/12 - [X.]/[X.] 2013, 195 mwN), im Einzelnen darlegen müssen, weshalb die im Protokoll der mündlichen Verhandlung des [X.] festgehaltene - bei vollständiger Besetzung des Senates vorgenommene - Verlesung der bereits bei vollständiger Besetzung des Senats protokollierten Erklärungen des Beigeladenen zu 1. und die Bestätigung dieser Erklärungen durch den Beigeladenen zu 1. vorliegend nicht ausgereicht haben könnten, auch dem zuvor vorübergehend abwesenden ehrenamtlichen [X.] die für die Urteilsfindung notwendige Kenntnis vom wesentlichen Inhalt dieser Erklärungen zu vermitteln.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

6. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Insofern ist vom [X.] auszugehen. Anhaltspunkte für eine konkrete Bemessung des Streitwerts nach dem Interesse der Klägerin an einer Entscheidung liegen insbesondere auch deshalb nicht vor, weil die Beklagte mit dem in Streit stehenden Bescheiden noch keine Beitragsforderung festgesetzt hat (vgl für Streitigkeiten in Verfahren über Feststellungen nach § 7a [X.] zB [X.] Urteil vom [X.] - B 12 R 11/07 R - Juris Rd[X.] 30, insoweit bei [X.]E 103, 17 = [X.] 4-2400 § 7a [X.] nicht abgedruckt; [X.] Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72).

Meta

B 12 R 52/12 B

22.08.2013

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Hamburg, 18. August 2010, Az: S 10 R 734/09

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 547 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.08.2013, Az. B 12 R 52/12 B (REWIS RS 2013, 3262)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3262

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2 B 12/12

VIII ZR 49/12

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