Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Verfahrenskostenhilfe in Betreuungssachen: Bewilligungsvoraussetzung für einen Elternteil des Betroffenen im Beschwerdeverfahren gegen die Betreuerbestellung
Verfahrenskostenhilfe kann nur der bedürftige Beteiligte erhalten, der in eigenen Rechten betroffen ist. Für eine rein fremdnützige Verfahrensbeteiligung ist die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe hingegen nicht möglich.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 4. Februar 2014 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.
Wert: 5.000 €
I.
Für den unter einer leichten Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung leidenden, gerade volljährig gewordenen Betroffenen hat das Amtsgericht eine Betreuung angeordnet und einen Berufsbetreuer (den Beteiligten zu 2) bestellt.
Die vom Amtsgericht im Betreuungsverfahren beteiligten Eltern des Betroffenen hatten sich bereits 2001 getrennt und sind seitdem zerstritten. Die Mutter des Betroffenen, die Beteiligte zu 3, hatte bis zu dessen Volljährigkeit das alleinige Sorgerecht für ihn. Während sie mit der Bestellung des [X.] einverstanden ist, hat der Vater des Betroffenen, der Beteiligte zu 1, Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt mit dem Ziel, selbst zum Betreuer bestellt zu werden.
Im Beschwerdeverfahren hat sich für die Beteiligte zu 3 ein Rechtsanwalt bestellt, Zurückweisung der Beschwerde des Beteiligten zu 1 beantragt und für die Beteiligte zu 3 um Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nachgesucht. Das [X.] hat den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, vgl. [X.], 323,326 f. = [X.] 2010, 154 und Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - [X.]/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 5 mwN) und es um Fragen des Verfahrens der Verfahrenskostenhilfe geht (Senatsbeschluss vom 8. Mai 2013 - [X.] 282/12 - FamRZ 2013, 1390 Rn. 7); sie ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie aber keinen Erfolg.
1. Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Beteiligten zu 3 könne keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden, weil sie im Beschwerdeverfahren keine Verbesserung einer eigenen Rechtsposition begehre, sondern die Veränderung der Rechtsposition des Betroffenen verhindern wolle. Verfahrenskostenhilfe solle einem Bedürftigen lediglich ermöglichen, seine Rechte ebenso gut wahrnehmen zu können wie ein ausreichend Bemittelter. Eine Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf Beteiligte nach § 274 Abs. 4 FamFG, die sich aus altruistischen Motiven zugunsten des Betroffenen am Verfahren beteiligten, sei nicht geboten. Vielmehr könne der Betroffene zur Wahrung seiner Rechte selbst Verfahrenskostenhilfe erhalten; bei Bedarf sei ihm ein Verfahrenspfleger zu bestellen. Fremdnützige Verfahrens- und Prozesskostenhilfe sei dem [X.] Prozessrecht wesensfremd.
2. Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Wie das [X.] zutreffend erkannt hat, kann Verfahrenskostenhilfe nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ff. ZPO nur der bedürftige Beteiligte erhalten, der eigene Rechte geltend zu machen beabsichtigt. Für eine rein [X.]e Verfahrensbeteiligung ist die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe hingegen nicht möglich.
aa) § 76 Abs. 1 FamFG ordnet an, dass auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit die §§ 114 ff. ZPO entsprechend anwendbar sind. Der demnach einschlägige § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO sieht vor, dass einer Prozesspartei, die die Kosten der Prozessführung selbst nicht oder nicht vollständig aufbringen kann, bei Vorliegen weiterer Tatbestandsvoraussetzungen Prozesskostenhilfe zur Rechtsverfolgung oder zur Rechtsverteidigung gewährt werden kann.
Eine Verfahrensbeteiligung, die dieser gesetzlichen Vorgabe entspricht, ist aber nur zur Durchsetzung eigener Rechtspositionen denkbar. Dies bedurfte in § 114 ZPO keiner ausdrücklichen Klarstellung, weil es sich für die [X.] aus der Natur der Sache ergibt. Indem § 76 Abs. 1 FamFG auf diese Vorschrift verweist, ordnet er auch für das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine entsprechende Begrenzung der Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe zu erhalten, an.
Erfolgt die Verfahrensbeteiligung nicht, um eigene Rechte zu verfolgen oder zu verteidigen, mithin lediglich begleitend und damit [X.], kommt Verfahrenskostenhilfe daher nicht in Betracht (Bassenge/[X.]/[X.] FamFG/[X.] 12. Aufl. § 76 FamFG Rn. 14; [X.]/[X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 76 Rn. 13; Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 3. Aufl. § 307 FamFG Rn. 22; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 76 Rn. 10; [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 76 FamFG Rn. 12; vgl. auch [X.]/[X.] FamFG § 76 Rn. 4; [X.]/Weinreich/Keske FamFG 4. Aufl. § 76 Rn. 4). Sie kann dann vielmehr nur dem Beteiligten gewährt werden, der unterstützt werden soll, um dessen Recht es also geht. Dem entspricht spiegelbildlich, dass nach der Rechtsprechung des Senats bei einer Verfahrensführung durch den [X.] für den Betreuten oder durch den Vormund für das Mündel dem Betreuten bzw. Mündel als dem in seinen Rechten Betroffenen Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2011 - [X.] 323/10 - FamRZ 2011, 633 Rn. 11 ff. und vom 20. Dezember 2006 - [X.] 118/03 - FamRZ 2007, 381 ff.).
bb) Daraus, dass in Verfahren vor dem Betreuungsgericht gemäß § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG auch nahe Angehörige und Vertrauenspersonen des Betroffenen in dessen Interesse beteiligt werden können, folgt nichts anderes.
(1) Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift beschrieben, wer in Betreuungsverfahren als Beteiligter nach § 7 Abs. 3 Satz 1 FamFG von Amts wegen oder auf seinen Antrag hinzugezogen werden kann. § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG konkretisiert zwar den Kreis der Personen, die im Betreuungsverfahren trotz Fehlens einer eigenen Rechtsbetroffenheit beteiligt werden können, weil sie etwa als Angehörige ein schützenswertes ideelles Interesse haben (vgl.BT-Drucks. 16/6308 S. 265), und trägt so - wie § 1897 Abs. 5 BGB als materiell-rechtliche Norm im Zusammenhang mit der [X.] - Art. 6 GG Rechnung ([X.]/Busse FamFG 18. Aufl. § 274 Rn. 15; [X.]/[X.] 6. Aufl. § 1897 Rn. 31). Die Kann-Beteiligung von Verwandten und Vertrauenspersonen des Betroffenen zielt aber nicht darauf ab, diesen Beteiligten im Betreuungsverfahren die Wahrnehmung eigener materiell-rechtlicher Rechtspositionen zu ermöglichen. Vielmehr erfolgt sie im Interesse des Betroffenen, zu dessen Wohl sie eine umfassende Sachaufklärung sowie die Berücksichtigung seiner verwandtschaftlichen und sonstigen besonderen Näheverhältnisse verfahrensrechtlich sicherstellen soll (vgl. [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 274 Rn. 15). Sie ist altruistisch angelegt, um zu vermeiden, dass etwa Verwandte ohne ein Betroffensein in eigenen Rechten auch dann Einfluss auf das Verfahren nehmen können, wenn dies den Interessen des Betroffenen zuwiderläuft (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 265).
(2) Die Möglichkeit, trotz Fehlens eigener Rechtsbetroffenheit den Beteiligtenstatus zu erlangen, hat nicht zur Folge, dass ein dergestalt Beteiligter Verfahrenskostenhilfe erlangen können muss. Deren Bewilligung kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn der Beteiligte zwecks Verbesserung oder Verteidigung seiner eigenen Rechtsposition Verfahrenskostenhilfe erhalten möchte. Denn eine über § 114 ZPO hinausreichende Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf Personen, die sich lediglich mit [X.]en Zielen am Verfahren beteiligen, hat der Gesetzgeber - auch mit Blick auf den gemäß § 26 FamFG geltenden Amtsermittlungsgrundsatz - gerade nicht für geboten erachtet (BT-Drucks. 16/6308 S. 213; Bassenge/[X.]/[X.] FamFG/[X.] 12. Aufl. § 76 FamFG Rn. 14; [X.]/[X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 76 Rn. 13; [X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 5. Aufl. § 76 Rn. 4; Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 3. Aufl. § 307 FamFG Rn. 22; [X.] FamRZ 2009, 383, 384; [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 76 FamFG Rn. 13 f.; im Grundsatz wohl ebenso [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 76 Rn. 7; [X.]/[X.] 2. Aufl. § 76 Rn. 8).
cc) Der Ausschluss Beteiligter, die sich allein mit [X.]en Zielen am Verfahren beteiligen, von der Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe zu erhalten, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von [X.] und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes ([X.] NJW 2014, 1291; 1991, 413; Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - [X.] 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 26). Prozess- und Verfahrenskostenhilfe sollen verhindern, dass Bedürftige aus wirtschaftlichen Gründen gehindert sind, ihr Recht vor Gericht zu suchen ([X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. Vor § 114 ZPO Rn. 1 mwN), und stellen eine spezialgesetzlich geregelte Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar (Senatsbeschlüsse vom 30. September 2009 - [X.] 135/07 - FamRZ 2009, 1994 Rn. 9 und vom 26. Januar 2005 - [X.] 234/03 - FamRZ 2005, 605).
Durch die Gewährung von Prozess- und Verfahrenskostenhilfe soll mithin vermieden werden, dass ein wirtschaftlich Bedürftiger nur deshalb einen [X.] erleidet, weil er die für eine Verfahrensbeteiligung erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen kann. Sie dient hingegen nicht dazu, dem Unbemittelten Verfahrensbeteiligungen jedweder Art und damit auch solche ohne Verfolgung oder Verteidigung eigener Rechte zu ermöglichen, die sich ein Bemittelter aus rein [X.]en Motiven leisten will und kann. Mangels Beeinträchtigung der Rechtsposition des bedürftigen Beteiligten trifft den Staat insoweit von [X.] wegen keine Fürsorgeverpflichtung.
b) Mit Recht hat das [X.] die Beteiligung der Mutter des Betroffenen am Beschwerdeverfahren als eine solche eingestuft, die nicht der Wahrnehmung ihrer eigenen Rechte dient, sondern ausschließlich im Interesse des Betroffenen erfolgt, und ihr daher Verfahrenskostenhilfe versagt. Denn die Beteiligte zu 3 macht nicht geltend, sie selbst müsse als Betreuerin bestellt werden. Vielmehr verfolgt sie mit ihrer Beteiligung im Beschwerdeverfahren allein das Ziel, dass es bei der angeordneten Berufsbetreuung bleibt.
Daher kann vorliegend dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass ein nach § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG Beteiligter im Einzelfall gleichwohl (auch) eigene Rechte verfolgt (etwa indem er verlangt, aufgrund durch familiäre Verbundenheit geprägter besonders enger Bindungen zum Betroffenen bei der [X.] bevorzugt berücksichtigt zu werden; vgl. hierzu [X.] FamRZ 2006, 1509, 1510), und hierfür Verfahrenskostenhilfe - ohne oder mit Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 78 Abs. 2 FamFG) - erhalten kann.
Dose Weber-Monecke Schilling
Nedden-Boeger [X.]
Meta
22.10.2014
Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend LG Kleve, 4. Februar 2014, Az: 4 T 308/13, Beschluss
§ 76 Abs 1 FamFG, § 274 Abs 4 Nr 1 FamFG, § 114 ZPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2014, Az. XII ZB 125/14 (REWIS RS 2014, 1917)
Papierfundstellen: NJW 2015, 234 REWIS RS 2014, 1917
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
XII ZB 125/14 (Bundesgerichtshof)
XII ZB 550/16 (Bundesgerichtshof)
Betreuungssache: Berücksichtigung naher Verwandter bei der Entscheidung über die Auswahl eines Betreuers; Verfahrenskostenhilfe für eine …
XII ZB 42/17 (Bundesgerichtshof)
Verfahrenskostenhilfe in Familiensache: Antrag eines anderen Beteiligten auf Aufhebung eines Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses
XII ZB 550/16 (Bundesgerichtshof)
XII ZB 133/11 (Bundesgerichtshof)
Betreuung: Ermessensausübung bei beantragter Beteiligung des Vaters der Betroffenen am Verfahren über die Verlängerung der …