Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2010, Az. I ZB 3/09

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9681

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.] vom 4. Februar 2010 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 233 Fc Die einer [X.] erteilte konkrete Weisung, die in der Berufungs-schrift angegebene Faxnummer des Berufungsgerichts noch einmal zu überprü-fen, reicht in Verbindung mit der in der Rechtsanwaltskanzlei bestehenden [X.] Weisung, zur Ermittlung der Telefaxnummer des zuständigen [X.] das Ortsverzeichnis —Gerichte und Finanzbehördenfi zu verwenden, aus, um Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den [X.]riftsatz aufzudecken. Es ist dann ausnahmsweise nicht erforderlich, die Faxnummer nach dem Absenden des [X.]riftsatzes nochmals anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses zu überprüfen. [X.], [X.]uss vom 4. Februar 2010 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 4. Februar 2010 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. [X.]affert und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.]n zu 3 wird der [X.]uss des 29. Zivilsenats des [X.] vom 18. [X.] aufgehoben. Dem [X.]n zu 3 wird gegen die Versäumung der Berufungs-frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der [X.] zu 3 (nachfolgend nur: der [X.]) erstrebt die Wieder-einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. 1 Das Urteil des [X.], das der Klage im Wesentlichen stattgege-ben und die Widerklage des [X.]n abgewiesen hat, ist diesem am [X.] zugestellt worden. Die Berufungsschrift des [X.]n ist am 10. November 2008 durch Telefax an den [X.] 2 - 3 - versandt worden. Dieser hat das Telefax an das Berufungsgericht weitergelei-tet, wo es am 11. November 2008 eingegangen ist. Der [X.] hat wegen der Versäumung der Berufungsfrist die Wieder-einsetzung in den vorigen Stand beantragt und hierzu vorgetragen: 3 In der Kanzlei seiner [X.] bestehe eine allgemeine Anwei-sung, bei fristwahrenden [X.]riftsätzen eine [X.] durch Telefax vorzubereiten und hierfür die entsprechende Telefaxnummer herauszusuchen. Dafür sei regelmäßig das Ortsverzeichnis —Gerichte und Finanzbehördenfi des [X.] zu verwenden. Vor der Absendung solle die Richtig-keit der Faxnummer erneut überprüft werden. Dabei sei anhand des [X.] zu kontrollieren, ob die aus dem [X.]riftsatz ersichtliche Faxnummer feh-lerfrei in das Faxgerät eingegeben worden sei. 4 5 Der in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten angestellte [X.] habe die Berufungsschrift vorbereitet und der [X.]. zur Ausfertigung übergeben. Dabei habe er das Ortsverzeichnis —Gerichte und Finanzbehördenfi des [X.] zur Hand ge-nommen, Frau [X.]. auf der aufgeschlagenen Seite die Kontaktdaten (Adresse und Telefaxnummer) des Berufungsgerichts gezeigt und ausdrücklich darauf hingewiesen, die Faxnummer sorgfältig in die Berufungsschrift zu übertragen und die eingetragenen Daten zu überprüfen. Frau [X.]. habe die Faxnummer des Berufungsgerichts jedoch anhand des Eintrags bei —[X.] ermittelt. Sie habe die dort für das Berufungsgericht angegebene Telefaxnummer - die tatsächlich die Telefaxnummer des [X.]s sei - in die Berufungsschrift übertragen. Die Berufungsschrift sei später Rechtsanwältin [X.] zur Unterschrift vorgelegt worden. Diese habe die Kanzleimitarbeiterin [X.] gebeten, die Angaben in der Berufungsschrift noch einmal zu überprüfen. Frau [X.] habe die [X.] - 4 - mer jedoch nicht erneut überprüft, sondern den [X.]riftsatz per Telefax unter Eingabe der aus dem [X.]riftsatz ersichtlichen Telefaxnummer versandt. [X.] habe sie die Richtigkeit der Angaben auf der Sendebestätigung überprüft. Das Berufungsgericht hat dem [X.]n die begehrte Wiedereinsetzung versagt und hierzu ausgeführt: 7 Der [X.] sei nicht ohne sein Verschulden verhindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Deren Versäumung beruhe auf einem Organisati-onsverschulden seiner [X.], das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zu-rechnen lassen müsse. 8 Die nach dem Vorbringen des [X.]n in der Kanzlei seiner Prozess-vertreter bestehende allgemeine Anweisung, zur Kontrolle des Ausgangs von [X.] anhand des [X.] zu überprüfen, ob die aus dem [X.]riftsatz ersichtliche Telefaxnummer fehlerfrei in das Faxgerät eingegeben worden sei, genüge nicht der erforderlichen Sorgfalt, weil Fehler bei der Ermitt-lung der in den [X.]riftsatz aufgenommenen Nummer dadurch nicht erkannt werden könnten. Eine [X.] an die Fachangestellte [X.], die im [X.] ausgewiesene Nummer noch einmal mit dem - ansonsten in der Kanzlei verwendeten - Ortsverzeichnis —Gerichte und Finanzbehördenfi ab-zugleichen, sei nach dem Vortrag des [X.]n nicht gegeben worden. 9 Die Fristversäumung beruhe auf diesem Organisationsmangel, weil bei einer hinreichenden Anweisung nach der Versendung des Berufungsschriftsat-zes an den [X.] die Verwendung einer falschen Telefaxnummer bemerkt und der [X.]riftsatz noch einmal fristwahrend an das Berufungsgericht gesandt worden wäre. 10 Bei dieser Sachlage komme es nicht darauf an, dass der Internetauftritt —[X.] keine zuverlässige Quelle für die Ermittlung von Telefaxnum-mern sei. 11 - 5 - I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erforderlich. Der angefochtene [X.]uss ver-letzt den [X.]n in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Dieser verbietet es, einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angeru-fenen Gerichts auch nicht rechnen musste (st. Rspr.; vgl. nur [X.], [X.]. v. 9.4.2008 - [X.], NJW-RR 2008, 1288 [X.]. 7; [X.]. v. 11.6.2008 - [X.]/07, [X.], 2713 [X.]. 6). 12 13 Das Berufungsgericht hätte dem [X.]n die beantragte Wiedereinset-zung in den vorigen Stand nicht versagen dürfen. Der [X.] war ohne sein Verschulden verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten (§§ 233, 517 ZPO). Die Versäumung der Berufungsfrist beruht nicht auf einem Verschulden seiner Pro-zessbevollmächtigten, das der [X.] sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Die in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten praktizierte [X.] beim Versand fristgebundener [X.]riftsätze per Telefax genügt zwar nicht den Anforderungen der Rechtsprechung (dazu 1). Das ist im Streitfall jedoch unerheblich, weil die Prozessbevollmächtigten des [X.]n eine kon-krete [X.] erteilt haben, deren Befolgung die Fristwahrung [X.] hätte (dazu 2). 1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] müssen Pro-zessbevollmächtigte in ihrem Büro für eine [X.] sorgen, die [X.] gewährleistet, dass fristgebundene [X.]riftsätze rechtzeitig abgesandt 14 - 6 - werden. Soll ein fristgebundener [X.]riftsatz durch Telefax übermittelt werden, ist in der Regel ein Sendebericht zu erstellen und auf etwaige Übermittlungsfeh-ler und insbesondere auf die Richtigkeit der verwendeten [X.] zu überprüfen. Hat der Rechtsanwalt es zulässigerweise einer ausreichend ausge-bildeten und zuverlässigen [X.] überlassen, die Faxnummer des Gerichts zu ermitteln und in den [X.]riftsatz einzufügen, darf sich die Kontrolle des [X.] nicht darauf beschränken, die darin ausgedruckte [X.] mit der zuvor in den [X.]riftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Der Abgleich hat vielmehr anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses zu erfol-gen, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch schon bei der Ermitt-lung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den [X.]riftsatz aufdecken zu können (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.]. v. 26.9.2006 - VIII ZB 101/05, [X.], 996 [X.]. 8; [X.]. v. 17.4.2007 - [X.] 39/06, [X.], 1095 [X.]. 5; [X.]. v. [X.] - III ZB 80/07, NJW-RR 2008, 1379 [X.]. 5 m.w.N.). 15 Nach dem Vorbringen des [X.]n besteht in der Kanzlei seiner Pro-zessbevollmächtigten lediglich eine allgemeine Anweisung, zur Kontrolle des Ausgangs von [X.] anhand des [X.] zu überprüfen, ob die aus dem [X.]riftsatz ersichtliche Telefaxnummer fehlerfrei in das Faxge-rät eingegeben worden ist. Das genügt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, der erforderlichen Sorgfalt nicht, weil Fehler bei der Ermitt-lung der in den [X.]riftsatz aufgenommenen Nummer dadurch nicht erkannt werden können. 2. Auf Unzulänglichkeiten der allgemeinen organisatorischen Vorkehrun-gen einer Kanzlei für die [X.] kommt es allerdings nicht an, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen erteilt worden sind, bei deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt gewesen wäre (vgl. [X.] NJW-RR 2008, 1379 [X.]. 7 m.w.N.). Das ist hier der Fall. 16 - 7 - Hätte die Kanzleiangestellte [X.] die [X.] der Rechtsanwältin [X.] befolgt, die Angaben in der Berufungsschrift noch einmal zu überprüfen, wäre die Berufungsfrist gewahrt worden. Der [X.] hat zwar nicht vorgetra-gen, die Rechtsanwältin habe der [X.] die konkrete Anweisung erteilt, zur Überprüfung der Faxnummer ein zuverlässiges Verzeichnis zu [X.]. Einer solchen konkreten Weisung bedurfte es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aber auch nicht. Nach dem Vorbringen des [X.]n bestand in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten die allgemeine Wei-sung, zur Ermittlung der Telefaxnummer des zuständigen Gerichts das Ortsver-zeichnis —Gerichte und Finanzbehördenfi zu verwenden. Hätte die [X.] die Faxnummer in der Berufungsschrift anhand dieses Verzeichnisses überprüft, hätte sie den Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer entdeckt. 17 18 Hätte die Kanzleiangestellte die Faxnummer in der Berufungsschrift vor dem Absenden des [X.]riftsatzes weisungsgemäß anhand des [X.] —Gerichte und Finanzbehördenfi überprüft, um Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den [X.]riftsatz aufzudecken, hätte sie sich - wie geschehen - darauf beschränken dürfen, die im Sendebericht ausge-druckte Faxnummer mit der Faxnummer in der Berufungsschrift zu vergleichen, - 8 - um Fehler bei der Eingabe der Faxnummer aufzuspüren. Unter diesen [X.] wäre es nicht erforderlich gewesen, die Faxnummer nach dem Absenden des [X.]riftsatzes nochmals anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses zu überprüfen. Bornkamm Pokrant Büscher
[X.]affert Koch Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 02.10.2008 - 7 O 12066/06 - [X.], Entscheidung vom 18.12.2008 - 29 U 5157/08 -

Meta

I ZB 3/09

04.02.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2010, Az. I ZB 3/09 (REWIS RS 2010, 9681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9681

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZB 3/09 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Anwaltsverschulden bei der Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes durch einen Kanzleimitarbeiter


III ZB 30/10 (Bundesgerichtshof)


18 U 175/15 (Oberlandesgericht Köln)


VIII ZB 37/19 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung nach Versäumung der Berufungsfrist: Sicherstellung der fristwahrenden Übermittlung von Schriftsätzen durch Überprüfung der Faxnummer …


IV ZB 20/12 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung bei Versäumung der Berufungsfrist: Notwendige Ausgangskontrolle bei Versendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

I ZB 3/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.