Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.12.2018, Az. VII ZR 69/18

7. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 114

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Gegenstand

Versicherungsvertreter: Provisionsanspruch bei Vermittlung dynamischer Lebensversicherungen


Leitsatz

Vermittelt der Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und sind gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB im Zweifel provisionspflichtig (im Anschluss an BAG, 28. Februar 1984, 3 AZR 472/81, VersR 1984, 897 und 30. Juli 1985, 3 AZR 405/83, VersR 1986, 251).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 16. März 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - auf Erteilung von Provisionsabrechnungen für näher bezeichnete, von ihm vermittelte Lebensversicherungsverträge in Anspruch.

2

Der Kläger war auf der Grundlage des am 18. April 2008 geschlossenen [X.] bis zum 30. November 2013 als Versicherungsvertreter für die durch [X.] vom 28. August 2014 auf die Beklagte verschmolzene M.        C.    R.   -M.   AG (im Folgenden einheitlich: Beklagte) tätig. Im Rahmen des [X.] vermittelte der Kläger unter anderem die streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge, nach deren vertraglichen Bestimmungen während der Vertragslaufzeit planmäßig Erhöhungen der Beiträge und Versicherungsleistungen eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht (sogenannte dynamische Lebensversicherungen). Nach den mit den Kunden vereinbarten Versicherungsbedingungen wird ein konkludenter Widerspruch unwiderleglich vermutet, wenn der Versicherungsnehmer die erhöhte Prämie nicht zahlt. Mit Ausnahme von fünf Verträgen wurden die streitgegenständlichen Verträge nach Beendigung des [X.] weiter vom Kläger betreut, wobei streitig ist, ob der Kläger tatsächlich Betreuungsleistungen erbrachte.

3

Der Kläger erhielt während der Vertragslaufzeit monatlich und auch nach Vertragsende einzelne Abrechnungen, mit denen ihm zustehende Provisionen gutgeschrieben und mit etwaigen Provisionsrückforderungen verrechnet wurden. Mit Schreiben vom 16. Juli 2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, Auskunft darüber zu erteilen, für welche von ihm als [X.] vermittelten Versicherungsverträge sie nach Beendigung des [X.] Dynamikprovisionen erhalten habe und in welcher Höhe. Die Beklagte lehnte die Erteilung dieser Auskunft ab.

4

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Erteilung entsprechender Provisionsabrechnungen verpflichtet, weil ihm für nach Vertragsende eintretende Summenerhöhungen eine Abschlussprovision zustehe. Er hat mit der Klage die Erteilung von Abrechnungen über Dynamikprovisionen für im Einzelnen näher bezeichnete, von ihm vermittelte Lebensversicherungsverträge für die [X.] ab dem 1. Dezember 2013 bis zum jeweiligen Ablauf des [X.] geltend gemacht.

5

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt hat, ist erfolglos geblieben. Auf die vom Kläger mit Schriftsatz vom 15. November 2017 erhobene Anschlussberufung, mit der er im Wege der Stufenklage ergänzend begehrt hat, die Beklagte nach erfolgter Abrechnung zur Zahlung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Betrags nebst Zinsen zu verurteilen, hat das Berufungsgericht über den auf Abrechnung der Provision gerichteten Klageantrag durch Teilurteil entschieden.

6

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der [X.] führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.

I.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger könne von der [X.] nach § 92 Abs. 2, § 87c Abs. 1 [X.] die Abrechnung der [X.]en verlangen, die auf den nach Beendigung des [X.] aufgrund der Dynamik eingetretenen oder eintretenden Erhöhungen der von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträge beruhten, und zwar für die [X.] ab dem 1. Dezember 2013 bis zum jeweiligen Vertragsende. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung dieser [X.]en aus § 92 Abs. 2, Abs. 3, § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Verbindung mit dem [X.]. Nach § 7 Abs. 1 der zum Bestandteil des [X.] gewordenen Provisionsordnung bestehe für Erhöhungen und Änderungen mit erhöhendem Charakter von [X.] grundsätzlich ein Anspruch auf Abschlussprovision entsprechend der Regelungen für Neuabschlüsse. Dabei enthalte der [X.], auf den vorrangig abzustellen sei, keine Regelung, auf welchen [X.]punkt es für das Entstehen des Provisionsanspruchs ankomme.

9

Nach § 92 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] habe der Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Versicherungsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen seien. Unstreitig habe der Kläger während der Laufzeit des [X.] die im Klageantrag aufgeführten Lebensversicherungsverträge mit Dynamiken vermittelt. Unter die während des [X.] abgeschlossenen Geschäfte, die auf die Tätigkeit des [X.] zurückzuführen seien, fielen auch die Erhöhungen, die erst nach Beendigung des [X.] aufgrund der Dynamiken eingetreten seien oder noch eintreten würden. Die Erhöhungen seien in den [X.] dermaßen eingebettet und in ihnen angelegt, dass mit dem eigentlichen Vertragsschluss alles getan sei, damit die Erhöhung eintreten könne; insoweit bedürfe es weder neuer Verhandlungen noch neuer Vereinbarungen. Letztlich handele es sich bei der [X.] um eine verzögert ausgezahlte Abschlussprovision für eine Erhöhung der Lebensversicherung, die - wenn auch widerruflich - schon in dem Erstabschluss ihren Grund finde und als vereinbart anzusehen sei.

Die Parteien hätten auch keine wirksame Vereinbarung getroffen, nach der der Kläger auf dem Grunde nach bereits entstandenen Provisionen nach Beendigung des [X.] verzichtet hätte. Unstreitig enthalte der [X.] keine ausdrückliche Verzichtsvereinbarung. Die Beklagte könne auch nicht mit der Auffassung durchdringen, durch die Regelung in § 9 des [X.] (Ausgleichsanspruch / Abfindung bei Aufhebung dieses Vertrags) komme zum Ausdruck, dass der Vertrag einen Provisionsverzicht vorsehe.

Die von der [X.] erhobene Verjährungseinrede greife nicht durch. Die Fälligkeit der im Dezember 2013 möglicherweise entstandenen - und damit ältesten - [X.]sansprüche sei frühestens am 31. Januar 2014 eingetreten. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2014 zu laufen begonnen. Im Wege der Anschlussberufung sei mit [X.] vom 15. November 2017 rechtzeitig innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist Stufenklage erhoben worden.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass dem Kläger gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufgrund des mit der [X.] geschlossenen [X.] Provisionsansprüche für nach Beendigung des Vertrags eintretende Erhöhungen der Versicherungssumme für von ihm vermittelte Lebensversicherungen zustehen, bei denen sich die Versicherungssumme nach dem Inhalt des [X.] in regelmäßigen [X.]abständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht und die erhöhte Prämie zahlt (sogenannte dynamische Lebensversicherungen). Er kann für diese nach Beendigung des [X.] bis zum jeweiligen Ablauf des [X.] fällig werdenden Provisionen gemäß § 92 Abs. 2, § 87c Abs. 1 [X.] jeweils Abrechnungen von der [X.] beanspruchen.

Der Kläger ist nach § 259 ZPO berechtigt, die Abrechnung der künftig fällig werdenden Provisionen geltend zu machen. Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass sie zu einer Abrechnung dieser künftig fällig werdenden Provisionen nicht verpflichtet sei, so dass die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sie sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird.

a) Nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] gelten für das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsvertreter und dem Versicherer die Vorschriften für das Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer, wobei in Abweichung von § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] ein Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision nur für die Geschäfte hat, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Vermittelt der Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme in regelmäßigen [X.]abständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des [X.] zurück und sind gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] im Zweifel provisionspflichtig (vgl. [X.], [X.], 897; [X.], 251; [X.], Urteil vom 28. November 2014 - 19 U 71/14; BeckRS 2015, 10251; MünchKomm[X.]/von [X.], 4. Aufl., § 87 Rn. 61; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 92 Rn. 57; [X.]/Busche, [X.], 5. Aufl., § 87 Rn. 14; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 87 Rn. 47; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 38. Aufl., § 87 Rn. 12; a.A. [X.], Urteil vom 10. September 2003 - 12 U 896/03, n.v.). Der Eigenart dieses Vertragstyps entspricht es, die vereinbarungsgemäß eintretenden Erhöhungen bereits mit Abschluss des [X.] als vereinbart anzusehen, dem Versicherungsnehmer aber hinsichtlich der Erhöhungen ein Widerspruchsrecht zuzugestehen. Mit dem Abschluss des [X.] entsteht für die Beklagte einseitig eine Bindung für die gesamte Vertragslaufzeit einschließlich sämtlicher Erhöhungen, die auflösend dadurch bedingt ist, dass der Versicherungsnehmer von dem ihm eingeräumten Widerspruchsrecht Gebrauch macht (vgl. [X.], [X.], 897, juris Rn. 40).

Entgegen der Auffassung der Revision ist die Erhöhung der Versicherungssumme in diesen Fällen nicht von einer werbenden Tätigkeit eines Dritten abhängig, die nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 [X.], § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] einen Provisionsanspruch des [X.] ausschließt. Denn die Erhöhung wird aufgrund des geschlossenen [X.] bereits dann wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht und die erhöhte Versicherungsprämie zahlt.

Mit der Annahme einer Provisionspflicht für vom Versicherungsvertreter vermittelte dynamische Lebensversicherungsverträge über den [X.]punkt der Beendigung des [X.] hinaus wird entgegen der Auffassung der Revision das systematische Verhältnis von [X.] einerseits und dem Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 5 [X.] andererseits nicht unterlaufen. Soweit dem Versicherungsvertreter aufgrund der von ihm während der Vertragszeit vermittelten Versicherungsverträge nach Beendigung des Vertrags noch Ansprüche auf Zahlung von [X.] gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] zustehen, tritt kein Provisionsverlust ein, der etwa für den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 5 [X.] zu berücksichtigen wäre. Die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 [X.] finden lediglich Anwendung, wenn dem Versicherungsvertreter ein Ausgleichsanspruch zusteht. Es besteht daher kein Grund, die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 [X.] auf vom Versicherungsvertreter nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 [X.], § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu beanspruchende [X.], die nach Beendigung des Vertrags fällig werden, zu erstrecken.

b) Die Voraussetzungen der § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] liegen in Bezug auf die vom Kläger vermittelten dynamischen Lebensversicherungsverträge vor.

aa) Nach den in der Revision zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei den streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträgen, zu denen der Kläger jeweils Provisionsabrechnungen für den [X.]raum nach Beendigung des [X.] bis zum Ablauf des jeweiligen [X.] verlangt, unstreitig um vom Kläger vermittelte Lebensversicherungsverträge mit Dynamik. Mit Abschluss dieser Lebensversicherungsverträge entsteht damit der Anspruch des [X.] auf Abrechnung der jeweils fälligen Provision gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Wie das Berufungsgericht - von den Parteien unangegriffen - weiter festgestellt hat, enthält der [X.] keine vom dispositiven Recht abweichende Bestimmung über die Provisionspflicht der [X.] für nach Beendigung des Vertrags aufgrund der vereinbarten Dynamik eintretende Erhöhungen der Versicherungssummen.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision trifft den Kläger nicht die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es nach Beendigung des [X.] tatsächlich zu Erhöhungen der Versicherungssumme in den jeweiligen [X.] gekommen ist. Da der Eintritt solcher Erhöhungen auflösend dadurch bedingt ist, dass der Versicherungsnehmer von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht, trägt die Beklagte für diesen für sie günstigen Umstand nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast (vgl. [X.], Urteil vom 3. Mai 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1183, juris Rn. 13; Urteil vom 14. Januar 1991 - [X.]/89, [X.]Z 113, 222, juris Rn. 16 m.w.N.; [X.]/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., [X.]. 11 Rn. 20 f.). Den Nachweis dafür, dass die Kunden der streitgegenständlichen Versicherungsverträge von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht haben, hat die Beklagte nicht geführt.

2. Der Anspruch des [X.] auf Abrechnung der Provisionen für den [X.]raum nach Beendigung des [X.] bis zum Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1, § 87c Abs. 1 [X.] ist nicht verjährt.

a) Mit der vom Kläger am 22. November 2017 wirksam erhobenen Anschlussberufung, mit der er im Wege der Stufenklage begehrt hat, die Beklagte nach erfolgter Abrechnung zur Zahlung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Betrags nebst Zinsen zu verurteilen, ist die Verjährung der dem Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung zugrunde liegenden Provisionsansprüche wirksam gehemmt worden, § 204 Nr. 1 BGB.

aa) Nach § 261 Abs. 2 ZPO tritt die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs mit dem [X.]punkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechender [X.] zugestellt wird. Dies gilt auch für den Fall, dass die [X.] mittels einer Anschlussberufung geltend gemacht wird (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 261 Rn. 6).

bb) Die Anschlussberufungsschrift des [X.] vom 15. November 2017, die die Parteien, das Gericht, den Gegenstand und den Grund des Anspruchs hinreichend bezeichnete sowie einen bestimmten Antrag enthielt und damit den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO genügte, ist der [X.] am 22. November 2017 zugestellt worden. Mit der Erhebung einer Stufenklage wird zugleich der von dem auf der ersten Stufe geltend gemachten Auskunftsanspruch abhängige Hauptanspruch rechtshängig (vgl. [X.], Versäumnisurteil vom 13. November 2014 - [X.] Rn. 9 m.w.N., [X.], 1093). Nach den in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts begann die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB für die ältesten Provisionsansprüche mit Schluss des Jahres 2014 zu laufen und war selbst bei Zustellung des die Anschlussberufung enthaltenden [X.]es des [X.] am 22. November 2017 noch nicht verstrichen.

b) Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es im vorliegenden Fall nicht an der Voraussetzung, dass mit der Anschlussberufung eine Abänderung des angefochtenen Urteils zugunsten des [X.] erstrebt wird.

Die Anschlussberufung setzt, da sie kein selbständiges Rechtsmittel darstellt, nicht voraus, dass der Anschlussberufungskläger durch das angefochtene Urteil beschwert ist (vgl. [X.], Beschluss vom 29. März 2011 - [X.] Rn. 12, NJW 2011, 1455; Urteil vom 7. Dezember 2007 - [X.] Rn. 24 m.w.N., NJW 2008, 1953). Sie ist jedoch nur zulässig, wenn damit mehr erreicht werden soll als die Zurückweisung der Berufung (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 1987 - [X.], NJW-RR 1988, 185, juris Rn. 10; Urteil vom 24. Februar 1958 - [X.], NJW 1958, 868; vgl. zur [X.] auch [X.], Urteil vom 31. Mai 1995 - [X.], [X.] 1996, 522, juris Rn. 18; Beschluss vom 11. März 1981 - [X.], [X.]Z 80, 146, juris Rn. 8).

Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der Kläger hat mit der Anschlussberufung die Klage in der Weise erweitert, dass er nunmehr im Wege der Stufenklage eine Abrechnung der Provisionsansprüche auf der ersten Stufe und auf der zweiten Stufe die Zahlung der sich aus den Abrechnungen ergebenden Provisionen verlangt. Diese [X.] kann der Kläger zulässigerweise im Wege der Anschlussberufung verfolgen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Mai 2015 - [X.]/12 Rn. 27 f., [X.], 2812).

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vertragsbestimmungen des [X.] enthielten keine Vereinbarung über einen Verzicht des [X.] auf nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionen. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob es sich bei den Vertragsbestimmungen des [X.] um von der [X.] gestellte Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt, ist zu ihren Gunsten in der Revisionsinstanz davon auszugehen, dass es sich bei dem Vertrag um eine Individualvereinbarung handelt.

Die Auslegung des Berufungsgerichts, der [X.] enthalte keine Vereinbarung eines Provisionsverzichts für nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionen, lässt keine revisionsrechtlich beachtlichen Auslegungsfehler erkennen.

a) Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet allerdings dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht ([X.], Urteil vom 31. August 2017 - [X.] Rn. 24, [X.], 3590; Urteil vom 22. Dezember 2011 - [X.]/11 Rn. 12 m.w.N., [X.]Z 192, 172). Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. [X.], Urteil vom 31. August 2017 - [X.] Rn. 24, [X.], 3590; Urteil vom 5. März 2015 - [X.] Rn. 21, [X.]Z 204, 231; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - [X.]/14 Rn. 14, [X.], 1107). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des [X.] der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

b) Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB liegt nicht vor. Die Vereinbarung eines Verzichts auf nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionsansprüche des [X.] setzt voraus, dass der rechtsgeschäftliche Wille, einen solchen Verzicht zu vereinbaren, unmissverständlich zum Ausdruck kommt (vgl. [X.], Urteil vom 15. Juli 2016 - [X.] Rn. 34, [X.]Z 211, 216; Urteil vom 4. Dezember 2015 - [X.] Rn. 25, [X.] 2016, 315). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass es an einem solchen unmissverständlich erklärten rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien fehlt.

Soweit die Revision geltend macht, die Vereinbarung in § 9 Abs. 4 des [X.], wonach die von den [X.] vereinbarten Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs Anwendung finden sollen, ergebe nur einen Sinn, wenn die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass für nach Vertragsbeendigung aufgrund der vereinbarten Dynamik eintretende Erhöhungen der Versicherungssummen keine Provisionen an den Kläger zu zahlen seien, wird ein Verstoß gegen §§ 133, 157 BGB nicht dargelegt. Ein stillschweigender Verzicht des [X.] auf nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionen ist im Zweifel nicht zu vermuten. Der Verweis auf die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach den vorgenannten Grundsätzen bietet keinen zwingenden Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien einen solchen Verzicht vereinbaren wollten. Dass ein Ausgleichsanspruch zugunsten des [X.] nach den ihm entgehenden Provisionen zu berechnen ist, besagt nichts darüber, ob ein entsprechender Provisionsverzicht vorliegt. Die Vereinbarung der Modalitäten eines dem Versicherungsvertreter nach Vertragsbeendigung etwa zustehenden Ausgleichsanspruchs lässt daher nicht den Schluss auf einen zuvor vereinbarten Provisionsverzicht zu.

4. Gehörswidrig ist das Berufungsgericht jedoch dem unter Zeugenbeweis gestellten Sachvortrag der [X.] nicht nachgegangen, dass nach dem gemeinsamen Verständnis der Vertragsparteien von dem Inhalt der vertraglichen Regelung dem Kläger nach Beendigung des [X.] keine [X.]en mehr zustehen sollten. Die Beklagte übertrage die Bestände ausgeschiedener Vertreter auf die unter Vertrag stehenden Consultants und zahle diesen dann [X.]en. Der Kläger habe diese Praxis gekannt und mitgetragen.

a) Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Berufungsgericht in den Gründen des Berufungsurteils auf [X.] des Verteidigungsvorbringens des [X.] zu einer Frage nicht ein, das für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. [X.], Beschluss vom 10. August 2016 - [X.] Rn. 7; Beschluss vom 23. Februar 2016 - [X.] Rn. 7, IHR 2016, 124; Beschluss vom 20. Mai 2014 - [X.] Rn. 6).

b) Nach diesen Maßgaben liegt hier ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor. Das Berufungsgericht hat den Inhalt des Vorbringens der [X.] nicht vollständig ausgeschöpft, wenn es darauf verweist, dass die Beklagte diese Vertragspraxis beim Kläger nicht angewandt habe, der Kläger nach Ausscheiden bei der [X.] vielmehr - von wenigen Ausnahmen abgesehen - Betreuer der von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträge geblieben sei. Die Beklagte hat mit ihrem Vorbringen der Sache nach geltend gemacht, die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass als Vertragsinhalt vereinbart war, dass dem ausscheidenden Versicherungsvertreter kein Anspruch auf Zahlung der [X.] für nach Beendigung des Vertrags eintretende Erhöhungen im Rahmen der von ihm vermittelten dynamischen Lebensversicherungsverträge zustehen sollte.

Dieses Vorbringen ist erheblich. Trifft die Behauptung der [X.] zu, wovon zugunsten der [X.] für die Revision auszugehen ist, steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Abrechnung und Zahlung von Provisionen für von ihm vermittelte dynamische Lebensversicherungen für den [X.]raum nach Beendigung des [X.] nicht zu. Denn eine solche zeitliche Begrenzung der Provisionspflicht kann von den Vertragsparteien zulässigerweise vereinbart werden (vgl. [X.], [X.], 897, juris Rn. 46 ff.; [X.], 251, juris Rn. 18). Ein solcher übereinstimmender Wille der Vertragsparteien bei Vertragsschluss ginge der Auslegung der Vertragsbestimmungen vor.

II.

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem die Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Kartzke

      

Graßnack     

      

Sacher     

      

Meta

VII ZR 69/18

20.12.2018

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 16. März 2018, Az: 16 U 109/17, Teilurteil

§ 87 Abs 1 S 1 HGB, § 92 Abs 2 HGB, § 92 Abs 3 S 1 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.12.2018, Az. VII ZR 69/18 (REWIS RS 2018, 114)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 233-234 WM2019,275 NJW 2019, 1674 REWIS RS 2018, 114

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