Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.01.2022, Az. 30 W (pat) 15/19

30. Senat | REWIS RS 2022, 9636

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "British Hairways/BRITISH AIRWAYS (Unionsmarke/Wort-Bildmarke)" –  überragende Bekanntheit der Widerspruchsmarke – unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft der Widerspruchsmarke durch die Markeninhaberin


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 062 752

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 20. Januar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Weitzel

beschlossen:

[X.] Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.] vom 27. Februar 2019 aufgehoben. Wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke [X.] 006 561 534 wird die Löschung der Marke 30 2013 062 752 angeordnet.

I[X.] Hinsichtlich der Widersprüche aus der Unionsmarke [X.] 003 184 348 und aus der geschäftlichen Bezeichnung [X.] AIRWAYS ist die Beschwerde gegenstandslos.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

2

[X.]

3

ist am 13. November 2013 angemeldet und am 10. Januar 2014 für die Dienstleistungen der

4

„Klasse 44: Dienstleistungen eines Friseursalons“

5

als Wortmarke unter der Nummer 30 2013 062 752 in das beim [X.] geführte Register eingetragen worden.

6

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 14. Februar 2014 veröffentlicht wurde, hat die [X.]eschwerdeführerin drei Widersprüche erhoben, nämlich aus der am 29. April 2003 angemeldeten und am 5. August 2005 eingetragenen [X.]s-Wort-/[X.]ildmarke [X.] 003 184 348 (Widerspruchsmarke 1)

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7

die für die folgenden Waren und Dienstleistungen Schutz genießt:

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„Klasse 16: Papier, Waren aus Papier, Papier- und Schreibwaren, Druckereierzeugnisse, Veröffentlichungen, [X.]ücher, Kalender, Spielkarten, Poster und Plakate, Fotografien.

9

Klasse 39: Dienstleistungen einer Fluggesellschaft; Reisedienstleistungen; Lufttransporte; Leistungen einer Reiseagentur; Reisebuchungen, -reservierungen oder -informationen; Vermietung von Fahrzeugen; [X.]fahrzeugparkplatzdienst; Nachrichtenübermittlung; Güterlagerung und -umschlag; [X.]; [X.]; [X.]uchung von [X.]esichtigungen; [X.]ereitstellung von Informationen in [X.]ezug auf alle vorstehend genannten Leistungen

Klasse 43: [X.]elieferung mit Speisen und Getränken; [X.]ereitstellung und/oder Vermittlung von Unterkünften.“

sowie aus der am 8. Januar 2008 angemeldeten und am 29. Oktober 2008 eingetragenen [X.]s-Wort-/[X.]ildmarke [X.] 006 561 534 (Widerspruchsmarke 2)

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die Schutz für die Waren und Dienstleistungen

„Klasse 16: Papier; Papierartikel; Schreibwaren; Druckereierzeugnisse; Veröffentlichungen; [X.]ücher; Magazine; Zeitschriften; Kalender; Poster und Plakate; Fotografien.

Klasse 39: Dienstleistungen einer Fluggesellschaft; Reisedienstleistungen; Lufttransportdienstleistungen; Leistungen einer Reiseagentur; Reisebuchungen, -reservierungen oder -informationen in [X.]ezug auf Reisen; Vermietung von Fahrzeugen; [X.]fahrzeugparkplatzdienst; Kurierdienste; Güterlagerung und -umschlag; [X.]; Vermittlung von [X.]; [X.]uchung von [X.]esichtigungen; [X.]ereitstellung von Informationen in [X.]ezug auf alle vorstehend genannten Leistungen

Klasse 43: Verpflegung von Gästen in Restaurants; Café-, [X.]ar- und Restaurantbetrieb; [X.]eherbergung.“

beansprucht, sowie schließlich aus der für den Geschäftsbereich einer Fluggesellschaft beanspruchten geschäftlichen [X.]ezeichnung (Widerspruchskennzeichen 3)

[X.].

Mit [X.] vom 30. März 2015 hat die Widersprechende zur [X.]ekanntheit der beiden [X.]n vorgetragen und Unterlagen zum [X.]eleg eingereicht. U. a. sei in einem wissenschaftlichen [X.]uch zur „Profilierung von Dienstleistungsmarken in vertikalen Systemen“ ([X.], 2002, Anlage 4) in [X.]ezug auf die Widersprechende bzw. deren Zeichen „[X.]“ in [X.] eine gestützte Markenbekanntheit im Jahr 1996 von 63,3 % und im Jahr 2001 von 66 % ermittelt worden. In einer weiteren wissenschaftlichen Veröffentlichung ([X.], Destinationsmarken und ihre [X.]edeutung im touristischen Wettbewerb, 2003) sei für „[X.]“ bei einer [X.]efragung von [X.] Verbrauchern im Zusammenhang mit der [X.]ekanntheit touristischer Marken / Fluggesellschaften aus dem [X.] eine ungestützte [X.]ekanntheit in [X.]öhe von 11,4 % ermittelt worden (Anlage 5). Die überragende [X.]ekanntheit von „[X.]“ sei auch durch Passagierzahlen (Anlage 8, „[X.]“, 40 Millionen Passagiere in den Jahren 2011-2013), den Marktanteil (Anlage 10, knapp 11 % Marktanteil der „[X.]“ in der Luftfahrt am Gesamtverkehr in [X.] in 2013, der zu einem wesentlichen Teil auf „[X.]“ zurückgehe) sowie durch mehrere Statistiken und Markenrankings belegt (Anlagen 6-7, 9, 11-12). Welche [X.]ekanntheit die Marke „[X.]“ weltweit aufweise, ergebe sich auch aus einem Artikel der [X.] aus April 2011, in dem über die 120-jährige Geschichte des [X.] gesprochen und hierbei auf „Kultmarken“ („iconic trademarks“) wie beispielsweise [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] verwiesen werde (Anlage A 13).

Mit [X.]eschluss vom 27. Februar 2019 hat die Markenstelle für Klasse 44 des [X.]s die drei Widersprüche aus den beiden [X.]smarken sowie aus dem nicht registrierten Widerspruchskennzeichen 3 jeweils als unbegründet zurückgewiesen.

Zur [X.]egründung ist ausgeführt, eine Löschung der angegriffenen Marke nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] bzw. §§ 5 und 15 [X.] komme bereits deshalb nicht in [X.]etracht, da es insoweit an der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bzw. (in [X.]ezug auf das nicht registrierte Widerspruchskennzeichen) an der [X.] vollkommen fehle. Die angegriffene Marke beanspruche ausschließlich „Dienstleistungen eines Friseursalons", die aber zu den Waren und Dienstleistungen der eingetragenen Widerspruchsmarken bzw. zum Tätigkeitsbereich des [X.] absolut unähnlich seien.

Eine Löschung der angegriffenen Marke komme auch nicht unter dem Aspekt des Sonderschutzes der bekannten Marke (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 15 Abs. 3 [X.]) in [X.]etracht. Zwar sei von einer großen [X.]ekanntheit der Widerspruchszeichen auszugehen und der Verkehr werde zwischen [X.] und [X.] ohne Weiteres eine gedankliche Verknüpfung herstellen. Jedoch nutze die angegriffene Marke die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der bekannten Widerspruchskennzeichen bzw. des [X.] weder ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise aus noch beeinträchtige sie diese.

Vielmehr gehe es vorliegend alleine um eine „kalauernde Art und Weise der Namensbildung“ von Friseurgeschäften, die seit langer Zeit weit verbreitet sei und eine eigene Art von "Kunst” darstelle. Die dabei verwendeten [X.] würden ausschließlich und nur in der Weise "ausgenutzt", dass sie dem Verkehr auf die eine oder andere Art "bekannt" seien und sie sich zur [X.]ildung von entsprechenden Wortspielen eigneten (unter [X.]inweis auf Wortspiele wie "Vier [X.]", "[X.]", "[X.]", "Chaaris- ma" sowie die weiteren, mit dem angefochtenen [X.]eschluss übersandten Internetbelege). Eine darüberhinausgehende Ausbeutung des Inhalts oder der [X.]edeutung der „verballhornten“ [X.]egriffe sei dabei typischerweise weder beabsichtigt noch tatsächlich der Fall. In diese branchenübliche, weit verbreitete Art der Zeichenbildung füge sich auch die angegriffene Marke ein, ohne dass es darum gehe, die mit der Marke [X.] als solcher verbundene besondere Wertschätzung auszunutzen.

Im [X.]inblick auf die weit verbreitete Übung zur Namensbildung von Friseursalons sei die Art der Zeichenbildung der angegriffenen Marke schließlich auch durch die Grundrechte der Meinungs- und der Kunstfreiheit geschützt, so dass jedenfalls ein Rechtfertigungsgrund angenommen werden müsse.

[X.]iergegen richtet sich die [X.]eschwerde der Widersprechenden.

Sie trägt vor, die Markenstelle habe das Vorliegen des [X.]es des Sonderschutzes der bekannten Marke zu Unrecht verneint. Das hochgradig ähnliche Markenzeichen [X.] nutze die Unterscheidungskraft der Widerspruchskennzeichen ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise aus und beeinträchtige deren Unterscheidungskraft.

Zwar sei das [X.] im angegriffenen [X.]eschluss zu Recht von einer „großen [X.]ekanntheit“ der Widerspruchskennzeichen ausgegangen. Dieser Umstand sei ferner aufgrund der langen und umfassenden [X.]enutzung des [X.] im Sinne von § 291 ZPO offenkundig. Auch die Widerspruchsgegnerin gehe erkennbar selbst von einer [X.]ekanntheit des [X.] aus.

Die Markenstelle sei auch inzident von einer hochgradigen Zeichenähnlichkeit ausgegangen. Die für den [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] bzw. § 15 Abs. 3 [X.] erforderliche „gedankliche Verknüpfung“ habe sie zutreffend bejaht, und auch die Markeninhaberin habe diese Verknüpfung nicht ernsthaft in Abrede gestellt.

Jedoch sei die Markenstelle in unzutreffender Weise davon ausgegangen, dass die angegriffene Marke die Unterscheidungskraft und Wertschätzung des bekannten [X.] nicht ausnutze oder beeinträchtige bzw. dass hierfür ein rechtfertigender Grund vorliege.

Dabei habe das [X.] bereits nicht zwischen den einzelnen Fallgruppen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] differenziert und es zudem versäumt, die gebotene umfassende Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Falls vorzunehmen. Vorliegend profitiere die angegriffene Marke offensichtlich von der Sogwirkung der bekannten Widerspruchskennzeichen. Insofern sei zu berücksichtigen, dass die [X.] nahezu identisch und insbesondere in [X.]ezug auf ihre klangliche [X.]enennung kaum zu unterscheiden seien. [X.]inzu trete, dass den Widerspruchskennzeichen eine große [X.]ekanntheit zukomme. Die Feststellung des Patentamts, dass die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen unähnlich seien, stehe der Annahme des Sonderschutzes der bekannten Marke nicht entgegen. Im Übrigen sei vorliegend insbesondere deshalb eine erhebliche Nähe gegeben, weil alle [X.] auf den Dienstleistungssektor abzielten und insofern ein besonderes persönliches Vertrauen und ein persönlicher Kontakt zu den Kunden im Vordergrund stehe.

Die Markenstelle habe sodann auch fehlerhaft darauf abgestellt, dass es sich bei der [X.]egrifflichkeit der angegriffenen Marke um eine branchenübliche Art und Weise der „Verballhornung“ zur Namensbildung von Friseurgeschäften handele. Dies verkenne, dass die recherchierten [X.]eispiele allesamt keinerlei [X.]ezug zu anderen Marken, geschweige denn zu bekannten Unternehmensmarken aufwiesen, ganz anders als die angegriffene Marke. Die – hier vorliegende - Ausnutzung der Aufmerksamkeit einer bekannten Marke könne mit einer vermeintlichen Gewohnheit gerade nicht gerechtfertigt werden, zumal es eine solche Gewohnheit in [X.]ezug auf bekannte Drittmarken gar nicht gebe.

Ebenso zu Unrecht habe die Markenstelle eine „Rechtfertigung“ der Ausnutzung bzw. [X.]eeinträchtigung der Unterscheidungskraft festgestellt. Der Anwendungsbereich der Kunstfreiheit sei vorliegend bereits nicht eröffnet, da die bekannte Widerspruchsmarke zur [X.]ildung der angegriffenen Marke lediglich um einen [X.]uchstaben („[X.]“) ergänzt worden sei, so dass eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Widerspruchsmarke völlig fehle. Im Übrigen sei die Kunstfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet, sondern finde vorliegend ihre [X.]eschränkung in dem als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Markenrecht. Die Widersprechende als Inhaberin einer bekannten Marke betreibe seit vielen Jahren einen erheblichen Werbeaufwand zum Absatz ihrer Dienstleistungen. Die Markeninhaberin, die unter Ausnutzung dieser Aufwendungen ihre Dienstleistungen anbieten wolle, verschaffe sich - mit einer nur sehr geringen Abweichung bei dem angegriffenen Zeichen - Vorteile, die ohne die Existenz der bekannten Widerspruchsmarken nicht denkbar seien. Es sei der Widersprechenden aber nicht zuzumuten, dass die Markeninhaberin unabhängig von der konkreten Art der Verwendung dauerhaft ein Registerrecht an einem Produktkennzeichen begründe, das in den Schutzbereich der Widerspruchsmarke eingreife und welches übertragen und lizensiert werden könnte. Das [X.]estehen eines dahingehenden Interesses an der Lizenzierung habe die Markeninhaberin gegenüber der Widersprechenden sogar ausdrücklich bestätigt (im Rahmen der Vergleichsgespräche zwischen den [X.]eteiligten durch Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 23. Juli 2019, Anlage [X.] 1).

Auch der Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit sei nicht eröffnet, da die angegriffene Marke sich nicht durch ein Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des [X.] im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung auszeichne. Jedenfalls könne der Schutz der Meinungsfreiheit nicht so weit reichen, dass der Inhaber einer bekannten Marke es hinnehmen müsse, dass für ein sein Markenrecht verletzendes Zeichen markenrechtlicher Registerschutz begründet werde.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den [X.]eschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.]s vom 27. Februar 2019 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2013 062 752 anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt,

die [X.]eschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es sei zwar eine „Namensähnlichkeit“ zwischen den [X.] zu bejahen, jedoch bestehe aufgrund der Unähnlichkeit der Dienstleistungen keine [X.].

Zwar könne die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke [X.] als „hoch“ eingestuft werden. Aufgrund dieses hohen [X.]ekanntheitsgrades der Widerspruchsmarke führe die „Namensähnlichkeit“ der jüngeren Marke, wenngleich sie ausschließlich „humoristischen Gedanken“ entsprungen sei, zu mehr Aufmerksamkeit bei potentiellen Kunden der Markeninhaberin. Dieser Vorteil wirke sich jedoch ausschließlich gegenüber konkurrierenden Unternehmen der Markeninhaberin mit ähnlicher Produktpalette aus, nicht aber gegenüber der Widersprechenden selbst. Es entstehe kein Schaden für die Widersprechende als Fluggesellschaft.

Entscheidend sei schließlich auch, dass die Markeninhaberin [X.] sei und vorrangig aus diesem Grunde das Zeichen [X.] verwende und schützen wolle, schließlich bezeichne das erste Wortelement ihre Staatsangehörigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenlage [X.]ezug genommen.

II.

Die zulässige [X.]eschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die angegriffene Marke nutzt in unlauterer Weise die Unterscheidungskraft der [X.]s-Wort-/[X.]ildmarke [X.] 006 561 534 (Widerspruchsmarke 2) aus und ist daher gemäß §§ 125b Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zu löschen, so dass der [X.]eschluss der Markenstelle aufzuheben und die vollständige Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke [X.] 006 561 534 anzuordnen ist.

A. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die [X.]eurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (vgl. [X.]G[X.] [X.], 1058 Rn. 11 – KNEIPP). Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 [X.] in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung ([X.] n. F.) weiterhin die Vorschrift des § 42 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (im Folgenden "[X.]").

Die in [X.] getretenen Änderungen des § 9 [X.] sind für die Entscheidung im vorliegenden Streitfall ebenso ohne [X.]edeutung (vgl. hierzu [X.]G[X.] [X.] 2021, 482 Rn. 13 - [X.]; [X.], 1058 Rn. 15 - KNEIPP). Die seit dem 14. Januar 2019 geltende Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] stellt lediglich eine Anpassung der Vorschrift an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] dar, mit der dieser den [X.]ekanntheitsschutz nach Maßgabe der [X.]/[X.] auf den [X.]ereich ähnlicher Waren und Dienstleistungen ausgeweitet hatte (vgl. EuG[X.] [X.] 2003, 240 Rn. 30 - [X.]/Durfee]). Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des [X.]undesgerichtshofs (vgl. [X.]G[X.] [X.], 1201 Rn. 76 - [X.]/ Santander-Rot).

[X.]. Zwischen beiden Marken dürfte in [X.]ezug auf die angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 44 (Dienstleistungen eines Friseursalons) zwar keine [X.] im Sinne von §§ 125b Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bestehen, da die Waren und Dienstleistungen der [X.] 006 561 534 (Widerspruchsmarke 2)aus den von der Markenstelle zutreffend genannten und von der Widersprechenden mit der [X.]eschwerde auch nicht mehr angegriffenen Gründen hierzu unähnlich sind.

Letztlich bedarf die Frage einer [X.] aber keiner abschließenden Erörterung und Entscheidung. Denn die angegriffene Marke nutzt entgegen der Auffassung der Markenstelle jedenfalls die Unterscheidungskraft der Widerspruchsmarke [X.] 006 561 534 (Widerspruchsmarke 2) in unlauterer Weise ohne rechtfertigenden Grund aus und ist daher gemäß §§ 125b Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zu löschen.

1. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ist zeitlich anwendbar, weil die angegriffene Marke am 13. November 2013 und damit nach dem Stichtag 1. Oktober 2009 zur Eintragung angemeldet worden ist (§ 158 Abs. 2 [X.]).

2. Die [X.] [X.] 006 561 534

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ist, jedenfalls soweit sie in Klasse 39 „Dienstleistungen einer Fluggesellschaft“ und hiermit in engem Zusammenhang stehende Dienstleistungen beansprucht, eine bekannte Marke im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.].

a. Eine Marke ist bekannt iSv § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.], wenn sie über einen gewissen Grad an [X.]ekanntheit beim maßgeblichen Publikum verfügt. Dieses Publikum ist nach der unter der betreffenden Marke vermarkteten Ware oder Dienstleistung zu bestimmen; der erforderliche [X.]ekanntheitsgrad ist als erreicht anzusehen, wenn die Marke einem bedeutenden Teil dieses Publikums bekannt ist (vgl. EuG[X.] [X.], 621 Rn. 47 – ÖKO-Test Verlag [ÖKO-TEST]; [X.]G[X.] [X.] 2020, 401 Nr. 19 – ÖKO-Test I; [X.] 2020, 405 Rn 36 – ÖKO-Test II). Insofern kann nicht verlangt werden, dass die Marke einem bestimmten Prozentsatz dieses Publikums bekannt ist (EuG[X.] [X.], 1158 Nr. 24 – PAGO/Tirolmilch). Ferner genügt es, wenn ein bedeutender Teil des maßgeblichen Publikums dieses Zeichen kennt; es ist nicht erforderlich, dass dem Publikum die Eintragung dieses Zeichens als Marke bekannt ist (EuG[X.] [X.], 621 Rn. 49 – ÖKO-Test Verlag [ÖKO-TEST]). [X.]ei der Prüfung, ob eine Marke bekannt ist, sind alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen. Zu den maßgeblichen [X.]ekanntheitsfaktoren zählen dabei neben der [X.]ekanntheit im demoskopischen Sinne der Marktanteil der Marke, die Intensität ihrer [X.]enutzung (Umsatzstärke), die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer [X.]enutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat, wie z. [X.]. Werbeaufwendungen (vgl. EuG[X.] [X.], 1158 Nr. 25– PAGO/Tirolmilch; [X.]G[X.] [X.] 2017, 75 Nr. 37 – WUNDER[X.]A[X.] II; [X.], 1214 Nr. 20 – Goldbären; [X.], 1114 Nr. 10 – [X.]; [X.] 2020, 401 Nr. 20 – Öko-Test I).

Gemäß § 125b Nr. 1 [X.] tritt bei der Anwendung von § 9 [X.] mit [X.]lick auf eine [X.]smarke mit älterem Zeitrang an die Stelle der [X.]ekanntheit im Inland gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] die [X.]ekanntheit in der [X.] gemäß Art. 9 Abs. 2 [X.]uchst. c [X.]V (zuvor: Art. 9 Abs. 1 [X.]uchst. [X.], vgl. [X.]G[X.] [X.] 2021, 482 Rn. 56 – [X.]). Dabei reicht die [X.]ekanntheit der [X.]smarke in einem wesentlichen Teil des [X.]sgebiets, das dem Gebiet eines Mitgliedstaats entsprechen kann, für die Annahme einer [X.]ekanntheit der fraglichen [X.]smarke in der gesamten [X.] aus (EuG[X.], [X.], 621 Rn. 50 – [X.] [ÖKO-TEST], mwN; [X.]G[X.] [X.] 2020, 405 Rn 36 – [X.]I). Zu beachten ist aber, dass die für die Anwendung des Sonderschutzes der bekannten Marke geforderte „gedankliche Verknüpfung“ zwischen dem [X.] und der bekannten Marke dann nicht eintreten kann, wenn die Widerspruchsmarke im [X.] (hier: in [X.]) gänzlich unbekannt ist (EuG[X.] [X.], 1002, 1004, Nr. 29 – Iron & [X.]/[X.]). Andererseits kann nach der Rechtsprechung des EuG[X.] aber auch nicht gefordert werden, dass die bekannte Marke auch im [X.] im rechtsbegründenden Sinn bekannt ist; vielmehr reicht es aus, wenn ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Teil des Verkehrs im [X.] die bekannte Marke kennt und das [X.] mit ihr verknüpft (EuG[X.] [X.], 1002, 1004, Nr. 29 – Iron & [X.]/[X.]; möglicherweise weitergehend EuG[X.] [X.], 621, 625, Nr. 30 – [X.]/Dr. Liebe, wonach davon auszugehen ist, dass eine Marke, die (rechtsbegründend) in einem wesentlichen Teil des [X.]sgebiet bekannt ist, „in der gesamten [X.] bekannt ist“, vgl. hierzu [X.]/[X.]acker/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 14 Rn. 377).

b. Es ist bekannt, dass es sich bei der Widerspruchsmarke

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um einen seit vielen Jahrzehnten als Unternehmensbezeichnung verwendeten Firmennamen der nationalen Fluggesellschaft des [X.] als einer der weltgrößten Fluggesellschaften handelt (vgl. den Wikipedia-Eintrag „[X.]“, Anlage 2 zum [X.] vom 30. Juni 2014, [X.]). Ihre [X.]eimatbasis ist das eigens für sie errichtete Terminal 5 auf dem Flughafen London [X.]eathrow. [X.] bedient als eine von wenigen Fluggesellschaften Ziele auf sechs Kontinenten, darunter viele Ziele in [X.] und in [X.] u. a. die Flughäfen [X.]erlin, Düsseldorf, [X.], [X.]amburg, [X.]annover, München, [X.] und [X.] (Wikipedia-Eintrag, a. a. [X.], Anlage 2). Die Flugzeugflotte ist dabei mit dem Schriftzug [X.] gemäß der Widerspruchsmarke 2 gekennzeichnet. Diese Tatsachen, aus denen hervorgeht, dass die Widerspruchsmarke während eines langen Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt (hier: dem Sektor der Fluggesellschaften) erscheint und jedermann gegenübertritt, und aus denen sich die überragende [X.]ekanntheit der Widerspruchsmarke 2 ergibt, sind offenkundig im Sinne des § 291 ZPO (vgl. [X.]G[X.] [X.], 1043 Rn. 49 – TÜV II; [X.], 378 Rn. 27 – [X.]). Danach ist festzustellen, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine für Dienstleistungen einer Fluggesellschaft im [X.]sgebiet seit Jahrzehnten umfassend benutzte Marke (wie auch Firmenkennzeichnung) handelt, die im internationalen, europäischen und auch inländischen Flugverkehr omnipräsent ist, was sowohl für den Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke im Jahr 2013 als auch für den hiesigen Entscheidungszeitpunkt offensichtlich ist. [X.]ei dem Widerspruchszeichen 2 handelt es sich daher in Zusammenhang mit diesen, das Kerngeschäft der Widersprechenden ausmachenden Dienstleistungen einer Fluggesellschaft, um eine weit über den für den [X.]ekanntheitsschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erforderlichen [X.]ekanntheitsgrad hinausgehende überragend bekannte Marke wie auch Firmenkennzeichnung.

3. Die Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] setzt weiter voraus, dass das angegriffene Zeichen - seine [X.]enutzung im geschäftlichen Verkehr unterstellt – in relevantem Umfang gedanklich mit der bekannten Marke verknüpft wird (vgl. EuG[X.], [X.], 58 Nr. 29 – [X.]/Fitnessworld; [X.], 503 Nr. 41 – [X.]/[X.]; [X.]G[X.], [X.], 1043 Nr. 54 – [X.], [X.], 1214 Nr. 20 – Goldbären, [X.] 2020, 401 Nr. 28 – [X.]). Die Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung zwischen zwei Kennzeichen stattfindet, ist unter [X.]erücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles zu beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der [X.]ekanntheit der Klagemarke, ihre originäre oder durch [X.]enutzung erworbene Unterscheidungskraft und das [X.]estehen von [X.] zählen (vgl. EuG[X.], [X.], 58 Rn. 30 – [X.]/Fitnessworld;EuG[X.], [X.], 503 Nr. 41 – [X.]/[X.]; [X.], 56Rn. 41 f. – [X.]/CPM; [X.], 500Rn. 56 – TiMi [X.]JOG[X.]URT/[X.]; [X.]G[X.], [X.], 1214 Nr. 20 – Goldbären; [X.] 2017, 75 Nr. 37 – [X.]; [X.] 2020, 401 Nr. 28 – [X.]). [X.]ei fehlender Zeichenähnlichkeit kommt ein Anspruch nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht in [X.]etracht (vgl. [X.]G[X.], [X.], Nr. 49– [X.]; [X.], 75 Nr. 32 – Goldbären; [X.] 2020, 401 Nr. 28 – [X.]).

a. Die Markenähnlichkeit ist dabei im Ausgangspunkt nach den auch für § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] geltenden Grundsätzen zu beurteilen, mithin kann sie sich gleichermaßen aus Übereinstimmungen im Klang, im (Schrift)bild oder in der [X.]edeutung ergeben (vgl. [X.]G[X.] [X.], 1214 Nr. 34 – Goldbären; [X.], 1114 Nr. 23 – [X.]), wobei es auch hier auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Marken ankommt, wenngleich im Rahmen des [X.]ekanntheitsschutzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] anders als bei § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht erforderlich ist, dass eine [X.] oder [X.]erkunftstäuschung besteht, sondern es genügt, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem jüngeren Zeichen bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen (EuG[X.], [X.], 58 Nr. 29 u. 31 – [X.]/Fitnessworld; [X.], 503 Nr. 41 – [X.]/[X.]; [X.], 56 Nr. 30 – [X.]/ CPM; [X.]G[X.] [X.], 1114 Rn. 33 – [X.]).

b. Ausgehend davon sind sich die [X.]

[X.]

und

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klanglich sehr ähnlich. Die Markenwörter stimmen - bis auf einen einzigen [X.]uchstaben - in vierzehn [X.]uchstaben überein und sind in der Silbenanzahl, der lauttragenden Vokalfolge sowie im [X.]etonungsrhythmus identisch. Der einzige Unterschied liegt in dem in der angegriffenen Marke vor „[X.]“ hinzugefügten [X.]uchstaben „[X.]“, der aber [X.] ist und leicht überhört werden kann. Die klangliche Ähnlichkeit ist daher hochgradig.

c. Unter [X.]erücksichtigung dieser hochgradigen Zeichenähnlichkeit sowie des überragenden [X.]ekanntheitsgrads der Widerspruchsmarke ist im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung (vgl. dazu [X.]G[X.] [X.] 2020, 401 Rn. 38 – ÖKO -TEST I) ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Verkehr bei Wahrnehmung der jüngeren Marke [X.] auch in Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen an das ihm bekannte Markenzeichen der Widersprechenden denkt und die angegriffene Marke gedanklich mit der Widerspruchsmarke 2 verknüpft. Zutreffend weist die Markenstelle zwar darauf hin, dass die angegriffenen Dienstleistungen zu den Dienstleistungen der Klasse 39, für die die Widerspruchsmarke eine überragende Kennzeichnungskraft und [X.]ekanntheit in Anspruch nehmen kann, unähnlich sind und dies in rechtlicher [X.]insicht im Einzelfall trotz [X.]ekanntheit der betreffenden Marke sowie Ähnlichkeit der Zeichen eine gedankliche Verknüpfung ausschließen kann (vgl. EuG[X.], [X.], 56 Rn. 45 ff. – [X.]); jedoch ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Dienstleistungen ihres „Kernbereichs“, nämlich Dienstleistungen einer Fluggesellschaft, so überragend, dass sie die Unähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen überwindet und auch auf die verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen „ausstrahlt“ mit der Folge, dass der Verkehr die angegriffene Marke [X.] auch in Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen mit der Widerspruchsmarke 2 gedanklich verknüpft.

4. Auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] sind erfüllt, da die angegriffene Marke die Unterscheidungskraft der älteren Marke Abbildung

[X.]ei der Prüfung, ob die [X.]enutzung eines Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt, ist eine umfassende [X.]eurteilung aller relevanten Umstände des konkreten Falls vorzunehmen, insbesondere des Ausmaßes der [X.]ekanntheit und des Grads der Unterscheidungskraft der Marke, des Grads der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie der Art der betroffenen Waren oder Dienstleistungen und des Grads ihrer Nähe. Eine Ausnutzung liegt umso eher vor, je größer die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ist. Je unmittelbarer und stärker die Marke von dem Zeichen in Erinnerung gerufen wird, desto größer ist die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige [X.]enutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt (vgl. EuG[X.] [X.], 756 Rn. 44 - [X.] u.a.; [X.]G[X.] [X.] 2020, 401 Rn. 41 - [X.] I; [X.] 2020, 405 Rn. 57 - [X.]I).

Versucht ein Dritter, sich durch die Verwendung eines mit einer bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens in den [X.]ereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und, ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des [X.] dieser Marke auszunutzen, so ist der sich aus dieser Verwendung ergebende Vorteil als eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke anzusehen (vgl. EuG[X.], [X.], 756 Rn. 49 - [X.] u.a.; EuG[X.] [X.], 280 Rn. 52 - Leidseplein [X.]eheer und De Vries [[X.]ull Dog/Red [X.]ull]; [X.]G[X.] [X.], 378 Rn. 33 - [X.], [X.]G[X.] [X.] 2020, 401- [X.]; [X.] 2020, 405 Rn. 58 - [X.]I; [X.]G[X.], Urteil vom 16. Dezember 2021, [X.] = [X.]-RS 2021, 42015, Rn. 44).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend, unter [X.]erücksichtigung der überragenden [X.]ekanntheit der Widerspruchsmarke Abbildung[X.] die Widerspruchsmarke vollständig aufnimmt, wobei lediglich ein einziger, zudem [X.]er [X.]uchstabe („[X.]“) hinzugefügt ist, wird die überragend bekannte Widerspruchsmarke unmittelbar und stark in Erinnerung gerufen, dies auch dann, wenn die angegriffene Marke im hier relevanten Dienstleistungszusammenhang (für Dienstleistungen eines Friseursalons) benutzt wird. Mit der gewählten Art der Annäherung macht sich die Markeninhaberin den hohen Aufmerksamkeitswert (vgl. Ströbele/[X.]acker/Thiering, a. a. [X.], § 14 Rn. 394) der überragend bekannten Widerspruchsmarke Abbildung

Dies stellt die Markeninhaberin im Übrigen schon nicht in Abrede, sondern räumt dies mit [X.] vom 20. Januar 2022 ausdrücklich so ein, wenn sie vorträgt, dass die Anlehnung der jüngeren Marke an die Widerspruchsmarke aufgrund deren hoher [X.]ekanntheit zu „mehr Aufmerksamkeit“ bei potentiellen Kunden führen könne. Ihr weiterer Vortrag, dass sie selbst auf die Dienstleistungen eines Friseursalons beschränkt sei und insoweit nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu der Widersprechenden als Fluggesellschaft stehe und dieser daher auch keinen unmittelbaren „Schaden“ zufüge, verkennt die Voraussetzungen einer unlauteren Ausnutzung der Unterscheidungskraft im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. Entscheidend ist wie dargelegt alleine, dass die Markeninhaberin sich durch die weitgehende Anlehnung an die überragend bekannte Widerspruchsmarke in deren Sogwirkung begeben hat, um von ihrer Anziehungskraft und ihrem hohen Aufmerksamkeitswert zu profitieren und hierdurch, ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen der Widersprechenden zur Schaffung und Aufrechterhaltung des [X.] ihrer älteren Marke ausnutzt (vgl. EuG[X.] [X.], 280 Rn. 52 - Leidseplein [X.]eheer und De Vries [[X.]ull Dog/Red [X.]ull]; [X.]G[X.] [X.] 2020, 401- [X.]; [X.] 2020, 405 Rn. 58 - [X.]I; [X.]G[X.], Urteil vom 16. Dezember 2021, [X.] = [X.]-RS 2021, 42015, Rn. 44).

5. [X.]ei der identischen oder (hier: hochgradig) ähnlichen [X.]enutzung einer bekannten Marke zu dem Zweck, die mit ihrer Verwendung verbundene Aufmerksamkeit auszubeuten, ist regelmäßig von einem Ausnutzen der Unterscheidungskraft in „unlauterer Weise“ auszugehen (vgl. [X.]G[X.] [X.] 2005, 583, 584 – Lila-Postkarte; [X.]. 1043, 1047, Nr. 65 – TÜV II; Ströbele/[X.]acker/Thiering, a. a. [X.], § 14 Rn. 415). Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann die Unlauterkeit vorliegend auch nicht mit dem Argument einer über lange Zeit verfestigten Marktgewohnheit (hier: hinsichtlich einer bestimmten „verballhornenden“ Art der Namensbildung von Friseurgeschäften) verneint werden.

Zwar ist es zutreffend, dass im Dienstleistungssektor der angegriffenen Marke die Ersetzung von Silben durch das [X.] Wort „hair“ bzw. durch seine [X.] Entsprechung „[X.]aar“ häufig in Gebrauch ist und war und nicht nur in der Werbesprache zum Standard gehört (vgl. neben den [X.]elegen der Markenstelle auch [X.]PatG 30 W (pat) 8/18 – VOR[X.]ER NAC[X.][X.]AIR, juris, mit weiteren [X.]eispielen für entsprechende [X.]). Dies rechtfertigt aber nicht die Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Widerspruchsmarke 2. Zunächst handelt es sich, worauf die Widersprechende zutreffend hinweist, gerade nicht um eine Übung zur „Verballhornung“ bekannter Marken; vielmehr werden ganz allgemein Spruchfolgen, Vornamen oder sonst geeignete Wörter durch Ersetzung von Silben durch „hair“ oder „haar“ abgewandelt (so auch in den [X.]eispielen der Markenstelle, die sich sämtlich gerade nicht auf Abwandlungen bekannter Marken beziehen: „Vier [X.]", "[X.]", "[X.]", "Chaaris- ma").

Im Übrigen handelt es sich vorliegend auch nicht um den Fall einer zwangsläufigen Anlehnung an fremden Ruf, der in Sonderfällen – wenngleich unter engen Voraussetzungen - ein Indiz für fehlende Unlauterkeit darstellen oder jedenfalls durch berechtigte Interessen gerechtfertigt sein kann (vgl. u.a. [X.]G[X.] [X.] 2010, 726, 729, Nr. 39 – Opel-[X.]litz II; [X.]/[X.]acker/Thiering, a. a. [X.], § 14 Rn. 260 ff, 417, 422, zum Sonderfall des Zeichengebrauch auf Spielzeugnachbildungen von Originalwaren). Die Markeninhaberin war vorliegend keinesfalls zwangsläufig darauf angewiesen, auf die Widerspruchsmarke 2 zurückzugreifen und diese „verballhornend“ abzuwandeln. Aus denselben Gründen geht auch das weitere Argument der Markeninhaberin, dass ihr als [X.] die Nutzung des Wortes „[X.]ritish“ im Sinne eines [X.]inweises auf ihre Staatsangehörigkeit freistehen müsse, offensichtlich fehl. Denn auch dies zwingt keinesfalls dazu, die überragend bekannte Widerspruchsmarke Abbildung

6. Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Widerspruchsmarke 2 ist auch „ohne rechtfertigenden Grund“ erfolgt. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kommt eine Rechtfertigung aufgrund einer Abwägung der in Rede stehenden Grundrechte der [X.]eteiligten nicht in [X.]etracht.

a. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen [X.] müssen die Gerichte der Mitgliedstaaten bei der Auslegung von Richtlinienbestimmungen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die [X.]srechtsordnung geschützten Grundrechten sicherstellen (vgl. EuG[X.] [X.], 241 Rn. 68 - Promusicae; [X.], 579 Rn. 29 - [X.]; [X.] 2012, 703 Rn. 56 - [X.]onnier Audio). Die [X.]estimmung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] setzt Art. 5 Abs. 3 [X.]uchst. a, [X.] um (vgl. [X.]G[X.] [X.], 1114, Rn. 41 – [X.]). [X.]etroffen sind im Streitfall auf Seiten der Widersprechenden ihr Grundrecht aus Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen [X.] ([X.]) auf Schutz des geistigen Eigentums und auf Seiten der Markeninhaberin die Grundrechte aus Art. 11 Abs. 1 [X.] auf Freiheit der Meinungsäußerung und aus Art. 13 [X.] auf Freiheit der Kunst. Keine andere Abwägung hat aufgrund des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz zu erfolgen. [X.]ier stehen sich ebenfalls auf Seiten der Widersprechenden die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentumsgarantie, die auch ein Markenrecht umfasst (vgl. [X.]VerfGE 51, 193, 216 f.), und auf Seiten des [X.]eklagten die Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 1 und 3 GG) gegenüber (vgl. [X.]G[X.] [X.], 1114, Rn. 41 – [X.]).

b. Die durch Art. 13 [X.] und Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Kunstfreiheit rechtfertigt vorliegend nicht die Ausnutzung der Unterscheidungskraft der Widerspruchsmarke.

aa. Dem Schutz der Kunstfreiheit unterfallen nicht nur Werke, die über eine gewisse Gestaltungshöhe verfügen. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formsprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden, das Wesentliche der künstlerischen [X.]etätigung (vgl. [X.]VerfGE 30, 173, 188 f.; 31, 229, 238). Die Kunst ist in ihrer Eigenständigkeit und Eigengesetzlichkeit durch Art. 5 Abs. 3 GG vorbehaltlos gewährleistet. Es ist unzulässig, die Garantie der Kunstfreiheit durch wertende Einengung des Kunstbegriffs, durch erweiternde Auslegung oder durch Analogie aufgrund der Schrankenregelung anderer Verfassungsbestimmungen einzuschränken ([X.]VerfGE 30, 173, 188 f.). In den Schutzbereich der Kunstfreiheit fallen deshalb grundsätzlich auch Darstellungen, bei denen der Künstler fremde Marken oder Produkte humorvoll-satirisch aufgreift ([X.]G[X.], [X.] 2005, 583, 584 - Lila-Postkarte). Wesentliches Merkmal einer [X.] ist es, an eine bekannte Marke zu erinnern, den nachgeahmten Gegenstand jedoch wahrnehmbar zu verändern. Dabei ist die Anspielung auf den nachgeahmten Gegenstand (die bekannte Marke) humorvoll und nicht notwendig spöttisch ([X.]G[X.] [X.], 1114, Rn. 47 – [X.] mwN).

[X.]ei der angegriffenen Marke [X.] handelt es sich – wenngleich nur ein einziger [X.]uchstabe („[X.]“) hinzugefügt wurde – um eine humorvolle und witzige Anspielung auf die Widerspruchsmarke 2, so dass ihr der Charakter einer durch das Grundrecht der Kunstfreiheit geschützten [X.] nicht abgesprochen werden kann.

bb. Jedoch kann sich vorliegend unter [X.]erücksichtigung aller Umstände des Streitfalls das Grundrecht der Kunstfreiheit der Markeninhaberin aus Art. 13 [X.] und Art. 5 Abs. 3 GG nicht gegenüber dem durch die Eigentumsgarantie in Art. 17 Abs. 2 [X.] und Art. 14 GG geschützten Markenrecht der Widersprechenden durchsetzen.

Der Umstand, dass die Freiheit der künstlerischen [X.]etätigung in Art. 5 Abs. 3 GG vorbehaltlos geschützt ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Gerichte diesem Grundrecht immer Vorrang einräumen müssen. Die Kunstfreiheit findet ihre Grenzen in entgegenstehenden Grundrechten Dritter (vgl. [X.]VerfGE 81, 278, 292; [X.]VerfG, NJW 2006, 596, 598). Diesen Grundrechten ist nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz Geltung zu verschaffen, indem die kollidierenden Grundrechtspositionen so zu begrenzen sind, dass sie für alle [X.]eteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. [X.]VerfGE 89, 214, 232; [X.]VerfG, NJW 2006, 596, 598).

Im vorliegenden Verfahren geht es der Widersprechenden nicht darum, der Markeninhaberin die [X.]enutzung der Wortmarke [X.] zu untersagen, sondern alleine um die Frage der Löschung ihres Registerrechts. Die Markeninhaberin versucht vorliegend, sich mit einem originellen, an die Widerspruchsmarke 2 angelehnten Wortspiel Vorteile zu verschaffen, die ohne die Existenz der bekannten Widerspruchsmarke nicht denkbar wären. Einem derartigen Interesse muss das Markenrecht der Widersprechenden nicht weichen ([X.]G[X.] [X.], 1114, Rn. 48 – [X.]). Denn es ist der Widersprechenden als Inhaberin einer überragend bekannten Marke nicht zuzumuten, dass die Markeninhaberin unabhängig von der konkreten Art der Verwendung dauerhaft ein Registerrecht an einem [X.] begründet, das in den Schutzbereich der Widerspruchsmarke eingreift und das die Markeninhaberin übertragen und lizenzieren kann. Im vorliegenden Fall hat die Markeninhaberin ihr Interesse an der Lizenzierung sogar ausdrücklich bestätigt (im Rahmen der Vergleichsgespräche der [X.]eteiligten durch Schreiben vom 23. Juli 2019, Anlage [X.] 1). Dies ist der Widersprechenden auch bei einer Abwägung der kollidierenden Grundrechtsinteressen nicht zumutbar (vgl. [X.]G[X.] [X.], 1114, Rn. 48 – [X.]).

c. Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Widerspruchsmarke durch die Markeninhaberin ist auch nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 [X.] und Art. 5 Abs. 1 GG) gerechtfertigt.

Es ist vorliegend nicht erkennbar, dass die Markeninhaberin über eine Parodie hinaus die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Dienstleistungen einer Fluggesellschaft einer Kritik unterziehen wollte. [X.]ei einer solchen Sachlage ist schon zweifelhaft, ob der Anwendungsbereich des Art. 11 Abs. 1 [X.] und des Art. 5 Abs. 1 GG eröffnet ist (vgl. [X.]VerfG, NJW 1994, 3342, 3343). Jedenfalls kann der Schutz der Meinungsfreiheit nicht so weit reichen, dass der Inhaber einer bekannten Marke es hinnehmen muss, dass für ein sein Markenrecht verletzendes Zeichen seinerseits markenrechtlicher Registerschutz begründet wird (vgl. [X.]G[X.] [X.], 1114 – [X.]).

7. Daher ist die angegriffene Marke unter dem Gesichtspunkt des [X.]ekanntheitsschutzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zu löschen, so dass auf die [X.]eschwerde der Widersprechenden der [X.]eschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.]s vom 27. Februar 2019 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der [X.]smarke [X.] 006 561 534 anzuordnen ist.

C. Da die [X.]eschwerde im [X.]inblick auf die Widerspruchsmarke 2 in vollem Umfang Erfolg hat, ist sie wegen der weiteren Widersprüche aus der [X.]smarke [X.] 003 184 348 (Widerspruchsmarke 1) und aus dem nicht registrierten Unternehmenskennzeichen (Widerspruchszeichen 3) gegenstandslos.

D. [X.]insichtlich der Kosten des [X.]eschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da [X.]illigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen [X.]eteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

Meta

30 W (pat) 15/19

20.01.2022

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Art 5 Abs 3 GG, § 9 Abs 1 Nr 3 MarkenG, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG vom 04.04.2016, § 125b Nr 1 MarkenG, § 158 Abs 3 MarkenG, § 291 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.01.2022, Az. 30 W (pat) 15/19 (REWIS RS 2022, 9636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9636

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30 W (pat) 8/18

I ZR 201/20

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