Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.08.2018, Az. 29 W (pat) 3/18

29. Senat | REWIS RS 2018, 5027

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "You Pot (Wort-Bild-Marke)/You Tube (Unionsbildmarke)/You Tube (Unionsbildmarke)" – Markenähnlichkeit – gedankliche Verknüpfung der Vergleichsmarken - Ausnutzung der Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten Widerspruchsmarken


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2015 215 821

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] im schriftlichen Verfahren am 8. August 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und der Richterin Seyfarth

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 8. Januar 2018 aufgehoben.

Die Eintragung der angegriffenen Marke 30 2015 215 821 ist wegen der Widersprüche aus den Marken [X.] 012 177 366 und [X.] 005 227 251 zu löschen.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke (schwarz, weiß, rot) Nr. 30 2015 215 821

Abbildung

2

der Beschwerdegegnerin ist am 9. August 2015 angemeldet und am 1. März 2016 als Marke in das beim [X.] Patent und Markenamt ([X.]) geführte Register für die Dienstleistung der

3

Klasse 35: Event-Marketing

4

eingetragen worden.

5

Gegen die Eintragung der Marke, die am 1. April 2016 veröffentlicht wurde, hat die Beschwerdeführerin aus zwei [X.]smarken Widerspruch erhoben, nämlich

6

1. aus ihrer in schwarz, weiß und rot ausgestalteten Marke [X.] 012 177 366

Abbildung

7

die am 19. Februar 2014 für die Waren und Dienstleistungen der

8

Klasse 16: Papier und Schreibwaren, nämlich Notizbücher, Schreibstifte und Bleistifte, Aufkleber mit Kleberücken;

9

Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; [X.], tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;

Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel; [X.]; Tapioka und Sago; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;

Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von [X.]en;

Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung; Beherbergung von Gästen;

Klasse 45: Dienstleistungen in Bezug auf [X.] Online-Netze.

eingetragen worden war und

2. aus ihrer (schwarz-weiß) Marke [X.] 005 227 251

Abbildung

die am 24. Juli 2008 eingetragen worden war für die Dienstleistungen der

Klasse 35: Verkaufsförderung im Auftrag Dritter; Verkaufsförderung in Form von Online-Unterhaltung und -Bildung; Verkaufsförderung in Form der gemeinsamen Nutzung von [X.] über das [X.] und andere Computer- und Kommunikationsnetze;

Klasse 38: Ausstrahlung, nämlich Hochladen, Versenden, Anzeigen, Markieren, Bloggen, gemeinsames Nutzen oder sonstiges Bereitstellen von elektronischen Medien oder Informationen über das [X.] oder andere Kommunikationsnetze; Rundfunk- und Fernsehdienste; [X.]; Bereitstellung eines Portals zur gemeinsamen Nutzung von [X.]; elektronischer Kommunikationsdienst; Übertragung von Nachrichten, Daten und Inhalten über das [X.] und andere Computer- und Kommunikationsnetze; Bereitstellung von Online-Foren, Chatrooms, Journalen, Blogs und Listenservern für die Übertragung von Nachrichten, Kommentaren und Multimedia-Inhalten zwischen Benutzern; Übertragung von elektronischen Medien, [X.], [X.], Spielfilmen, Bildern, Texten, Fotografien, Spielen, von Benutzern erzeugten Inhalten, Audioinhalten und Informationen über das [X.] und andere Computer- und Kommunikationsnetze; Bereitstellung von Online-Gemeinschaftsforen für Benutzer zum Bekanntmachen, Suchen, Betrachten, gemeinsamen Nutzen, Kritisieren, Bewerten und Kommentieren von [X.] und anderen Multimedia-Inhalten; Vertrieb digitaler Programme für Audio- und [X.]endungen über ein weltweites Computernetz; Bereitstellung eines Portals zur gemeinsamen Videonutzung für Unterhaltungs- und Bildungzwecke;

Klasse 41: Ausbildung zur Bereitstellung von elektronischen Medien oder Informationen über das [X.] oder andere Kommunikationsnetze; Unterhaltung, nämlich Bereitstellung von Multimedia-Inhalten oder Informationen über das [X.] und/oder andere Kommunikationsnetze; Unterhaltungsdienstleistungen; Erziehung und Unterricht; Unterhaltung und Bildung mit elektronischen Medien, [X.], [X.], Spielfilmen, Bildern, Texten, Fotografien, Spielen, von Benutzern erzeugten Inhalten, Audioinhalten und Bereitstellung von diesbezüglichen Informationen über Computer- und Kommunikationsnetze; Unterhaltungs- und Erziehungsdienste; Veröffentlichung von digitaler Video-, Audio- und Multimediaunterhaltung; digitale Online-Verlagsdienstleistungen;

Klasse 42: Dienstleistungen eines Anwendungsdiensteanbieters; Bereitstellung des Zugangs zu nicht herunterladbarer Software; Bereitstellung des Zugangs zu nicht herunterladbarer Software zur Ermöglichung des Hochladens, Herunterladens, der Erfassung, Bekanntgabe, Darbietung, Bearbeitung, des Abspielens, Streaming, Betrachtens, Betrachtens der Vorschau, der Anzeige, Markierung, des Blogging, der gemeinsamen Nutzung, Bearbeitung, Verbreitung, Veröffentlichung, Wiedergabe oder anderweitigen Bereitstellung von elektronischen Medien, [X.], [X.], Spielfilmen, Bildern, Texten, Fotografien, Spielen, von Benutzern erzeugten Inhalten, Audioinhalten und Informationen über das [X.] oder andere Kommunikationsnetze; Bereitstellung des Zugangs zu nicht herunterladbarer Software zur Ermöglichung des Austausches von [X.] und Kommentaren zwischen Benutzern; Bereitstellung des Zugangs zu nicht herunterladbarer Software zur Ermöglichung der Verfolgung von [X.] durch Inhalteanbieter; Hosting von [X.] für Dritte; Hosting von Multimediaunterhaltung und Bildungsinhalten für Dritte.

Die Widersprechende macht geltend, dass die angegriffene Marke in unzulässiger Weise die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten [X.] ausnutze, so dass der Löschungsgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] greife. Zum Nachweis der Bekanntheit der älteren Marken hat die Widersprechende umfangreiche Unterlagen, u. a. eine eidesstattliche Versicherung eingereicht. Die Widersprechende stützt ihren Widerspruch ferner auch auf den Löschungsgrund der [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

Mit Beschluss vom 8. Januar 2018 hat die Markenstelle für Klasse 35 des [X.] den Widerspruch zurückgewiesen. Zwischen den Marken bestehe keine [X.]. Zwar könnten sich die Marken teilweise, z. B. die Widerspruchsmarke [X.] 005 227 251 hinsichtlich der Klasse 35, auf identischen Dienstleistungen begegnen, zumindest lägen sie aber in einem engen Ähnlichkeitsbereich. Die in Frage stehenden Dienstleistungen richteten sich auch an breite Verkehrskreise; da es sich aber teilweise um besondere Dienstleistungen, die einen speziellen Zweck erfüllen sollen, handle, würden sie mit einer gewissen Sorgfalt oder nach Beratung bzw. Information in Anspruch genommen. Zugunsten der Widersprechenden könne bezüglich der Dienstleistungen der Klassen 38, 42 und 45 von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft ausgegangen werden; diese seien allerdings nicht im Verzeichnis der angegriffenen Marke enthalten. Bei Anwendung einer gewissen Sorgfalt bei der Inanspruchnahme der Dienstleistungen, die sich [X.] auswirke, seien diesbezüglich an den einzuhaltenden Abstand keine allzu strengen Maßstäbe zu stellen. Dieser zum Ausschluss einer [X.] erforderliche Abstand werde von der angegriffenen Marke eingehalten.

Der Verkehr messe bei Wort-/Bildmarken in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu, so dass die angegriffene Marke mit „[X.]“ und die [X.] mit „[X.]“ benannt würden. Die Unterschiede in dem zweiten Wort führten zu einer unterschiedlichen Vokalfolge und einem anderen Sprech- und Betonungsrhythmus. Es bestehe ferner kein Anlass, einen dieser Begriffe der jeweiligen Marken wegzulassen oder zu vernachlässigen, insbesondere sei nicht ersichtlich, warum die Marken auf den Bestandteil „You“ reduziert werden sollten. Insgesamt seien die Unterschiede der Klangbilder so deutlich, dass Verwechslungen in klanglicher Hinsicht ausgeschlossen seien. Die unterschiedliche Bedeutung von „Pot“ für „Topf, Tiegel, Kanne“ und „[X.]“ für „Röhre, Tunnel, Fernsehen“ trage zusätzlich dazu bei, die Marken besser auseinander halten zu können und Hör- und [X.] zu vermeiden. Eine schriftbildliche Verwechslung könne aufgrund der typischen Umrisscharakteristik der Bestandteile „Pot“ gegenüber „[X.]“ ebenfalls ausgeschlossen werden. Zudem würden bei Wahrnehmung der Marken diese insgesamt betrachtet, also mit ihren grafischen Bestandteilen. Bei der Widerspruchsmarke [X.] 005 227 251 sei die Ausgestaltung zudem schwarz-weiß und nicht farbig.

Für andere Arten der Verwechslung sei nichts ersichtlich. Insbesondere gingen die angesprochenen Verkehrskreise auch nicht davon aus, dass es sich bei der jüngeren Marke um ein weiteres Produkt der Widersprechenden handle, weil die Marken – auch aufgrund der Grafik – unterschiedlich gebildet seien. Der gemeinsame Bestandteil „You“ reiche zur Annahme einer [X.] nicht aus. Da auch andere Firmen „You“ in ihren Marken verwendeten, weise dieser nicht zwingend auf die Widersprechende hin. Ob der eher beschreibende Begriff „You“ für „Dich/Sie“ überhaupt als Stammbestandteil geeignet sei, könne deshalb dahingestellt bleiben. Auch seien die beiden in dem angegriffenen Zeichen enthaltenen Bestandteile „You“ und „Pot“ in einer die selbstständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils „You“ entgegenwirkenden Art und Weise miteinander zu einer gesamtbegrifflichen Aussage verbunden. Auch für einen Löschungsgrund unter dem Aspekt des Sonderschutzes der bekannten Marke gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] seien keine Anhaltspunkte gegeben. Zwar sei den [X.] eine Bekanntheit zuzugestehen, jedoch werde das angegriffene Zeichen noch nicht einmal als deren Abwandlung aufgefasst werden, weil Wortbildungen mit „You“ nicht als Hinweis auf die Widersprechende zu sehen seien und zudem die grafischen Gestaltungen hinlänglich unterschiedlich seien. Während der Bestandteil „Pot“ mit einem leuchtend roten Kreis unterlegt sei, sei dies bei den Bestandteilen „[X.]“ der älteren Marken länglich und ein dunkleres Rot bzw. schattiertes Grau. Eine Ausnutzung der Wertschätzung einer im Inland bekannten Marke könne darin nicht gesehen werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2018 aufzuheben und die Eintragung der Marke 30 2015 215 821 zu löschen.

Sie vertritt die Ansicht, dass die angegriffene Marke die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten [X.] ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ausnutze. Bei den [X.] handele es sich um weltweit und insbesondere in [X.] und der [X.] bekannte Marken, die aufgrund ihrer umfassenden Benutzung und Bewerbung über eine deutlich erhöhte Kennzeichnungskraft und damit einen erheblich erweiterten Schutzumfang verfügten. Die Widersprechende biete unter den [X.] das Online-Video-Portal [X.] an, das weltweit mehr als 1 Milliarde aktive Nutzer habe. Zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken bestehe hochgradige Zeichenähnlichkeit. In jedem Falle entspreche der Gesamteindruck des jüngeren Zeichens demjenigen der [X.]. Die [X.]smarke 012 177 366 sei dadurch gekennzeichnet, dass sie aus zwei separaten Wortelementen bestehe, wobei das erste Element, das Wort „You“ in schwarzer Schrift vor weißem Hintergrund und der zweite Bestandteil, das Wort „[X.]“ in weiß vor einem roten Hintergrund gestaltet sei. Genau diese kennzeichnenden Elemente habe die jüngere Marke übernommen. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass der Schutz der bekannten Marke nicht voraussetze, dass der Grad der Markenähnlichkeit so hoch sei, dass auch eine [X.] bestehe. Es genüge vielmehr eine gedankliche Verknüpfung, die hier im Hinblick auf die gleichen Strukturmerkmale der Vergleichsmarken stattfinde. Hinzu komme, dass sich die Marken auf teilweise identischen Dienstleistungsbereichen begegneten. Schließlich bestehe zwischen den Vergleichsmarken angesichts der [X.] bzw. -ähnlichkeit sowie der erhöhten Kennzeichnungskraft der [X.] auch eine [X.] gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

Die Beschwerdegegnerin hat sich im Amts- wie auch im Beschwerdeverfahren weder zur Sache geäußert noch Anträge gestellt. Auch zu dem [X.] des Senats vom 29. März 2018 hat sie keine Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat auch in der Sache Erfolg.

A) Die Beschwerdeführerin kann ihr Löschungsbegehren mit Erfolg auf § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] stützen. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin bei Benutzung der angegriffenen Marke für die [X.] die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten [X.] in unzulässiger Weise ausnutzt, so dass der angegriffene Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen waren, §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 1 [X.] i. V. m. § 125 b [X.].

1. Die angegriffene Marke ist am 9. August 2015 angemeldet worden, so dass der Bekanntheitsschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden kann (§ 158 Abs. 2 [X.]).

2. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] – (auch) im Bereich unähnlicher Waren und Dienstleistungen – zu löschen, wenn sie mit einer prioritätsälteren, im Inland bekannten Marke identisch oder ähnlich ist und ihre Benutzung geeignet ist, die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Widerspruchsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen sind bei im Rahmen von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zu unterstellender markenmäßiger Benutzung der jüngeren Marke für die Dienstleistungen „Event-Marketing“ - entgegen den Ausführungen der Markenstelle, die in Teilen ohnehin kaum nachvollziehbar sind - gegeben.

branchenübergreifend – einer unlauteren Ausbeutung oder Beeinträchtigung durch Dritte zugänglich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Bekanntheit nicht auf das Zeichen als solches beschränken darf, sondern die Bekanntheit der Marke, also als Herkunftszeichen für die betreffenden Waren und/oder Dienstleistungen notwendig ist ([X.], 235, 23 – [X.]). Bei der Prüfung, ob eine Marke bekannt ist, sind alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen. Zu den maßgeblichen Bekanntheitsfaktoren zählen dabei neben der Bekanntheit im demoskopischen Sinne der Marktanteil der Marke, die Intensität ihrer Benutzung (Umsatzstärke), die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat, wie z. [X.] (vgl. [X.] [X.], 1158 Rn. 25 – PAGO/Tirolmilch; [X.] 2017, 75 Rn. 37 – WUNDERBA[X.] II; [X.], 1214 Rn. 20 – Goldbären; [X.], 1114 Rn. 10 – [X.], aus denen sich die Bekanntheit einer Marke ergibt, können allgemein geläufig und deshalb offenkundig im Sinne des § 291 ZPO sein. Dazu rechnet auch, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (vgl. [X.] 2011, 1043 Rn. 49 – TÜV II; [X.], 378 Rn. 27 – [X.] Cap).

Dass den [X.] nach diesen Kriterien eine entsprechende Bekanntheit in der [X.] zukommt, ist gerichtsbekannt, wird aber auch glaubhaft gemacht durch die von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen, u. a. zahlreiche Presseartikel, eine statistische Übersicht über die Besucherzahlen der [X.] 20 Videoportale im März 2012 in [X.] (danach ist [X.] mit 34 Millionen Besuchern [Unique Visits] das beliebteste Videoportal) sowie eine eidesstattliche Versicherung der „Senior Trademark Counsel“ B… vom 13. Dezember 2016; die Bekanntheit bzw. die Tatsachen, aus denen sich die Bekanntheit ergibt, sind von der Inhaberin der jüngeren Marke im Übrigen auch nicht bestritten worden.

Die Widersprechende und Beschwerdeführerin betreibt seit dem Jahr 2005 unter den [X.] eine Online-Videoplattform, die das kostenlose Einstellen, Suchen, Ansehen und Kommentieren von Videoclips aller Art ermöglicht. Das Portal verfügt aktuell weltweit über 1 Milliarde aktive Nutzer, d. h. solche, die die Plattform mindestens einmal im Monat besuchen. Jeden Tag wird [X.] weltweit hunderte Millionen Stunden lang genutzt und finden Milliarden sogenannte „Views“, d. h. einzelne Videoaufrufe, statt. Bei den [X.], die von Haus aus mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft besitzen, handelt es sich im Hinblick auf die äußerst intensive und lange Benutzung hierfür – mithin im Bereich der Dienstleistungen der Klasse 45 bezüglich der Marke [X.] 012 177 366 und der konkret auf eine Videoplattform bezogenen Dienstleistungen der Klassen 35, 38 und 42 bezüglich der Marke [X.] 005 227 251 – offenkundig um überragend bekannte Marken im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. Das Markenzeichen wird insoweit als Logo umfassend benutzt und ist auch vielfach in den Medien präsent; die Nutzung des von der Widersprechenden farbig verwendeten Logos, das die Widerspruchsmarke [X.] 012 177 366 darstellt, kommt dabei auch der weniger präsenten schwarz-weiß eingetragenen Wort-/Bildmarke [X.] 005 227 251 zugute. Denn einer schwarz-weiß eingetragenen Wort-/Bildmarke kann grundsätzlich auch die durch Benutzung in irgendeiner anderen Farbe erworbene Kennzeichnungskraft zugerechnet werden, wenn sich durch die Wiedergabe in der anderen Farbgestaltung die Charakteristik der Marke nicht ändert (vgl. [X.] GRUR 2013, 922 Rn. 37-41 – [X.]; [X.] 2006, 859 Rn. 34 – Malteserkreuz); eine solche Fallgestaltung liegt hier vor, so dass auch der schwarz-weiß registrierten Widerspruchsmarke eine Bekanntheit im Rechtssinne zukommt (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 171).

b) Die Klägerin kann sich auf den Bekanntheitsschutz in entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] auch im Bereich identischer oder ähnlicher Waren und Dienstleistungen berufen (vgl. [X.] a. a. O. Rn. 37 – WUNDERBA[X.] II; a. a. O. Rn. 24 – Goldbären; a. a. O. Rn. 14 – [X.]).

c) Die Vergleichsmarken sind in für die Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] hinreichender Weise ähnlich. Diese Markenähnlichkeit ist im Ausgangspunkt nach den auch für § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] geltenden Grundsätzen zu beurteilen, mithin kann sie sich gleichermaßen aus Übereinstimmungen im Klang, im (Schrift)bild oder in der Bedeutung ergeben (vgl. [X.] a. a. O. Rn. 34 – Goldbären; a. a. O. Rn. 23 – [X.]), wobei es auch hier auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Marken ankommt. Besteht keine Markenähnlichkeit, scheidet der Bekanntheitsschutz aus ([X.] GRUR 2010, 1098 Rn. 68 – [X.]; [X.] 2009, 672 Rn. 49 – OSTSEE-POST).

Nicht Voraussetzung für den Bekanntheitsschutz ist, dass eine [X.] oder eine Herkunftstäuschung besteht (vgl. [X.] [X.], 56 Rn. 58 – [X.]/CPM; [X.] a. a. O. Rn. 29 und 36 – [X.]). Es genügt vielmehr, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem jüngeren Zeichen bewirkt, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen und die Marke gedanklich miteinander verknüpfen ([X.] [X.], 56 Rn. 30 – [X.]/CPM; [X.], 58 Rn. 29 und 31 – [X.]/Fitnessworld; [X.], 503 Rn. 41 – [X.]/[X.]; [X.] a. a. O. Rn. 33 – [X.]).

Die Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung zwischen zwei Marken stattfindet, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles zu beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und (ohne dass dies erforderlich wäre) das Bestehen von [X.] zählen ([X.] GRUR Int. 2011, 500 Rn. 56 – [X.]/[X.]; [X.], 56 Rn. 41 f. – [X.]/CPM). Eine solche gedankliche Verknüpfung ist aus Sicht des Senats hier zweifellos zu bejahen, die angegriffene Marke stellt nicht lediglich allgemeine Assoziationen zu den bekannten [X.] her.

Ein Vergleich der Zeichen

Abbildung

und

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bzw.

Abbildung

zeigt sehr deutlich, dass die Charakteristik, nämlich der Aufbau der älteren Marken in Schriftart und Anordnung in die angegriffene Marke übernommen wurde; das Wort „You“ ist in Schriftbild und Anordnung (nahezu) identisch, lediglich das Rechteck mit den abgerundeten Ecken ist durch einen Kreis, und das darin befindliche Wort „[X.]“ ist durch das Wort „Pot“ ersetzt. Das angegriffene Zeichen erreicht gerade durch die Annäherungen an die [X.] bzw. Übereinstimmungen in der Markenstruktur die Aufmerksamkeit des angesprochenen Verkehrs, der Senat geht davon aus, dass dies von der Inhaberin der angegriffenen Marke bei ihrer Markengestaltung auch bewusst so angestrebt bzw. bezweckt wurde. Hinzu kommt, dass die angegriffene Marke in dem verwendeten Kreis die rote Farbgebung der Widerspruchsmarke [X.] 012 177 366 übernimmt. All dies ruft beim hier angesprochenen Verkehr sofort und unmittelbar die [X.] in Erinnerung, der Verbraucher wird die jüngere Marke gedanklich mit den [X.] verknüpfen.

in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist (vgl. [X.] [X.], 756 Rn. 49 – L'Oréal/[X.]; [X.] 2013, 1239 Rn. 54 – [X.]/Volks.Inspektion; [X.], 378 Rn. 33 – [X.] Cap). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, die Beschwerdegegnerin und Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich mit ihrem Zeichen zweifellos in den Bereich der Sogwirkung der bekannten Marke der Widersprechenden und Beschwerdeführerin begeben.

Einen rechtfertigenden Grund dafür hat sie weder im Amtsverfahren noch im Beschwerdeverfahren vorgetragen, noch ist ein solcher ansonsten ersichtlich.

Auf die Beschwerde der Widersprechenden war der Beschluss der Markenstelle daher aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

B) Bei dieser Sach- und Rechtslage kann die Frage, ob darüber hinaus auch eine [X.] zwischen den Vergleichsmarken nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht, als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

C) Für eine Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] besteht kein Anlass.

Meta

29 W (pat) 3/18

08.08.2018

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.08.2018, Az. 29 W (pat) 3/18 (REWIS RS 2018, 5027)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5027

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