Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2023, Az. II ZR 210/21

2. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1480

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Tenor

Die "sofortige Beschwerde" des Beklagten vom 14. Dezember 2022 gegen den Beschluss des Senats vom 18. Oktober 2022 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 18. Oktober 2022 hat der [X.] den Antrag des [X.] auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b ZPO für das Verfahren über die von ihm eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung abgelehnt, dass der Beklagte die Mandatsniederlegung des zunächst zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalts beim [X.] zu vertreten habe und seine Nichtzulassungsbeschwerde überdies aussichtslos sei. Außerdem hat der [X.] die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] mit demselben Beschluss mangels fristgerechter Begründung durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt als unzulässig verworfen.

2

Dagegen hat der Beklagte mit am 15. Dezember 2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. Dezember 2022 persönlich "Sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO" eingelegt und beantragt, den Beschluss vom 18. Oktober 2022 aufzuheben, das Verfahren in den vorherigen Stand einzusetzen und seinem Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts stattzugeben.

II.

3

Die "sofortige Beschwerde" des [X.] ist als unzulässig zu verwerfen. Eine sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO gegen den Beschluss des [X.]s vom 18. Oktober 2022 ist nicht statthaft und eine Umdeutung in eine Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO oder eine Gegenvorstellung kommt nicht in Betracht, weil diese ebenfalls unzulässig wären.

4

1. Eine sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO gegen den Beschluss des [X.]s vom 18. Oktober 2022 ist entgegen der Ansicht des [X.] nicht statthaft.

5

Gemäß § 567 Abs. 1 ZPO findet eine sofortige Beschwerde nur statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- und der [X.], nicht jedoch gegen Entscheidungen des [X.]s. Das gilt sowohl für Entscheidungen des [X.]s über [X.] gemäß § 544 Abs. 6 ZPO, d.h. hier die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] im Beschluss des [X.]s vom 18. Oktober 2022 als unzulässig, als auch für die Ablehnung der Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b ZPO. Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht aus der in § 78b Abs. 2 ZPO vorgesehenen Anfechtung des Ablehnungsbeschlusses durch sofortige Beschwerde, die nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ebenfalls nur gegen erstinstanzliche Entscheidungen der Amts- und der [X.] eröffnet ist (vgl. [X.], Beschluss vom 5. März 2019 - [X.], juris Rn. 3 mwN).

6

Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der zweiwöchigen Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO kommt damit ebenfalls nicht in Betracht.

7

2. Eine Umdeutung der "sofortigen Beschwerde" des [X.] in eine Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO wegen eines Verstoßes gegen das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf rechtliches Gehör scheidet aus.

8

a) Die Umdeutung einer fehlerhaften Parteihandlung kommt im Verfahrensrecht in entsprechender Anwendung von § 140 BGB nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der Prozesshandlung, in die umgedeutet werden soll, eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (vgl. [X.], Beschluss vom 20. März 2002 - [X.], NJW 2002, 1958; Beschluss vom 3. März 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 876 Rn. 8; Beschluss vom 17. Oktober 2014 - [X.]/14, NJW 2014, 3731 Rn. 5; Beschluss vom 28. April 2015 - [X.] 36/14, NJW 2015, 2590 Rn. 7; Beschluss vom 19. Juli 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 1529 Rn. 19). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

9

b) Es kann dahinstehen, ob eine Umdeutung hier schon deshalb ausscheidet, weil sie nicht dem mutmaßlichen Willen des [X.] entspräche, der offensichtlich nicht nur versehentlich sondern bewusst ausdrücklich und unter näherer Begründung ihrer (vermeintlichen) Zulässigkeit eine "sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO" eingereicht hat (vgl. [X.], Beschluss vom 3. März 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 876 Rn. 8 f.).

c) Einer Umdeutung der "sofortigen Beschwerde" in eine Anhörungsrüge steht jedenfalls entgegen, dass deren Voraussetzungen ebenfalls nicht gewahrt wären.

aa) Eine Anhörungsrüge gegen die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde im Beschluss vom 18. Oktober 2022 wäre bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht wie erforderlich gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Mai 2005 - [X.], [X.], 2017; Beschluss vom 16. Oktober 2012 - [X.], [X.], 421 Rn. 5).

bb) Für eine Anhörungsrüge gegen die Ablehnung des Antrags auf Bestellung eines Notanwalts nach § 78b ZPO im Beschluss vom 18. Oktober 2022 bestünde zwar kein Anwaltszwang (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Mai 2022 - [X.], juris Rn. 6 mwN). Die Rüge wäre aber gleichwohl ebenfalls unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlichen Form und Frist erhoben wurde (§ 321a Abs. 4 Satz 1 und 2 i.V.m. § 321a Abs. 2 Satz 1 und 5 ZPO).

(1) Eine Anhörungsrüge wäre gemäß § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO verfristet.

(a) Nach § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO muss die [X.] innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei Gericht eingehen. Diese Notfrist beginnt im Fall des § 78b ZPO grundsätzlich mit der Zustellung des die Beiordnung ablehnenden Beschlusses an die Partei (vgl. [X.], Beschluss vom 3. April 2019 - [X.] 2/19, juris). Da der angefochtene Beschluss dem [X.] nach eigenen Angaben am 17. November 2022 zugegangen ist, ist die Rügefrist bereits am 1. Dezember 2022 und damit vor Eingang seiner "sofortigen Beschwerde" am 15. Dezember 2022 abgelaufen.

(b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Anhörungsrügefrist gemäß §§ 233 ff. ZPO käme nicht in Betracht. Der Beklagte hat nicht dargetan, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.

Soweit er sich darauf beruft, dass er und sein Bekannter [X.]    , an den er den angefochtenen Beschluss zur Prüfung weitergeleitet habe, als juristische Laien mangels Rechtsbehelfsbelehrung zunächst angenommen hätten, dass der Beschluss unanfechtbar bzw. lediglich mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar sei, vermag ihn dies nicht zu entschuldigen. Es ist Sache jeder, auch der juristisch nicht vorgebildeten Partei, sich von sich aus rechtzeitig über Form und Frist eines Rechtsmittels gegen eine für sie nachteilige Entscheidung zu erkundigen (vgl. [X.], Beschluss vom 14. November 1990 - [X.], [X.], 425). Hierzu hätte im vorliegenden Fall auch ein nicht beim [X.] zugelassener Rechtsanwalt konsultiert werden können. Der Beklagte kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass gemäß § 233 Satz 2 ZPO ein Fehlen des Verschuldens vermutet wird, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Vermutung des § 233 Satz 2 ZPO greift im vorliegenden Fall nicht, weil der Beschluss vom 18. Oktober 2022 als unanfechtbare Entscheidung keiner Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 232 ZPO bedurfte und § 232 ZPO zudem keine Belehrung über außerordentliche Rechtsbehelfe, zu denen u.a. auch die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO gehört, gebietet (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 232 Rn. 2; [X.] in [X.], ZPO, 23. Aufl., § 232 Rn. 10; jeweils mwN).

cc) Darüber hinaus legt der Beklagte eine entscheidungserhebliche Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör gemäß § 321a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht dar.

Mit der Anhörungsrüge können gemäß § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur neue und eigenständige Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Rechtsmittelgericht gerügt werden. In einem Rechtsmittelverfahren nicht behobene Verstöße der Vorinstanz können dagegen nicht Gegenstand eines Rügeverfahrens gegen die Entscheidung der höheren Instanz sein (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2011 - I ZA 1/11, NJW-RR 2011, 640 Rn. 5; [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 321a Rn. 7; jeweils mwN).

Diese Anforderungen erfüllt das Rügevorbringen des [X.] nicht. Ein Sachverhalt, aus dem sich eine neue und eigenständige Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör durch den [X.] ergeben würde, ist mit der "sofortigen Beschwerde" nicht dargetan. Das Beschwerdevorbringen des [X.] erschöpft sich in der Wiederholung der Begründung seines Beiordnungsantrags, er habe die Mandatsniederlegung seines früheren Rechtsanwalts nicht zu vertreten, weil sie allein auf dessen unsorgfältige und unvollständige Prüfung der Erfolgsaussichten seiner Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuführen sei, die angesichts mehrerer eindeutiger zulassungsrelevanter Rechtsfehler und Verstöße des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ersichtlich Aussicht auf Erfolg habe. Dass bzw. in welcher Hinsicht der [X.] dieses Vorbringen bei seiner Entscheidung über den Beiordnungsantrag unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen haben sollte, zeigt der Beklagte nicht auf.

Diese reine Wiederholung der Antragsbegründung ohne konkrete Darlegung einer Gehörsverletzung durch den [X.] genügt den Anforderungen des § 321a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 19. März 2009 - [X.], [X.], 1609 Rn.6 mwN). Überdies ist dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen, dass der [X.] sich sowohl mit dem Vortrag des [X.], er habe die Mandatsniederlegung seines früheren Rechtsanwalts beim [X.] nicht zu vertreten, befasst (Rn. 10), als auch die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde unter Berücksichtigung des Vorbringens des [X.] geprüft hat (Rn. 11 f.).

3. Eine Umdeutung der "sofortigen Beschwerde" des [X.] in eine Gegenvorstellung gegen den Beschluss des [X.]s scheidet ebenfalls aus, weil auch diese unzulässig wäre.

Selbst wenn man eine Gegenvorstellung bei Verstößen gegen andere Verfahrensgrundrechte als Gehörsverletzungen in analoger Anwendung des § 321a ZPO als statthaft ansähe (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 16. Oktober 2012 - [X.], [X.], 421 Rn. 7; Beschluss vom 17. Mai 2022 - [X.], juris Rn. 13 mwN), müsste diese den Form- und Fristerfordernissen der Anhörungsrüge genügen (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Oktober 2012 - [X.], [X.], 421 Rn. 7 mwN). Das ist, wie oben ausgeführt, hier nicht der Fall. Im Übrigen wäre die Gegenvorstellung auch nicht begründet. Der [X.] hat die Voraussetzungen des § 78b ZPO auch unter Berücksichtigung des mit der "sofortigen Beschwerde" wiederholten Vortrags aus dem Beiordnungsantrag des [X.] als nicht erfüllt angesehen. Die Wiederholung dieses Vorbringens in der "sofortigen Beschwerde" gibt dem [X.] keinen Anlass zu einer Abänderung seiner Entscheidung.

[X.]     

      

B. Grüneberg     

      

V. Sander

      

von Selle     

      

Adams     

      

Meta

II ZR 210/21

07.03.2023

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 18. Oktober 2022, Az: II ZR 210/21, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2023, Az. II ZR 210/21 (REWIS RS 2023, 1480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1480

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