Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.04.2017, Az. 1 StR 606/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12088

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Gegenstand

Strafzumessung bei Steuerhinterziehung: Berücksichtigung des Merkmals der "verschuldeten Auswirkungen der Tat"


Tenor

1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25. Januar 2016 werden verworfen.

2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Mit Urteil vom 9. Juli 2013 hatte das [X.] den Angeklagten und zwei Mitangeklagte jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 69 Fällen verurteilt. Gegen den Angeklagten hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt und zudem den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 30.000 Euro angeordnet. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten hat der Senat in einem ersten Revisionsverfahren die Verurteilung des Angeklagten im Strafausspruch und im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (Urteil und Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 [X.]). Der Schuldspruch wurde rechtskräftig.

2

Das [X.] hat den Angeklagten wegen dieser Taten am 25. Januar 2016 (und nicht wie im Rubrum des angefochtenen Urteils angegeben am 29. Januar 2016) erneut zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat es gegen ihn den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 20.000 Euro angeordnet. Zudem hat es festgestellt, dass im Zeitraum vom 29. Mai 2015 bis zum 17. November 2015 eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist.

3

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte rügt mit seinem unbeschränkten Rechtsmittel allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Revision den Strafausspruch. Sie ist der Auffassung, das [X.] habe den „[X.]“ einseitig zu hohes Gewicht beigemessen und insgesamt nicht mehr tat- und schuldangemessen niedrige Strafen verhängt. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

4

Dem rechtskräftigen Schuldspruch gegen den Angeklagten wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Energiesteuer durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 4 EnergieStG sowie § 23 Abs. 6 Satz 3 EnergieStG, § 27 Abs. 1 StGB) in 69 Fällen liegt im Wesentlichen folgender, im Urteil des Senats vom 27. Januar 2015 - 1 [X.] näher ausgeführter, Sachverhalt zugrunde:

5

Die von den gesondert verfolgten [X.]    und [X.].      betriebene Firma [X.][X.].      (im Folgenden: Firma [X.]) stellte aus mit behördlicher Erlaubnis steuerfrei bezogenem Dieselkraftstoff sowie Basisöl angeblich „Formenöl“ her. Das durch einfaches Vermischen von einem hohen Anteil an Dieselkraftstoff und einem geringen Anteil an Basisöl entstandene Gemisch war jedoch weiterhin als Kraftstoff verwendbar und somit [X.]söl im Sinne der Kombinierten Nomenklatur (Verordnung [EG] Nr. 948/2009 der [X.] vom 30. September 2009 zur Änderung von [X.] der Verordnung [EWG] Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. [X.] Nr. L 287 vom 31. Oktober 2009, [X.]). Das im Gegensatz zu „Formenöl“ der Energiesteuer unterliegende [X.] wurde gezielt zur Verwendung als Kraftstoff hergestellt, worauf sich die behördliche Erlaubnis aber nicht erstreckte. Zum Nachweis der Eignung dieses „[X.]“ als Kraftstoff für die Abnehmer, zugleich aber zur Verschleierung und eigenen Absicherung, sollten die Produkteigenschaften durch ein für das [X.] Mineralöl akkreditiertes Labor bestätigt werden.

6

Die aufgrund der zweckwidrigen Verwendung des steuerfrei bezogenen Dieselkraftstoffs entstandene Energiesteuer wurde weder angemeldet noch entrichtet. Insgesamt wurden im Zeitraum vom 5. August 2010 bis 12. Dezember 2011 in 69 Fällen insgesamt 32.483.922 Liter dieser Mischung ausgeliefert und mangels Abgabe von [X.] Energiesteuer im Umfang von 15.280.436,91 Euro verkürzt.

7

Der Angeklagte war damit beauftragt worden, eine Betriebsstätte ausfindig zu machen und sodann in dem Betrieb als Vertrauensmann und Aufpasser vor Ort zu fungieren. Auf der [X.]undlage seiner Bemühungen konnte die Firma [X.]ein Biodieselwerk in [X.].      als Betriebsstätte anmieten. Bei der Produktion fungierte der Angeklagte dann als Bindeglied zwischen [X.]   und [X.].     , die das hergestellte Gemisch als Kraftstoff insbesondere in [X.] und [X.] vermarkten wollten, und dem Mitangeklagten [X.]in seiner Funktion als Betriebsleiter der Firma [X.]in [X.].     . Hierbei übermittelte er betriebsbezogene Informationen - etwa hinsichtlich des anzuwendenden Mischungsverhältnisses - in beide Richtungen. Dem Angeklagten kam zudem die Aufgabe zu, die Daten der Fahrer der [X.], die das hergestellte Produkt abholten, zu überprüfen und dem Mitangeklagten [X.]die Freigabe der jeweiligen Lieferung mitzuteilen. Darüber hinaus übernahm er es, Proben zu einem Prüflabor zu bringen und für einen laufenden Bürobetrieb zu sorgen.

II.

8

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

9

1. Das Rechtsmittel ist - wie auch der [X.] ausgeführt hat - wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.

Zwar hat die Beschwerdeführerin beantragt, das Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Die Verfallsanordnung und deren Umfang beanstandet sie jedoch nicht.

Widersprechen sich aber Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 [X.] das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 22. Februar 2017 - 5 StR 545/16, Rn. 10, mwN). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat hier die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel den Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes (§ 73a StGB) auch in der Höhe nicht angreifen will.

2. Der den Angeklagten betreffende Strafausspruch hat Bestand.

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der [X.]undlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des [X.] in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 27. Januar 2015 - 1 [X.], [X.], 466 und vom 7. Februar 2012 - 1 [X.], [X.]St 57, 123, 127 sowie Beschluss vom 13. Juni 2013 - 1 [X.], [X.], 471, jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 10. April 1987 - [X.], [X.]St 34, 345, 349).

Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatgericht obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer oder ein besonders schwerer Fall vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts, welches Gewicht es den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den [X.] beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. für das Vorliegen minder schwerer Fälle: [X.], Urteile vom 19. Januar 2017 - 4 StR 334/16; vom 14. Dezember 2016 - 2 StR 338/16 und vom 29. August 2001 - 2 [X.], [X.], 20).

b) [X.]undlage für die Zumessung der Strafe ist bei einer Steuerhinterziehung - wie bei jeder anderen Straftat - die persönliche Schuld des [X.]. Dabei sind auch die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des [X.] in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB). § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt, dass bei der Zumessung der Strafe die Umstände gegeneinander abzuwägen sind, die für und gegen den Täter sprechen. Namentlich kommen die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannten Umstände in Betracht.

aa) Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. „Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 [X.] geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], Rn. 21, [X.]St 53, 71, 80; vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, [X.]St 46, 107, 120 und vom 25. Januar 1995 - 5 [X.], [X.]St 41, 1, 5; Beschluss vom 23. März 1994 - 5 [X.], [X.]St 40, 109, 111 und Urteil vom 1. Februar 1989 - 3 [X.], [X.]St 36, 100, 102). Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], Rn. 21, [X.]St 53, 71, 80 und Beschluss vom 18. März 1998 - 5 [X.], [X.], 269, 270).

Dies gilt nicht nur für die [X.] (vgl. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.]), sondern auch für die Strafzumessung innerhalb des vom Tatgericht zugrunde gelegten Strafrahmens. Dass der [X.] dann, wenn er hoch ist, ein auch für die konkrete Strafzumessung wichtiger Strafschärfungsgrund ist, zeigt insbesondere die gesetzgeberische Wertung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] zur Hinterziehung in großem Ausmaß als Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung (vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], Rn. 22, [X.]St 53, 71, 80). Das Merkmal in großem Ausmaß ist bereits erfüllt, wenn der [X.] 50.000 Euro übersteigt (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 [X.], [X.]St 61, 28). Deshalb kommt bei [X.] in Millionenhöhe eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. [X.], Urteile vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], Rn. 42, [X.]St 53, 71, 86 und vom 7. Februar 2012 - 1 [X.], Rn. 29, [X.]St 57, 123, 130 f.). Unerheblich ist dabei, ob dieser Hinterziehungsumfang durch eine einzelne Tat oder durch mehrere Einzeltaten erreicht worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12, [X.], 350).

bb) Auch wenn der [X.] ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, der eine an der Höhe der verkürzten Steuern ausgerichtete Differenzierung der Einzelstrafen nahelegt (vgl. [X.], Beschluss vom 18. März 1998 - 5 [X.], [X.], 269, 270), kann allein das Ausmaß der Steuerverkürzung nicht in dem Sinne ausschlaggebend für die Strafhöhenbemessung sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des [X.]es schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. September 2012 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 370 Abs. 1 Strafzumessung 26 sowie die Beispiele für Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründe in [X.], Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], Rn. 44 ff., [X.]St 53, 71, 81).

cc) Bei Tatserien ist zudem nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte [X.] maßgeblich für die Bemessung der Einzelstrafe; vielmehr muss auch bei der Zumessung der Einzelstrafen die Gesamtserie und der dadurch verursachte [X.] in den Blick genommen werden (vgl. [X.], Urteil vom 17. März 2009 - 1 [X.], Rn. 48, [X.]St 53, 221, 232 mwN und Beschluss vom 29. November 2011 - 1 [X.], [X.] 2012, 112; vgl. auch Beschluss vom 25. September 2012 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 370 Abs. 1 Strafzumessung 24). Kommt bei [X.] in der systematischen Vorgehensweise ein besonderes Maß an krimineller Energie zum Ausdruck, kann auch dieser Gesichtspunkt und nicht der konkrete [X.] bei der Bestimmung der Einzelstrafen im Vordergrund stehen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. März 1998 - 5 [X.], [X.], 269, 270).

dd) In Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist für die [X.] nicht entscheidend, ob sich die Tat des [X.], zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr, ob sich die Beihilfe selbst - bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat - als besonders schwerer Fall darstellt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 6. September 2016 - 1 [X.], [X.] 2016, 474 mwN und Beschluss vom 23. November 2000 - 3 [X.]/00, [X.], 105). Dies gilt nicht nur in Fällen unbenannter besonders schwerer Fälle, sondern auch dann, wenn im Wege einer Gesamtwürdigung zu klären ist, ob die Indizwirkung eines oder mehrerer Regelbeispiele für besonders schwere Fälle widerlegt ist ([X.], Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 [X.], Rn. 6, [X.], 235). Dabei kann bei [X.] der Umstand, dass eine mangels eigener Erklärungspflicht nur als Gehilfe strafbare Person Tatherrschaft hatte, erheblich strafschärfend zu werten sein (vgl. [X.], Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, Rn. 65, [X.]St 58, 218, 231). In Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls kann der Schuldgehalt (§ 29 StGB) der [X.] sogar größer sein als der der Haupttat und trotz Strafrahmenverschiebung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB eine Strafe rechtfertigen, die derjenigen für den Haupttäter gleichkommt oder sie sogar übersteigt (vgl. [X.] in [X.], 12. Aufl., § 27 Rn. 77 mwN).

c) Hieran gemessen haben sowohl die Einzelstrafen als auch der Gesamtstrafausspruch Bestand.

aa) Ohne Rechtsfehler hat das [X.] die Einzelstrafen dem gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 [X.]) entnommen.

Nach den Urteilsfeststellungen verwirklichte der Angeklagte in allen Fällen das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles der Verkürzung von Verbrauchsteuern als Mitglied einer Bande (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 [X.]). Zudem erfüllte er in den Fällen 2 bis 16 sowie 21 bis 68 der Urteilsgründe das Regelbeispiel der Verkürzung von Steuern in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.]), weil in diesen Fällen der Hinterziehungsumfang die Schwelle von 50.000 Euro (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 [X.], [X.]St 61, 28) überstieg ([X.]. Der Umstand, dass das [X.] insoweit trotz Anwendung zutreffender Maßstäbe die Fälle 2, 9 und 21 der Urteilsgründe nicht ausdrücklich genannt hat (UA [X.]3), hat sich weder zum Vorteil noch zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.

Im Rahmen der jeweils vorzunehmenden Würdigung, ob ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 [X.]) gegeben ist, hat das [X.] neben dem vertypten [X.] der Beihilfe (§ 27 Abs. 2 Satz 2 [X.]) in allen Fällen alle für die Wertung der Tat und des [X.] wesentlichen Umstände berücksichtigt. Es hat dabei sowohl das „ganz erhebliche Gewicht der [X.]“ des Angeklagten in den Blick genommen als auch den Umstand, dass er „der Führungsebene der Bande zuzurechnen“ war, die sich zur fortgesetzten Hinterziehung von Energiesteuer verbunden hatte (UA [X.]4).

bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung rechtlicher Nachprüfung stand.

(1) Das [X.] hat die Bemessung der Strafhöhen innerhalb des sich ergebenden Strafrahmens an den [X.]undsätzen des § 46 StGB ausgerichtet und dabei alle maßgebenden strafmildernden und strafschärfenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Die Zumessungserwägungen des [X.]s sind weder lückenhaft noch verstoßen sie gegen anerkannte Strafzwecke.

Insbesondere hat das [X.] nicht verkannt, dass die Höhe der [X.] in der Mehrzahl der Fälle „sechsstellig“ war (UA [X.]6) und durch die Taten insgesamt Energiesteuer in Höhe von 15.280.436,91 Euro verkürzt wurde, der lediglich eine nachträgliche Tilgung der Steuerschuld im Umfang von 1.612.453,18 Euro gegenübersteht. Zu Lasten des Angeklagten hat das [X.] auch gewertet, dass er gewerbsmäßig handelte und es sich bei den Taten um eine neue Erscheinungsform organisierter Kriminalität handelt, die von vornherein auf die Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang angelegt war und auch im konkreten Fall auf einem gut durchorganisierten und überaus profitablem Geschäftsmodell beruhte (vgl. zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung als Gewerbe: [X.], Urteil vom 29. November 2006 - 5 [X.], [X.], 145). Es hat dabei ebenfalls in den Blick genommen, dass aufgrund der grenzüberschreitenden Warenlieferungen und einer Bandenstruktur, bei der Hintermänner aus einem anderen Mitgliedstaat der [X.] heraus handelten, eine effektive Strafverfolgung deutlich erschwert war. Schließlich hat das [X.] auch zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er der Führungsebene der Bande angehörte und zudem im laufenden Betrieb der Firma [X.][X.] von erheblichem Gewicht vornahm.

Zu seinen Gunsten hat das [X.] rechtsfehlerfrei neben der langen Verfahrensdauer berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft war, nach Beendigung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und einem Haftungsbescheid des Fiskus in Millionenhöhe ausgesetzt ist, der seine finanzielle Leistungsfähigkeit bei weitem überschreitet.

(2) Die 69 Einzelstrafen von sieben bzw. zehn Monaten Freiheitsstrafe wie auch die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sind zwar gemessen am Unrechts- und Schuldgehalt der Taten sehr milde. Dies stellt jedoch im Hinblick auf den vom Revisionsgericht zu beachtenden Prüfungsmaßstab (s.o.) noch keinen Rechtsfehler dar. Insbesondere lösen sich die verhängten Strafen noch nicht nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. dazu [X.], Urteil vom 27. Januar 2015 - 1 [X.], [X.], 466 mwN).

(3) Auch mit ihren Einzelangriffen gegen die Strafzumessung des [X.]s dringt die Staatsanwaltschaft nicht durch.

(a) Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das [X.] habe die durch die einzelnen Straftaten verursachten „Steuerschäden“ nicht in den Blick genommen, was darin zum Ausdruck komme, dass es die Einzelstrafen nicht näher abgestuft, sondern pauschal [X.] von sieben bzw. zehn Monaten verhängt habe. Hiermit zeigt sie jedoch keinen Rechtsfehler bei der Strafzumessung auf.

Zwar erfordert das Schuldmaßprinzip (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB) regelmäßig eine differenzierende Zumessung der Einzelstrafen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. November 2002 - 5 [X.], [X.], 72 und vom 29. Juni 2011 - 1 StR 136/11, [X.], 423), die bei Steuerstraftaten eine an der Höhe der verkürzten Steuern ausgerichtete Differenzierung der Einzelstrafen nahelegt (vgl. [X.], Beschluss vom 18. März 1998 - 5 [X.], [X.], 269, 270). Dies schließt jedoch nicht aus, dass bei Steuerstraftaten - wie auch sonst bei [X.] -, denen gleichgelagerte Begehungsformen zugrunde liegen, eine Kategorisierung nach der Schadenshöhe erfolgen kann. Zwar muss diese immer am Maß des der konkreten Tat immanenten Schuldumfangs orientiert sein ([X.] aaO [X.], 72). Allerdings kann bei Tatserien der durch die Einzeltat verursachte [X.] gegenüber der systematischen Vorgehensweise zur Erreichung einer Gesamthinterziehung dergestalt in den Hintergrund treten (vgl. [X.], Beschluss vom 18. März 1998 - 5 [X.], [X.], 269, 270 sowie Urteil vom 17. März 2009 - 1 [X.], Rn. 48, [X.]St 53, 221, 232 und Beschluss vom 29. November 2011 - 1 [X.], [X.], 151), dass Schwankungen bei den Verkürzungsbeträgen im Rahmen der fortgesetzten Tatbegehung bei der Bemessung der Einzelstrafen keine erhebliche Bedeutung mehr zukommt. Soweit dies der Fall ist, dürfen auch Taten mit unterschiedlichem Hinterziehungsumfang für die Bemessung der Einzelstrafen zu [X.]uppen zusammengefasst werden.

So verhält es sich auch hier. Das [X.] hat erkennbar die systematische Vorgehensweise im Rahmen eines fortgesetzt und bandenmäßig betriebenen Hinterziehungsmodells zur Verkürzung von Steuern in Millionenhöhe, die beim Angeklagten ein besonderes Maß krimineller Energie erkennen lässt, bei der Bemessung der Einzelstrafen in den Vordergrund gestellt (vgl. auch [X.], Beschluss vom 18. März 1998 - 5 [X.], [X.], 269, 270). Insbesondere angesichts der fortlaufenden Herstellung des „[X.]“ im Zeitraum von August 2010 bis Dezember 2011, hinsichtlich deren lediglich die rechtlichen Besonderheiten des Straftatbestands der Steuerhinterziehung durch Unterlassen als [X.] zu insgesamt 69 Einzeltaten führten, ist es rechtlich noch nicht zu beanstanden, dass das [X.] für Taten mit [X.] zwischen 13.878 Euro und 84.996 Euro ohne weitere Differenzierung [X.] von jeweils sieben Monaten und für Steuerverkürzungen mit einem Ausmaß zwischen 110.105 Euro und 413.233 Euro jeweils Freiheitsstrafen von zehn Monaten verhängt hat. Im Hinblick darauf, dass das [X.] sämtliche Taten als der organisierten Kriminalität zuzurechnen und insgesamt als besonders sozialschädlich gewertet hat, war es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht gehalten, in den Strafhöhen zwischen den Taten vor und denen nach der Beschlagnahme eines Tankfahrzeugs mit „Formenöl“ durch die Zolldirektion [X.] ([X.]) zu differenzieren.

(b) Soweit die Staatsanwaltschaft rügt, das [X.] habe (entgegen § 50 StGB) den [X.] (§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB) im Rahmen der konkreten Strafzumessung [X.] zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, zeigt sie keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.

Zwar trifft es zu, dass der Angeklagte, der innerhalb der Bande eine Führungsrolle einnahm, nur deshalb nicht als Mittäter, sondern lediglich als Gehilfe zu bestrafen war, weil ihn keine eigene Erklärungspflicht für die entstandene Energiesteuer traf (vgl. dazu [X.], Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, [X.]St 58, 218). Das [X.] hat jedoch den Umstand, dass der Angeklagte keine täterschaftlichen Tatbeiträge erbracht hat, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht innerhalb des gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens [X.] strafmildernd berücksichtigt. Vielmehr hat es im Gegenteil den Umstand, dass die Tatbeiträge des Angeklagten „von ganz erheblichem Gewicht“ waren, strafschärfend berücksichtigt. Es hat auch nicht, was rechtsfehlerhaft gewesen wäre (vgl. [X.], [X.], 13. Aufl., § 370 Rn. 61c mwN), den Umstand, dass der Angeklagte nicht in eigener Person zur Abgabe von [X.] über die entstandene Energiesteuer verpflichtet war, als besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB angesehen.

(c) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft war das [X.] trotz der Einbindung des Angeklagten in die Bandenstruktur nicht gehindert, den Umstand, dass der Angeklagte seit Beendigung der verfahrensgegenständlichen Taten im [X.] nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, strafmildernd zu berücksichtigen. Zwar lässt dieser Umstand die Taten nicht in einem milderen Licht erscheinen; jedoch kommt hierin eine Stabilisierung der Lebensverhältnisse des Angeklagten zum Ausdruck, die das [X.] unter dem Gesichtspunkt der [X.]ezialprävention innerhalb des [X.] jedenfalls berücksichtigen durfte (vgl. [X.] in [X.], 3. Aufl., § 46 Rn. 145).

(d) Ohne Rechtsfehler hat das [X.] auch den Umstand strafmildernd herangezogen, dass gegen den Angeklagten wegen der [X.]en ein Haftungsbescheid über 13.667.389,73 Euro ergangen ist.

Zwar kommt nach der Rechtsprechung des [X.] die strafmildernde Berücksichtigung einer Heranziehung gemäß § 71 [X.] nur dann in Betracht, wenn der Betroffene nach den Umständen des Einzelfalls tatsächlich mit seiner Heranziehung rechnen muss und diese für ihn eine besondere Härte darstellen würde (vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2012 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 370 Abs. 1 Strafzumessung 25). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das [X.] aber rechtsfehlerfrei festgestellt. Es hat dabei nicht verkannt, dass die Haftungssumme die finanzielle Leistungsfähigkeit des Angeklagten bei weitem übersteigt. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist daher nicht zu besorgen, das [X.] könnte bei der Strafzumessung verkannt haben, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten einen Ausgleich des Steuerschadens nicht zulassen.

(e) Soweit die Staatsanwaltschaft den Strafausspruch im Hinblick darauf angreift, dass die vom Senat mit der ersten Revisionsentscheidung beanstandeten [X.] weggefallen und neue strafmildernde Umstände nicht festgestellt worden seien, deckt sie ebenfalls keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler in der Strafzumessung auf.

Zwar hat im Falle der Zurückverweisung einer Sache das neue Tatgericht die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 358 Abs. 1 StPO). Nach einer Aufhebung des Strafausspruchs ist es jedoch nicht gehindert, die für die Strafzumessung bedeutsamen Umstände anders als das bisherige Tatgericht zu gewichten und sogar dieselben Strafen zu verhängen, sofern es nicht auf die vom Revisionsgericht beanstandeten [X.] zurückgreift. Es darf ohne Rückgriff auf neue Umstände lediglich dann nicht zur selben Strafhöhe gelangen, wenn - was hier nicht der Fall war - das Revisionsgericht bei Aufhebung des Strafausspruchs zum Ausdruck gebracht hatte, dass die Urteilsgründe des Tatgerichts nicht die Schuldangemessenheit der Strafe belegten (vgl. [X.], Urteil vom 15. September 1992 - 5 [X.], [X.], 26 und Beschluss vom 13. Juli 1993 - 5 StR 396/93, [X.], 552).

III.

Der Revision des Angeklagten bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.

Die Strafzumessung und die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes (§ 73a StGB) weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB stand hier einer Verfallsanordnung nicht entgegen, weil der Angeklagte die erlangten Vermögenswerte nicht aus den Taten, sondern als Entlohnung für seine Tatbeteiligung erhalten hatte (zur Unanwendbarkeit von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in diesen Fällen siehe [X.], Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 275/12, [X.], 347, 350 mwN). Aus dem von der Verteidigung angeführten Beschluss des [X.] vom 28. Novem-ber 2000 im Verfahren 5 StR 371/00 ([X.]R StGB § 73 Verletzter 3) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO.

[X.]af     

       

Jäger     

       

Bellay

       

Radtke     

       

Bär     

       

Meta

1 StR 606/16

25.04.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Rostock, 25. Januar 2016, Az: 18 KLs 137/15 (2)

§ 46 Abs 2 S 2 StGB, § 370 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.04.2017, Az. 1 StR 606/16 (REWIS RS 2017, 12088)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12088

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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