Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.03.2019, Az. 1 StR 367/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 9427

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Gegenstand

Steuerhinterziehung: Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe bei Hinterziehung in Millionenhöhe


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 3. Mai 2018 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [[X.].] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen in Tatmehrheit mit versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren [[X.].]ollstreckung es zur [X.]währung ausgesetzt hat. Daneben hat es gegen den Angeklagten eine Gesamtgeldstrafe von 500 Tagessätzen zu je 1.000 Euro verhängt. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten, zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft den Strafausspruch. Das vom [[X.].] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

Das [[X.].] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Der Angeklagte war seit 1997 selbständig als Bauunternehmer und Baubetreuer tätig. Er war dabei über eine [[X.].]ielzahl von Projektgesellschaften in einem konzernartigen [[X.].]erbund bundesweit mit der Errichtung von Gewerbeimmobilien und Lagerstätten der Bäckerei- und Tiefkühlkostindustrie befasst. Im Laufe der Jahre wurde der geschäftlich sehr erfolgreiche Angeklagte zum mehrfachen Millionär. Sein [[X.].]ermögen beträgt nach Abzug von Krediten in Höhe von 6 Mio. Euro, die er für die Nachzahlung hinterzogener Steuern aufgenommen hat, noch zwischen 18 und 22 Mio. Euro.

4

2. Für die Jahre 2003 bis 2012 gab der Angeklagte in seinen Einkommensteuererklärungen jährliche Zinseinnahmen zwischen 244.426 Euro im [X.] und 1,25 Mio. Euro im [X.] nicht an, um Steuern zu verkürzen. Diese Einnahmen hatte er über ausländische Treuhandgesellschaften erhalten. Infolge seiner unvollständigen Angaben wurden für die [[X.].]eranlagungszeiträume 2003 bis 2011 Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag von insgesamt mehr als 3,87 Mio. Euro zu niedrig festgesetzt, zum Teil aufgrund hoher [[X.].]erlustrück- und -vorträge auch die jeweiligen [[X.].]or- und Folgejahre betreffend. Für das Kalenderjahr 2012 erging vor Einleitung des Steuerstrafverfahrens gegen den Angeklagten kein Steuerbescheid mehr. Die unvollständigen Angaben in der Einkommensteuererklärung 2012 hätten zu einer weiteren [[X.].]erkürzung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag von mehr als 565.000 Euro geführt.

5

3. Zur [[X.].]orgehensweise des Angeklagten hat das [[X.].] Folgendes festgestellt:

6

Der Angeklagte war persönlich haftender Gesellschafter und wirtschaftlicher [X.]rechtigter mehrerer Personengesellschaften mit formalem Geschäftssitz in [[X.].]     /A.   ([[X.].].        [X.] I, [[X.].], [[X.].]I, [[X.].], [[X.].] und [[X.].]I) sowie in [[X.].]        (Bi.                [X.] [[X.].][[X.].], [[X.].][[X.].]I, [[X.].], [X.] und [X.][[X.].]). Diese Gesellschaften führte der Angeklagte von seinem Anwesen in [X.]aus. In den Jahren 2003 bis 2012 dienten sie als Projektgesellschaften zur Durchführung von Bauaufträgen insbesondere der Firmen [X.] und [[X.].]f.    [X.]. Über diese Gesellschaften ließ der Angeklagte Gewerbeanlagen in Form von [[X.].]ertriebsstellen errichten, die nach Fertigstellung langjährig an die Auftraggeber verpachtet oder zu einem späteren Zeitpunkt an sie verkauft wurden. Die Anschaffungskosten für Grund und [[X.].]den sowie die Herstellungskosten für die Gebäude und Außenanlagen wurden jeweils fremdfinanziert.

7

Spätestens ab dem [X.] erfolgte die Darlehensgewährung nicht mehr durch Banken, sondern durch die Firmen [X.]., eine [X.] mit statuarischem Sitz in [X.].   , und Co.     LLC, eine in [X.] gelistete Gesellschaft (im Folgenden: [X.]). [X.]i diesen Gesellschaften handelte es sich um Briefkastenfirmen, die keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalteten und hinter denen der Angeklagte als [X.]rechtigter stand. Die wahren [X.]herrschungs- und [X.]teiligungsverhältnisse wurden durch [X.] verschleiert und den Finanzbehörden verschwiegen.

8

Die jeweiligen Bauaufträge der Auftraggeber wurden von den Projektgesellschaften durch [X.] auf weitere Gesellschaften verlagert, in denen der Gewinn aus den jeweiligen Aufträgen – etwa durch die [[X.].]erwendung der [[X.].]erlustvorträge von [X.] – „praktisch steuerfrei“ generiert und an die [X.] weitergereicht wurde. Insgesamt stellte der Angeklagte, der durch treuhänderische Anweisungen frei über sämtliche Mittel und Rückflüsse verfügte, den Projektgesellschaften im Tatzeitraum mehr als 15 Mio. Euro als Darlehen zur [[X.].]erfügung. Die Zinsaufwendungen aus den Darlehen der [X.] von jährlich sechs bis acht Prozent brachte der Angeklagte in den Steuererklärungen der Projektgesellschaften in Ansatz. Obwohl er wusste, dass die Zinseinkünfte seinem [[X.].]ermögen zuflossen und von ihm „zu versteuern“ waren, gab er diese in seinen Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 2003 bis 2012 nicht an.

9

4. Der Angeklagte glich den „Steuerschaden“ aus den verfahrensgegenständlichen wie auch aus weiteren Taten, hinsichtlich deren das Strafverfahren gemäß § 154 StPO eingestellt wurde, vollständig aus. [X.]reits zu [X.]ginn des Ermittlungsverfahrens leistete er eine [[X.].]orauszahlung von 8 Mio. Euro als Abschlag. Hierfür nahm er einen Kredit in Höhe von 6 Mio. Euro auf, weil er keine ausreichende Liquidität besaß. Insgesamt zahlte der Angeklagte 16 Mio. Euro Steuern nach, darunter auch Steuerschulden seiner Mutter, die in nicht verfahrensgegenständlichen Taten als Strohfrau eingesetzt worden war.

5. Das [[X.].] hat die Einreichung unvollständiger Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 2003 bis 2011, bei denen der Angeklagte jeweils die erzielten Zinseinkünfte nicht angegeben hatte, als neun in Tatmehrheit stehende Taten der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 [[X.].] gewertet. Im Hinblick darauf, dass für das [X.], für das der Angeklagte ebenfalls eine die Zinseinkünfte nicht enthaltende Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, vor Einleitung des Steuerstrafverfahrens kein Steuerbescheid mehr erging, hat das [[X.].] den Angeklagten betreffend das [X.] lediglich wegen versuchter Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2 [[X.].]) verurteilt.

[[X.].].

Die Revision hat – mit Ausnahme der von der Staatsanwaltschaft erstrebten Aufhebung von Feststellungen – Erfolg; sie führt wegen durchgreifender Rechtsfehler in der Strafzumessung zur Aufhebung des Strafausspruchs.

1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Zwar hat die Staatsanwaltschaft ohne ausdrückliche Einschränkung beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 344 Abs. 1 StPO). Mit ihren Einzelbeanstandungen wendet sie sich jedoch allein gegen die Strafzumessung. Der [X.] versteht daher – in Übereinstimmung mit [[X.].] und [[X.].]erteidigung – die maßgebliche Revisionsbegründung dahin, dass nicht der Schuldspruch angefochten sein soll, sondern nur der Strafausspruch (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 59/14, [X.]R StPO § 344 Abs. 1 Antrag 8).

2. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des [X.] in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer [X.]stimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, [X.]St 29, 319, 320 und vom 7. Februar 2012 – 1 [X.], [X.]St 57, 123, 127 jeweils mwN). Solche Rechtsfehler liegen hier vor.

b) Die Zumessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe weist im Hinblick auf die [[X.].]erhängung gesonderter Geldstrafen neben Freiheitsstrafen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.

aa) Nach § 41 StGB kann dann, wenn der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht hat, eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter [X.]rücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen [[X.].]erhältnisse des [X.] angebracht ist. Die [[X.].]erhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe darf dabei allerdings nicht allein deshalb vorgenommen werden, um die an sich gebotene höhere Freiheitsstrafe auf ein Maß herabsetzen zu können, das die Aussetzung der [[X.].]ollstreckung zur [X.]währung ermöglicht (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 2. Dezember 2004 – 3 [X.], [X.], 137 f.; vom 21. März 1985 – 4 StR 53/85, NJW 1985, 1719 und vom 24. August 1983 – 3 [X.], [X.]St 32, 60, 65).

Angesichts ihres Ausnahmecharakters (vgl. [X.], Urteile vom 24. August 1983 – 3 [X.], [X.]St 32, 60, 65 und vom 28. April 1976 – 3 StR 8/76, [X.]St 26, 325, 330 sowie [X.]schluss vom 26. November 2015 – 1 [X.], [X.]R StGB § 41 [X.]reicherung 2) muss zwar die Nichtanwendung der [[X.].]orschrift des § 41 StGB regelmäßig nicht näher begründet werden, wohl aber die Kumulation von Geldstrafe und Freiheitsstrafe ([X.], [X.]schluss vom 14. März 2016 – 1 StR 337/15 Rn. 30, [X.]R StGB § 41 Geldstrafe 5). Dabei sind zunächst die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens und die Aufspaltung der Sanktion in Freiheits- und Geldstrafe zu begründen. Sodann hat in einem zweiten Schritt die wechselseitige Gewichtung der als Freiheitsstrafe bzw. als Geldstrafe zu verhängenden Teile des schuldangemessenen Strafmaßes nach den Grundsätzen des § 46 StGB zu erfolgen (vgl. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 41 Rn. 37; vgl. auch [X.] aaO, [X.]St 32, 60, 67). Der Tatrichter darf die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe so miteinander verbinden, dass die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe zusammen das Maß des Schuldangemessenen erreichen. Dies gilt auch dann, wenn ohne die zusätzliche Geldstrafe eine nicht mehr aussetzbare Freiheitsstrafe erforderlich würde (vgl. [X.], Urteile vom 17. September 1997 – 2 StR 317/97, [X.], 22 und vom 20. April 1999 – 5 [X.], [X.], 300, 303).

[X.]i der [X.]messung der Geldstrafe hat der Tatrichter zu beachten, dass der [X.] gebietet, bei der [[X.].]erhängung von Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe das Gesamtstrafübel innerhalb des durch das Maß der Einzeltatschuld eröffneten Rahmens festzulegen. Die zusätzliche Geldstrafe muss deshalb bei der [X.]messung der Freiheitsstrafe strafmildernd berücksichtigt werden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 24. August 1983 – 3 [X.], [X.]St 32, 60, 66 sowie [X.]schluss vom 26. November 2015 – 1 [X.] Rn. 7, [X.]R StGB § 41 [X.]reicherung 2); § 41 StGB erlaubt keine Zusatzstrafe ([X.], [X.]schluss vom 24. Juli 2014 – 3 [X.], [X.]R StGB § 41 Geldstrafe 4). Im Hinblick darauf, dass keine ungerechtfertigte [X.]günstigung des [X.] mit [X.]reicherungsvorsatz gegenüber sonstigen Tätern eintreten darf, sind auch wegen dieses Zusammenhangs zwischen zusätzlicher Geldstrafe und Reduzierung der Freiheitsstrafe bei der Prüfung der [[X.].]erhängung einer zusätzlichen Geldstrafe strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. [X.] aaO Rn. 34). [X.]i der Zumessung von Geld- und Freiheitsstrafe dürfen dabei weder Gesichtspunkte der Strafzumessung mit solchen der Strafaussetzung zur [X.]währung vermengt werden noch dürfen die in § 56 Abs. 1 und 2 StGB bestimmten Maximalwerte für die Aussetzbarkeit von Freiheitsstrafe „auf kaltem Wege“ angehoben werden (vgl. [X.], StGB, 12. Aufl., § 41 Rn. 23 sowie [X.], [X.], 77).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben hält die Strafzumessung sowohl hinsichtlich der verhängten Einzelstrafen als auch der Gesamtgeld- und Gesamtfreiheitsstrafen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar hat das [[X.].] rechtsfehlerfrei dargelegt, dass sich der Angeklagte durch die Taten vorsätzlich einen [[X.].]ermögensvorteil verschafft hat und seine [[X.].]ermögens- und Einkommensverhältnisse die [[X.].]erhängung des [X.] einer gesonderten Geldstrafe auch angezeigt erscheinen lassen ([X.]). Auch hat das [[X.].] zur [X.]gründung der jeweiligen Höhe der verhängten Geld- und Freiheitsstrafen keine Gesichtspunkte der Strafaussetzung zur [X.]währung angeführt. Die Strafzumessung weist jedoch durchgreifende Erörterungsmängel auf.

Das Erfordernis einer ermessensfehlerfreien Anwendung des § 41 StGB betrifft nicht nur das „Ob“ der Festsetzung einer gesonderten Geldstrafe, sondern auch die Zumessung ihrer Höhe. [X.] fehlt hier sowohl hinsichtlich der Einzelstrafen als auch der Gesamtstrafen die Erörterung der Relation der Höhe der gemäß § 41 StGB verhängten Geldstrafe und der zur Gewährleistung eines schuldangemessenen Gesamtstrafübels deswegen verringerten Freiheitsstrafe. Dieser Erörterung hätte es hier bedurft, weil das [[X.].] gestützt auf die Ausnahmevorschrift des § 41 StGB im [[X.].]erhältnis zu den zugehörigen Freiheitsstrafen jeweils sehr hohe Geldstrafen verhängt hat. [X.] von neun Monaten bis zu einem Jahr und einem Monat stehen Einzelgeldstrafen von 100 Tagessätzen bis zu 220 Tagessätzen gegenüber. In Anbetracht des vorliegend vom [[X.].] – ausweislich der zuerkannten Strafen – als schuldangemessen erachteten Gesamtstrafübels versteht es sich nicht von selbst, dass die dargestellten Grundsätze der Strafzumessung, die keine ungerechtfertigte [X.]günstigung des [X.] mit [X.]reicherungsvorsatz gegenüber sonstigen Tätern erlauben (vgl. insbesondere MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 41 Rn. 34 mwN zur Rechtsprechung) [X.]achtung gefunden haben. Es hätte insoweit weiterer Ausführungen des [[X.].]s bedurft, aus denen eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung bei Anwendung des § 41 StGB erkennbar wird.

c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Insbesondere kann der [X.] nicht ausschließen, dass das [[X.].] ohne diese eine Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt hätte. Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt bei [X.] in Millionenhöhe eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei [[X.].]orliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe in [X.]tracht (vgl. [X.], Urteile vom 2. Dezember 2008 – 1 [X.], [X.]St 53, 71, 86 und vom 7. Februar 2012 – 1 [X.], [X.]St 57, 123, 130 f.).

3. Soweit die Staatsanwaltschaft auch die Aufhebung von Feststellungen erstrebt, ist ihre Revision unbegründet. Einer solchen Aufhebung bedarf es bei den hier allein vorliegenden Erörterungsmängeln bzw. Wertungsfehlern nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann zum Strafausspruch weitere Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

[[X.].]I.

Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, die gemäß § 301 StPO auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin zu berücksichtigen wären, enthält das Urteil nicht. Insbesondere hält die Strafrahmenwahl des [[X.].]s rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Das [[X.].] hat der [[X.].]erurteilung hinsichtlich aller zehn Taten rechtsfehlerfrei den Strafrahmen für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 1 [[X.].] zugrunde gelegt.

a) Dabei hat es jeweils ohne Rechtsfehler das [X.] der [[X.].]erkürzung von Steuern in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [[X.].]) als erfüllt angesehen und aufgrund einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände die Indizwirkung des [X.] nicht für entkräftet erachtet. Soweit für einzelne Taten als günstigeres Tatzeitrecht noch die bis 31. Dezember 2007 geltende frühere Fassung des [X.] des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [[X.].] anzuwenden war, nach der das [X.] nur dann erfüllt war, wenn der Täter zudem aus grobem Eigennutz gehandelt hatte (vgl. dazu [X.], Urteil vom 6. September 2016 – 1 [X.], [X.] 2016, 474, 476 f.), hat das [[X.].] beim Angeklagten ein Handeln aus grobem Eigennutz rechtsfehlerfrei angenommen.

b) Das erst nach den verfahrensgegenständlichen Taten in das Gesetz eingefügte [X.] eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung der Nutzung einer [X.] zur [[X.].]erschleierung steuererheblicher Tatsachen (§ 370 Abs. 3 Nr. 6 [[X.].]) hat das [[X.].] der Strafzumessung rechtsfehlerfrei nicht zugrunde gelegt (§ 2 Abs. 1 und 3 StGB). Die Nutzung ausländischer Briefkastenfirmen und intransparenter Treuhandverhältnisse im Rahmen eines komplexeren Unternehmensgeflechts durfte es gleichwohl im Rahmen der Strafzumessung gemäß § 46 Abs. 2 StGB als Ausdruck hoher krimineller Energie strafschärfend werten ([X.] f.).

2. Die [[X.].]ersagung der fakultativen Strafrahmenverschiebung wegen [[X.].]ersuchs (§ 23 Abs. 2 i.[[X.].].m. § 49 Abs. 1 StGB) im Fall 10 der Urteilsgründe betreffend das Kalenderjahr 2012 hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand. Das [[X.].] durfte hierbei berücksichtigen, dass sich diese Tat von der [X.]gehungsweise her nicht von den anderen Taten einer [X.] andauernden Tatserie unterschied und nur deswegen nicht zur [[X.].]ollendung gelangt ist, weil dem Angeklagten, der auch für 2012 bereits eine unvollständige Einkommensteuererklärung eingereicht hatte, noch vor Erhalt eines Steuerbescheides die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mitgeteilt wurde (UA S. 24).

3. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen war das [[X.].] hier auch nicht gehalten, die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 2 StGB zu erörtern. Die [[X.].]oraussetzungen einer fakultativen Strafrahmenverschiebung nach dieser [[X.].]orschrift liegen nicht vor.

a) Nach § 46a Nr. 2 StGB kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, wenn der Täter in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen [[X.].]erzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt. Dabei kann nach der Rechtsprechung des [X.] eine Strafrahmenverschiebung auf der Grundlage von § 46a Nr. 2 StGB – wenn auch nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen – auch beim Delikt der Steuerhinterziehung in [X.]tracht kommen ([X.], [X.]schluss vom 20. Januar 2010 – 1 [X.], [X.], 152; [[X.].]/[[X.].], [[X.].], 14. Aufl., § 370 Rn. 347 sowie MüKoStGB/[[X.].], 3. Aufl., § 46a Rn. 5 jeweils mwN).

b) § 46a Nr. 2 StGB setzt voraus, dass die Leistungen vom Täter unter erheblichen Anstrengungen und [X.]lastungen erbracht werden. Dies kann etwa unter Einsatz des gesamten eigenen [[X.].]ermögens (vgl. [X.]/[X.], StGB, 4. Aufl., § 46a Rn. 35), unter erheblicher [X.]lastung des eigenen Unternehmens unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Schwierigkeiten (vgl. [X.], [X.]schluss vom 17. Dezember 2008 – 1 [X.], [X.], 188) oder durch umfangreiche Arbeiten in der Freizeit (vgl. BT-Drucks. 12/6853) geschehen. [[X.].]on der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 46a Nr. 2 StGB ist auch ein begüterter Täter nicht ausgeschlossen. Die Anforderungen an die Erschwernisse der Leistungserbringung sind bei ihm aber angesichts größerer Leistungsfähigkeit zu modifizieren (vgl. [X.] aaO Rn. 35), zumal nach dem Willen des Gesetzgebers erhebliche Einschränkungen im finanziellen [X.]reich nur dann ausreichen sollen, wenn sie eine materielle Entschädigung erst ermöglicht haben (vgl. BT-Drucks. 12/6853), was bei umfangreich vorhandenem pfändbaren [[X.].]ermögen nicht der Fall ist.

c) Ausgehend von diesen Maßstäben liegen die [[X.].]oraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB nicht vor.

aa) Der Umstand, dass im Nachtatverhalten des Angeklagten die Übernahme von [[X.].]erantwortung (vgl. dazu [X.], [X.]schluss vom 20. Januar 2010 – 1 [X.], [X.], 152 mwN sowie BT-Drucks. 12/6853 [X.]) zum Ausdruck kommt, weil sich der Angeklagte von Anfang an entschieden hat, mit den [X.]hörden zu kooperieren, an der Sachverhaltsaufklärung mitgewirkt hat und dabei sogar für ein Honorar von 300.000 Euro eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der „näheren Aufarbeitung des wirtschaftlichen Hintergrunds der strafrechtlichen [[X.].]orwürfe“ beauftragt und so „wertvolle Ermittlungshilfe“ geleistet hat ([X.]), genügt für § 46a Nr. 2 StGB nicht. Es ist zusätzlich erforderlich, dass die Leistungen vom Täter unter erheblichen Anstrengungen und [X.]lastungen erbracht werden.

bb) Nach den Feststellungen war dem begüterten Angeklagten die Schadenswiedergutmachung ohne Anstrengungen und [X.]lastungen in dem von § 46a Satz 2 StGB geforderten Umfang möglich. Er besaß selbst nach der Nachzahlung der hinterzogenen Steuern noch ein [[X.].]ermögen mit einem Wert zwischen 18 und 22 Mio. Euro. Zudem erzielte er laufende Einkünfte aus [[X.].]ermietung und aus Gesellschaftsbeteiligungen in [X.] von mehr als 500.000 Euro, von denen ihm nach Abzug von Steuern und Unterhaltsverpflichtungen jährlich 250.000 Euro zur [X.]streitung seines Lebensunterhalts und sonstiger Ausgaben verblieben ([X.]). Zwar musste der Angeklagte die für die Steuerrückzahlungen notwendige Liquidität durch die Aufnahme von Darlehen finanzieren, was für ihn auch in der Lebensführung „spürbar“ war ([X.]). Nach den Feststellungen des [[X.].]s verfügte der Angeklagte aber über die für eine solche Kreditaufnahme erforderliche [[X.].]nität, die ihm zudem die [X.]dienung der Darlehen ermöglichte ([X.]). Allein der Umstand, dass die Kreditbelastung die „wirtschaftliche Leistungskraft“ des Angeklagten minderte ([X.] f.), erreichte bei dem vorhandenen [[X.].]ermögen des Angeklagten, in das die Finanzverwaltung auch hätte vollstrecken können (§§ 281 ff. [[X.].]), nicht das von § 46a Nr. 2 StGB für einen „persönlichen [[X.].]erzicht“ vorausgesetzte Gewicht.

4. Die Strafzumessung weist auch im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere hat das [[X.].] neben den Umständen der Kreditaufnahme zum Zwecke der Steuernachzahlung auch strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht nur den verfahrensgegenständlichen Hinterziehungsbetrag nachgezahlt, sondern einen „Gesamtsteuerschaden“ von 16 Mio. Euro einschließlich Steuerschulden seiner Mutter aus nicht verfahrensgegenständlichen Taten ([X.]), [X.] und Säumniszuschlägen vollständig ausgeglichen hat ([X.]).

Raum     

      

Jäger     

      

[X.]llay

      

Fischer     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 367/18

13.03.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stade, 3. Mai 2018, Az: 601 KLs 12/17

§ 370 Abs 1 Nr 1 AO 1977, § 41 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.03.2019, Az. 1 StR 367/18 (REWIS RS 2019, 9427)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9427

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