Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.07.2023, Az. 26 W (pat) 557/22

26. Senat | REWIS RS 2023, 7038

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2019 111 042

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 10. Juli 2023 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], des Richters [X.] und der Richterin am Amtsgericht Streif

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 7. Juli 2022 wird aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 23. August 2019 angemeldet und am 18. September 2019 unter der Nummer 30 2019 111 042 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für Waren der

3

Klasse 29: Milchshakes; Milchprodukte; Milchgetränke mit Kakao; Milch; Kokosmilch; Getränke auf der Basis von Milchprodukten; Fruchtsnacks; Fruchtmarmeladen; Fruchthaltige Milchgetränke; [X.]; [X.]; [X.]; Drinks aus Joghurt; Buttermilch; Aromatisiertes Obst; Aromatisierte Milchgetränke; Aromatisierte Früchte;

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Klasse 30: Tee mit Fruchtaroma [nicht für medizinische Zwecke]; Teegebäck; Teebeutel; Süßwaren [Bonbons], Schokoriegel und Kaugummi; Milchkaffee; Kuchen; Kaffee, Tee, Kakao und Ersatzstoffe hierfür; Getrocknetes Basilikum; Fruchteis; Fruchtdrops [Bonbons]; Eistee; Eiskaffee; Eis, Eiscreme, gefrorener Joghurt, Sorbets; Aromawürzstoffe für Getränke; Aromastoffe [pflanzliche], für Getränke, ausgenommen ätherische Öle;

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Klasse 32: Stille Wasser; Sorbets [Getränke]; Smoothies; Säfte aus gemischten Früchten; Säfte; Molkegetränke; Limonaden; Kohlensäurehaltiges Wasser [Sodawasser]; Kohlensäurehaltige Fruchtsäfte; Isotonische Getränke; Fruchtsäfte; [X.]; Erfrischungsgetränke mit Fruchtgeschmack; Energydrinks; Cranberrysaft; Bio-Fruchtsäfte; Biermischgetränke [Shandy]; Aus einer Mischung von Obst- und Gemüsesäften bestehende Getränke; Aromatisierte, kohlensäurehaltige Getränke; Alkoholfreie Getränke mit Fruchtsäften.

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Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 18. Oktober 2019 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus ihrer Wortmarke

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CAMBOZOLA

8

die am 27. März 1975 angemeldet und am 27. Februar 1976 unter der Nummer 941 667 in das Markenregister des [X.] eingetragen worden ist für Waren der

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Klasse 29: Milch und Milchprodukte, nämlich Kondensmilch, Milchpulver, Molkepulver, Joghurt, Quark, Quarkspeisen, Sahne, Butter, Butterschmalz, [X.], [X.], Käse und Käsezubereitungen, insbesondere [X.], [X.], Schmelzkäse, Emmentaler, Hartkäse.

Mit der Begründung, dass die Widersprechende unter ihrer Marke nur einen Weichkäse vertreibe, hat der Inhaber der angegriffenen Marke am 9. Juli 2020 Nichtbenutzungseinrede nur in Bezug auf die Waren „Milch und Milchprodukte, nämlich Kondensmilch, Milchpulver, Molkepulver, Joghurt, Quark, Quarkspeisen, Sahne, Butter, Butterschmalz, [X.], [X.]“ erhoben. Die Widersprechende hat bestätigt, dass sie ihre seit 1976 eingetragene Marke seit Jahrzehnten in erheblichem Umfang für Käse benutze.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2022hat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 32 des [X.] den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Widersprechende habe auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke nicht glaubhaft gemacht, obwohl sie ausreichend [X.] gehabt habe, sich zu dieser Einrede zu äußern.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, das Verfahren sei wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers der Markenstelle an das [X.] zurückzuverweisen, weil sich die [X.] nicht auch auf die [X.] „Käse und Käsezubereitungen, insbesondere [X.], [X.], Schmelzkäse, Emmentaler, Hartkäse“ bezogen habe, so dass für sie keine Veranlassung bestanden habe, insoweit eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft zu machen. Der kausale Verfahrensfehler sei auch schuldhaft erfolgt. In einem Telefonat am 14. Juli 2022 habe der [X.] sein Versehen eingeräumt. Nach den Grundsätzen der Amtshaftung seien der Widersprechenden daher nicht nur die Beschwerdegebühr, sondern auch die für die Beschwerdeeinlegung entstandenen Anwaltskosten in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale aus einem angemessenen Gegenstandswert von mindestens 50.000 € zu erstatten.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

1. den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 7. Juli 2022 aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen;

2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Januar 2023 sind die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen worden, dass eine Zurückverweisung beabsichtigt, aber der Antrag auf Erstattung der Anwaltskosten mangels Zuständigkeit des [X.] ([X.]) für Amtshaftungsansprüche unstatthaft sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig und führt antragsgemäß nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.] zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

1. Das Verfahren vor dem [X.] leidet an einem wesentlichen Mangel, weil die Entscheidung auf einer Nichtbenutzungseinrede beruht, die in diesem Umfang nicht erklärt worden ist.

a) Nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.] kann das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem [X.] an einem wesentlichen Mangel leidet. Von einem wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.] ist auszugehen, wenn es nicht mehr als ordnungsgemäße Grundlage für die darauf beruhende Entscheidung des [X.] anzusehen ist ([X.], 86, 87 – Fischereifahrzeug).

b) Ein solcher Fall liegt hier vor, weil das [X.] den Widerspruch insgesamt mangels Vorlage von [X.] zurückgewiesen hat, obwohl sich die Nichtbenutzungseinrede nur auf einen Teil der [X.] bezogen hat, so dass eine Prüfung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der unbestritten benutzten Produkte unterblieben ist. Denn der Inhaber der angegriffenen Marke hat die Nichtbenutzungseinrede mit der Begründung, dass die Widersprechende unter ihrer Marke einen Weichkäse vertreibe, nur in Bezug auf die Waren „Milch und Milchprodukte, nämlich Kondensmilch, Milchpulver, Molkepulver, Joghurt, Quark, Quarkspeisen, Sahne, Butter, Butterschmalz, [X.], [X.]“ erhoben. Die Widersprechende hat zudem bestätigt, dass sie ihre seit 1976 eingetragene Marke seit Jahrzehnten in erheblichem Umfang für Käse benutze. Die Markenstelle hätte daher in eine Prüfung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der von dieser Einrede nicht betroffenen Produkte „Käse und Käsezubereitungen, insbesondere [X.], [X.], Schmelzkäse, Emmentaler, Hartkäse“ eintreten müssen und den Widerspruch nicht insgesamt mangels Glaubhaftmachung der Benutzung zurückweisen dürfen.

c) Wegen dieses Verfahrensfehlers sieht der Senat nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.] von einer eigenen abschließenden Sachentscheidung ab und verweist die Sache antragsgemäß an das [X.] zurück. Ungeachtet der Bedeutung, die dem Gesichtspunkt der [X.] im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung zukommt, kann es nicht zu den Aufgaben des [X.] gehören, in der Sache die dem [X.] obliegende Erstprüfung eines Widerspruchs durchzuführen (vgl. st. Rspr. zum Anmeldeverfahren: [X.] 26 W (pat) 501/21 – table; 28 W (pat) 505/18 – [X.]; 27 W (pat) 28/18 – [X.], 26 W (pat) 524/19 – [X.]; 30 W (pat) 523/16 – [X.]; 24 W (pat) 524/15 – kerzenzauber; 29 W (pat) 516/15 – [X.]; 26 W (pat) 518/17 – modulmaster). Dabei sind ferner sowohl der sonst eintretende Verlust einer Entscheidungsinstanz als auch die Belastung des Senats mit einem hohen Stand an vorrangigen Altverfahren zu berücksichtigen.

d) Die Markenstelle wird nunmehr hinsichtlich der [X.] „Käse und Käsezubereitungen, insbesondere [X.], [X.], Schmelzkäse, Emmentaler, Hartkäse“ prüfen müssen, ob und gegebenenfalls für welche konkreten angegriffenen Produkte eine Verwechslungsgefahr festzustellen ist.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 71 Abs. 3 [X.] anzuordnen.

a) Gemäß § 71 Abs. 3 [X.] ist die Beschwerdegebühr zu erstatten, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Dabei ist der Erfolg der Beschwerde kein Rückzahlungsgrund. Es müssen auch hier besondere Umstände hinzukommen. Solche sind gegeben, wenn der Beschwerdeführer durch ein verfahrensfehlerhaftes Verhalten, wie [X.] die Verletzung rechtlichen Gehörs, oder durch eine völlig unvertretbare Rechtsanwendung des [X.], wie [X.] die Nichtbeachtung eindeutiger gesetzlicher Vorschriften oder einer gefestigten Amts- oder Rechtsprechungspraxis ([X.] 26 W (pat) 20/15 – Goldkehlchen; 30 W (pat) 20/08 – [X.] und Silber; [X.]E 50, 54, 60 – Markenumschreibung), zu einer Beschwerde veranlasst wurde, die bei korrekter Verfahrensweise und Rechtsanwendung vermieden worden wäre (vgl. [X.] 26 W (pat) 547/17 – [X.]/yogiMoon).

b) Eine derart offenkundig unzutreffende Rechtsanwendung liegt hier vor, weil in der angefochtenen Entscheidung des [X.] die ausdrückliche Beschränkung der Nichtbenutzungseinrede übersehen worden ist (vgl. [X.] 28 W (pat) 531/15 – [X.] [X.]/[X.]) und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung vermieden worden wäre.

3. Das Begehren der Widersprechenden, die für die Einlegung der Beschwerde angefallenen gesetzlichen Anwaltskosten in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale aus einem angemessenen Gegenstandswert von mindestens 50.000 € zu erstatten, ist als Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs gemäß Art. 34 [X.], § 839 BGB auszulegen.

a) Für die Entscheidung über Amtshaftungsansprüche sind jedoch die Zivilgerichte, d. h. in erster Instanz die [X.]e gemäß §§ 13, 71 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ausschließlich sachlich zuständig (vgl. auch [X.] 10 W (pat) 7/10 – Verfahrenskostenhilfe; 10 W (pat) 45/05 – Jahresgebühren).

b) Da sich die Beschwerdeführerin auf den entsprechenden gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2023 nicht mehr zu ihrem Schadensersatzanspruch geäußert und diesen auch nicht ziffernmäßig näher konkretisiert, sondern zweimal, nämlich in ihren Schriftsätzen vom 27. Januar 2023 und 19. Juni 2023, nur noch auf ihren Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hingewiesen hat, geht der Senat davon aus, dass sie den Amtshaftungsanspruch im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend macht. Daher bestand kein Raum, diesen Streitgegenstand abzutrennen, den Antrag als unzulässig zu verwerfen und die Sache gemäß § 17a Abs. 2 [X.] an das zuständige [X.] zu verweisen. Der Beschwerdeführerin steht es frei, ihren behaupteten Schadensersatzanspruch im Wege einer Klageerhebung unmittelbar beim zuständigen Gericht anhängig zu machen.

Meta

26 W (pat) 557/22

10.07.2023

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.07.2023, Az. 26 W (pat) 557/22 (REWIS RS 2023, 7038)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7038

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