Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.11.2010, Az. 26 W (pat) 179/09

26. Senat | REWIS RS 2010, 1515

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "biona (IR-Marke/Wort-Bild-Marke)/Biona" – Einrede der Nichtbenutzung in Beschwerdebegründung – keine Glaubhaftmachung nach Ablauf eines Jahres – keine Notwendigkeit eines gerichtlichen Hinweises


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die [X.] 808 343

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 10. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 IR des [X.] vom 05.03.2008 und 30.07.2009 aufgehoben.

2. Der Widerspruch wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 32 [X.] des Deutschen Patent und Markenamtes der international registrierten, für die Waren

2

„29

3

Beurre d’arachides, mélanges contenant de la graisse pour tartines, [X.], [X.] et animaux, huile de mais, [X.], [X.], huile des [X.], beurre.

32

4

Boissons non alcooliques, [X.] de fruits non alcooliques, [X.], [X.], [X.], produits pour la fabrication d’[X.], produits pour la fabrication d’[X.], sodas [X.], poures pour [X.] gazeuses, pastilles pour [X.] gazeuses, [X.], sirops pour [X.] sirops pour [X.], [X.] des [X.], essences pour la préparation de [X.]”

5

eingetragenen Wort-/Bildmarke Marke [X.] Nummer 808343

Abbildung

6

wegen Widerspruchs aus der für die Waren

7

„32

8

Margarine, Speiseöle und [X.], [X.], konserviertes, gekochtes und getrocknetes Gemüse, Trockenfrüchte, Pilze, Frucht-, Obst- und Gemüsekonserven, Frucht-, Obst- und Gemüsesäfte, Obst- und [X.], Trockenfrüchte, Fleisch-, Fisch- und Wurstkonserven, Fertiggerichte, Suppen, Eintopfgerichte und Menüs, Konfitüren, Marmeladen und Gelees; Brühen in gekörnter Form, als Pasten oder Würfel, auch mit Zusatz von [X.] und/oder [X.]; [X.]; Brotaufstriche, Frucht-, Gemüse- und Nusspasten, Sojaprodukte, Tofuprodukte; Quarkspeisen, Fertiggerichte, nämlich Suppen und Desserts, Früchte in [X.], eingesäuerte Gemüse, Feinkostsalate, nämlich Fruchtsalate und [X.] sowie deren Mischungen, Feinkostsalate aus Fleisch, Geflügel, Wild und Fisch sowie Mischungen mit Früchten und Gemüsen; Kefir, Dickmilch, Buttermilch, entrahmte Milch, Molke und Molkereierzeugnisse, saure Sahne, geschlagene und ungeschlagene Sahne, alkoholfreie [X.], eingedickte Milch, Milchpulver, Kondensmilch, Quark auch mit Zusätzen, insbesondere mit Früchten, Milch und Milcherzeugnisse, Joghurt auch mit Zusätzen, insbesondere mit Früchten; Saaten zu [X.], frisches Obst und Gemüse, Schalenobst, Getreide- und [X.] zu [X.]; alkoholfreie Getränke, Fruchtkonzentrate, [X.], Lecithinpräparate; nichtmedizinische Nahrungsmittel, vorwiegend in Form von Kapseln, Granulaten und Pasten, im Wesentlichen bestehend aus Vitaminen, Ballaststoffen, Mineralien, Spurenelementen und pflanzlichen Wirkstoffen, z. B. auf der Basis von Knoblauch, Rutin, Weißdorn, Mistel, Artischocke, Brennnessel, Wacholder, Distelöl, Weizenkeimöl, Hefe; Meersalz-Präparate für medizinische und nichtmedizinische Zwecke; alle vorgenannten Waren auch aus ökologischem Landbau, auch als Tiefkühlprodukte und auch als diätetische Lebensmittel für nichtmedizinische Zwecke; Tomatenmark; Mayonnaise, Remouladen, Salatcremes, Hefeerzeugnisse, Hefeextrakte, [X.], Pasteten, Hefespeiswürzen, Teigwaren, Kaffee, Tee; Mehl und Getreidepräparate; Backmischungen, Backfette, Backzutaten, Backmittel; Snacks, vegetarische Feinkost, Soßen, auch in Instantform, Dressings und Dips, Würzmittel, Süßungsmittel, Ballaststoffe, Vollmeersalz, Jodsalz, [X.], Senf, Essig; Zuckerwaren, Konfekt, Gebäck, Schokolade in Tafel- oder Riegelform, auch unter Verwendung von Trockenfrüchten, Fruchtzubereitungen, Nüssen, Mandeln, Honig, Samen, Carobenmehl, Eiweiß, Tofu und Sojaerzeugnissen; Knabberartikel, Snacks, auch in Riegelform; Honig, Sirup; Desserts und andere Süßspeisen, auch unter Verwendung von Sojaerzeugnissen“

9

unter der Registernummer 347 696 eingetragenen, prioritätsälteren Wortmarke

Biona

den Schutz in der [X.] versagt. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke mit älterem Rang und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen bestehe für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen, §§ 119, 124, 114 Abs. 3, 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nummer 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in Verbindung mit Art. 5 PA, Art. 6 quinquies B PÜV.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. In der Beschwerdebegründung hat sie die Einrede der mangelnden rechtserhaltenden Benutzung gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 [X.] erhoben.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

1. die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben,

2. hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren ihre Vertretung angezeigt, aber bislang weder einen Antrag gestellt, noch auf die [X.] hin weiter vorgetragen.

Ergänzend wird auf die Akten des Amtes 347 696.5 und [X.] 800 8343/32 [X.] Bezug genommen. Ein gegen die Widerspruchsmarke geführtes Widerspruchsverfahren ist am 14.7.2004 abgeschlossen worden.

II.

Die nach § 66 Abs. 1, 2 [X.] zulässige Beschwerde ist begründet, da die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht hat.

Richtet sich der Widerspruch, wie hier, gegen eine international registrierte Marke, durchläuft die gem. Art. 3 [X.] zulässige nachträgliche Schutzerstreckung in den betroffenen [X.], hier der [X.], ein der Erstregistrierung entsprechendes Prüfungsverfahren, welches auch ein Widerspruchsverfahren i. S. d. § 42 Abs. 1 [X.] einschließen kann, § 111 [X.], Art. 3 ter II MMA, Regel 24 GAusfO (vgl. auch [X.]/[X.], a. a. [X.], Rn. 2 zu § 111 [X.]).

Die Anmelderin hat wirksam die Einrede der Nichtbenutzung gem. § 43 Abs. 2 S. 2 [X.] erhoben. Dies ist auch erstmals im Beschwerdeverfahren möglich ([X.] 1994, 629 f. – [X.]; [X.] 23, 158, 161 – [X.]; 17, 151, 153 – [X.]). Das Angriffsmittel der Anmelderin ist nicht deshalb gem. § 528 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 282 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen, weil diese es schon im Verfahren vor der Prüfstelle hätte geltend machen können, dies aus grober Nachlässigkeit unterlassen hätte und die Zulassung der [X.] den Rechtsstreit absolut verzögern würde (vgl. [X.], 938 f. – [X.]; [X.] 1996, 414 f. - [X.]/[X.]; [X.] 23, 159; 161; 19, 202 f.). Denn auf die Erhebung der Einrede in der Beschwerdebegründung vom 20.11.2009 hin blieb der Widersprechenden, der die Beschwerdebegründung mit Postzustellungsurkunde vom 02.12.2009 zugestellt wurde, ausreichend Gelegenheit, Tatsachen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorzutragen. Auch nach Ablauf eines knappen Jahres hat sie hiervon indes keinen Gebrauch gemacht. Die anwaltliche Vertretungsanzeige der Widersprechenden datiert vom 05.03.2010.

Die fünfjährige Benutzungsschonfrist für die Widerspruchsmarke gem. § 26 Abs. 1, 5 [X.] begann nach Abschluss eines gegen diese geführten Widerspruchsverfahrens am 14.7.2004 und ist am 22.07.2009, mithin vor Erhebung der [X.] und vor einer abschließenden Entscheidung über den Widerspruch abgelaufen.

Mit Erhebung der Einrede entstand für die Widersprechende die Obliegenheit zur rechtzeitigen Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke für einen – sich verändernden - [X.] bis (mindestens) November 2010, dem Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, § 43 Abs. 1 S. 2 [X.] (vgl. zum Benutzungszeitraum [X.], 510; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl. Rn. 9 zu § 43 [X.]). Dies ist vorliegend nicht geschehen.

Eines rechtlichen Hinweises des Senats gem. §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO, 82 Abs. 1 [X.] zur Glaubhaftmachung bedurfte es nicht. Der Umfang der glaubhaft zu machenden Tatsachen im Falle einer wirksam erhobenen [X.] ist in Literatur und Rechtsprechung umfassend dargestellt (vgl. [X.] GRUR 2006, 582, Rn. 70 - [X.]; [X.], 152, 154, [X.]. 21 - [X.]; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl. 2001, § 26 Rn. 4 ff.; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. 2003, § 26 Rn. 155 ff.; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl. 2006, § 26 Rn. 7 ff.).

Da die Frage der rechtserhaltenden Benutzung einer Widerspruchsmarke dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz unterliegt (vgl. [X.], 938, 939 - [X.]) und das Gericht nicht auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel hinweisen darf, ist es ihm grundsätzlich verwehrt, auf die Möglichkeit der Erhebung dieser Einrede hinzuweisen (Fezer a. a. [X.] § 43 Rn. 7; [X.]/[X.] a. a. [X.] § 43 Rn. 11; [X.]/[X.], a. a. [X.] § 43 Rn. 2). Schon nach der früheren Rechtsprechung des [X.] dürfte die entscheidende Stelle den Widersprechenden nach Erhebung einer [X.] daher weder zur Glaubhaftmachung ausdrücklich aufzufordern, noch ihn auf den notwendigen Umfang der Glaubhaftmachung hinzuweisen ([X.] 1996, 981 f.; [X.]; GRUR 1994, 629 f.; [X.]; [X.] 22, 211 ff.; vgl. auch [X.] 2004, 950, 953 - [X.]; [X.], 900, 902 - Neuro-Vibolex; 28 W (pat) 35/99 - [X.]/[X.]; 30 W (pat) 71/02 - [X.]; 33 W (pat) 101/01 - [X.]/[X.]; 26 W (pat) 183/01 - [X.]/[X.]; 29 W (pat) 116/07 – „DAS BLAUE“- STARNBERGER SEE TELEFON & ADRESSBUCH, jeweils veröffentlicht unter http://juris.bundespatentgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung). Auch nach der neueren Rechtsprechung des 29. Senats des [X.] besteht im vorliegenden Fall keine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 [X.]. Dieser bejaht eine solche in fünf hier jeweils nicht einschlägigen Fällen, in denen

- die Markenstelle die Glaubhaftmachung der Benutzung mangels Verwechslungsgefahr dahingestellt gelassen hat, das Gericht die Frage der rechtserhaltenden Benutzung aber als entscheidungserheblich ansieht,

- die Markenstelle die zur Glaubhaftmachung eingereichten Unterlagen als ausreichend angesehen hat und das Gericht von dieser Beurteilung der Vorinstanz abweichen will,

- sich der maßgebliche Benutzungszeitraum aufgrund der langen Verfahrensdauer verschoben hat, so dass die im Verfahren vor der Markenstelle eingereichten und als ausreichend angesehenen Unterlagen den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 S. 2 [X.] nicht mehr abdecken,

- eine im Verfahren vor der Markenstelle unzulässig erhobene Einrede im Beschwerdeverfahren erneut erhoben wird und auf Grund des Ablaufs der Benutzungsschonfrist nunmehr wirksam ist (vgl. [X.] PAVIS PROMA 24 W (pat) 279/04 - wellSUN/SUNWELL),

- die eidesstattliche Versicherung formelle Mängel aufweist (vgl. näher Fezer/Grabrucker, Handbuch d. Markenpraxis, Bd. 1, [X.], [X.], [X.], Rn. 253, 254; [X.]. 2006, 567 – [X.]). Keine der genannten Fallkonstellationen trifft aber auf das vorliegende Verfahren zu.

Nachdem die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke entgegen § 43 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 26 [X.] bislang für keine der von ihr angemeldeten Waren glaubhaft gemacht hat, sind ihre Waren gem. § 43 Abs. 1 S. 3 [X.] insgesamt bei Beurteilung einer Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] außer Betracht zu lassen. Dies führt zur Zurückweisung des Widerspruchs und zur Aufhebung der Entscheidungen vom 05.03.2008 und 30.07.2009, mit welchen der [X.]-Marke der Anmelderin wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke der Schutz in der [X.] versagt wurde.

Die Beschwerde der Markeninhaberin hatte aus diesen Gründen Erfolg.

Meta

26 W (pat) 179/09

10.11.2010

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 139 ZPO § 278 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.11.2010, Az. 26 W (pat) 179/09 (REWIS RS 2010, 1515)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1515

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