Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2019, Az. 6 AZR 329/18

6. Senat | REWIS RS 2019, 7213

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT KÜNDIGUNG INSOLVENZ BEHINDERUNG

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Gegenstand

Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen - betriebsbedingte Kündigung


Leitsatz

Der Arbeitgeber darf bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs eine unternehmerische Entscheidung treffen, welche den bisherigen Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Menschen durch eine Organisationsänderung entfallen lässt. Die in § 164 Abs. 4 SGB IX (bis 31. Dezember 2017: § 81 Abs. 4 SGB IX aF) vorgesehenen Ansprüche schwerbehinderter Menschen sind lediglich bei der Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu berücksichtigen.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 5. Januar 2018 - 16 [X.] 1410/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

2

Der 1961 geborene Kläger ist von Geburt an in seinen geistigen Erkenntnis- und Steuerungsmöglichkeiten eingeschränkt und deshalb als schwerbehinderter [X.]ensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Seit 1982 war er bei der [X.] (im [X.]olgenden Schuldnerin) beschäftigt. Die Schuldnerin betreibt eine Stahlgießerei. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die [X.]etall- und Elektroindustrie [X.] Anwendung. Gemäß § 20 Nr. 4 des [X.]anteltarifvertrags für die [X.]etall- und Elektroindustrie [X.] ([X.]) vom 18. Dezember 2003 kann Beschäftigten, die das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb/Unternehmen zehn Jahre angehören, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Dies gilt jedoch ua. nicht für betriebsbedingte Kündigungen aufgrund von Betriebsänderungen, wenn ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist.

3

Der Kläger wurde laut arbeitsvertraglicher Vereinbarung als „Kernmacher - Anlernling“ angestellt. Dementsprechend führte der Kläger in der sog. [X.] im Wesentlichen einfache Hilfstätigkeiten aus. An [X.]aschinen und Anlagen in anderen Abteilungen wurde er nicht eingesetzt. Zur Übernahme höherwertiger Tätigkeiten war und ist er wegen seiner Behinderung nicht imstande. In der [X.] waren neben dem Kläger vier Kernmacher beschäftigt.

4

Bereits seit dem [X.] verzeichnete die Schuldnerin erhebliche Umsatzrückgänge und Verluste. Während im Geschäftsjahr 2013 noch 915 Tonnen [X.]ertigguss bearbeitet wurden, wurde im Jahr 2015 eine Tonnage von lediglich 596 Tonnen erreicht. [X.]it Beschluss des [X.] vom 29. [X.]ärz 2016 (- 100 IN 8/16 -) wurde über das Vermögen der Schuldnerin auf ihren Antrag hin das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Noch am selben Tag vereinbarten die Schuldnerin und der bei ihr gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, der die betriebsbedingte Kündigung von 17 der damals 73 [X.]itarbeiter vorsieht, darunter die des [X.]. [X.]ür die [X.] ist aufgrund der reduzierten Tonnage der Abbau eines Arbeitsplatzes vorgesehen. Die bislang vom Kläger durchgeführten Hilfstätigkeiten werden von den Kernmachern mitübernommen, die aufgrund der zurückgegangenen Auftragsmenge hierzu in der Lage sind. Hinsichtlich der [X.] enthält der Interessausgleich ein Punkteschema, welches Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigt. Der Betriebsrat bestätigt im Interessenausgleich, die entsprechenden [X.] erhalten zu haben und das bezüglich der beabsichtigten Kündigungen nach § 102 BetrVG eingeleitete Anhörungsverfahren als abgeschlossen anzusehen. Nach § 5 des Interessenausgleichs sind sich die Betriebsparteien zudem darüber einig, dass mit dem Interessenausgleich zugleich die Auskunftserteilung und Unterrichtung gegenüber dem Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG erfolgte und dessen Stellungnahme zur geplanten [X.]assenentlassung gemäß § 125 Abs. 2 [X.] iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt wird.

5

Am 30. [X.]ärz 2016 erstattete die Schuldnerin bei der zuständigen [X.] eine auf den 29. [X.]ärz 2016 datierte [X.]. Ebenfalls am 30. [X.]ärz 2016 zeigte der Sachwalter beim Insolvenzgericht die drohende [X.]asseunzulänglichkeit an.

6

Nachdem das Integrationsamt mit Schreiben vom 26. April 2016 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung erteilt hatte, kündigte die Schuldnerin das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. April 2016 zum 31. Juli 2016.

7

[X.]it seiner am 18. [X.]ai 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat er die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Sie verstoße gegen den tariflichen Sonderkündigungsschutz. Zudem sei kein hinreichender Kündigungsgrund gegeben. Die von ihm erbrachten Tätigkeiten seien auch künftig zu verrichten. Einer Übertragung seiner Aufgaben auf andere [X.]itarbeiter stehe sein gesetzlicher Beschäftigungsanspruch als schwerbehinderter [X.]ensch entgegen (§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden [X.]assung; ab 1. Januar 2018: § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX). Zudem sei die getroffene [X.] grob fehlerhaft. Die [X.]itarbeiter [X.] und [X.] hätten nicht als sog. Leistungsträger aus der [X.] herausgenommen werden dürfen. In der sog. Waschkaue werde ein ebenfalls ungelernter [X.]itarbeiter weiterbeschäftigt.

8

Der Kläger hat vor dem [X.] beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. April 2016 nicht beendet worden ist,

        

2.    

die Beklagte im [X.]alle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Kernmacher/[X.]ormer weiterzubeschäftigen.

9

Die Schuldnerin hat die Abweisung der Klage beantragt. Die Kündigung sei rechtswirksam. Auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz könne sich der Kläger gemäß § 113 Satz 1 [X.] nicht berufen. Aufgrund des formgerecht zustande gekommenen Interessenausgleichs mit Namensliste greife die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 [X.]. Diese habe der Kläger nicht widerlegt. Sein Arbeitsplatz sei durch die Umorganisation der Hilfstätigkeiten in der [X.] entfallen. Angesichts der drohenden [X.]asseunzulänglichkeit habe kein Handlungsspielraum bestanden, einen zusätzlichen Arbeitsplatz im bisherigen „einfachen“ Zuschnitt beizubehalten.

Die [X.], die ohnehin nur auf grobe [X.]ehlerhaftigkeit zu überprüfen sei, sei nicht zu beanstanden. Der in der Waschkaue weiterbeschäftigte [X.]itarbeiter habe nach dem im Interessenausgleich vereinbarten Punkteschema 128,5 Punkte erreicht, der Kläger nur 127,5 Punkte. Die [X.]itarbeiter [X.] und [X.] seien in einer anderen Betriebsabteilung mit Aufgaben betraut, die der Kläger nicht beherrschen könne.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. [X.]it seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter. [X.]it Beschluss des [X.] vom 5. Juli 2018 wurde die Anordnung der Eigenverwaltung aufgehoben und der nunmehrige Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestimmt. Der Beklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Der für den [X.]all des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist daher nicht zur Entscheidung angefallen.

I. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist sie ausreichend begründet.

1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Die Revisionsbegründung muss die Rechtsfehler des [X.]s so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils enthalten ([X.] 6. September 2018 - 6 [X.] 836/16 - Rn. 11, [X.]E 163, 257; 29. August 2018 - 7 [X.] 144/17 - Rn. 11).

2. Die hier vorliegende Revisionsbegründung genügt diesen Anforderungen.

a) Das [X.] hat angenommen, der Kläger habe die nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] bestehende Vermutung des Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen, nicht widerlegt. Auch bei Berücksichtigung der Schwerbehinderung des [X.] sei die Schuldnerin nicht verpflichtet gewesen, die beabsichtigte Umverteilung der Arbeitsaufgaben in der sog. Kernmacherei zu unterlassen bzw. wieder rückgängig zu machen. Sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, für den Kläger einen anderen, zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten. Die damit verbundenen Aufwendungen seien angesichts der [X.] Insolvenz nicht zumutbar gewesen. Die Kündigung sei auch nicht wegen einer grob fehlerhaften Sozialauswahl unwirksam. Sowohl die Betriebsratsanhörung als auch das Massenentlassungsverfahren seien ordnungsgemäß durchgeführt worden. Schließlich scheitere die Wirksamkeit der Kündigung auch nicht am Eingreifen des tariflichen Sonderkündigungsschutzes. Dieser gelte nicht, falls kein anderer zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden sei. Zudem nehme § 113 Satz 1 [X.] dem tariflichen Sonderkündigungsschutz die Wirkung.

b) Die Revision führt hiergegen an, die Schuldnerin habe dem gesetzlichen [X.] des schwerbehinderten [X.] nicht dadurch „entgehen“ können, dass sie seine Tätigkeiten aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung von anderen Arbeitnehmern miterledigen lasse. Die [X.] sei rückgängig zu machen oder ein anderer Arbeitsplatz für den Kläger zu schaffen. Der gesetzliche [X.] schwerbehinderter Menschen werde durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht eingeschränkt. Hinsichtlich der angeblichen Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung fehle hinreichender Sachvortrag. Die Insolvenz bewirke für sich genommen auch bei Masseunzulänglichkeit nicht die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung. Zudem könne eine Masseunzulänglichkeit im Laufe des Insolvenzverfahrens wieder entfallen. Das [X.]ehlen eines zumutbaren Arbeitsplatzes stehe dem Eingreifen des tariflichen Sonderkündigungsschutzes daher nicht entgegen. Dieser könne auch nicht gemäß § 113 Satz 1 [X.] unbeachtet bleiben. Dem stünden mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtliche Bedenken entgegen.

c) Die Revision stützt sich damit hinsichtlich der Reichweite des [X.]s schwerbehinderter Menschen und der Verfassungskonformität des § 113 Satz 1 [X.] auf Rechtsauffassungen, die zu einer anderen Entscheidung führen würden. Die [X.] sind klar erkennbar. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist deshalb unerheblich, dass die Revisionsbegründung sich zu etwaigen weiteren Rechtsfragen nicht verhält. Es ist in diesem Zusammenhang insbesondere ohne Belang, dass das [X.] die Revision „im Hinblick auf die entscheidungserhebliche [X.]rage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Pflichten des Arbeitgebers aus § 164 Abs. 3 und 4 [X.] dem Wegfall eines [X.] Arbeitsplatzes durch Umverteilung der Aufgaben entgegenstehen“, zugelassen hat und die Revisionsbegründung sich mit § 164 Abs. 3 [X.] nicht befasst. Das [X.] hat mit seinen Ausführungen dazu, warum es die Revision zugelassen hat, nur verdeutlicht, inwieweit es dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Dies hat keine Auswirkungen auf die Begründungsanforderungen der Revision. Die Revision kann ohne Rücksicht auf den aus Sicht des Berufungsgerichts maßgeblichen Zulassungsgrund in zulässiger Weise begründet werden (vgl. [X.]/[X.] Stand September 2017 § 72 Rn. 54; [X.]/[X.] ArbGG 8. Aufl. § 72 Rn. 51).

II. Die Revision ist jedoch unbegründet. Die streitgegenständliche Kündigung vom 27. April 2016 hat das Arbeitsverhältnis unter Wahrung der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 [X.] zum 31. Juli 2016 aufgelöst.

1. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen den tariflichen Sonderkündigungsschutz unwirksam.

a) Nach § 20 Nr. 4 [X.] kann Beschäftigten, die das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb/Unternehmen zehn Jahre angehören, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung erfüllte der Kläger die persönlichen Voraussetzungen für das Eingreifen des tariflichen Sonderkündigungsschutzes.

b) Dieser kommt jedoch gemäß § 113 Satz 1 [X.] nicht zur Anwendung.

aa) Nach § 113 Satz 1 [X.] kann ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Norm findet gemäß § 279 Satz 1 [X.] auch in [X.]ällen der Eigenverwaltung Anwendung ([X.] 23. [X.]ebruar 2017 - 6 [X.] 665/15 - Rn. 29, [X.]E 158, 214). Das Kündigungsrecht kann nicht durch einzelvertragliche, tarifvertragliche oder sonstige kollektivrechtliche Vereinbarung ausgeschlossen werden ([X.] 17. November 2005 - 6 [X.] 107/05 - Rn. 17, [X.]E 116, 213). [X.] unkündbare Arbeitsverhältnisse sind daher im Insolvenzverfahren ordentlich kündbar ([X.] 20. September 2006 - 6 [X.] 249/05 - Rn. 18 f.; 19. Januar 2000 - 4 [X.] 70/99 - zu II 2 der Gründe).

bb) Dies stellt keinen ungerechtfertigten Eingriff in die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie dar (MüKo[X.]/[X.] 3. Aufl. § 113 Rn. 15; [X.]K-[X.]/[X.] 9. Aufl. § 113 Rn. 29 f.; [X.] in [X.] [X.] § 113 Rn. 14 ff.; [X.]/Hützen Insolvenzarbeitsrecht § 5 Rn. 45; APS/[X.] 5. Aufl. [X.] § 113 Rn. 6; [X.]/[X.] 4. Aufl. Bd. 2 § 122 Rn. 11; HK-[X.]/[X.] 9. Aufl. § 113 Rn. 16; Graf-Schlicker/[X.]/Kubusch [X.] 4. Aufl. § 113 Rn. 19; [X.]/Moll [X.] Stand September 2017 § 113 Rn. 124 ff.; kritisch [X.]/Deinert/Zwanziger/[X.] [X.] 10. Aufl. § 113 [X.] Rn. 29 ff.; Zwanziger Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 5. Aufl. § 113 Rn. 29 mwN).

(1) Der Kläger hat bereits nicht vorgetragen, dass der [X.] auf das Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung fand. Nur in einem solchen [X.]all kommt jedoch eine Verletzung der Tarifautonomie überhaupt in Betracht. Bei bloßer Inbezugnahme gilt der tarifliche Kündigungsausschluss nur auf vertraglicher Grundlage und wird als Vertragsrecht ohne Weiteres von § 113 Satz 1 [X.] verdrängt (Zwanziger Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 5. Aufl. § 113 Rn. 33).

(2) Auch wenn zugunsten des [X.] unterstellt wird, dass beiderseitige Tarifbindung bestand, ist die Tarifautonomie durch § 113 Satz 1 [X.] nicht verletzt. Zwar liegt dann ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts vor. Gesetzliche Regelungen, die eine Beeinträchtigung des Art. 9 Abs. 3 GG bewirken, können jedoch zugunsten der Grundrechte Dritter sowie sonstiger mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechte und [X.] gerechtfertigt werden ([X.] 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15 ua. - Rn. 143, [X.]E 146, 71). Das [X.] hat es als naheliegend angesehen, dass der Eingriff in die Tarifautonomie durch das vom Gesetzgeber mit § 113 [X.] verfolgte Ziel gerechtfertigt sein könnte ([X.] 8. [X.]ebruar 1999 - 1 [X.] - zu II 2 b der Gründe; vgl. auch [X.] 21. Mai 1999 - 1 [X.] - zu II 2 b bb der Gründe; [X.]Spelge 12. Aufl. § 113 [X.] Rn. 19).

(3) Dies ist der [X.]all. In der [X.] ist die Unwirksamkeit eines tariflichen Sonderkündigungsschutzes gerechtfertigt. § 113 [X.] dient dem Ausgleich zwischen den [X.] Belangen der Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens auf der einen und den Interessen der Insolvenzgläubiger am Erhalt der Masse als Grundlage ihrer Befriedigung auf der anderen Seite ([X.] 23. [X.]ebruar 2017 - 6 [X.] 665/15 - Rn. 50, [X.]E 158, 214; 19. November 2015 - 6 [X.] 559/14 - Rn. 39, [X.]E 153, 271). Das Entstehen von [X.] durch fortbestehende Arbeitsverhältnisse soll begrenzt werden, da der Insolvenzverwalter in der Regel keinen [X.] mehr hat und zulasten der anderen Gläubiger Ansprüche ohne eine Gegenleistung entstünden, wodurch diese wiederum in ihrem Grundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt würden. Eine allzu lange Bindung an nicht mehr sinnvolle Arbeitsverhältnisse soll daher verhindert werden (vgl. [X.]. 12/2443 S. 148). Dem widersprechen (tarifvertragliche) [X.] ([X.] 20. September 2006 - 6 [X.] 249/05 - Rn. 19; 22. September 2005 - 6 [X.] 526/04 - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 116, 19; 16. Juni 1999 - 4 [X.] 191/98 - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 92, 41). Neben einer übermäßigen Belastung der Masse könnte eine [X.]ortgeltung tariflicher Bestandsschutzregelungen zudem eine mögliche Sanierung gefährden. Insbesondere würde die zu diesem Zweck durch § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 [X.] ermöglichte Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur konterkariert, wenn eine bestimmte Beschäftigtengruppe ordentlich unkündbar wäre (vgl. [X.] 19. Januar 2000 - 4 [X.] 70/99 - zu II 4 der Gründe; Nerlich/[X.]/[X.] [X.] Stand November 2011 § 113 Rn. 50; [X.]/[X.] 15. Aufl. § 113 [X.] Rn. 69). Eine solche Einschränkung der Sanierungsfähigkeit würde [X.] missachten (vgl. zum Interesse der Allgemeinheit an Sanierungen [X.] 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 790/12 - Rn. 27, [X.]E 147, 89). Die mit § 113 Satz 1 [X.] verbundene Beeinträchtigung der Tarifautonomie steht auch nicht außer Verhältnis zu den dargestellten Zwecken dieser Norm. Zwar weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Durchbrechung des tariflichen Schutzes vor ordentlichen Kündigungen die betroffenen Arbeitnehmer erheblich und uU stärker als andere Insolvenzgläubiger belastet. Ohne die Möglichkeit des Insolvenzverwalters, sinnentleerte Arbeitsverhältnisse beenden zu können, lässt sich jedoch die [X.]unktionsfähigkeit des Insolvenzverfahrens nicht sichern. Der Gesetzgeber hat die Schwere der Belastung der betroffenen Arbeitnehmer zudem dadurch gemildert, dass er keine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorgesehen hat. Darüber hinaus hat er in § 113 Satz 3 [X.] eine - wenn auch lediglich im Range einer Insolvenzforderung stehende - finanzielle Entschädigung in [X.]orm des Anspruchs auf verschuldensunabhängigen Ersatz des sog. Verfrühungsschadens geschaffen. In der Gesamtschau ist die Durchbrechung tariflichen Sonderkündigungsschutzes durch § 113 [X.] deshalb verhältnismäßig im engeren Sinn (vgl. [X.]/Moll [X.] Stand September 2017 § 113 Rn. 126; vgl. zur Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn [X.] 21. März 2018 - 1 [X.] - Rn. 49, [X.]E 148, 40).

2. Dessen ungeachtet würde der tarifliche Kündigungsschutz nach § 20 Nr. 4 [X.] hier nicht eingreifen, da eine Betriebsänderung zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes des [X.] geführt hat und ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist. Die Kündigung vom 27. April 2016 ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.]. 3 [X.] bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des [X.] entgegenstehen. Das [X.] ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die diesbezügliche Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] nicht widerlegt ist.

a) Es liegt ein formwirksamer Interessenausgleich mit Namensliste vor, der bei unveränderter Sachlage (§ 125 Abs. 1 Satz 2 [X.]) die Rechtsfolgen des § 125 Abs. 1 Satz 1 [X.] auslöst. Die Schuldnerin war gemäß § 279 Satz 1 [X.] im Rahmen der Eigenverwaltung berechtigt, einen solchen Interessenausgleich abzuschließen. Eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG war gegeben. Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 [X.] erreicht sind ([X.]Rspr., vgl. zB [X.] 20. September 2012 - 6 [X.] 155/11 - Rn. 17, [X.]E 143, 150; 19. Juli 2012 - 2 [X.] 352/11 - Rn. 17, [X.]E 142, 339). Der Personalabbau überschritt hier die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]. Von 73 Arbeitnehmern sollten 17 gekündigt werden. Dies sind mehr als zehn vom Hundert der Belegschaft. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit.

b) Aufgrund der namentlichen Benennung des [X.] in der Namensliste des Interessenausgleichs wird nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] vermutet, dass die Kündigung vom 27. April 2016 durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des [X.] entgegenstehen, bedingt ist. Diese Vermutung wäre widerlegt, wenn der Kläger substantiiert dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen hätte, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht besteht ( [X.] 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 790/12 - Rn. 19, [X.]E 147, 89 ) oder die beabsichtigte Änderung der betrieblichen Aufgabenverteilung aus rechtlichen Gründen nicht umgesetzt werden darf.

c) Dies ist dem Kläger nicht gelungen.

aa) Er bestreitet die Umverteilung seiner bisherigen Aufgaben auf die anderen in der Kernmacherei tätigen Mitarbeiter nicht und behauptet auch nicht, diese würden hierdurch übermäßig belastet (vgl. hierzu [X.] 12. März 2009 - 2 [X.] 418/07 - Rn. 24; [X.]/[X.] 19. Aufl. [X.] § 125 Rn. 8). Insoweit greift er die gesetzliche Vermutung nicht an. Damit steht fest, dass nach dem neuen Organisationskonzept das [X.] für den Kläger auf seinem bisherigen Arbeitsplatz entfallen ist, auch wenn die von ihm bislang verrichteten Tätigkeiten - in geringerem Umfang - noch zu erledigen sind.

bb) Der Kläger verlangt jedoch unter Berufung auf seinen gesetzlichen [X.] als schwerbehinderter Mensch die Rückgängigmachung der [X.], die zum Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes geführt hat, oder die Schaffung eines zusätzlichen, auf ihn zugeschnittenen Arbeitsplatzes. Hierauf hat er keinen Anspruch. Der Arbeitgeber darf eine unternehmerische Entscheidung treffen, welche den bisherigen Arbeitsplatz des schwerbehinderten Menschen durch eine [X.] entfallen lässt. Dessen [X.] ist dann erst bei der Prüfung etwaiger [X.]en auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu berücksichtigen. Ist eine [X.] auch unter Beachtung dieses besonderen Anspruchs nicht vorhanden, kann eine betriebsbedingte Kündigung nach den kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften sozial gerechtfertigt sein.

(1) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dem Senat eine Prüfung der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung unter dem Gesichtspunkt der im [X.] kodifizierten Beschäftigungspflicht nicht verwehrt, weil das [X.] mit Urteil vom 21. November 2017 - 11 [X.] - bereits rechtskräftig entschieden hat, dass die Zustimmung des [X.] zur ordentlichen Kündigung des [X.] zu Recht erteilt wurde. Das Verwaltungsgericht hat zwar ebenso wie das Integrationsamt die §§ 85 ff. [X.] a[X.] bezogen auf die beabsichtigte Kündigung des [X.] geprüft. Bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Unabhängigkeit der Gerichtszweige hindert dies die Gerichte für Arbeitssachen aber nicht an einer Prüfung der einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften, auch wenn diese im Kontext zu Normen des [X.] stehen, welche ebenso im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu beachten sind (vgl. [X.] 23. Mai 2013 - 2 [X.] 991/11 - Rn. 28, [X.]E 145, 199).

(2) Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihrem Arbeitgeber einen Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre [X.]ähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Dieser wird flankiert durch Ansprüche auf behinderungsgerechte Arbeitsstätten und Arbeitsplätze einschließlich der [X.] (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 [X.]). Solche Ansprüche bestehen allerdings nicht, soweit ihre Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre (§ 81 Abs. 4 Satz 3 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 4 Satz 3 [X.]). Im bestehenden Arbeitsverhältnis können schwerbehinderte Menschen daher bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation verlangen. Dies führt zu einer Einschränkung der Organisationsfreiheit des Arbeitgebers, denn dieser ist zu einer behinderungsgerechten ([X.] der [X.] verpflichtet, um den [X.] des schwerbehinderten Menschen zu erfüllen. Gegebenenfalls hat er eine diesem entgegenstehende betriebliche Umstrukturierung sogar rückgängig zu machen (vgl. [X.] 14. März 2006 - 9 [X.] 411/05 - Rn. 26; zur Einschränkung der unternehmerischen [X.]reiheit vgl. auch [X.] in LPK-[X.] 5. Aufl. § 164 Rn. 178; [X.] in [X.]/Noftz [X.] Stand November 2017 K § 164 Rn. 38). Kann ein schwerbehinderter Arbeitnehmer die vertraglich geschuldeten Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, so führt dies nicht ohne Weiteres zum Wegfall des [X.]s. Er kann dann vielmehr einen Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht erfasst, eine entsprechende Vertragsänderung verlangen ([X.] 15. Oktober 2013 - 1 [X.] - Rn. 24). Dabei ist er nicht verpflichtet, den Arbeitgeber vorab auf Zustimmung zur Vertragsänderung zu verklagen. Der Anspruch auf eine den Kenntnissen und [X.]ähigkeiten des schwerbehinderten Menschen angepasste Beschäftigung ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] 13. Aufl. § 164 Rn. 25) besteht vielmehr unmittelbar kraft Gesetzes ([X.] 10. Mai 2005 - 9 [X.] 230/04 - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 114, 299; insoweit kritisch Boecken RdA 2012, 210, 213). Der schwerbehinderte Mensch kann zudem beanspruchen, in einem seiner Behinderung Rechnung tragenden zeitlichen Umfang eingesetzt zu werden, wenn die verlangte Beschäftigung dem Arbeitgeber zumutbar ist (vgl. [X.] 17. März 2016 - 6 [X.] 221/15 - Rn. 43, [X.]E 154, 268).

(3) § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] geben dem schwerbehinderten Menschen jedoch keine Beschäftigungsgarantie. Diese Vorgaben des [X.] betreffen ausgehend von dem konkreten Gesundheitszustand des einzelnen schwerbehinderten Menschen nur die Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit bezüglich der [X.] bleibt im Übrigen unberührt. Der Arbeitgeber ist durch die gesetzliche Regelung nicht gehindert, eine [X.] zu treffen, die zum Entfall des Arbeitsplatzes eines schwerbehinderten Menschen führt. Die [X.] Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung hängt dann bezogen auf das [X.] allein von der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz ab. Ist eine Beschäftigung auf dem bisherigen oder einem anderen freien Arbeitsplatz nicht möglich, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten Menschen einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (vgl. [X.] 14. März 2006 - 9 [X.] 411/05 - Rn. 19; 22. November 2005 - 1 [X.] - Rn. 33, [X.]E 116, 223; 4. Oktober 2005 - 9 [X.] 632/04 - Rn. 23, [X.]E 116, 121; 10. Mai 2005 - 9 [X.] 230/04 - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 114, 299; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] 13. Aufl. § 164 Rn. 25; [X.]/Zimmermann 4. Aufl. Bd. 2 § 198 Rn. 61). Das [X.] verlangt zudem nicht die Entlassung anderer Arbeitnehmer, um den [X.] schwerbehinderter Menschen verwirklichen zu können. Vorausgesetzt ist vielmehr das Vorhandensein freier Arbeitsplätze. Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „[X.]reikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt (vgl. [X.] 20. November 2014 - 2 [X.] 664/13 - Rn. 32 ff. mwN).

(4) § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] verbieten dem Arbeitgeber dementsprechend nicht, eine unternehmerische Entscheidung zu treffen, welche das [X.] für einen schwerbehinderten Menschen entfallen lässt. Die Norm gewährt keinen absoluten Schutz vor einer betriebsbedingten Kündigung, wie der Kläger annimmt. Der gesetzliche [X.] hat vielmehr nur Bedeutung für die im Rahmen der allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzvorschriften zu prüfenden [X.]en.

(a) [X.]indet der allgemeine Kündigungsschutz nach dem [X.] (noch) keine Anwendung auf ein Arbeitsverhältnis, ist eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung diskriminiert, nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam (vgl. [X.] 23. Juli 2015 - 6 [X.] 457/14 - Rn. 23, [X.]E 152, 134; 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 190/12 - Rn. 14 ff., [X.]E 147, 60). Bei der Prüfung von Kündigungen, die dem [X.] unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes als Konkretisierungen der [X.] zu beachten (vgl. [X.] 20. Juni 2013 - 2 [X.] 295/12 - Rn. 36, [X.]E 145, 296; 6. November 2008 - 2 [X.] 523/07 - Rn. 34 ff., [X.]E 128, 238). Auch einem schwerbehinderten Menschen kann daher wirksam gekündigt werden, wenn die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] durch dringende betriebliche Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

(aa) Dringende betriebliche Erfordernisse liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Ein kündigungsrechtlich relevanter Rückgang des [X.] kann auch aus einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers folgen, die ökonomisch nicht zwingend geboten war. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur daraufhin, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. [X.] 22. Oktober 2015 - 2 [X.] 650/14 - Rn. 32 f.). Im Insolvenzfall kommt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] zum Tragen.

(bb) Dies gilt auch bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen. Im Hinblick auf eine etwaige Sozialauswahl verschlechtert § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] die Rechtsposition dieser sogar, denn die Schwerbehinderung ist - anders als bei § 1 Abs. 3 Satz 1 [X.] - nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] kein Kriterium bei der ohnehin eingeschränkten Nachprüfung der [X.] Auswahl (vgl. [X.] 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 790/12 - Rn. 22, [X.]E 147, 89). Hinsichtlich des besonderen Kündigungsschutzes beschränkte sich das [X.] in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden [X.]assung darauf, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen nach § 85 [X.] a[X.] von der vorherigen Zustimmung des [X.] abhängig zu machen. Dieses sollte jedoch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers unter den Voraussetzungen des § 89 Abs. 3 [X.] a[X.] seine Zustimmung erteilen. Hieran hat die Neufassung des [X.] nichts geändert (vgl. §§ 168, 172 Abs. 3 [X.]). Seit dem 1. Januar 2018 ist allerdings zudem die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu beteiligen, anderenfalls ist die Kündigung unwirksam (§ 178 Abs. 2 Satz 3 [X.]).

(b) Der Gesetzgeber hat damit sowohl den allgemeinen als auch den besonderen Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen differenziert ausgestaltet. § 81 Abs. 4 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 4 [X.] sind keine Bestandteile dieses Regelungssystems. Die Vorschriften beziehen sich auf die Durchführung, nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen. Dementsprechend knüpfen § 81 Abs. 4 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 4 [X.] jeweils an die konkrete Situation des schwerbehinderten Menschen in Bezug auf seinen Gesundheitszustand, seinen Bedarf an beruflicher Bildung sowie sein Arbeitsumfeld an. Der im [X.] kodifizierte [X.] des schwerbehinderten Menschen geht von der Durchführung, dh. dem [X.]ortbestand, des Arbeitsverhältnisses aus.

(5) Auch wenn § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] damit einer unternehmerischen Entscheidung, welche den [X.] durch eine Umverteilung der bisher von dem betroffenen schwerbehinderten Menschen ausgeübten Tätigkeiten entfallen lässt, nicht entgegenstehen, ist diese Entscheidung nicht gänzlich unangreifbar.

(a) In [X.]ällen, in denen die [X.] des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, muss der Arbeitgeber seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen ([X.] 22. Oktober 2015 - 2 [X.] 650/14 - Rn. 34 mwN; 24. Mai 2012 - 2 [X.] 124/11 - Rn. 23). Es sollen Kündigungen vermieden werden, die zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führen. Außerdem soll verhindert werden, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl [X.] und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen und lediglich die Arbeitsvertragsinhalte und die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen als zu belastend angesehen werden ([X.] 27. April 2017 - 2 [X.] 67/16 - Rn. 34, [X.]E 159, 82; vgl. auch [X.] 18. Juni 2015 - 2 [X.] 480/14 - Rn. 34, [X.]E 152, 47). Diese gesteigerte Darlegungslast des Arbeitgebers schützt auch schwerbehinderte Arbeitnehmer. Eine Verschlechterung ihrer Position im Kündigungsschutzprozess müssen sie ebenso wie nicht behinderte Arbeitnehmer allenfalls durch § 1 Abs. 5 [X.] bzw. § 125 Abs. 1 Satz 1 [X.] hinnehmen.

(b) Selbst wenn der Arbeitgeber die organisatorische Durchführbarkeit seiner [X.] dargelegt hat oder diese nach § 1 Abs. 5 [X.] bzw. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] vermutet wird, unterliegt seine unternehmerische Entscheidung noch einer Missbrauchskontrolle. Diese soll Verstöße gegen gesetzliche und tarifliche Normen genauso verhindern wie Diskriminierung und Umgehungsfälle (vgl. [X.] 27. Januar 2011 - 2 [X.] 9/10 - Rn. 18; 21. September 2006 - 2 [X.] 607/05 - Rn. 31). Inhaltlich kommt die Missbrauchskontrolle dann einer echten Rechtskontrolle gleich (vgl. hierzu APS/[X.] 5. Aufl. [X.] § 1 Rn. 458; [X.]/[X.] 19. Aufl. [X.] § 1 Rn. 240; [X.]/Deinert/Zwanziger/Deinert [X.] 10. Aufl. § 1 [X.] Rn. 270). Einer solchen Kontrolle hält die [X.] nicht stand, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer beweisen kann, dass sie getroffen wurde, um sich den Belastungen zu entziehen, welche aus den besonderen Rechten schwerbehinderter Menschen folgen. Dies wäre eine nach § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG verbotene Diskriminierung wegen der Behinderung.

(6) Ist eine solch gesetzwidrige Zielsetzung nicht feststellbar und hält die unternehmerische Entscheidung auch sonst einer gerichtlichen Kontrolle stand, so kann die betriebsbedingte Kündigung eines schwerbehinderten Menschen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen sozial gerechtfertigt sein, wenn für ihn im Kündigungszeitpunkt keine [X.] besteht (vgl. hierzu [X.] 27. Juli 2017 - 2 [X.] 476/16 - Rn. 26, 31 mwN). Bei der Prüfung der [X.] sind allerdings die in § 81 Abs. 4 Satz 1 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 [X.] vorgesehenen Ansprüche schwerbehinderter Menschen zu berücksichtigen (siehe oben Rn. 37 ff., vgl. auch [X.]Rachor 12. Aufl. § 1 [X.] Rn. 244). Dies hat zur [X.]olge, dass der Arbeitgeber, soweit zumutbar, einem spezifischen Umschulungs- und [X.]ortbildungsbedarf nachkommen muss und gegebenenfalls eine behinderungsgerechte Einrichtung des freien Arbeitsplatzes vorzunehmen hat.

(7) Im vorliegenden [X.]all ist die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] nicht widerlegt. Ausgehend vom Sachvortrag des [X.] sind keine Anzeichen dafür ersichtlich, dass die Schuldnerin im Rahmen der Eigenverwaltung den vom Kläger besetzten Arbeitsplatz hat entfallen lassen, um ihren besonderen Verpflichtungen gegenüber dem schwerbehinderten Kläger zu „entgehen“. Der Kläger hat auch keine [X.] auf einem freien Arbeitsplatz aufgezeigt, weder zu unveränderten noch zu veränderten Bedingungen. Er hat nur die Rückgängigmachung der [X.] oder die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes gefordert. Hierauf hat er - ohne dass es auf Zumutbarkeitserwägungen ankäme - aus den dargelegten Gründen keinen Anspruch.

(8) Die Schuldnerin erfüllte auch nach den auf der Grundlage des Interessenausgleichs mit Namensliste erfolgten Kündigungen noch die [X.] des § 71 Abs. 1 [X.] a[X.] bzw. § 154 Abs. 1 [X.]. Dessen ungeachtet hätte ein Unterschreiten dieser Quote die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Schuldnerin bezogen auf die Anzahl der zu besetzenden Arbeitsplätze nicht nach § 81 Abs. 3 [X.] a[X.] bzw. § 164 Abs. 3 [X.] eingeschränkt. Diese Vorschriften knüpfen zwar an die Beschäftigungspflicht nach § 71 Abs. 1 [X.] a[X.] bzw. § 154 Abs. 1 [X.] an und verpflichten den Arbeitgeber zur Schaffung der tatsächlichen Voraussetzungen dafür, dass im Rahmen der von ihm vorgegebenen Belegschaftsstärke wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann. Sie begründen jedoch nur eine Organisationspflicht des Arbeitgebers, ohne Individualansprüche des schwerbehinderten Menschen zu schaffen ([X.]KS-[X.]/[X.]/Rabe-Rosendahl 4. Aufl. § 164 Rn. 27 ff., 32; Kohte in KKW 6. Aufl. [X.] §§ 164, 165 Rn. 10). Eine Pflicht zur Schaffung oder Erhaltung nicht benötigter Arbeitsplätze besteht deshalb nach diesen Vorschriften nicht (vgl. [X.]/[X.] 19. Aufl. [X.] § 164 Rn. 8; [X.] [X.]/Zimmermann 4. Aufl. Bd. 2 § 198 Rn. 58; [X.] in [X.]/Voelzke jurisPK-[X.] Stand 4. [X.]ebruar 2019 § 164 Rn. 63 f.; [X.] in [X.]/von der [X.]/[X.] [X.] 4. Aufl. § 71 Rn. 6; für eine Verpflichtung, bei [X.] bereits beschäftigten schwerbehinderten Menschen Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung zu stellen: [X.] in LPK-[X.] 5. Aufl. § 164 Rn. 175).

3. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht wegen grober [X.]ehlerhaftigkeit der [X.] ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.](vgl. hierzu [X.] 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 790/12 - Rn. 21 ff., [X.]E 147, 89). Das [X.] hat die [X.] Rechtsfehler auf grobe [X.]ehler überprüft. Es hat dabei insbesondere eine fehlende Vergleichbarkeit des [X.] mit den Kollegen [X.] und M festgestellt. Gegenüber dem Mitarbeiter in der Waschkaue bestehe keine höhere [X.] Schutzbedürftigkeit des [X.]. Die Revision hat diese Beurteilung nicht angegriffen.

4. Die Kündigung ist auch weder gemäß § 17 [X.] iVm. § 134 BGB noch gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Entsprechende Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich und werden von der Revision nicht gerügt.

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Spelge    

        

    Heinkel     

        

    [X.]     

        

        

        

    Wollensak    

        

    Kreis     

                 

Meta

6 AZR 329/18

16.05.2019

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hagen (Westfalen), 25. Oktober 2016, Az: 4 Ca 881/16, Urteil

§ 164 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 9 2018, § 81 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 9, § 125 Abs 1 S 1 Nr 2 InsO, § 113 InsO, § 1 Abs 2 S 1 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2019, Az. 6 AZR 329/18 (REWIS RS 2019, 7213)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1200-1201 NJW 2019, 3538 REWIS RS 2019, 7213

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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