Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2000, Az. StB 15/99

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 3547

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[X.] (22)StB 15/99vom12. Januar 2000in dem [X.] Verdachts des versuchten Mordes u.a.; hier: Beschwerde des Beschuldigten S. aus- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 12. Januar 2000 gemäß § [X.]. 5 StPO beschlossen:Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den [X.]uß des Er-mittlungsrichters des [X.] vom 30. November1999 - 1 [X.] 266/99 - wird verworfen.Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zutragen.Gründe:Das [X.] hat am 26. August 1999 - III [X.]/99 - gegen den Beschwerdeführer Haftbefehl wegen versuchten Mordes [X.] mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 211, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 [X.], 22, 23, 25 Abs. 2, 52 StGB) erlassen und die Untersuchungshaft angeord-net. Ihm wird vorgeworfen, am 22. August 1999 gegen 4.00 Uhr in [X.]inder Nähe des [X.] gemeinschaftlich mit anderen durch eine Handlungversucht zu haben, aus dem niederen Beweggrund [X.] die vietna-mesischen Staatsangehörigen N. und T. zu töten, und [X.] vorsätzlich körperlich mißhandelt und an der Gesundheit beschädigt zu ha-ben, wobei die Körperverletzungen mittels gefährlicher Werkzeuge und mittelseiner das Leben gefährdenden Behandlung begangen worden sein [X.] 3 -Nach einer mündlichen Haftprüfung hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit [X.]uß vom 30. November 1999 - 1 [X.] 266/99 - ange-ordnet, daß der Haftbefehl des [X.] vom [X.] aufrechterhalten bleibt und weiterhin zu vollziehen ist. Gegen diese Ent-scheidung richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten, mit der er die Auf-hebung des Haftbefehls, zumindest die Aussetzung des Vollzugs erstrebt.Das nach § 304 Abs. 5 StPO zulässige Rechtsmittel ist unbegründet. [X.] hat der Ermittlungsrichter des [X.] den Haftbefehl des[X.] vom 26. August 1999 aufrechterhalten und [X.] weiteren Vollzug angeordnet.1. Die Strafgerichtsbarkeit des [X.] und damit die Zuständigkeit [X.] des [X.]gerichtshofes für die Haftprüfung ergibt sich aus§ 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a), § 142 a Abs. 1 [X.].Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) [X.] bestehen nicht (so auch die Mehr-heitsmeinung des Rechtsausschusses des Deutschen [X.]tags BT-Drucks.10/6635, S. 15; vgl. [X.] in [X.]. § 120 [X.] Rdn. 3; [X.] MDR1988, 89 ff. und 1993, 589 ff.; vgl. auch [X.] NStZ 1996, 263 ff.). [X.] Beschwerdeführer und seinen Mittätern zur Last liegende Verbrechen desversuchten Mordes ist eine in dieser Vorschrift genannte Katalogtat. Zwar [X.] versuchter Mord gewöhnlich der allgemeinen Kriminalität zuzuordnen, sodaß für dieses Delikt grundsätzlich die rechtsprechende Gewalt von den Ge-richten der [X.]länder (Art. 92 GG) ausgeübt wird. Da aber die Tat vom22. August 1999 "nach den Umständen bestimmt" und geeignet ist, die innereSicherheit der [X.]republik Deutschland zu beeinträchtigen, und der [X.] 4 -ralbundesanwalt den unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. hierzu [X.] NStZ1996, 263, 264 f. m.w.Nachw.) der besonderen Bedeutung des Falles in nochvertretbarer Weise bejaht hat, handelt es sich im Hinblick auf die [X.] durch Gleichgesinnte und die im In- und Ausland hervorgerufenebesondere Beachtung um eine Straftat aus dem Bereich des Staatsschutzes,für den nach Art. 96 Abs. 5 GG, § 120 Abs. 2 und 6 [X.], § 102 [X.] die Straf-gerichtsbarkeit des [X.] gegeben ist.Eine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit der [X.]republikDeutschland durch eine Straftat liegt nicht erst dann vor, wenn die Existenz desStaates, dessen Institutionen oder die freiheitlich - demokratische Grundord-nung insgesamt in Frage stehen. Sie ist vielmehr bereits dann gegeben, wenndie Tat - wie hier - Auswirkungen auf den inneren Frieden der [X.]republikDeutschland in einer Weise hat, die über die Verletzung der Rechtsgüter ein-zelner Personen und die dadurch hervorgerufene Gefährdung der [X.] erheblich hinausgehen (vgl. [X.] MDR 1993, 589, 593). Das [X.] zur Last liegende Verbrechen schließt sich an die mit men-schenverachtender Brutalität durchgeführten Gewalttaten an, die aus rechts-extremistischer Gesinnung seit 1990 immer wieder gegen ausländische Mitbür-ger begangen wurden. Die sich wiederholenden Straftaten mit schwerwiegen-den Folgen für die Opfer richten sich auch gegen die auf Toleranz gegenüberMenschen unterschiedlicher Rassen, Sprachen sowie religiöser und politischerAnschauungen aufbauende Wertentscheidung des Grundgesetzes, weil [X.] lediglich als Repräsentanten der den [X.] verhaßten Gruppe [X.] werden. Dadurch wird zum einen das friedliche Zusammenleben vonDeutschen und Ausländern empfindlich gestört; zum anderen wird durch sie inder Öffentlichkeit, insbesondere unter den in der [X.]republik Deutschland- 5 -lebenden Ausländern, ein allgemeines Klima der Angst und Einschüchterunghervorgerufen, in dem die innere Sicherheit beeinträchtigende Zweifel auf-kommen, ob die Sicherheitsorgane in ausreichendem Maße fähig und [X.] sind, die ausländischen Mitbürger zu schützen. Außerdem lösen [X.] Personen mit einer rechtsextremen Gesinnung, die den gewalttätigenKampf gegen Ausländer zur Erhaltung der nationalen Identität der Deutschenfür erforderlich halten, einen Nachahmungseffekt aus mit der Folge einer immerschwerer beherrschbaren Gefahr, zumal bestimmte Teile der Bevölkerung fürgegen Ausländer gerichtete Gewalttaten Verständnis zeigen und sich mit den[X.] solidarisieren.Die Tat war - als weitere Voraussetzung für die Zuständigkeit des [X.] und des Ermittlungsrichters des [X.] - nachden Umständen auch dazu bestimmt, die innere Sicherheit der [X.]republikDeutschland zu beeinträchtigen. Die Verbindung des Beschwerdeführers undseiner Mittäter zu den örtlichen rechtsextremistischen Gruppen und die [X.] vorgeworfenen Tat stellen ausreichende Anhalts-punkte dafür dar, daß den [X.] die auf der Hand liegenden Auswirkungender Straftat nicht nur bewußt waren, sondern von ihnen gewollt worden sind.2. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand ist der Beschwerdeführer dermittäterschaftlichen Beteiligung an dem rechtlich zutreffend als [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewerteten Angriff vom22. August 1999 auf die [X.] Staatsangehörigen dringend ver-dächtig. Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus den Einlas-sungen der Mitbeschuldigten L. und K. sowie den Tat-schilderungen des anderweitig verfolgten R. bei verschiedenen- 6 [X.], die durch die Aussagen der unbeteiligten [X.]. und M. in wesentlichen Punkten bestätigt werden. [X.] der Beschwerdeführer nicht nur - wie er einräumt - [X.] ge-schrien, sondern hat auch an der Verfolgung der [X.] Staatsange-hörigen teilgenommen, um die am Boden liegenden Opfer zusammen mit sei-nen Mittätern zur Verhinderung einer Flucht einen Kreis gebildet und den [X.] selbst mit seinen Schuhen Tritte versetzt.Das vom Senat im einzelnen geprüfte Beschwerdevorbringen ist bei demderzeitigen Stand der Ermittlungen nicht geeignet, die gegen den [X.] bestehenden dringenden Verdachtsgründe zu entkräften. Aus [X.] Ermittlungsrichter in dem angefochtenen [X.]uß dargestellten Gründenkann der Einlassung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden.Der Beschwerdeführer ist zur Zeit des versuchten Mordes dringend ver-dächtig, auch wenn er nur seine Mittäter durch seinen Anfeuerungsruf[X.] unterstützt, an dem um die Opfer gebildeten Kreis zur Verhin-derung einer Flucht mitgewirkt und mit Turnschuhen auf die Geschädigten ein-getreten hat. Ein Teil der Mittäter trug schweres Schuhwerk, was ihm [X.]. Obwohl er die aus [X.] mit großer Brutalität gegen Kopf,Bauch und Rücken der Opfer geführten Tritte, die zu gravierenden Verletzun-gen geführt haben, wahrnahm, hat er sich weiterhin an der Tat beteiligt undsich vom Verhalten seiner Mittäter nicht distanziert. Es besteht daher der drin-gende Verdacht, daß er mit den Schlägen und Tritten seiner Mittäter im [X.] von deren Lebensgefährlichkeit einverstanden war und den für [X.] gehaltenen Tod der [X.] Staatsbürger in Kauf genommen hat.Eine Tötung aus [X.] ist als niederer Beweggrund im Sinne des- 7 -§ 211 StGB zu werten. Der Beschwerdeführer muß sich im Rahmen des ge-meinsamen Tatentschlusses die Tatbeiträge seiner Mittäter zurechnen lassen(§ 25 Abs. 2 StGB). Ob ein ihm nicht zurechenbarer [X.] vorliegt, fürden derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, muß dem Ergebnisder Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vorbehalten [X.] Es bestehen die Haftgründe der Verdunkelungs- und Fluchtgefahr(§ 112 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO) sowie hilfsweise der Haftgrund des § 112Abs. 3 StPO. Der Beschwerdeführer muß mit einer erheblichen Freiheits- oderJugendstrafe rechnen, was für ihn einen beträchtlichen Fluchtanreiz darstellt.Trotz der inzwischen abgeschlossenen Ermittlungen besteht vor allem die Ge-fahr, daß er mit den anderen Tatbeteiligten verdunkelnde Absprachen trifft oderin unlauterer Weise auf andere Personen aus dem rechtsextremen Umfeld [X.] versucht, um diese zu einer für ihn günstigen Zeugenaussage zu [X.]. Durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Vollzug [X.] kann der Flucht- und Verdunkelungsgefahr nicht ausrei-chend entgegengewirkt werden (§ 116 StPO). Angesichts der Schwere der [X.] zur Last liegenden Straftaten ist der weitere Vollzug [X.] nicht unverhältnismäßig.[X.] Rissing-van Saan von [X.]: jaBGHR: jaBGHSt: nein- 8 -Veröffentlichung: ja_________________[X.] § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a)Zur Annahme eines Staatsschutzdelikts bei [X.] aus [X.] (hier: versuchter Mord zum Nachteil von [X.], [X.]. vom 12. Januar 2000 - 3 [X.] 47/99 - 4 (22) Ermittlungsrichter des StB 15/99 [X.]gerichtshofes

Meta

StB 15/99

12.01.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2000, Az. StB 15/99 (REWIS RS 2000, 3547)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3547

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