Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2000, Az. StB 16/99

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 3497

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[X.] (22)StB 16/99vom14. Januar 2000in dem [X.] Verdachts des versuchten Mordes u.a.;hier: Beschwerde des Beschuldigten E. - 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 14. Januar 2000 gemäß § [X.]. 5 StPO beschlossen:Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Er-mittlungsrichters des [X.] vom 1. Dezember 1999- 1 [X.] - wird verworfen.Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zutragen.Gründe:Das [X.] hat am 26. August 1999 - III [X.]/99 - gegen den Beschwerdeführer Haftbefehl wegen versuchten Mordes [X.] mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 211, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 [X.], 22, 23, 25 Abs. 2, 52 StGB) erlassen und die Untersuchungshaft angeord-net. Ihm wird vorgeworfen, am 22. August 1999 gegen 4.00 Uhr in [X.]. inder Nähe des [X.] gemeinschaftlich mit anderen durch eine Handlungversucht zu haben, aus dem niederen Beweggrund [X.] die vietna-mesischen Staatsangehörigen N. und [X.]zu töten, und [X.] vorsätzlich körperlich mißhandelt und an der Gesundheit beschädigt zu ha-ben, wobei die Körperverletzungen mittels gefährlicher Werkzeuge und mittelseiner das Leben gefährdenden Behandlung begangen worden sein [X.] 3 -Nach einer mündlichen Haftprüfung hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit Beschluß vom 1. Dezember 1999 - 1 [X.] - ange-ordnet, daß der Haftbefehl des [X.] vom [X.] aufrechterhalten bleibt und weiterhin zu vollziehen ist. Gegen diese Ent-scheidung richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten, mit der er die Auf-hebung des Haftbefehls, hilfsweise die Aussetzung des Vollzugs erstrebt.Das nach § 304 Abs. 5 StPO zulässige Rechtsmittel ist unbegründet. [X.] hat der Ermittlungsrichter des [X.] den Haftbefehl des[X.] vom 26. August 1999 aufrechterhalten und [X.] weiteren Vollzug angeordnet.1. Die Strafgerichtsbarkeit des [X.] und damit die Zuständigkeit [X.] des [X.]gerichtshofes für die Haftprüfung ergibt sich aus§ 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a), § 142 a Abs. 1 [X.].Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) [X.] bestehen nicht (so auch die Mehr-heitsmeinung des Rechtsausschusses des Deutschen [X.]tags, [X.]/6635, S. 15; vgl. [X.] in [X.]. § 120 [X.] Rdn. 3; [X.] MDR1988, 89 ff. und 1993, 589 ff.; vgl. auch [X.] NStZ 1996, 263 ff.). [X.] Beschwerdeführer und seinen Mittätern zur Last liegende Verbrechen desversuchten Mordes ist eine in dieser Vorschrift genannte Katalogtat. Zwar [X.] versuchter Mord gewöhnlich der allgemeinen Kriminalität zuzuordnen, sodaß für dieses Delikt grundsätzlich die rechtsprechende Gewalt von den Ge-richten der [X.]länder (Art. 92 GG) ausgeübt wird. Da aber die Tat vom22. August 1999 "nach den Umständen bestimmt" und geeignet ist, die innereSicherheit der [X.]republik Deutschland zu beeinträchtigen, und der [X.] 4 -ralbundesanwalt den unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. hierzu [X.] NStZ1996, 263, 264 f. m.w.Nachw.) der besonderen Bedeutung des Falles in nochvertretbarer Weise bejaht hat, handelt es sich im Hinblick auf die [X.] durch Gleichgesinnte und die im In- und Ausland hervorgerufenebesondere Beachtung um eine Straftat aus dem Bereich des Staatsschutzes,für den nach Art. 96 Abs. 5 GG, § 120 Abs. 2 und 6 [X.], § 102 [X.] die Straf-gerichtsbarkeit des [X.] gegeben ist. Diese schließt sich an die mit men-schenverachtender Brutalität durchgeführten Gewalttaten an, die aus rechtsex-tremistischer Gesinnung seit 1990 immer wieder gegen ausländische Mitbürgerbegangen wurden. Durch die sich wiederholenden Straftaten mit [X.] Folgen für die Opfer, die lediglich als Repräsentanten der von [X.] gehaßten Gruppe der Ausländer angegriffen werden, wird zum einendas friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern empfindlichgestört; zum anderen wird auch in der Öffentlichkeit, insbesondere unter den inder [X.]republik Deutschland lebenden Ausländern, ein allgemeines Klimader Angst und Einschüchterung hervorgerufen, in dem die innere [X.] Zweifel aufkommen, ob die Sicherheitsorgane in ausrei-chendem Maße fähig und entschlossen sind, die ausländischen Mitbürger zuschützen. Außerdem lösen sie bei Personen mit einer rechtsextremen Gesin-nung einen Nachahmungseffekt aus mit der Folge einer immer schwerer be-herrschbaren Gefahr. Die Verbindung des Beschwerdeführers und seiner [X.] zu den örtlichen rechtsextremistischen Gruppen und die [X.] ihnen vorgeworfenen Tat stellen ausreichende Anhaltspunkte dafür dar,daß den [X.] diese sich ihnen aufdrängenden Auswirkungen ihrer Straftatnicht nur bewußt waren, sondern von ihnen auch gewollt worden [X.] 5 -2. Der Beschwerdeführer ist bei dem derzeitigen Stand der Ermittlungender mittäterschaftlichen Beteiligung an dem rechtlich zutreffend als [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewerteten Angriff vom22. August 1999 auf die [X.] Staatsangehörigen dringend ver-dächtig. Er hat selbst eingeräumt, gegen eines der Tatopfer zwei Faustschlägegeführt zu haben. Im übrigen ergibt sich der dringende Tatverdacht insbeson-dere aus den Einlassungen der Mitbeschuldigten [X.]und K. sowie des anderweitig verfolgten S. , die durch die [X.] unbeteiligten Zeugin M. und des Geschädigten N. in wesentlichen Punkten bestätigt werden. Auch der anderweitig verfolgte [X.]hat den Beschwerdeführer in seinen ersten, tatnahen [X.] schwer belastet. Entgegen seiner Einlassung soll der [X.] von Beginn der Mißhandlungen an bis zu deren Ende selbst auf [X.] mit den Füßen eingetreten haben. Die entlastende Aussage [X.] Sch. steht in Widerspruch zu dem übrigen bisheri-gen Beweisergebnis, so daß der Verdacht besteht, der Beschwerdeführer und Sch. haben während der gemeinsamen Untersuchungshaft verein-bart, sich gegenseitig zu entlasten.Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand haben der Beschwerdeführer undseine Mittätern aus [X.] die [X.] Staatsangehörigenverfolgt, sie zu Fall gebracht, um die am Boden liegenden Opfer einen Kreiszur Verhinderung ihrer Flucht gebildet und wuchtig mit den Fäusten sowie mit- teilweise schweren, festen - Schuhen auf Kopf, Bauch und Rücken der [X.] eingetreten, was zu gravierenden Verletzungen geführt hat, unddabei Parolen wie [X.] und [X.] geschrien. Ein [X.] Mittäter trug schweres Schuhwerk, was dem Beschwerdeführer bekannt- 6 -war. Obwohl er die mit großer Brutalität gegen Kopf, Bauch und Rücken [X.] geführten Tritte wahrnahm, hat er sich weiterhin an der Tat beteiligt undsich vom Verhalten seiner Mittäter nicht distanziert. Es besteht daher der drin-gende Verdacht, daß er mit den gemeinsam ausgeführten Schlägen und Trittenim Bewußtsein von deren Lebensgefährlichkeit einverstanden war und den fürmöglich gehaltenen Tod der [X.] Staatsbürger in [X.]. Eine Tötung aus [X.] ist als niederer Beweggrund im Sinne des§ 211 StGB zu werten. Der Beschwerdeführer muß sich im Rahmen des ge-meinsamen Tatentschlusses auch die Tatbeiträge seiner Mittäter zurechnenlassen (§ 25 Abs. 2 StGB). Ob ein ihm nicht zurechenbarer [X.] vorliegt, für den derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte vorhandensind, muß dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vorbe-halten [X.] Es bestehen die Haftgründe der Verdunkelungs- und Fluchtgefahr(§ 112 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO) sowie der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO.Der Beschwerdeführer muß mit einer erheblichen Jugendstrafe rechnen, wasfür ihn einen beträchtlichen Fluchtanreiz darstellt. Trotz der inzwischen abge-schlossenen Ermittlungen besteht vor allem die große Gefahr, daß er mit denanderen Tatbeteiligten verdunkelnde Absprachen trifft oder in unlauterer Weiseauf andere Personen aus dem rechtsextremen Umfeld einzuwirken versucht,um diese zu einer für ihn günstigen Zeugenaussage zu veranlassen. [X.] nach der Tat hat der Beschwerdeführer verdunkelnde Absprachenmit Mitbeschuldigten getroffen. Insoweit wird auf den Beschluß des OLGRostock vom 17. September 1999 verwiesen.- 7 -Der Zweck der Untersuchungshaft kann durch vorläufige Erziehungsan-ordnungen, insbesondere durch eine einstweilige Unterbringung des [X.] in einem Heim nicht erreicht werden (§ 72 [X.]). Durch solcheMaßnahmen kann vor allem der erheblichen Verdunkelungsgefahr nicht aus-reichend entgegengewirkt werden, weil Einrichtungen der Sozialfürsorge die zubefürchtenden Kontaktaufnahmen mit anderen Tatbeteiligten oder Zeugennicht effektiv verhindern können. Da zur Verhinderung der Verdunkelungsge-fahr geeignete Auflagen nicht erkennbar sind, kann der Haftbefehl auch nichtaußer Vollzug gesetzt werden. Angesichts der Schwere der dem Beschwerde-führer zur Last liegenden Straftaten und den gegebenen Umständen ist auchunter Berücksichtigung der besonderen Belastungen für einen Jugendlichender weitere Vollzug des Haftbefehls nicht unverhältnismäßig.[X.] [X.]von [X.]

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StB 16/99

14.01.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2000, Az. StB 16/99 (REWIS RS 2000, 3497)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3497

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