Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.02.2016, Az. X ZR 5/14

10. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16245

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Gegenstand

Patentnichtigkeitssache: Veranlassung des Fachmanns zur Weiterentwicklung einer in einem Entwurf für einen technischen Standard beschriebenen Routine; mehrere nahliegende Lösungen des Problems - Anrufroutingverfahren


Leitsatz

Anrufroutingverfahren

1. Für eine Veranlassung des Fachmanns, eine in einem Entwurf für einen technischen Standard beschriebene Routine in bestimmter, dem Ziel des Verfahrens dienlicher Weise weiterzuentwickeln, kann es sprechen, wenn im Entwurf enthaltene Verfahrensschritte ohnehin darauf angelegt sind, vom Fachmann konkretisiert zu werden, oder die Routine aus fachmännischer Sicht (möglicherweise) noch lückenhaft und im weiteren Standardisierungsprozess mit ergänzenden Angaben auszufüllen ist.

2. Kommen für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere Alternativen in Betracht, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist insofern, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. September 2013 verkündete Urteil des 5. Senats ([X.]) des [X.] abgeändert.

Das [X.] Patent 1 931 094 wird mit Wirkung für die [X.] insgesamt für nichtig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 931 094 (Streitpatents), das am 30. August 2006 angemeldet wurde und eine Priorität vom 31. August 2005 in Anspruch nimmt. Es umfasst in der erteilten Fassung 15 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der [X.] wie folgt lautet:

"A Circuit Switched, [X.], domain call terminating method of call routing characterized in that the method is a method of avoiding repeated routing control in a [X.] domain call terminating flow, comprising:

receiving, by a GMSC, [X.] in a received call initiation message;

sending, by the GMSC, [X.]; and

executing, a subsequent call flow of the call in accordance with the received routing-controlled information, [X.]:

determining, [X.], [X.] in accordance with the routing-controlled information;

sending, [X.], a Continue message to the GMSC; and

sending, by the GMSC, to an [X.] an [X.] message carrying a suppress T-[X.]I parameter upon receipt of the Continue message to obtain an [X.] procedures."

2

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Hinsichtlich der Patentansprüche 14 und 15 hat die Klägerin ferner mangelnde Ausführbarkeit geltend gemacht.

3

Die Beklagte hat das Streitpatent in einer Fassung verteidigt, die Patentanspruch 12 nicht enthält.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 12 entfällt, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie den Antrag auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

6

I. [X.] betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Telefonanrufs unter Beteiligung des Mobilfunknetzes.

7

1. [X.] referiert ein Projekt des 3rd Generation Partnership Project ([X.]), einer Kooperation von [X.] für den Mobilfunk, das sich in dem Technical Report 23.806 V1.3.0 ([X.]) mit einer Echtzeit-[X.]rachanrufskontinuität ("[X.]" - VCC) für Mobilfunkgeräte befasst, die Anrufe nicht nur in dem leitungsvermittelten ("Circuit Switched" - [X.]) Mobilfunknetz ([X.]-Domäne), sondern auch z.B. mittels einer WLAN-Anbindung an das [X.] ([X.] Subsystem - IMS) nach dem VoIP-Standard vornehmen können. Das Standardisierungsprojekt behandelt hierbei verschiedene Szenarien, die unter anderem das Anrufen eines solchen Mobilfunkgeräts und das Annehmen solcher Anrufe betreffen, je nachdem, ob das Gerät gerade über das Mobilfunknetz ([X.]-Domäne) oder über das [X.] ([X.]) angebunden ist, wobei das Mobilfunkgerät jeweils unter derselben ([X.] in beiden Netzen erreichbar sein und anrufen können soll.

8

Für eines der Szenarien, bei dem ein sich in der [X.]-Domäne befindendes Mobilfunkgerät ("Other End") ein anderes, sich ebenfalls in einer [X.]-Domäne befindendes Mobilfunkgerät ("User Equipment" - UE) unter dessen [X.] anrufen möchte, die sowohl für die [X.]-Domäne als auch für [X.] als möglicher Verbindungsweg registriert ist, beschreibt [X.] in Figur [X.] folgenden Verfahrensablauf zur Herstellung des Anrufs, wenn dabei der Anruf an die [X.]-Domäne gerichtet ist:

Abbildung

9

Bei diesem Ablauf sendet die Vermittlungsstelle im [X.]-Mobilfunknetz ("Gateway Mobile Switch Center" - GMSC, im Folgenden auch nur: Vermittlungsstelle) am Ende von Schritt 2 eine als Initial Detection Point ([X.]) bezeichnete Nachricht an die im Streitpatent als Global System for Mobile Communications-Service Control Function ([X.]) und in [X.] als [X.] ([X.])/Network Domain Selection ([X.]) bezeichnete Steuerungseinrichtung. Hierbei handelt es sich um eine kombinierte Funktionseinheit, die gemäß [X.] den Netzwerkstrukturen der [X.]- und der [X.] hinzugefügt werden soll ([X.] Abschnitt 6.2 bis 6.2.2) und die sowohl die für einen Anruf vorzunehmende Netzwerkauswahl ([X.]) als auch die Einhaltung der Anforderungen an die Kontinuität eines Anrufs und die Erreichbarkeit bei einem Wechsel zwischen diesen beiden Netzwerken ([X.]) sicherstellen soll. Teile der Funktionalität der Steuerungseinrichtung [X.]/[X.] (im Folgenden auch nur: Steuerungseinrichtung) werden im Streitpatent auch als Domain Selection Function ([X.]) bezeichnet ([X.]. 2 Abs. 8).

In der am Ende des zweiten Schritts vorgesehenen [X.]-Nachricht von der Vermittlungsstelle an die Steuerungseinrichtung wird zur Bezeichnung des angerufenen Teilnehmers dessen im ersten Schritt mit der Initial Address Message ([X.]) übermittelte, weltweit eindeutige [X.] ([X.]) verwendet. Die darauf folgenden Schritte dienen unter anderem der Feststellung der Route, auf der der angerufene Teilnehmer erreicht werden kann, und der damit verbundenen [X.], die mit den in Schritten 8 und 9 übersandten [X.] und [X.]-Nachrichten von der Steuerungseinrichtung an die Vermittlungsstelle in Form einer [X.]-Domain Routing Number ([X.]RN) übertragen werden. Mit [X.] wird eine Sending-Routing-Information-([X.]-)Nachricht an das als Datenbank für den angerufenen Mobilfunkteilnehmeranschluss fungierende Home Location Register ([X.]) übermittelt, wobei hierfür dessen [X.] verwendet wird. In [X.] folgt sodann erneut eine [X.]-Nachricht von der Vermittlungsstelle an die Steuerungseinrichtung, die nach dem in der [X.] vorgesehenen Ablaufplan zum Szenario gemäß Figur [X.] mit einer CONTINUE-Nachricht beantwortet werden soll.

[X.] geht davon aus, dass bei der erneuten Sendung einer [X.]-Nachricht in [X.] die [X.] des angerufenen Mobilfunkgeräts und nicht die für ein Routing zu diesem Gerät erforderliche [X.]RN an die Steuerungseinrichtung übermittelt wird, bei der der Anruf verankert ist. Damit könne die Steuerungseinrichtung nicht feststellen, ob der Anruf bereits einer Routingsteuerung entsprechend den vorangegangenen Schritten 2 bis 9 unterzogen wurde, ob es sich mit anderen Worten bei der [X.]-Nachricht um eine solche gemäß Schritt 2 handelt. Dies könne zu einer wiederholten Routingsteuerung gemäß den Schritten 2 bis 8 anstelle einer CONTINUE-Nachricht gemäß Schritt 12 führen, so dass der Anruf in der [X.]-Domäne nicht normal vermittelt werden könne ([X.]. 8 Abs. 42 Z. 37 bis 51).

Demnach liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, wiederholte [X.] zu vermeiden, um so den Ablauf zur Herstellung eines Anrufs zu einem sowohl in der [X.]-Domäne als auch in der [X.] verwendbaren Mobilfunkgerät zu verbessern.

2. Zur Lösung schlägt das Streitpatent ein Verfahren zur Herstellung eines Anrufs mit folgenden Merkmalen vor [in eckigen Klammern die Merkmalsgliederung des angefochtenen Urteils]:

1. Das Verfahren dient dem [X.] mittels eines [X.]s in einer leitungsvermittelten [X.]-Domäne (circuit switched [[X.]] domain call terminating method of call routing) [1.1],

1.1 wobei eine wiederholte Routingsteuerung in einem [X.]-Domänen-[X.]fluss vermieden wird (a method of avoiding repeated routing control in a [X.] domain call terminating flow) [1.2].

2. Das Verfahren umfasst folgende Schritte [1.2]:

2.1 Eine Vermittlungsstelle GMSC empfängt in einer Anrufeinleitungsnachricht ("call initiation message") Informationen zur Routingsteuerung eines Anrufs (receiving, by a GMSC, [X.] in a received call initiation message) [1.3].

2.2 Die Vermittlungsstelle GMSC sendet eine die Routingsteuerung des Anrufs enthaltende Information an eine Steuerungseinrichtung [X.] (sending, by the GMSC, the routing-controlled information of the call to a [X.]) [1.4].

3. Der nachfolgende Anruffluss erfolgt gemäß der empfangenen [X.] (executing a subsequent call flow of the call in accordance with the received routing-controlled information) [1.5]:

3.1 Die Steuerungseinrichtung [X.] stellt anhand der empfangenen [X.] fest, dass der Anruf einer Routingsteuerung unterlag (determining, by the [X.], [X.] in accordance with the routing-controlled information) [1.5.1].

3.2 Die Steuerungseinrichtung [X.] sendet eine CONTINUE-Nachricht an die Vermittlungsstelle GMSC (sending, by the [X.], a Continue message to the GMSC) [1.5.2].

3.3 Die Vermittlungsstelle GMSC sendet eine [X.]-Nachricht an ein Lokalisierungsregister [X.] mit einem Terminating-CAMEL-Subscription-Information-(T-[X.]I-) Unterdrückungsparameter, um nach dem Empfang der CONTINUE-Nachricht eine Roaming-Nummer (Mobile Station Roaming Number - [X.]) aufgrund von Standard-[X.]verfahren zu erhalten (sending, by the GMSC, to an [X.] an [X.] message carrying a suppress T-[X.]I parameter upon receipt of the Continue message to obtain an [X.] through standard call terminating procedures) [1.5.3].

3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung:

a) Mit "[X.]" ist das Herstellen einer [X.]rachverbindung mit einem Mobilfunkgerät aufgrund eines an die zugehörige [X.] gerichteten Anrufs gemeint.

b) Das [X.] gemäß Merkmal 1 bestimmt, über welche Stationen im Kommunikationsnetz die Verbindung mit dem Mobilfunkgerät hergestellt wird.

c) Eine wiederholte Routingsteuerung wird gemäß Merkmal 1.1 dann vermieden, wenn Schritte zur Routingsteuerung bei der Herstellung eines Anrufs zu einem Mobilfunkgerät nicht unnötig mehrfach vorgenommen werden.

d) Informationen zur Routingsteuerung gemäß Merkmal 2.1 sind Informationen, die der Herstellung einer Verbindungsroute zum angerufenen Mobilgerät dienen und nicht dessen [X.] darstellen, sondern die mögliche Route weiter konkretisieren. Die Beschreibung des Streitpatents bringt zum Ausdruck, dass das Senden lediglich der [X.] in dem dem Merkmal 2.2 entsprechenden Verfahrensschritt gerade der Grund ist, warum eine wiederholte Routingsteuerung entstehen kann, und dass dies mit dem Senden einer von der [X.] abweichenden [X.] vermieden wird ([X.]. 8 Abs. 42 Z. 29 bis [X.]. 9 Abs. 43 Z. 5). Für die Schritte gemäß den Merkmalen 2.2 bis 3.1 reicht es hinsichtlich der die Routingsteuerung enthaltenden Information und der [X.] aus, eine Information beispielsweise in Form eines einzelnen Bits zu senden, dergemäß zuvor eine über die [X.] hinausgehende Routingsteuerung stattfand ([X.]. 10 Abs. 52 Z. 38 bis 41). Der die Routingsteuerung konkretisierende Inhalt muss in den gemäß den Merkmalen 2.2 bis 3.1 übersandten beziehungsweise ausgewerteten Informationen nicht enthalten sein.

e) Mit einer [X.]-Nachricht gemäß Merkmal 3.3 fragt die Vermittlungsstelle GMSC das Register [X.] nach weiteren [X.]. Um nicht (nur) die Nachricht zu erhalten, dass das angerufene Mobilgerät mit der gewählten Rufnummer sowohl in der [X.]-Domäne als auch in der [X.] erreichbar ist, wird ein T-[X.]I-Parameter im Schritt gemäß Merkmal 3.3 gesendet. Dies veranlasst das Register, eine Roaming-Nummer [X.] zu senden, anhand deren die Vermittlungsstelle und andere Funktionseinheiten des Mobilfunknetzes eine Verbindung zu dem angerufenen Mobilfunkgerät (UE) nach standardisierten Prozeduren herstellen.

II. Das Patentgericht hat den - für ursprungsoffenbart und ausführbar erachteten - Gegenstand des Streitpatents als patentfähig angesehen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das Szenario zu Figur [X.] der [X.] zeige ein [X.]verfahren mit den Merkmalen 1, 2, 2.1, 3.2 und 3.3. Selbst wenn Merkmal 1.1 bei der Prüfung der Patentfähigkeit nicht berücksichtigt würde, weil es kein unmittelbares Merkmal des geschützten Verfahrens, sondern nur ein zu erreichendes Ziel darstelle, zeige die [X.] nicht die Verfahrensschritte 2.2, 3 und 3.1 und sei daher nicht neuheitsschädlich. Ihr könne nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden, dass an die Steuerungseinrichtung eine die Routingsteuerung enthaltende Information gesendet werde, diese feststelle, dass der Anruf einer Routingsteuerung unterlegen habe, und der weitere Anrufabfluss gemäß dieser Information durchgeführt werde.

Das Senden einer CONTINUE-Nachricht gemäß Schritt 12 der Figur [X.] in [X.] gebe dem Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig zu erkennen, dass die Steuerungseinrichtung mit der [X.]-Nachricht im [X.] zuvor eine die Routingsteuerung enthaltende Information erhalte habe und diese auswerte, denn die [X.] spreche an keiner Stelle das Problem des wiederholten Routens an. Die Annahme der Klägerin, dass die Vermittlungsstelle GMSC zuvor in einer [X.]-Nachricht als "[X.]" die [X.]RN erhalten habe und deshalb diese Information in der sodann folgenden [X.]-Nachricht verwendet werde, überzeuge nicht, denn zuvor werde aus der [X.]RN wieder die [X.] ermittelt, weshalb der Fachmann diese Nummer als "[X.]" verwenden werde. Es sei daher keineswegs selbstverständlich, in der [X.] die [X.]NR in der [X.]-Nachricht zu verwenden, und Gleiches gelte für die Druckschrift [X.] [X.] - [X.], 9. bis 11. August 2005 ([X.]), die im Wesentlichen den gleichen Sachverhalt betreffe.

Der Gegenstand des Streitpatents beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend von der [X.], der unterschiedliche Ausführungsbeispiele für das Verankern eines Anrufs in der [X.]-Domäne zu entnehmen seien, stelle sich dem Fachmann nicht das Problem, ein [X.]-Domänenverbindungsabschlussverfahren zu entwickeln, bei dem eine wiederholte Routingsteuerung verhindert werde, denn die [X.] bringe dieses Problem an keiner Stelle zum Ausdruck. Der Fachmann habe deshalb keine Veranlassung gehabt, von dem im Stand der Technik bekannten Vorgehen für den Rufaufbau in einer [X.]-Domäne abzuweichen. Soweit andere Druckschriften des Projekts [X.] wie die technischen [X.]ezifikationen [X.] TS 23.078 V6.6.0 ([X.]) und [X.] TS 29.078 7.0.0 ([X.]) Ausführungen zur Erstellung einer [X.]-Nachricht enthielten, werde darin eine "[X.]" übertragen, bei der es sich um die [X.] des angerufenen Mobilgeräts handele. Der Fachmann werde deshalb für einen Ablauf gemäß Figur [X.] der [X.] ebenfalls auf die [X.] für eine [X.] gemäß [X.] dieses Szenarios zurückgreifen, da diese Nummer für den Schritt zuvor aus der [X.]-Nachricht und darin übermittelten [X.]RN ermittelt werde. Selbst wenn der Fachmann erkennen würde, dass es bei einer Verwendung der [X.] in diesem Schritt zu einem wiederholten Routing komme, könnte er der [X.] keinen Hinweis und keine Anregung dafür entnehmen, statt der [X.] die [X.]RN zu übersenden.

III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig. Es kann offen bleiben, ob das darin beschriebene Verfahren im Stand der Technik bereits neuheitsschädlich offenbart war. Jedenfalls beruht dieses Verfahren nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

a) Das Patentgericht hat den Fachmann rechtsfehlerfrei und unangefochten als einen Diplomingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Signalverarbeitung in Mobilfunksystemen und mehrjähriger Berufserfahrung in Bezug auf [X.]verfahren definiert.

b) Entsprechend den weiteren Ausführungen des Patentgerichts war diesem Fachmann ausgehend von der [X.] mit deren am 19. August 2005 veröffentlichte [X.] V1.3.0 insbesondere hinsichtlich des darin anhand Figur [X.] beschriebenen Szenarios ein Verfahren mit den Merkmalen 1, 2, 2.1, 3.2 und 3.3 in dem für ihn relevanten Stand der Technik offenbart. Die Beklagte tritt dem auch nicht entgegen.

c) Die [X.] erwähnt nicht ausdrücklich, ob und gegebenenfalls wie sich die [X.]-Nachricht gemäß [X.] der Figur [X.] von der in Schritt 2 beschriebenen [X.]-Nachricht unterscheidet und aufgrund welcher Programmvorgaben die Steuerungseinrichtung [X.] nach [X.] nicht die gleiche Antwort gibt wie nach der [X.]-Nachricht in Schritt 2, sondern in Schritt 12 eine CONTINUE-Nachricht sendet.

d) Sollte, wie das Patentgericht angenommen hat, der Fachmann dem Gesamtablauf nach der Figur [X.] nicht bereits entnommen haben, dass die [X.]-Nachricht gemäß [X.] sich von derjenigen in Schritt 2 inhaltlich unterscheiden muss, damit die Steuerungseinrichtung in Schritt 12 aufbauend auf einem dafür getroffenen Entscheidungsprozess eine andere Antwort (CONTINUE-Nachricht) gibt als in Schritt 3 ([X.]), und dass hierfür die mit der im Schritt 9 übersandte [X.]RN als Unterscheidungsmerkmal oder ein anderes klares Unterscheidungsmerkmal zu verwenden war, musste sich der Fachmann jedenfalls Gedanken darüber machen, wie er den mit der [X.] offenbarten Standardisierungsentwurf zweckmäßig umsetzen und gegebenenfalls weiterentwickeln konnte. Dies gab ihm jedenfalls Veranlassung, mit der [X.]-Nachricht nach [X.] nicht die [X.], sondern die [X.]RN zu übertragen.

aa) Zunächst ist zu berücksichtigen, welche Qualität der als [X.] veröffentlichte Entwurf besaß. Der Inhalt dieses Entwurfs war entsprechend seinem Vorwort ([X.] S. 7) Gegenstand weitergehender Arbeit und Überlegungen und noch nicht abschließend durch dafür vorgesehene Gremien bestätigt. Für den Fachmann bedeutete dies, dass der Entwurf noch Lücken enthalten konnte, die der Ausfüllung bedurften. Weiterhin sollte der entworfene Standard dem Fachmann nicht jeden Befehl für zu entwerfende Programme vorgeben, die in den jeweiligen Funktionseinheiten für ein dem Standard gemäßes Verfahren erforderlich sind. Die in [X.] entworfenen Szenarien waren mithin darauf angelegt, hinsichtlich ihrer technischen Umsetzung durch den Fachmann weiter konkretisiert zu werden.

bb) Im Hinblick auf diese Konstellation war vom Fachmann die Erkenntnis zu erwarten, dass sich in dem Szenario der [X.] zu Figur [X.] der Ablauf nach der [X.]-Nachricht in Schritt 2 von dem Ablauf nach der [X.]-Nachricht gemäß [X.] unterscheiden sollte. Nach Schritt 2 soll eine Anfrage der Steuerungseinrichtung bei dem Register [X.] erfolgen. Für [X.] gibt die [X.] hingegen an, dass mit dieser [X.]-Nachricht die Ausführung der zweckdienlichen logischen Schritte für den Anruf ([X.], [X.].3.2.2.3 Nr. 11: "for execution of appropriate service logic for the incoming session") und in Schritt 12 eine CONTINUE-Nachricht folgen soll. Dem Fachmann musste damit klar sein, dass die Steuerungseinrichtung eine Unterscheidung zwischen den beiden Schritten treffen muss und es hierfür einer Entscheidungsgrundlage bedarf. Der Fachmann hatte deshalb Veranlassung, Überlegungen anzustellen, wie eine solche Entscheidungsgrundlage für die Steuerungseinrichtung nach Empfang der [X.]-Nachrichten in den Schritten 2 und 11 jeweils hergestellt werden konnte.

Aus dem Szenario zu Figur [X.] wusste der Fachmann, dass sich die beiden von der Vermittlungsstelle an die Steuerungseinrichtung gesandten [X.]-Nachrichten in den Schritten 2 und 11 darin unterschieden, dass der Vermittlungsstelle bei Schritt 2 für das [X.] nur die Rufnummer des angerufenen Mobilfunkgeräts (die mit Schritt 1 per [X.]-Nachricht übermittelte [X.]) bekannt war und die darauf folgenden Schritte dazu führen sollten, aufgrund der mit Schritt 2 erfolgenden [X.]-Nachricht weitere Informationen zur Konkretisierung der Anrufroute zu erhalten. Diese weitere Routinginformation soll die Vermittlungsstelle GMSC mit der [X.]-Nachricht gemäß Schritt 9 in Form der [X.]RN erhalten.

Für die Vermittlungsstelle unterscheidet sich die Situation vor Schritt 2 einerseits und [X.] andererseits mithin dadurch, dass sie vor Schritt 2 in einer [X.]-Nachricht eine [X.] und vor [X.] in einer [X.]-Nachricht eine [X.]RN empfängt. Diese Information stellt für die Vermittlungsstelle GMSC das Kriterium dar, um zwischen Schritt 2 und [X.] unterscheiden zu können. Mit Blick auf die Notwendigkeit, es auch der Steuerungseinrichtung [X.] zu ermöglichen, die Situationen nach den Schritten 2 und 11 zu unterscheiden, bot es sich deshalb an, eben diesen Unterschied in der Datenlage auch der Steuerungseinrichtung zu übermitteln.

Hierfür sprach auch die Offenbarung in der Technischen [X.]ezifikation [X.] TS 29.078 7.0.0 ([X.]) zum [X.], die in [X.] unter A.1 beschreibt, wie die Daten für eine [X.]-Nachricht aus einer vorangegangenen [X.]-Nachricht zusammengestellt ("mapping") werden. Als erstes Datum wird dabei die Nummer des angerufenen Mobilgeräts aus der [X.]-Nachricht in die [X.]-Nachricht übertragen. Üblicherweise handelt es sich zwar wie in den Schritten 1 und 2 der Figur [X.] um die [X.] des angerufenen Mobilgeräts. Wenn jedoch mit der vorangegangenen [X.]-Nachricht eine [X.]RN als Rufnummer des angerufenen Mobilgeräts übermittelt wird, hat der Fachmann sich zumindest die Frage zu stellen, ob er für die folgende [X.]-Nachricht die [X.]RN oder eine aus dieser ermittelten [X.] überträgt. Im Hinblick auf die Veranlassung des Fachmanns, für die Steuerungseinrichtung [X.] ein Kriterium zur Unterscheidung der beiden [X.]-Nachrichten der Schritte 2 und 11 zu finden, war danach von ihm zu erwarten, für die [X.]-Nachricht nicht eine aus der [X.]RN ermittelte [X.], sondern die [X.]RN selbst als Rufnummer des angerufenen Mobilfunkgeräts zu verwenden.

cc) Dem steht nicht entgegen, dass die [X.] zu Figur [X.] unter Nr. 10 für die Vermittlungsstelle GMSC die Anweisung enthält, vor [X.] für die an das Register [X.] zu übermittelnde [X.]-Nachricht die [X.] aus der [X.]RN tatsächlich zu ermitteln. Die Klägerin hat dies unwidersprochen damit erklärt, dass das Register nur die [X.], nicht aber die [X.]RN verarbeiten kann.

dd) Weiterhin steht dem nicht entgegen, dass ein wiederholtes Durchlaufen der Routingsteuerung in den Schritten 2 bis 10 auch durch andere Maßnahmen hätte vermieden werden können. Der Patentfähigkeit ermangelt nicht nur die nächstliegende Lösung für ein technisches Problem, sondern jede für den Fachmann naheliegende Lösung. Kommen für den Fachmann mehrere Alternativen in Betracht, können folglich mehrere von ihnen naheliegend sein. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist insofern auch, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge (vgl. [X.], Urteil vom 6. März 2012 - [X.], juris Rn. 19).

Die Beklagte trägt vor, ein wiederholtes Durchlaufen der Schritte 2 bis 10 hätte ebenso vermieden werden können, indem die Steuerungseinrichtung [X.] bei Schritt 8 speichert, dass sie eine bestimmte [X.]RN für eine konkrete Kombination aus angerufener Rufnummer und anrufender Rufnummer für die in diesem Schritt folgende [X.]Nachricht vergeben hat, diese [X.]eicherung für einen eng begrenzten Zeitraum aufrecht erhält, sodann nach der [X.]-Nachricht in [X.] anhand der dabei übermittelten [X.] die bereits vollzogene Übermittlung einer [X.]RN erkennt und deshalb in Schritt 12 die Entscheidung für die Übersendung einer CONTINUE-Nachricht trifft.

Es kann offen bleiben, ob eine solche Lösung überhaupt nahegelegt war. Jedenfalls kam sie für den Fachmann nicht allein und nicht einmal bevorzugt in Betracht. Vielmehr weist diese Lösung Nachteile auf. Das [X.]eichern der Vergabe einer [X.]RN in Schritt 8 nebst Löschen dieser [X.]eicherung und Vergleich dieses Datums mit den in [X.] in der [X.]-Nachricht übersandten Daten, nur um festzustellen, dass die in [X.] übermittelte [X.]-Nachricht auf einer vorangegangenen Routingsteuerung beruht, stellt - wie von der Klägerin unwidersprochen dargelegt - einen erheblich größeren Datenverarbeitungsaufwand dar, als schlicht mit der [X.]-Nachricht die Information zu verbinden, dass bereits eine Routingsteuerung stattgefunden hat und deshalb von der Steuerungseinrichtung [X.] in Schritt 12 eine CONTINUE-Nachricht zu senden ist.

ee) Vom Fachmann war daher zu erwarten, mit der [X.]-Nachricht gemäß [X.] auch die Information zu übersenden, dass die Nachricht seitens der Vermittlungsstelle GMSC dem Empfang der [X.]RN folgt. Hierfür konnte die [X.]RN in der [X.]-Nachricht übertragen oder ein gesondertes Bit übersandt werden, das diese Informationsgrundlage im Sinne einer die Routingsteuerung enthaltenden Information anzeigt (Merkmal 2.2), damit die Steuerungseinrichtung feststellen kann, dass der Anruf einer Routingsteuerung unterlag (Merkmale 3 und 3.1), eine CONTINUE-Nachricht an die Vermittlungsstelle folgen kann (Merkmal 3.2) und nicht wiederholt die Schritte 2 bis 10 ausgeführt werden (Merkmal 1.1).

e) Mit einer Konkretisierung oder Weiterentwicklung des in [X.] zu Figur [X.] gezeigten Szenarios, bei der mit der [X.]-Nachricht gemäß [X.] die [X.]RN oder eine andere, die fortgeschrittene Routingsteuerung anzeigende Information übertragen und somit in der Datenverarbeitung der Steuerungseinrichtung [X.] auf dieser Informationsgrundlage die Entscheidung getroffen wird, in Schritt 12 eine CONTINUE-Nachricht zu senden, gelangte der Fachmann mithin in naheliegender Weise für das in Figur [X.] beschriebene und gegebenenfalls weitere, ähnliche Szenarien - wie beispielsweise das in den Figuren [X.]-3 und [X.]-4 der [X.] beschriebene - zu einem Verfahren mit allen Merkmalen des Gegenstands von Patentanspruch 1.

2. Für eine abweichende Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstands der Nebenansprüche 9, 14 und 15, mit denen jeweils Vorrichtungen beziehungsweise ein System von Vorrichtungen beansprucht werden, die in der Lage sind, ein Verfahren gemäß der Lehre von Patentanspruch 1 durchzuführen, sowie der den Patentansprüchen 1, 9, 14 und 15 untergeordneten Ansprüche des Streitpatents ist nichts geltend gemacht und für den Senat nichts ersichtlich.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.], § 91 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck                     Grabinski                        Hoffmann

                    Schuster                       Deichfuß

Meta

X ZR 5/14

16.02.2016

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 18. September 2013, Az: 5 Ni 72/11 (EP), Urteil

Art 56 EuPatÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.02.2016, Az. X ZR 5/14 (REWIS RS 2016, 16245)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16245


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 5/14

Bundesgerichtshof, X ZR 5/14, 16.02.2016.


Az. 5 Ni 72/11 (EP)

Bundespatentgericht, 5 Ni 72/11 (EP), 18.09.2013.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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