Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 13.03.2013, Az. VIII ZR 172/12

8. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7424

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Gegenstand

Oldtimerkauf: Positive Begutachtung als Beschaffenheitsvereinbarung


Leitsatz

Wird ein Kraftfahrzeug, das kurz zuvor eine sogenannte "Oldtimerzulassung" erhalten hat, mit der Klausel "positive Begutachtung nach § 21c StVZO (Oldtimer) im Original" verkauft, liegt darin eine Beschaffenheitsvereinbarung, dass sich das Fahrzeug in einem Zustand befindet, der die erteilte positive Begutachtung als Oldtimer (vgl. jetzt § 23 StVZO) rechtfertigt (Fortführung des Senatsurteils vom 24. Februar 1988, VIII ZR 145/87, BGHZ 103, 275, 280).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 28. Zivilsenats des [X.] vom 24. April 2012 in der Fassung des [X.] vom 12. Juni 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der [X.], einer Autohändlerin, Schadensersatz aufgrund des Ankaufs eines [X.]s D.               .

2

Die Beklagte hatte das erstmals im Jahr 1969 zugelassene Fahrzeug im [X.] von der [X.] erworben und dabei ein im Oktober 2001 ausgestelltes TÜV-Gutachten erhalten, das die Erteilung einer Plakette über die Hauptuntersuchung unter anderem wegen erheblicher Korrosionsschäden am Rahmen und tragenden Teilen abgelehnt hatte; diese Schäden hatte die [X.] nicht beseitigt.

3

Die Beklagte legte das Fahrzeug am 28. Oktober 2004 zunächst still. Am 12. Oktober 2005 ließ sie es zum Zweck der Begutachtung nach § 21c StVZO aF beim TÜV [X.] vorführen. Dieser beanstandete Korrosionsschäden an Rahmen und tragenden Teilen sowie unsachgemäß durchgeführte Schweißarbeiten und ordnete die Wiedervorführung des Fahrzeugs nach Behebung der festgestellten Mängel an. Am 14. Oktober 2005 stellte die Beklagte das Fahrzeug erneut vor und erhielt nunmehr eine die Hauptuntersuchung ersetzende positive Begutachtung nach § 21c Abs. 1 Satz 5 StVZO. Das an diesem Tag erteilte Gutachten enthält den Hinweis "Korrosionsspuren am Unterboden sichtbar; wurde mehrfach geschweißt".

4

Die Beklagte inserierte das Fahrzeug im [X.] unter anderem mit dem Hinweis, dass die Karosserie komplett überarbeitet und neu lackiert sei und das Fahrzeug über eine [X.]zulassung verfüge. Der Kläger ließ das Fahrzeug am 17. November 2005 von dem Sachverständigen M.    untersuchen, dem dabei auch das TÜV-Gutachten vom 14. Oktober 2005 zur Verfügung gestellt wurde. Der Sachverständige bewertete das Fahrzeug insgesamt mit der [X.] 3 ("Normale Spuren der Jahre. Kleinere Mängel, aber voll fahrbereit. Keine Durchrostungen. Keine sofortigen Arbeiten notwendig. Nicht schön, aber gebrauchsfertig.") und führte in seinem Gutachten aus:

"Anmerkungen zur Fahrzeugunterseite

Die Begutachtung konnte nur nach der äußeren Inaugenscheinnahme erfolgen. Daher verbleibt ein Risiko auf eventuell verdeckte Mängel, die erst nach einer entsprechenden umfangreichen Demontage diverser Bauteile, oder einer Prüfung der Hohlräume mittels Endoskop, erkennbar und genauer beurteilbar sind.

7.9.1. Fahrzeugboden/Rahmenbodenanlage

Der Fahrzeugboden ist weitestgehend ohne erkennbare, gravierende Rostschäden. Anrostungen an Blechfalzen sind stellenweise erkennbar. Im Bereich der tragenden Teile (Querträger vorn rechts ersetzt, Verstärkungsböden der vorderen Radhäuser, Schwellerspitzen vorn und hinten, Längsträger im Bereich der Längslenkeraufnahmen, sowie beide hintere Endspitzen) sind Schweißarbeiten ausgeführt worden. Qualitativ sind sie als Reparaturschweißungen anzusehen und erreichen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die Haltbarkeit von aufwändigem, vollständigem Ersatz korrodierter Rahmenteile…"

5

Am 6. Dezember 2005 kaufte der Kläger das Fahrzeug für 17.900 €. Die dem Kaufvertrag zugrunde liegende "Verbindliche Bestellung" enthält die handschriftlichen Zusätze "positive Begutachtung nach § 21c StVZO ([X.]) im Original" sowie "ohne Gewährleistung". Die Rubrik "Das Fahrzeug ist fahrbereit" ist mit "ja" angekreuzt. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 10. Dezember 2005 übergeben; zu diesem Zeitpunkt erhielt er auch die beiden negativen TÜV-Berichte aus den Jahren 2001 und 2005.

6

Im September 2007 wurde der Kläger anlässlich verschiedener durchzuführender Arbeiten auf erhebliche Durchrostungsschäden aufmerksam. Der von ihm daraufhin eingeschaltete Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass an dem Fahrzeug massive Korrosionsschäden nicht fachgemäß repariert und durch starken Auftrag von Unterbodenschutz kaschiert worden seien. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2007 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung vergeblich zur Beseitigung der festgestellten Mängel auf.

7

Der Kläger begehrt Zahlung der nach seiner Behauptung für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des [X.]s erforderlichen Kosten, insgesamt 34.344,75 € nebst Zinsen. Das [X.] hat der Klage in Höhe eines Betrages von 33.300 € stattgegeben und die weitergehende Klage sowie die auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat Erfolg.

9

Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die [X.] in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der [X.]n, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81 f.).

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 437 Nr. 3, § 281 BGB zu, weil die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung mit dem vom Kläger behaupteten Inhalt nicht getroffen hätten. Aus der Formulierung im schriftlichen Kaufvertrag "positive Begutachtung gemäß § 21c StVZO ([X.]) im Original" könne der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Bei verständiger Würdigung sei damit lediglich die Aushändigung des Dokuments vom 14. Oktober 2005 (Begutachtung nach § 21c StVZO) gemeint. Dieses Dokument habe der Kläger erhalten. Ein weitergehender Inhalt als die reine Beschaffung der Bescheinigung sei der Vereinbarung nicht beizumessen; dies folge aus der Formulierung "im Original". Zudem habe der Kläger nicht erwarten können, dass die [X.] für vom [X.] nicht entdeckte Rostschäden habe einstehen wollen. Dass es das Risiko verdeckter Mängel gegeben habe, sei dem Kläger aufgrund des von ihm vor dem Abschluss des Kaufvertrages eingeholten "[X.]" Gutachtens bewusst gewesen.

Dem Kläger stehe auch kein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu. Eine solche Haftung komme angesichts des Vorrangs der [X.] nur im Fall arglistigen Verhaltens in Betracht, das der [X.]n indes nicht zur Last falle.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein auf Erstattung von Reparaturkosten gerichteter Schadensersatzanspruch gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB nicht verneint werden.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erschöpft sich die Bedeutung der im schriftlichen Kaufvertrag enthaltenen Klausel "positive Begutachtung nach § 21c StVZO ([X.]) im Original" nicht in einer Verpflichtung zur Aushändigung einer entsprechenden Bescheinigung des [X.]. Vielmehr haben die Parteien damit eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin geschlossen, dass das Fahrzeug sich in einem Zustand befindet, der die wenige Wochen vor Abschluss des Kaufvertrages auf Veranlassung der [X.]n erfolgte positive Begutachtung als [X.] nach § 21c StVZO rechtfertigt.

Allerdings obliegt die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der Würdigung des Tatrichters, die vom Revisionsgericht nur eingeschränkt auf die Verletzung von gesetzlichen oder allgemein anerkannten Auslegungsregeln, Denkgesetzen und [X.] überprüft werden kann (st. Rspr.; vgl. nur [X.]urteil vom 7. November 2011 - [X.], NJW 2002, 506 unter [X.] mwN). Ein derartiger Rechtsfehler ist dem Berufungsgericht hier aber unterlaufen. Denn seine Annahme, mit der im Kaufvertrag über die positive [X.]-Begutachtung getroffenen Vereinbarung werde lediglich eine Verpflichtung zur Übergabe einer entsprechenden Bescheinigung begründet, aber keine Beschaffenheitsvereinbarung über einen die Erteilung der Bescheinigung rechtfertigenden Zustand des Fahrzeugs getroffen, ist mit dem Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung nicht zu vereinbaren.

Bei der Zulassung nach § 21c StVZO aF (so genannte "[X.]zulassung", vgl. jetzt § 23 StVZO) handelt es sich um eine besondere Zulassung für Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt sind und aufgrund ihres Pflege- und Erhaltungszustands als "kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut" angesehen werden können. Voraussetzung für eine derartige Zulassung ist das Gutachten eines amtlichen Prüfers, das einen entsprechenden Pflege- und Erhaltungszustand des Fahrzeugs feststellt. Unter anderem erfordert dies, dass die Hauptbaugruppen an den damaligen Originalzustand angelehnt oder zeitgenössisch ersetzt sind und das Fahrzeug mindestens die [X.] 3 der für [X.] verwendeten Bewertungsstufen erhält (vgl. im Einzelnen die "Richtlinie für die Begutachtung von [X.]-Fahrzeugen", [X.] 1997, [X.], inzwischen ersetzt durch die Richtlinie zu § 23 StVZO vom 6. April 2011, [X.] 2011, [X.]). Gleichzeitig ist im Rahmen der Begutachtung eine Hauptuntersuchung des Fahrzeugs nach § 29 StVZO durchzuführen (§ 21c Abs. 1 Satz 5 StVZO aF).

Die Interessen des Käufers, der ein Fahrzeug mit der Zusage einer "positiven Begutachtung nach § 21c StVZO" erwirbt, gehen - für den Verkäufer erkennbar - dahin, dass die entsprechende amtliche Bescheinigung auch zu Recht erteilt wurde, dass mithin der Zustand des Fahrzeugs hinsichtlich der Verkehrssicherheit und der weitgehend originalen Beschaffenheit die Erteilung der "[X.]zulassung" rechtfertigt. Jedenfalls dann, wenn der Verkäufer - wie hier die [X.] - kurze Zeit vor dem Weiterverkauf eine aktuelle Begutachtung des [X.]s veranlasst und diese zum Gegenstand des Kaufvertrags macht, kann der Käufer berechtigterweise davon ausgehen, dass er mit der versprochenen "[X.]zulassung" nicht nur die formelle amtliche Erlaubnis zur Nutzung des Fahrzeugs im Straßenverkehr erhält, sondern dass ihm ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt wird, das die soeben erteilte Zulassung als [X.] aufgrund seines Erhaltungs- und Pflegezustandes auch zu Recht erhalten hat. Entsprechend hat der Senat für die ähnliche Interessenlage bei dem Kauf eines Gebrauchtwagens unter der Abrede "[X.] neu" nicht nur das Versprechen des Verkäufers gesehen, eine Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO durchzuführen, sondern darüber hinaus eine Zusicherung nach § 459 Abs. 2 BGB aF angenommen, dass sich das Fahrzeug in dem nach § 29 StVZO geforderten Zustand befinde ([X.]urteil vom 24. Februar 1988 - [X.], [X.]Z 103, 275, 280 ff.).

Die Revision macht deshalb zu Recht geltend, dass der dem Kläger verkaufte [X.] nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt mit einem Sachmangel behaftet war. Denn nach dem vom Berufungsgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen U.    befand sich der Wagen bereits im Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger wegen massiver Durchrostungen an Radhäusern und Innenschwellern in einem restaurationsbedürftigen Zustand ("[X.] 5") und war deshalb nicht fahrbereit, so dass auch die kurz vor der Übergabe erfolgte [X.]-Prüfung nicht zu einem positiven Ergebnis hätte führen dürfen.

2. [X.] erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Ein etwaiger Gewährleistungsausschluss stünde einem Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der eine positive Begutachtung nach § 21c StVZO ausschließenden Durchrostungen an tragenden Teilen schon deswegen nicht entgegen, weil ein zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarter Gewährleistungsausschluss nach der Rechtsprechung des [X.] nicht für das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit gilt ([X.]urteil vom 29. November 2006 - [X.], [X.]Z 170, 86 Rn. 31).

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO), weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen hat.

[X.]                           Dr. Frellesen                                Dr. Milger

           Dr. Fetzer                               [X.]

Meta

VIII ZR 172/12

13.03.2013

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 24. April 2012, Az: I-28 U 197/09, Urteil

§ 21c StVZO vom 22.07.1997, § 23 StVZO vom 26.04.2012, § 280 BGB, § 281 BGB, § 434 Abs 1 S 1 BGB, § 437 Nr 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 13.03.2013, Az. VIII ZR 172/12 (REWIS RS 2013, 7424)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7424

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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