Bundessozialgericht, Urteil vom 26.04.2022, Az. B 1 KR 26/21 R

1. Senat | REWIS RS 2022, 2963

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - kein Anspruch bei Mitwirkung eines Nichtarztes als vermeintlicher Arzt - auch bei Ausstellung einer echten Approbationsurkunde - keine Erstreckung des Vergütungsausschlusses auf eigenständige und abgrenzbare Behandlungsabschnitte ohne Mitwirkung des Nichtarztes


Leitsatz

1. Ein Krankenhaus hat keinen Anspruch auf die Vergütung einer Krankenhausbehandlung, an der ein Nichtarzt als vermeintlicher Arzt mitgewirkt hat.

2. Der Vergütungsausschluss für die Leistung eines Nichtarztes gilt auch dann, wenn diesem zuvor eine echte Approbationsurkunde ausgestellt worden ist.

3. Der Vergütungsausschluss erstreckt sich nicht auf eigenständige und abgrenzbare Behandlungsabschnitte, an denen der Nichtarzt nicht mitgewirkt hat.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 31 595,44 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung gezahlter Vergütung für stationäre Krankenhausbehandlungen.

2

Das beklagte, zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassene Krankenhaus beschäftigte von 2009 bis 2015 [X.] zunächst als Assistenzarzt und später als Facharzt. [X.] hatte sich dort unter Vorlage einer [X.]surkunde als Arzt beworben, die ihm durch das [X.] erteilt worden war. Er hatte allerdings weder die ärztliche [X.]rüfung noch eine Facharztprüfung abgelegt. Bei den im [X.]sverfahren vorgelegten Unterlagen hatte es sich um Fälschungen gehandelt. Nach Bekanntwerden der Täuschung nahm das [X.] die [X.] des [X.] bestandskräftig zurück. Das Krankenhaus machte nach Anfechtung des Arbeitsvertrages gegenüber [X.] die für seine Beschäftigung verauslagten Kosten und Beiträge geltend. [X.] wurde ua wegen Körperverletzung in 336 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

3

Die klagende Krankenkasse ([X.]) verlangte vom Krankenhaus die vollständige Erstattung der Vergütung für 14 stationäre Behandlungen ihrer Versicherten, an denen [X.] mitgewirkt hatte. Das Krankenhaus hielt dem entgegen, es habe auf die Richtigkeit der behördlichen [X.]serteilung vertrauen dürfen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Eine rechtsgrundlose Leistung liege nicht vor, da der Vergütungsanspruch des Krankenhauses von dem Zusammenwirken einer Vielzahl von Beteiligten bestimmt werde (Urteil vom 6.2.2018). Auf die Berufung der [X.] hat das L[X.] das Urteil des [X.] geändert und das Krankenhaus zur Erstattung der von der [X.] zuletzt noch für zehn Behandlungsfälle ab 2012 begehrten 31 595,44 Euro verurteilt (Urteil vom 17.12.2020). Der [X.] stehe ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Das Krankenhaus habe seine [X.]flicht zur Behandlung der Versicherten dadurch verletzt, dass es die Behandlungen nicht von einem Arzt habe vornehmen lassen. Das Verschulden des [X.] sei dem Krankenhaus hierbei zuzurechnen. Der Schaden sei in Höhe der gesamten gezahlten Vergütung entstanden und nicht auf den Anteil des Operateurs begrenzt. Die Behandlungen seien für die [X.] insgesamt wertlos gewesen.

4

Das Krankenhaus rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 39 Abs 1, § 69 Abs 1 Satz 3 [X.]B V iVm §§ 280, 278 BGB, § 109 Abs 4 Satz 3 [X.]B V, § 2 Abs 2, § 7 [X.] und § 5 Abs 1 BÄO. Zu Unrecht habe das L[X.] seine Haftung unabhängig von Art, Schwere und Dauer der Gesamtbehandlung sowie den ordnungsgemäß erbrachten anderen ärztlichen Leistungen angenommen. Es habe der Rücknahme der [X.] zu Unrecht auch gegenüber dem gutgläubigen Krankenhaus Rückwirkung beigemessen.

5

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2020 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 6. Februar 2018 zurückzuweisen,

hilfsweise,

        

das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2020 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. [X.] habe durch die Behandlungen Straftaten begangen. Hierfür müsse die Versichertengemeinschaft keine Vergütung leisten.

8

Das [X.] stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des beklagten Krankenhauses ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der [X.] kann auf Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht abschließend entscheiden, ob der klagenden [X.] der im bestehenden [X.] zulässig mit der (echten) Leistungsklage (stRspr; vgl BSG vom 16.7.2020 - [X.] KR 15/19 R - [X.], 299 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.] mwN) geltend gemachte Erstattungsanspruch zusteht. Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs (dazu 1.) hat die [X.] einen Erstattungsanspruch dem Grunde nach (dazu 2.). Über den Umfang des Erstattungsanspruchs kann der [X.] nicht abschließend entscheiden, weil das [X.] - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - hierzu keine Feststellungen getroffen hat (dazu 3.).

1. Es besteht kein Schadensersatzanspruch der [X.] wegen einer eigenen schuldhaften [X.]flichtverletzung des Krankenhauses. Dieses durfte auf die Richtigkeit der behördlich erteilten [X.] vertrauen und war grundsätzlich nicht gehalten, die [X.] bei dessen Einstellung eigenständig zu überprüfen. Hinweise auf ein Überwachungsverschulden des Krankenhauses ergeben sich aus den Feststellungen des [X.] nicht.

Ob ein Schadensersatzanspruch wegen einer Zurechnung des Verschuldens des [X.] besteht, lässt der [X.] offen. Der hier auf die Rückzahlung der Vergütung gerichtete Schadensersatzanspruch würde nicht weitergehen als ein Erstattungsanspruch. Bei der Ermittlung des normativen Schadens wären dieselben Fragen zu beantworten wie hinsichtlich des Umfangs des Erstattungsanspruchs.

2. Die [X.] hat einen Erstattungsanspruch gegen das Krankenhaus auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung dem Grunde nach. Denn die [X.] hat die Vergütung ohne Rechtsgrund erbracht. Ein Rechtsgrund für die Vergütung (dazu a) fehlt hier, da nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und daher den [X.] bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des [X.] ein Nichtarzt stationäre Krankenhausleistungen, die dem [X.] unterliegen, erbracht hat (dazu b), für die kein Vergütungsanspruch besteht (dazu c).

a) Zahlungen ohne Rechtsgrund begründen einen Erstattungsanspruch des Zahlenden gegenüber dem Zahlungsempfänger, sei es nach allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, sei es nach § 69 Abs 1 Satz 3 [X.] iVm §§ 812 ff BGB (vgl BSG vom 16.7.2020 - [X.] KR 15/19 R - [X.], 299 = [X.]-2500 § 275 [X.], RdNr 10 mwN).

aa) Rechtsgrundlage des von dem beklagten Krankenhaus wegen der stationären Behandlung der Versicherten geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 [X.] iVm § 7 [X.] und § 17b [X.]. Das Gesetz regelt in diesen Vorschriften die Höhe der Vergütung der zugelassenen Krankenhäuser bei stationärer Behandlung gesetzlich [X.] und setzt das Bestehen des Vergütungsanspruchs als Gegenleistung für die Erfüllung der [X.]flicht, erforderliche Krankenhausbehandlung nach § 39 [X.] zu gewähren (§ 109 Abs 4 Satz 2 [X.]), dem Grunde nach als Selbstverständlichkeit voraus. Der Anspruch wird durch Vereinbarungen auf Bundes- und Landesebene konkretisiert. Die Zahlungsverpflichtung der [X.] entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs 1 Satz 2 [X.] erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl BSG vom 19.3.2020 - [X.] KR 20/19 R - [X.], 73 = [X.]-2500 § 12 [X.], RdNr 11 mwN).

Erforderlich ist die Krankenhausbehandlung grundsätzlich nur dann, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist. Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich generell daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des [X.]s (§ 2 Abs 1 Satz 3 [X.]) und des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen. Das [X.] stellt im Rahmen der Erforderlichkeit auch Anforderungen an die strukturellen und prozeduralen Voraussetzungen der Leistungserbringung (vgl BSG vom [X.] - [X.] KR 18/20 R - [X.]-2500 § 2 [X.] Rd[X.] mwN).

bb) Der Verstoß gegen das [X.] in Gestalt von Mindestanforderungen während einzelner Abschnitte einer Krankenhausbehandlung schließt grundsätzlich auch die Vergütung anderer, nicht eigenständig abgrenzbarer Behandlungsabschnitte (dazu 3.) aus, die für sich genommen dem [X.] entsprechen. Eine hiernach dem [X.] nicht entsprechende Krankenhausbehandlung ist insgesamt unwirtschaftlich und damit nicht zu vergüten (vgl BSG vom 19.4.2016 - [X.] KR 28/15 R - [X.]-2500 § 137 [X.] RdNr 13 ff, dort zu den Folgen der Nichtbeachtung der vom Gemeinsamen [X.] aufgestellten Mindestqualitätsanforderungen beim Bauchaortenaneurysma; vgl zum Vergütungsanspruch bei Nichterfüllung von Mindestanforderungen an die Struktur-, [X.]rozess- und Ergebnisqualität nach § 137 Abs 1 Satz 3 Nr 2 [X.] BSG vom [X.] - [X.] KR 18/20 R - [X.]-2500 § 2 [X.] RdNr 11 ff und zum [X.] Bockholdt in [X.]/[X.] [X.], § 109 RdNr 165 ff, Stand 2022; zu Leistungen außerhalb des Versorgungsvertrages BSG vom [X.] KR 20/14 R - [X.], 141 = [X.]-2500 § 108 [X.], RdNr 8 ff und zum Vergütungsanspruch bei Verstößen gegen Mindestmengenvorgaben des [X.] nach § 136b Abs 5 Satz 2 [X.]). Die Mitwirkung eines Nichtarztes bei operativen Eingriffen stellt außerhalb des ärztlich angeleiteten und überwachten Einsatzes von [X.]flege-, Funktions- und medizinisch-technischem [X.]ersonal sowie von zu ihrer ärztlichen und nicht-ärztlichen Ausbildung hinzugezogenen [X.]ersonen einen Verstoß gegen die für Krankenhausbehandlungen geltenden Mindestanforderungen dar. Denn der in § 15 Abs 1 Satz 1 [X.] geregelte [X.] ist wesentlicher Bestandteil des [X.]s und legt für alle Bereiche des [X.] die Mindestanforderungen für ärztliches Behandeln fest.

Nach § 15 Abs 1 Satz 1 [X.] ist die Erbringung ärztlicher Leistungen den Ärzten und Zahnärzten vorbehalten. "Arzt" im Sinne dieser Regelung ist nur der approbierte Heilbehandler. Bei diesen ist in [X.] Betrachtungsweise davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer langjährigen theoretischen und praktischen Ausbildung und der Ablegung staatlicher [X.]rüfungen den Anforderungen entsprechen, die für eine effektive, den [X.] der [X.] entsprechende Krankenbehandlung erforderlich sind (stRspr; vgl BSG vom 11.10.1994 - 1 RK 26/92 - juris RdNr 20; BSG vom 13.12.2016 - [X.] KR 4/16 R - juris RdNr 15 f; BSG vom 18.12.2018 - [X.] KR 34/17 R - [X.]-2500 § 28 [X.] RdNr 14; BSG vom 17.12.2020 - [X.] KR 19/20 R - [X.]-2500 § 15 [X.] RdNr 11 f).

Wer den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf nach § 2 Abs 1 [X.] der [X.]. Die für die [X.] erforderlichen Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Berufsrechts dienen dazu, alle [X.]atienten vor fachlich oder persönlich ungeeigneten Behandlern zu schützen und möglichen, sich daraus für die Gesundheit der [X.]atienten und die finanziellen Mittel der Kostenträger ergebenden Gefahren vorzubeugen. Die [X.] prüft dies nicht eigenständig, sondern knüpft an die [X.] als Ergebnis des [X.]rüfungsvorgangs der zuständigen Landesbehörden an. Die [X.]n sind weder befugt, diese Grundqualifikation erneut zu überprüfen noch die [X.] durch eine eigene berufsrechtliche Bewertung zu ersetzen (vgl BSG vom 13.12.2016 - [X.] KR 4/16 R - juris RdNr 15). Die [X.] ist notwendige Voraussetzung für die Ausübung des [X.]. Mit ihr werden ua die fachliche Befähigung zur Ausübung eines akademischen Heilberufs, die berufsrechtliche Würdigkeit und die gesundheitliche Eignung belegt. Sie spricht im Sinne einer widerlegbaren Vermutung dafür, dass der Betreffende über die durch das Bestehen der ärztlichen [X.]rüfung nachzuweisende medizinische Mindestqualifikation verfügt. Sie fingiert diese aber nicht. Fehlt es an der durch ein Studium der Medizin im Sinne des § 3 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] und durch die bestandene ärztliche [X.]rüfung nachgewiesenen medizinischen Grundqualifikation, verletzt dies den [X.]. Denn soweit es um die fachliche Befähigung geht, setzt § 15 Abs 1 Satz 1 [X.] ebenso wie die [X.] voraus, dass diese Befähigung tatsächlich erworben wurde und durch eine tatsächlich abgelegte und erfolgreich bestandene [X.]rüfung nachgewiesen ist (ähnlich [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]-Kommentar [X.], § 15 RdNr 14, Stand 4/2021; [X.] in juris[X.]K-[X.], 4. Aufl, Stand 15.6.2020, § 15 RdNr 19).

Der [X.] des § 15 Abs 1 Satz 1 [X.] soll Gefahren vorbeugen, die sich aus der mangelnden Befähigung eines [X.] für die Gesundheit der Versicherten und die finanziellen Mittel der [X.]n ergeben können. Insofern enthält § 15 Abs 1 [X.] eine spezifische Ausprägung des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebotes im Sinne der § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 [X.] ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]-Kommentar [X.], § 15 RdNr 11 f, Stand 4/2021). Die zwingende materielle Anforderung des Rechts der [X.], ein Studium der Medizin im Sinne des § 3 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] absolviert und die ärztliche [X.]rüfung bestanden zu haben, besteht unabhängig vom [X.]srecht und seinen Möglichkeiten, eine Statusentscheidung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ob und in welchem Umfang anderes zu gelten hat, wenn nicht über die Qualifikation getäuscht wurde, sondern aus anderen Gründen nachträglich Streit darüber entsteht, ob die Voraussetzungen für die Statusentscheidung überhaupt bestanden haben oder später weggefallen sind, kann der [X.] hier offenlassen (vgl zur vorläufigen Berufsausübung trotz [X.]srücknahme bei Gleichwertigkeits- und Facharztprüfung [X.] vom 8.10.2021 - 3 Bs 217/21).

Der in § 15 [X.] und damit in den Gemeinsamen Vorschriften des Dritten Kapitels des [X.] (Leistungen der Krankenversicherung) geregelte [X.] umfasst auch die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 [X.]). § 15 Abs 1 [X.] erfasst nach seinem Wortlaut die ärztliche und die zahnärztliche Behandlung, sodass der [X.] für jede ärztliche Behandlung gilt, sei sie ambulant oder stationär, akut oder rehabilitativ ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]-Kommentar [X.], § 15 RdNr 20, Stand 4/2021; [X.] in juris[X.]K-[X.], 4. Aufl, Stand 15.6.2020, § 15 [X.] RdNr 15; [X.] in [X.]/[X.] [X.], § 15 RdNr 8, Stand 2018; [X.] in [X.], Handbuch der Krankenversicherung, § 15 [X.] Rd[X.]a, Stand 2019).

b) Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] erfüllte [X.] nicht den [X.] des § 15 Abs 1 Satz 1 [X.]. Er hatte mangels Ablegung der ärztlichen [X.]rüfung zu keinem Zeitpunkt die Grundqualifikation als Arzt erlangt. Die Rücknahme der [X.]sentscheidung nach § 5 Abs 1 [X.] beseitigte rückwirkend die mit der [X.] verbundene berufsrechtliche Stellung und die Qualifikation als Arzt ([X.]; vgl dazu Schiwy, [X.] Arztrecht, 170. EL, Stand 2/2022, § 5 BOÄ, Ziff. 1; [X.]/[X.] in [X.], Medizinrecht, 4. Aufl 2020, [X.] RdNr 26; [X.] in [X.]/Schroeder-[X.]rintzen, Medizinrecht, 3. Aufl 2020, § 6 RdNr 13; [X.], Medizinrecht, 4. Aufl 2019, [X.]; [X.] in Laufs/[X.]/[X.], Arztrecht, 5. Aufl 2019, § 8 RdNr 29; [X.] in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl 2018, [X.] § 5 RdNr 1; [X.] in [X.], Ärztliches Berufsrecht, 2. Aufl 2018, Teil [X.] RdNr 1; aA lediglich Warntjen, [X.] 2018, 728, 729).

c) Sofern [X.] an den Behandlungen der Versicherten mitgewirkt hat, besteht insgesamt kein Vergütungsanspruch. Nach der Rechtsprechung des [X.]s setzt der Vergütungsanspruch voraus, dass Leistungen insgesamt unter Beachtung der einschlägigen Qualitätsvorgaben erbracht werden. Verstöße führen dazu, dass die Leistung insgesamt nicht zu vergüten ist.

Die Auswirkungen der Mitwirkung eines Nichtarztes auf die Krankenhausbehandlung lassen sich nicht quantifizieren. Denn bei der mit der Fallpauschalenvergütung abgegoltenen Krankenhausbehandlung handelt es sich um eine komplexe Gesamtleistung, bestehend insbesondere aus ärztlicher Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung (BSG vom [X.] - B 3 KR 15/06 R - [X.]-2500 § 39 [X.] RdNr 11). Ein einzelner Mangel einer Mindestqualitätsanforderung infiziert daher im Regelfall gleichsam die gesamte Behandlung. Unerheblich ist, ob am [X.] noch andere [X.]ersonen, insbesondere andere Ärzte mitgewirkt haben, welchen kalkulatorischen Anteil die ärztliche Leistung im Rahmen der durchschnittlichen Vergütung nach dem DRG-System hat, welcher Anteil sich im konkreten Fall aus der Abrechnung des vom Nichtarzt zu verantwortenden O[X.]S-Kodes ergibt oder ob die unter Verstoß gegen das [X.] erfolgte Leistung im Einzelfall erlösrelevant war.

Ist [X.] an einer Operation selbst beteiligt gewesen, ist es gleichwohl grundsätzlich ausgeschlossen, dass unter Nichtkodierung der [X.]rozedur eine andere, geringer vergütete Fallpauschale für die Dauer der stationären Behandlung berechnet wird (zu den Ausnahmen vgl 3.). Unerheblich ist auch, ob die von [X.] erbrachten Leistungen für sich genommen medizinisch mangelfrei waren. Denn erst die Anerkennung einer Forderung durch die Rechtsordnung, hier die Beachtung des [X.]s, verleiht dieser den wirtschaftlichen Wert (vgl [X.] vom [X.] - 2 BvR 2023/20 - Rd[X.], juris; [X.], [X.] 2021, 982).

Dem Krankenhaus steht für die erbrachten Leistungen, die unter Verstoß gegen das Leistungserbringerrecht der [X.] bewirkt wurden, auch kein Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu. Der Anwendung von bereicherungsrechtlichen Vorschriften stehen öffentlich-rechtliche Wertungszusammenhänge entgegen (stRspr; vgl BSG vom [X.] - B 3 KR 8/20 R - [X.]-2500 § 33 [X.] RdNr 20; BSG vom 20.4.2016 - B 3 KR 23/15 R - [X.]-2500 § 124 [X.] Rd[X.] mwN; BSG vom 17.11.2015 - [X.] KR 12/15 R - [X.], 69 = [X.]-2500 § 109 [X.], RdNr 23 mwN).

3. Der Vergütungsanspruch ist nur dann nicht insgesamt ausgeschlossen, wenn der Nichtarzt an einem eigenständigen und abgrenzbaren Behandlungsabschnitt nicht mitgewirkt hat. Denn der Ausschluss des Vergütungsanspruchs dient allein der Einhaltung des [X.]s und soll keine darüberhinausgehende Sanktion des Leistungserbringers bewirken. Der Ausschluss des Vergütungsanspruchs erstreckt sich daher nicht auf Leistungsteile der Krankenhausbehandlung, die vom Rechtsverstoß nicht erfasst sein können. Wurden eigenständige und abgrenzbare Krankenhausleistungen erbracht, die nicht in Beziehung zum Verstoß gegen das [X.] stehen, besteht hierfür ein Vergütungsanspruch.

a) Eine Krankenhausleistung ist in diesem Sinne eigenständig, wenn für sie unabhängig von der Behandlung, an der der Nichtarzt rechtswidrig mitgewirkt hat, eine eigenständige Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestand. Eine Krankenhausleistung ist in diesem Sinne abgrenzbar, wenn die ohne Rechtsverstoß erfolgte Behandlung ihrerseits abrechenbar ist und nicht Vor-, Mit- oder Folgebehandlung der unter Rechtsverstoß erfolgten Behandlung ist. Die unter dem Rechtsverstoß erfolgte Leistung und die mit ihr in unmittelbarem Zusammenhang stehende Behandlung muss vollständig hinweggedacht werden können, ohne dass die Notwendigkeit einer stationären Behandlung und ihre Abrechenbarkeit entfielen.

Beispiele dafür können sein: Leistungen bei einer interkurrenten Erkrankung oder bei einer bereits bei stationärer Aufnahme bestehenden anderen Erkrankung, die aus sich hieraus Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit begründet hat. Voraussetzung ist ferner, dass der Nichtarzt an der Behandlung dieser Erkrankungen nicht beteiligt war, insbesondere weil sie eine Verlegung in eine andere Abteilung mit sich brachten. Indiz hierfür kann die Notwendigkeit einer separaten Aufklärung und Einwilligung des Versicherten sein.

Maßstab für den Umfang des [X.] ist die stationäre Behandlung als solche. Der Vergütungsanspruch für die eigenständigen und abgrenzbaren Krankenhausleistungen ist gesondert zu ermitteln, als handelte es sich um eigenständige Behandlungsfälle. Im Falle der interkurrenten Erkrankung ist jedoch weiterhin von der Hauptdiagnose auszugehen, die Ursache der stationären Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit war.

b) Nach den Feststellungen des [X.] hat [X.] an allen streitigen Behandlungsfällen mitgewirkt. Da das [X.] - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen zu den Voraussetzungen von eigenständigen und abgrenzbaren Krankenhausleistungen getroffen hat, muss es im wiedereröffneten Berufungsverfahren daher nur noch feststellen, ob in den streitigen Behandlungsfällen solche eigenständigen und abgrenzbaren Behandlungen im Sinne der dargelegten Voraussetzungen durchgeführt wurden, an denen [X.] nicht mitgewirkt hat.

4. [X.] bleibt dem [X.] vorbehalten.

5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

                 Schlegel                 [X.]

Meta

B 1 KR 26/21 R

26.04.2022

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Aachen, 6. Februar 2018, Az: S 13 KR 114/17, Urteil

§ 2 Abs 1 S 3 SGB 5, § 12 Abs 1 SGB 5, § 15 Abs 1 S 1 SGB 5, § 39 Abs 1 SGB 5, § 109 Abs 4 S 2 SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 7 KHEntgG, § 17b KHG, § 2 Abs 1 BÄO, § 3 Abs 1 S 1 Nr 4 BÄO, § 5 Abs 1 BÄO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.04.2022, Az. B 1 KR 26/21 R (REWIS RS 2022, 2963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2963

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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