Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2019, Az. XII ZB 564/18

12. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 8842

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Gegenstand

Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Belegvorlage: Werterhöhende Berücksichtigung von Rechtsverfolgungskosten gegenüber einem nicht zur Herausgabe bereiten Dritten


Leitsatz

Ist ein Beteiligter zur Belegvorlage verpflichtet worden und umfasst diese Verpflichtung die Beschaffung von Unterlagen aus dem Besitz eines nicht zur Herausgabe bereiten Dritten, ist im Rahmen der Beschwer der Kostenaufwand für eine entsprechende Rechtsverfolgung zu berücksichtigen (Fortführung von Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 465/11, FamRZ 2012, 24).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des 27. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 8. November 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das [X.] zurückverwiesen.

Wert: bis 1.000 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten - auf beiden Seiten als Rechtsnachfolger verstorbener Ehegatten - um einen Stufenantrag zum Zugewinnausgleich. Das Amtsgericht hat die Antragsgegner in der ersten Stufe durch Teilbeschluss dazu verpflichtet,

... dem Antragsteller folgende Unterlagen in Ablichtung zu übersenden:

Wohnungs- und [X.] für die [X.] [X.], die zum Stichtag am 28. Januar 2014 gültig waren, sowie die nach Abschluss der Mietverträge erfolgten letzten Mieterhöhungsverlangen und Zustimmungsverlangen der Mieter,

Vereinbarung, aufgrund derer die bei dem Amtsgericht [X.] im Grundbuch [...] eingetragene Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung für die O.-Unterstützungseinrichtung in [X.] gelöscht wurde,

Bewilligung über die Löschung der vorbezeichneten Auflassungsvormerkung,

Vereinbarung, aufgrund derer in den Jahren 2010 bis 2014 an Herrn M. Zahlungen in Höhe von insgesamt 66.724,25 Euro vorgenommen wurden.

2

Hiergegen haben sich die Antragsgegner mit ihrer Beschwerde gewendet. Sie haben geltend gemacht, dass sich die Wohnungs- und [X.], die mehrere - zum Vermögen des verstorbenen Ehemanns gehörende und zwischenzeitlich veräußerte - Mietshäuser betreffen, im Besitz der neuen Eigentümer der Immobilien befänden, welche diese Unterlagen nicht ohne gerichtliche Hilfe herausgeben würden. Die sonstigen in der [X.] genannten Unterlagen existierten nicht. Das [X.] hat die Beschwerde wegen Nichterreichens des [X.] verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner.

II.

3

Die gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig und in der Sache begründet.

4

Die Entscheidung des [X.], die Beschwerde der Antragsgegner im Hinblick auf die Wertgrenze des § 61 Abs. 1 FamFG zu verwerfen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand und verletzt die Antragsgegner in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren.

5

1. Der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung richtet sich grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist hierbei grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2018 - [X.] 637/17 - FamRZ 2018, 1762 Rn. 8 und vom 8. März 2017 - [X.] 471/16 - FamRZ 2017, 982 Rn. 5 mwN). Hat die vom Rechtsmittelführer angegriffene Auskunftsverpflichtung keinen vollstreckbaren Inhalt oder ist sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet, wird die Beschwer insoweit durch die mit der Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten bestimmt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. September 2018 - [X.] 588/17 - FamRZ 2018, 1934 Rn. 18 und vom 11. Mai 2016 - [X.] 12/16 - FamRZ 2016, 1448 Rn. 16 mwN). Das vom Beschwerdegericht bei der Bemessung des Werts der Beschwer ausgeübte tatrichterliche Ermessen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2018 - [X.] 82/18 - FamRZ 2018, 1529 Rn. 8 und vom 8. März 2017 - [X.] 471/16 - FamRZ 2017, 982 Rn. 6 mwN).

6

2. Gemessen daran ist die angefochtene Entscheidung von Ermessensfehlern beeinflusst.

7

a) Soweit die Antragsgegner geltend machen, dass ein Teil der in dem familiengerichtlichen Teilbeschluss genannten Unterlagen (Vereinbarung zur Löschung der Vormerkung, Bewilligung über die Löschung, Vereinbarung über Zahlungen an Herrn M.) nicht existierten, ist für die Wertbemessung darauf abzustellen, welche Kosten den [X.] entstünden, um sich gegen die Vollstreckung der Pflicht zur Vorlage dieser Unterlagen zur Wehr zu setzen. Im Verfahren der Zwangsvollstreckung können bis zu 0,6 Rechtsanwaltsgebühren (vgl. § 18 Nr. 13 RVG iVm [X.] RVG 3309, 3310) zuzüglich Auslagen ([X.] RVG 7000 ff.) und Mehrwertsteuer anfallen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 11. Mai 2016 - [X.] 12/16 - FamRZ 2016, 1448 Rn. 19 und Senatsurteil vom 10. Dezember 2008 - [X.] - [X.], 495 Rn. 16). Dies hat im Ausgangspunkt auch das Beschwerdegericht erkannt. Für die Wertbemessung in einem Zwangsvollstreckungsverfahren wäre aber - anders als das Beschwerdegericht offensichtlich meint - nicht das [X.], sondern das Angriffsinteresse des Vollstreckungsgläubigers an der Vorlage der Belege maßgeblich. Da mangels greifbarer Anhaltspunkte für die Bewertung des antragstellerseitigen Interesses an der [X.] einiges dafür sprechen würde, zur Wertbestimmung auf den [X.] des § 42 Abs. 3 FamGKG in Höhe von 5.000 € zurückzugreifen, errechnen sich für die Verteidigung im Zwangsvollstreckungsverfahren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 240,14 €. Dieser Betrag übersteigt die vom Beschwerdegericht zugestandenen 147,56 €.

8

b) Rechtsbedenkenfrei sind demgegenüber die Erwägungen des [X.] zur Bemessung des Aufwands für das Zusammenstellen der [X.] und die Anfertigung der geforderten Fotokopien. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht den erforderlichen Zeitaufwand mit 20 Stunden geschätzt und diesen Zeitaufwand im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats entsprechend § 20 [X.] mit einem Stundensatz von 3,50 € bewertet hat. Auch die Rechtsbeschwerde erinnert nichts dagegen, für den erforderlichen Arbeitsaufwand keinen höheren Betrag als 70 € anzusetzen. Es ist ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Beschwerdegericht die erforderlichen Kopierkosten nicht mit pauschalen Erstattungssätzen (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.]), sondern mit den tatsächlich zu erwartenden Aufwendungen bewertet und deshalb für die Anfertigung von 400 Ablichtungen keinen höheren Betrag als 50 € angesetzt hat.

9

c) [X.] rechtlichen Bedenken begegnet die Entscheidung des [X.] allerdings, soweit es eine Berücksichtigung von Rechtsverfolgungskosten im Zusammenhang mit dem Verlangen nach Einsicht in die [X.] ohne weiteres abgelehnt hat.

aa) Noch zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Antragsgegner nach den insoweit eindeutigen Ausführungen in den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung dazu verpflichtet sind, die Herausgabe der genannten [X.] zum Zwecke der Anfertigung von Fotokopien erforderlichenfalls auch mit gerichtlicher Hilfe gegenüber den neuen Eigentümern der Mietshäuser durchzusetzen.

bb) Eine werterhöhende Berücksichtigung von Rechtsverfolgungskosten kann unter diesen Umständen nicht im Hinblick auf prozessuale Kostenerstattungsansprüche unterbleiben, die den [X.] im Falle einer erfolgreichen gerichtlichen Durchsetzung ihres [X.] gegenüber den neuen Hauseigentümern zustehen würden. Denn unabhängig davon, dass die Antragsgegner wegen der Gerichtskosten und der Kosten für den eigenen Rechtsanwalt auf jeden Fall in Vorleistung treten müssten, begründet schon die Unsicherheit der Realisierung eines etwaigen Kostenerstattungsanspruches eine Beschwer in Höhe der voraussichtlichen Rechtsverfolgungskosten (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - [X.] 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 20).

cc) Eine abweichende Beurteilung ergäbe sich auch dann nicht, wenn ein Anspruch auf Herausgabe der [X.] zum Zwecke der Einsichtnahme nicht bestünde und die Rechtsverfolgung der Antragsgegner aus diesem Grunde keine Aussicht auf Erfolg hätte. Es könnte den [X.] auch in diesem Fall nicht versagt werden, sich auf die Kosten der Rechtsverfolgung für ihre Beschwer zu berufen. Andernfalls würde man ihnen den Versuch absprechen, die nach § 120 Abs. 1 FamFG iVm § 888 ZPO durch Festsetzung eines Zwangsgeldes bzw. von Zwangshaft erfolgende Zwangsvollstreckung bezüglich der Vorlage der [X.] abzuwenden. Zwar kann der Schuldner auch im Vollstreckungsverfahren Unmöglichkeit einwenden. Er muss indessen zunächst alles Zumutbare unternommen haben, um die geschuldete Handlung vorzunehmen; erst wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung feststeht, darf eine Zwangsmaßnahme nicht mehr verhängt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - [X.] 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 21).

dd) Es ist evident, dass bei zusätzlicher Berücksichtigung dieser Rechtsverfolgungskosten der [X.] des § 61 Abs. 1 FamFG erreicht würde. Soweit das Beschwerdegericht offensichtlich in Zweifel zieht, dass ein gerichtliches Vorgehen zur Erlangung einer Einsichtnahme in die [X.] überhaupt erforderlich ist, musste es den [X.] jedenfalls Gelegenheit dazu geben, ihr diesbezügliches Vorbringen entsprechend § 511 Abs. 3 ZPO gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 294 ZPO glaubhaft zu machen.

Dose     

        

Schilling     

        

Günter

        

Botur      

        

Guhling      

        

Meta

XII ZB 564/18

27.03.2019

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 8. November 2018, Az: 27 UF 180/18

§ 61 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2019, Az. XII ZB 564/18 (REWIS RS 2019, 8842)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 824-825 NJW 2019, 1752 REWIS RS 2019, 8842


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 564/18

Bundesgerichtshof, XII ZB 564/18, 27.03.2019.


Az. 27 UF 180/18

Oberlandesgericht Köln, 27 UF 180/18, 08.11.2018.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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