Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.04.2010, Az. VIII ZR 97/09

8. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7443

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Gegenstand

Wasserversorgungsvertrag: Zur Pflicht des Wasserversorgungsunternehmens zu einer erneuten Ermessensentscheidung bezüglich des Austauschs des Wasserzählers entsprechend dem aktuellen Stand der Technik


Leitsatz

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wasserversorgungsunternehmen im Rahmen seines die Messeinrichtungen betreffenden Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 AVBWasserV gehalten ist, eine neue Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen, ob ein Austausch des eingebauten Wasserzählers unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der Technik im Interesse des Kunden vorzunehmen ist .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 26. März 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der [X.] zum Austausch eines Wasserzählers.

2

Die Beklagte versorgt die [X.]/[X.] 66 in [X.] seit Jahren mit Wasser und entsorgt das Abwasser. Bei der Wohnungseigentumsanlage handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus mit 21 Wohnungen. Die Beklagte hat als Entnahmearmatur einen Wasserzähler der Größe [X.] (mit einem Nenndurchfluss von 6 m³/h) eingebaut. Mit Schreiben vom 4. Januar 2007 bat die Klägerin über ihren Verwalter um den Einbau eines Wasserzählers [X.] (mit einem Nenndurchfluss von 2,5 m³/h). Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Januar 2007 mit der Begründung ab, dass es dadurch zu Beeinträchtigungen der Versorgung nach Menge und Druck kommen könne. Nach dem Preisblatt der [X.], welches ab dem 1. Januar 2007 gültig ist, beträgt der Grundpreis für die Bereitstellung des Wassers bei Wasserzählern mit einer Nennleistung von 2,5 m³/h ab 401 m³ pro Jahr 29,50 € netto pro Monat, bei Wasserzählern mit einer Nennleistung bis [X.] ab 501 m³ pro Jahr 68 € netto pro Monat. Im erstgenannten Fall beträgt der Servicepreis für Schmutzwasser 15 € pro m³, im letztgenannten Fall 36 € pro m³.

3

Die Klägerin meint, vor dem Hintergrund der mehr als 130 % höheren Kosten bei Verwendung eines Zählers [X.] hätte die Beklagte bei Ausübung ihres Ermessens nach § 18 Abs. 2 Satz 2 AVBWasserV einen Wasserzähler der Größe [X.] einbauen müssen. Nach dem Arbeitsblatt [X.] des [X.] ([X.]) werde bei Wohngebäuden mit bis zu 30 Wohnungseinheiten ein Wasserzähler mit einem Nenndurchfluss von 2,5 m³/h empfohlen. Vor dem Hintergrund des rechnerischen Durchschnittsverbrauchs der Eigentumsanlage von 0,19 m³/h sei mit einer Beeinträchtigung der Versorgung auch bei Einbau des kleineren Wasserzählers nicht zu rechnen.

4

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den auf dem Grundstück [X.]/[X.] 66 in [X.] als Messeinrichtung zur Erfassung des Wasserverbrauchs eingebauten Wasserzähler [X.] zu ersetzen durch einen Wasserzähler [X.]. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat [X.]rfolg.

I.

6

[X.] hat zur Begründung seiner [X.]ntscheidung ausgeführt:

7

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf [X.]rsetzung des eingebauten Wasserzählers [X.] durch einen Wasserzähler [X.] 2,5 zu. Die Beklagte habe das ihr nach § 18 Abs. 2 [X.] zustehende Leistungsbestimmungsrecht nach billigem [X.]rmessen fehlerfrei ausgeübt. Der [X.]inbau des ausgewählten Wasserzählers [X.] sei vertretbar und halte sich daher im Rahmen des dem Wasserversorgungsunternehmen obliegenden [X.]rmessens.

8

Die Beklagte halte sich mit der von ihr vorgenommenen Zählerauswahl im Rahmen der [X.]-Normen, nämlich der [X.] 1988 Teil 3 Ziffer 13. Diese [X.], die als allgemein anerkannte Regel der Technik für den Bereich der Trinkwasserinstallation Normen enthalte, die im [X.]invernehmen mit dem [X.] aufgestellt und als technische Regel des [X.] in dessen Regelwerk Wasser einbezogen worden seien, befasse sich nicht nur mit der [X.]rmittlung und Auswahl der Rohrdurchmesser, sondern, wie Ziffer 13 zeige, auch mit der Auswahl der Wasserzähler. Soweit der Sachverständige die [X.] Norm [X.] [X.]N 806 Teil 3 (im Folgenden kurz: [X.] [X.]) heranziehe, möge sich in dieser Norm zwar der neueste Stand der [X.]rkenntnisse widerspiegeln. [X.]s herrsche jedoch für den Versorger hinsichtlich der Anwendung der Vorschriften keine Klarheit. Die Beklagte habe sich daher ermessensfehlerfrei unter Anwendung der [X.] 1988 Teil 3 auf die sichere Seite begeben. Ferner spreche gegen einen [X.]rmessensfehlgebrauch, dass das Leistungsbestimmungsrecht den [X.]rfordernissen eines Massenverkehrsgeschäfts entsprechen müsse. Von dem Wasserversorgungsunternehmen könne deshalb nicht verlangt werden, eine [X.]inzelfallprüfung vorzunehmen, inwieweit bei Verwendung eines Zählers [X.] 2,5 eine jederzeit ausreichende Wasserversorgung gewährleistet sei. Deshalb könne die Klägerin auch nicht darauf verwiesen werden, probeweise den [X.]inbau eines Zählers [X.] 2,5 vorzunehmen, um zu testen, ob ein derartiger Zähler tatsächlich den Gegebenheiten entspreche. [X.]s müsse vielmehr ausreichen, wenn sich das Wasserversorgungsunternehmen bei seiner [X.]ntscheidung über die Dimensionierung des Wasserzählers an die auf [X.]rfahrungswerten beruhenden technischen Regeln einer [X.] halte.

9

Schließlich führe das wirtschaftliche Interesse der Kunden nicht dazu, dass das [X.]rmessen des [X.] auf die Auswahl des kleineren Wasserzählers [X.] 2,5 reduziert werde. Nach § 18 Abs. 2 Satz 4 [X.] sollten die Kunden und der Anschlussnehmer angehört und deren berechtigte Interesse gewahrt werden. Ob mit den "berechtigten Interessen" im Sinne dieser Vorschrift auch das wirtschaftliche Interesse der Kunden und des Anschlussnehmers gemeint sei, sei fraglich. Jedenfalls stehe die vom Wasserversorgungsunternehmen zu gewährleistende Versorgungssicherheit im Vordergrund und könne nicht durch etwaige anderweitige berechtigte Interessen verdrängt werden, solange das Wasserversorgungsunternehmen sich - wie hier - im Rahmen seines [X.]rmessensspielraums halte.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Austausch des in ihrer Wohnungseigentumsanlage eingebauten Wasserzählers [X.] gegen einen Wasserzähler [X.] 2,5 nicht verneint werden. Nach dem für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt hat die Beklagte mit der Verweigerung des [X.]inbaus eines Wasserzählers der von der Klägerin begehrten Dimensionierung [X.] 2,5 ihr Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 [X.] nicht ermessensfehlerfrei im Rahmen der Billigkeit ausgeübt.

1. Nach § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 [X.] bestimmt das Wasserversorgungsunternehmen Art, Zahl und Größe sowie Anbringungsort der Messeinrichtungen. [X.]s hat dabei den Kunden und den Anschlussnehmer anzuhören und deren berechtigte Interessen zu wahren. Das Wasserversorgungsunternehmen verfügt insoweit über ein Bestimmungsrecht (vgl. [X.], Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser ([X.]), Kommentar, Stand Oktober 2007, [X.] § 18 Abs. 2, Buchstabe ca), das es nach billigem [X.]rmessen (§ 315 BGB) auszuüben hat (vgl. zu § 10 Abs. 2 [X.]: Senatsurteil vom 6. April 2005 - [X.], [X.], 1808, unter [X.] und [X.] m.w.N.). Dies erfordert eine vom Wasserversorgungsunternehmen vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen berechtigten Interessen (Senatsurteil vom 6. April 2005, aaO). Ob die [X.]ntscheidung billigem [X.]rmessen entspricht, unterliegt der Kontrolle durch den Tatrichter. Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung von § 315 BGB sind aber vom Revisionsgericht darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Beurteilungsermessens überschritten hat oder von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien [X.]ntscheidung versperrt hat (vgl. [X.], 315, [X.]. 20; 178, 362, [X.]. 28; Senatsurteil vom 8. Juli 2009 - [X.], NJW 2009, 2894, [X.]. 18).

2. Ob ein solcher Rechtsfehler vorliegt, soweit das Berufungsgericht die ursprüngliche Ausübung des Bestimmungsrechts durch die Beklagte unbeanstandet gelassen hat, bedarf keiner [X.]ntscheidung. [X.]s mag sein, dass die ursprüngliche, auf der Grundlage der [X.] 1988 Teil 3 ("Technische Regeln für die Trinkwasser-Installation ([X.]) - [X.]rmittlung der Rohrdurchmesser - Technische Regel des [X.]") getroffene [X.]rmessensentscheidung der [X.], einen Wasserzähler [X.] einzubauen, dem Stand der Technik und damit auch billigem [X.]rmessen entsprach. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich für die Wohnungseigentumsanlage der Klägerin unter Zugrundelegung der vorgenannten [X.] ein den [X.]insatzbereich des Wasserzählers [X.] 2,5 überschreitender Spitzendurchfluss von 9,34 m³/h. Auf diese ursprüngliche Ausübung des Bestimmungsrechts der [X.] kommt es hier jedoch nicht entscheidend an. Denn die Beklagte hat die mit Schreiben vom 4. Januar 2007 erfolgte Bitte der Klägerin um den [X.]inbau eines kleineren Wasserzählers [X.] 2,5 zum Anlass genommen, eine neue [X.]rmessensentscheidung in Gestalt der Ablehnung des [X.]inbaus eines solchen Wasserzählers zu treffen. Maßgeblich kommt es deshalb darauf an, ob diese erneute Ausübung des [X.], zu der die Beklagte angesichts der hier gegebenen Umstände ausnahmsweise verpflichtet war (dazu nachfolgend unter b), billigem [X.]rmessen entspricht (§ 315 BGB). Hinsichtlich der Beurteilung dieser Frage ist die [X.]ntscheidung des Berufungsgerichts nicht frei von [X.].

a) [X.]ntgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist in dem Schreiben der [X.] vom 30. Januar 2007 keine bloße Ablehnung einer erneuten Ausübung des Bestimmungsrechts, sondern vielmehr eine neue [X.]rmessensausübung der [X.] zu sehen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte sich mit dem Begehren der Klägerin - wie auch im vorliegenden Rechtsstreit - inhaltlich auseinandergesetzt und die ablehnende [X.]ntscheidung mit den aus ihrer Sicht gegen den [X.]inbau eines kleineren Zählers sprechenden Sachgründen versehen hat.

b) Zu dieser erneuten [X.]rmessensausübung war die Beklagte unter den hier gegebenen Umständen ausnahmsweise verpflichtet. Ist im Rahmen eines Vertragsverhältnisses vorgesehen, dass eine der Vertragparteien ein Leistungsbestimmungsrecht hat, und wird von diesem Recht in einer dem billigen [X.]rmessen entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, so ist damit die Leistungsbestimmung verbindlich erfolgt (§ 315 BGB). Dies gilt im Grundsatz auch für das dem Wasserversorgungsunternehmen hinsichtlich des anzubringenden Wasserzählers gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 [X.] zustehende Bestimmungsrecht. Insoweit ist allerdings neben der Besonderheit, dass der Wasserzähler bereits aufgrund der eichrechtlichen Bestimmungen im Interesse der Messgenauigkeit im Abstand von einigen Jahren auszuwechseln ist, insbesondere zu berücksichtigen, dass die Belieferung mit Trinkwasser eine Leistung im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge aufgrund eines Versorgungsvertrages darstellt, der als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet ist, und das Wasserversorgungsunternehmen dabei regelmäßig - so auch hier - eine Monopolstellung einnimmt. Im vorliegenden Fall kommt der besondere Umstand hinzu, dass die Dimensionierung des Wasserzählers wegen der Ausgestaltung der Tarifstruktur der [X.] (deutlich höherer Grund- und Servicepreis für den größeren Wasserzähler [X.]) einen erheblichen [X.]influss auf die Kostenbelastung des Kunden hat.

Unter diesen Umständen folgt aus den aufgrund des Versorgungsvertrags gegenüber dem Kunden bestehenden Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (§§ 242, 241 Abs. 2 BGB) ein Anspruch auf erneute Ausübung des [X.] jedenfalls dann, wenn sich der technische Standard, der einen [X.]influss auf die Auswahl der Messgeräte hat, in einem wesentlichen Maße ändert und beachtenswerte Interessen des Kunden geltend gemacht werden. Das Wasserversorgungsunternehmen ist dann gehalten, eine neue [X.]rmessensentscheidung dahingehend zu treffen, ob ein Austausch des Wasserzählers unter Berücksichtigung des neuen Standes der Technik im Interesse des Kunden vorzunehmen ist. [X.]ntgegen der Auffassung der Revisionserwiderung besteht kein Grund, diesen Anspruch des Kunden auf erneute [X.]rmessensausübung sachlich auf die Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder in zeitlicher Hinsicht auf den eichrechtlich gebotenen Turnus der Auswechselung des Wasserzählers zu beschränken. Insbesondere unter den hier gegebenen Umständen, namentlich der bereits erwähnten Tarifstruktur der [X.], wären die vorstehend genannten [X.]inschränkungen dem Kunden wirtschaftlich nicht zumutbar. Offen bleiben kann hingegen, ob eine Auswechselung des Wasserzählers auch unter geringeren als den oben aufgeführten Voraussetzungen verlangt werden kann, wenn etwa der Kunde bereit ist, die mit der Auswechselung verbundenen Kosten zu tragen (vgl. hierzu § 18 Abs. 2 Nr. 5 [X.]), und er gegebenenfalls auch auf die Geltendmachung insbesondere von Schadensersatzansprüchen für den Fall einer Unterschreitung des erforderlichen [X.]ntnahmedrucks verzichtet. Denn im vorliegenden Fall sind die oben genannten strengeren Voraussetzungen eines Anspruchs auf erneute [X.]rmessensausübung erfüllt.

c) Der Pflicht der [X.], eine erneute Ausübung ihres [X.] nach billigem [X.]rmessen und damit unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der Technik vorzunehmen, steht der mit der Gegenrüge der [X.] geltend gemachte Umstand, dass die Klägerin bis zu ihrem Schreiben an die Beklagte vom 4. Januar 2007 die Größe des eingebauten Wasserzählers [X.] nicht beanstandet und den auf der Grundlage der vorhandenen Zählergröße bemessenen Wasserbezugspreis widerspruchslos bezahlt hat, nicht entgegen. [X.]s ist weder von einer konkludenten vertraglichen [X.]inigung auf einen Wasserzähler [X.] noch von einer Verwirkung des mit der Klage verfolgten Anspruchs auszugehen.

aa) Die in der Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang erfolgte Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats zur gerichtlichen Billigkeitskontrolle bei einseitigen Tariferhöhungen eines Gasversorgers ([X.], 315, [X.]. 36; 178, 362, [X.]. 16) verfängt hier nicht. Anders als die Revisionserwiderung meint, folgt aus der zunächst unbeanstandet gebliebenen Ausübung des in § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 [X.] vorgesehenen Bestimmungsrechts nicht, dass sich die Parteien auf den vom Wasserversorgungsunternehmen angebrachten Wasserzähler vertraglich geeinigt haben mit der Folge, dass diese Vereinbarung künftig nur nach den für eine Vertragsänderung geltenden Grundsätzen geändert werden könnte. Mit der Bestimmung des einzubauenden Wasserzählers durch das Wasserversorgungsunternehmen wird lediglich konkretisiert, mittels welcher Messeinrichtung dieses seinen Pflichten gemäß § 18 Abs. 1 und 2 [X.] nachkommen wird, eine einwandfreie Messung der verbrauchten Wassermenge zu gewährleisten (Abs. 2 Satz 1) und hierzu eine näher zu bestimmende Messeinrichtung (Abs. 2 Satz 2) zu liefern, anzubringen, zu überwachen und zu unterhalten (Abs. 2 Satz 3).

[X.]) [X.]ntgegen der Revisionserwiderung ist der mit der Klage verfolgte Anspruch auch nicht verwirkt. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bestimmt für die Geltendmachung des Rechts auf gerichtliche Überprüfung der Billigkeit keine besondere Frist. Gleichwohl ist das Recht innerhalb angemessener Frist geltend zu machen (vgl. [X.], aaO) und kann durch illoyale Verzögerung der Klageerhebung verwirkt werden (vgl. [X.], 212, 220; MünchKommBGB/[X.], 5. Aufl., § 315 Rdnr. 47). Die Klägerin hat hier jedoch bereits fünfeinhalb Monate nach der Ablehnung des Zähleraustauschs - auf diesen Zeitpunkt und nicht auf den des ursprünglichen [X.] kommt es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hier an - die vorliegende Klage erhoben. Für eine Verwirkung fehlt es daher schon am Zeitmoment.

3. Hinsichtlich der Beurteilung der für den Streitfall maßgeblichen erneuten Ausübung des [X.] durch die Beklagte hat das Berufungsgericht zu Unrecht eine fehlerfreie [X.]rmessensentscheidung angenommen, weil es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein [X.]rmessensfehlgebrauch der [X.] nicht verneint werden.

[X.] hat rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass ein [X.]rmessensfehler der [X.] insoweit anzunehmen ist, als diese aufgrund des bestehenden Versorgungsvertrages in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 [X.] gehalten war, ihre erneute [X.]rmessensentscheidung auf der Grundlage des aktuellen Standes der Technik zu treffen und unter dessen Berücksichtigung darüber zu entscheiden, ob ein Austausch des Wasserzählers wegen neuerer technischer [X.]rkenntnisse gerechtfertigt ist. [X.] hat in diesem Zusammenhang keine ausreichenden Feststellungen zum aktuellen Stand der Technik getroffen. Hierdurch hat es sich den Zugang zu einer rechtsfehlerfreien Überprüfung des [X.]rmessensgebrauchs der [X.] versperrt.

a) Hinsichtlich des Standes der Technik kann sich die Revision allerdings nicht mit [X.]rfolg auf ein erst in der Revisionsinstanz vorgelegtes Sachverständigengutachten vom 23. August 2008 aus einem Parallelverfahren stützen, nach dem allein das [X.]-Arbeitsblatt [X.] den Stand der Technik angeben soll. Bei der Bezugnahme auf dieses Gutachten handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz nur ausnahmsweise zu berücksichtigen ist, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht entstanden sind, sie unstreitig sind und schützenswerte Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen ([X.], 215, 221; Senatsurteil vom 12. März 2008 - [X.], [X.], 1661, [X.]. 25). [X.]in solcher Fall ist aber schon deshalb nicht gegeben, weil das vorgelegte Gutachten schon am 23. August 2008 fertig gestellt wurde und damit vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts am 5. März 2009 entstanden ist. Zudem fehlt es an der [X.] des genannten [X.].

b) [X.] hat jedoch rechtsfehlerhaft weder den [X.]influss des Arbeitsblattes [X.] des [X.], das der Sachverständige in seinem von ihm in Bezug genommenen schriftlichen Gutachten vom 13. Juli 2007 als relevant und hinsichtlich der Dimensionierung der Wasserzähler in einer Diskrepanz zur [X.] 1988 Teil 3 stehend eingestuft hat, auf den Stand der Technik ausreichend gewürdigt noch abschließend festgestellt, ob die [X.] [X.] den neuesten Stand der Technik widerspiegelt.

Die [X.] 1988 Teil 3, bei deren Zugrundelegung sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - wie erwähnt - ein den [X.]insatzbereich des Wasserzählers [X.] 2,5 übersteigender Spitzendurchfluss von 9,34 m³/h ergibt, enthält in ihrer Ziffer 13 Ausführungen zur Auswahl der Wasserzähler und in einer Anmerkung den Hinweis, dass die Auswahl der Wasserzähler durch das Wasserversorgungsunternehmen nach den [X.]mpfehlungen des [X.] "Auswahl und Bemessung von Hauswasserzählern für Kaltwasser" erfolge, hinsichtlich derer ein [X.]-Arbeitsblatt in Vorbereitung sei. Das im Dezember 2003 veröffentlichte Arbeitsblatt [X.] des [X.] (Technische Regel zur Volumen- und Durchflussmessung von kaltem Trinkwasser in [X.]) enthält in Ziffer 4.2, Tabelle 3 (Dimensionierung von Wasserzählern für Wohngebäude) die Angabe, dass bei Wohngebäuden mit - wie hier - bis zu 30 Wohneinheiten mit [X.] (bei [X.]: bis zu 15 Wohneinheiten) ein Wasserzähler mit einem Nenndurchfluss von 2,5 m³ pro Stunde ([X.] 2,5) und erst ab 31 Wohneinheiten ein solcher mit einem Nenndurchfluss von 6 m³ pro Stunde ([X.]) einzubauen ist. Auf der Grundlage der [X.]n [X.] [X.]N W 806-3 (Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen, Teil 3 -Berechnung der [X.] - Vereinfachtes Verfahren) des C[X.]N ([X.]uropäisches Komitee für Normung) ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Wohnungseigentumsanlage der Klägerin von einem Spitzendurchfluss von 5,44 m³/h auszugehen, für den nach den Ausführungen des Sachverständigen der [X.]insatz eines Wasserzählers [X.] 2,5 auch im Hinblick auf die Versorgungssicherheit vertretbar ist.

c) [X.] hat bei der Beurteilung, ob die Beklagte bei der Bemessung des Wasserzählers nicht die [X.] 1988 Teil 3, sondern nunmehr die [X.] [X.] hätte zugrunde legen müssen, einen [X.]rmessensfehlgebrauch der [X.] verneint und ausgeführt, dass mit den [X.] [X.]N Normen ein Normenpaket gebildet werde, welches nur verständlich sei, wenn alle Teile in [X.] seien. Die noch bestehende nationale Norm zum selben Thema werde aber erst zurückgezogen, wenn das gesamte [X.] Normenpaket vorliege, was noch nicht der Fall sei. [X.] ist zu dem [X.]rgebnis gekommen, dass unter diesen Umständen hinsichtlich der Anwendung der Vorschriften für die Verwender und damit auch für das Versorgungsunternehmen keine Klarheit bestehe.

Dem kann nicht gefolgt werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist die [X.] [X.] ab dem nationalen Ausgabedatum, mithin ab Juli 2006, gültig und hat als [X.] Norm denselben Status wie nationale [X.]-Normen. [X.] hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Geltung der Regelung für die beteiligten Verkehrskreise zweifelhaft ist. Dann kommt es aber darauf an, ob sie gegenüber der [X.] 1988 Teil 3 auf einem neueren Stand der [X.]rkenntnisse im Hinblick auf die zu gewährleistende Versorgungssicherheit bei der Auswahl des Wasserzählers beruht. Denn das Wasserversorgungsunternehmen schuldet auch nur einen Standard an Versorgungssicherheit, wie er in den allgemeinen Regeln der Technik zum Ausdruck kommt.

d) [X.] konnte nach den Ausführungen des Sachverständigen auch nicht ohne weiteres zugrunde legen, dass eine einwandfreie Versorgung gemessen an den technischen Standards durch den [X.]inbau eines Wasserzählers [X.] 2,5 nicht gewährleistet sei. Zu Recht wendet die Revision ein, dass nach der Aussage des Sachverständigen in gut 90 % aller Wohngebäude ein Wasserzähler [X.] 2,5 ausreichend sei. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass sich die restlichen 10 % auf besondere Gegebenheiten, beispielsweise Gebäude mit einer höheren Geschosszahl oder mit Gewerbebetrieben, wie etwa Wäschereien, die höhere Spitzenverbräuche aufweisen, bezögen. Zu solchen besonderen Nutzungsverhältnissen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

e) [X.]ntgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind auch die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin bei der erforderlichen Abwägung einzubeziehen. Nach § 18 Abs. 2 Satz 4 [X.] hat das Wasserversorgungsunternehmen die berechtigten Interessen des Kunden bei der Auswahl der Größe der Messgeräte zu beachten. Dass davon die wirtschaftlichen Interessen des Kunden nicht erfasst sein sollen, lässt sich dem Wortlaut der Norm nicht entnehmen (vgl. auch Senatsurteil vom 6. April 2005, aaO, unter [X.]). [X.]in solches Interesse kann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn das Wasserversorgungsunternehmen den Grund- und Servicepreis für seine Leistungen von der Größe des eingebauten Wasserzählers abhängig macht und auf diese Weise die [X.]inordnung im Tarif bestimmt.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es weiterer tatsächlicher Feststellungen dazu bedarf, ob ein Zähler mit der Dimensionierung [X.] 2,5 in der Wohnanlage der Klägerin dem Stand der Technik entspricht, ist die Sache zur neuen Verhandlung und [X.]ntscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ball                                       [X.]                                      Dr. Milger

                   Dr. Fetzer                                   Dr. Bünger

Meta

VIII ZR 97/09

21.04.2010

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Leipzig, 26. März 2009, Az: 1 S 636/07, Urteil

§ 315 BGB, § 18 Abs 2 S 2 AVBWasserV, § 18 Abs 2 S 4 AVBWasserV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.04.2010, Az. VIII ZR 97/09 (REWIS RS 2010, 7443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7443

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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