Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2018, Az. V ZB 166/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15435

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:180118BVZB166.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 166/17
vom

18. Januar 2018

in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 18. Januar 2018
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und [X.], [X.] Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] [X.] -
Zivilkammer IX -
vom 12. Juni 2017 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Durch dem
Beklagten am 15.
Februar
2017 zugestelltes Urteil hat das Amtsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Hiergegen hat der Beklagte Be-rufung eingelegt. Am Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist am 18.
April
2017 (15. April 2017: Ostersamstag)
hat der Beklagte beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat bis zum 18.
Mai 2017
zu ver-längern. Mit Verfügung vom 19.
April 2017 ist die Frist durch ein Mitglied der zuständigen Berufungskammer -
ausgehend von einem Fristbeginn am 15.
Februar 2017 -
um einen Monat bis zum 15.
Mai 2017 verlängert worden.
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Die Berufungsbegründung ist am 18.
Mai 2017 eingegangen. Nach Hinweis
des [X.] auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und die be-absichtigte Verwerfung der Berufung hat der Beklagte beantragt, ihm Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies hat er damit begründet,
dass seine Prozessbevollmächtigte die Verfügung vom 19.
April 2017
nicht er-halten
und erstmals durch den Hinweis des [X.] erfahren habe, dass dem Fristverlängerungsantrag nicht wie beantragt stattgegeben worden sei.
Seine Prozessbevollmächtigte habe sich bei der Beantragung der Fristverlänge-rung den 18.
Mai 2017 notiert, da sie auf eine Verlängerung der Berufungsbe-gründungsfrist habe vertrauen dürfen.

Das [X.] hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde
und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Das Berufungsgericht meint, dem Beklagten sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu versa-gen, weil er diese schuldhaft nicht eingehalten habe. Zwar habe die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 18.
Mai 2017 verlängert werden dürfen, weil erhebliche Gründe dargelegt worden seien. Hiervon sei jedoch kein Gebrauch gemacht worden, sondern eine Frist bis zum 15.
Mai 2017 bestimmt worden. Die Fristversäumnis beruhe auf einer mangelhaften Organisation der Fristen-kontrolle durch die Prozessbevollmächtigte des Beklagten. Gehe bei einem Fristverlängerungsantrag keine gerichtliche Mitteilung ein, müsse sich der Pro-2
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zessbevollmächtigte, der eine Fristverlängerung beantragt habe, rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist Gewissheit verschaffen. Den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zufolge sei jedoch bereits mit Stel-len des [X.] die hypothetische Frist abschließend in den [X.] eingetragen worden. Infolge dieses [X.] habe die Prozessbevollmächtigte des Beklagten übersehen, dass es sich bei der eingetragenen Berufungsbegründungsfrist um eine vom Gericht nicht bestä-tigte Fristverlängerung und damit um eine hypothetische Frist gehandelt habe. Bei entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen wäre das Fristversäumnis vermieden worden.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist zwar gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO ohne Zulassung statthaft. Zulässig ist sie aber gemäß §
574 Abs.
2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzun-gen gegeben sind. Dies ist nicht der Fall. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§
574 Abs.
2 Nr.
1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitli-chen Rechtsprechung erforderlich (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht keine überzogenen Anforderungen gestellt, die dem [X.] den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwe-ren (vgl. dazu nur [X.], Beschluss vom 12.
April 2010 -
V [X.], NJW-RR 2010, 1096 Rn.
4 mwN; Beschluss vom 26.
September 2013 -
V [X.], NJW 2014, 228 Rn.
5).

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2. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht dem Beklagten die form-
und fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt hat, entspricht der Rechtsprechung des [X.], die weder fortzubilden noch zu [X.] ist. Die Fristversäumung beruht auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden (§ 233 Satz 1 ZPO) seiner Prozess-bevollmächtigten.

a) Richtig ist allerdings der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass die Prozessbevollmächtigte des Beklagten grundsätzlich mit einer antragsgemäßen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch das Gericht rechnen konn-te. Denn ein Rechtsanwalt darf regelmäßig erwarten, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn er

wie hier
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einen erheblichen Grund vorträgt (vgl. [X.], Beschluss vom 13. [X.] -
VI [X.], [X.], 568; Beschluss vom 24. No-
vember 2009 -
VI [X.], [X.], 789, Rn. 6; Beschluss
vom 30.
Mai
2017
-
VI [X.], [X.], 1166 Rn. 12). Demgemäß war die Prozessbevollmächtigte
des
Beklagten auch nicht verpflichtet, sich innerhalb des regulären Laufs der Berufungsbegründungsfrist (18. April 2017) bei
dem [X.] zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegan-gen war
und ob ihm stattgegeben werde (vgl. [X.],
Beschluss vom 30.
Mai
2017
-
VI [X.], [X.], 1166 Rn. 12
mwN).
Im -
hier gegebe-nen -
Fall der Antragstellung am letzten Tag der regulären Frist wäre eine [X.] vor Ablauf dieser Frist ohnehin von vorneherein nicht prakti-kabel ([X.], Beschluss vom 30. Mai 2017 -
VI [X.], aaO
Rn. 13).

b) Darum geht es hier aber nicht. Das Verschulden der Prozessbevoll-mächtigten des Beklagten liegt vielmehr darin, dass das Ende der verlängerten 6
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6
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Frist infolge einer unzureichenden Organisation der Fristenkontrolle
nicht ge-prüft und notiert worden ist.

aa) Wird die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, darf sie nicht in der Weise vorgemerkt werden, dass schon mit der Antragstellung der Ablauf
der Frist im Kalender eingetragen wird, als ob sie bereits zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Es handelt sich nämlich zunächst um eine hypo-thetische Frist, da der Vorsitzende die Frist auch auf einen kürzeren Zeitraum als beantragt bewilligen kann. Der Eintrag des endgültigen Fristablaufs ist des-halb erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden ist. In jedem Fall ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass rechtzeitig vor dem beantragten Fristablauf das wirkliche Ende der Frist -
ggf. durch [X.] bei Gericht -
festgestellt wird
(vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 2006

VI
ZB 14/06,
juris Rn. 7; Beschluss vom 24. November 2009 -
VI [X.], [X.], 789 Rn. 8; Beschluss vom 16.
Oktober 2014 -
VII ZB
15/14, NJW-RR 2015, 700 Rn.
12;
Beschluss vom 30.
Mai 2017 -
VI [X.], [X.], 1166 Rn.
13).
Ein Rechtsanwalt darf auf die Gewährung der beantragten Frist-verlängerung nicht so lange vertrauen, wie er keine anders lautende Nachricht von dem Gericht erhält ([X.], Beschluss vom 20. Juni 2006 -
VI ZB 14/06,
juris Rn. 8; Beschluss vom 2. Dezember 2015 -
XII [X.], NJW-RR 2016, 376 Rn. 11).

[X.]) Diesen Anforderungen hat die Prozessbevollmächtigte des Beklagen, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, nicht entsprochen. Sie hat bereits im Zeitpunkt der Antragstellung den Fristablauf abschließend auf den von ihr beantragten Zeitpunkt (18. Mai 2017) notiert, obwohl ihr noch keine Ent-scheidung über den Antrag vorlag. Organisatorische Maßnahmen, durch die sichergestellt wurde, dass rechtzeitig vor diesem Zeitpunkt das wirkliche Ende 9
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der Frist festgestellt wurde, hat sie nicht getroffen. Insbesondere hat sie sich über das tatsächliche Fristende nicht durch eine rechtzeitige Rückfrage bei [X.] vergewissert, sondern am Tag des von ihr errechneten
Fristablaufs die Berufungsbegründung eingereicht.

c) Die Fristversäumnis beruht auch auf dem Verschulden der Prozessbe-vollmächtigten
des Beklagten.
Hätte sie sich -
wie geboten (vgl. [X.], [X.] vom 6. Juli 1994
-
VIII ZB 26/94, NJW 1994, 2831 mwN) -

die Akten mit einer Vorfrist von etwa einer Woche vor Ablauf der nach ihrer Berechnung am 18. Mai 2017 endenden
Berufungsbegründungsfrist und damit am 11.
Mai
2017 vorlegen lassen, hätte sie jedenfalls zu diesem Zeitpunkt [X.] bzw. feststellen müssen,
dass ihr eine gerichtliche Verfügung zu der bean-tragten Fristverlängerung noch nicht zugegangen war. Bei einer Rückfrage bei Gericht hätte sie erfahren, dass aufgrund der gerichtlichen Verfügung vom 19.
April 2017 die Frist bereits am 15. Mai 2017 ablief. Dies hätte sie in die [X.] versetzt, fristwahrende Maßnahmen zu ergreifen.

d) Die weitere Überlegung der Rechtsbeschwerde, die Prozessbevoll-mächtigte des Beklagten habe auf die Fristverlängerung
vertrauen können, weil eine nicht zuständige Richterin über ihren Antrag entschieden habe und eine
[X.] durch ein unrichtiges Verhalten des Gerichts keinen Nachteil in ihren prozessualen Rechten erleiden dürfe, rechtfertigt keine abweichende Beurtei-lung. Dies folgt bereits daraus, dass gemäß §
225 Abs.
3 ZPO eine Anfechtung des Beschlusses, durch den das Gesuch um Verlängerung einer Frist (ganz oder teilweise) zurückgewiesen
ist, nicht stattfindet und dieser auch einer Über-prüfung durch den [X.] entzogen ist. Unabhängig davon entbindet ein mögli-cher
Verfahrensfehler bei der Entscheidung über den
Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist den Prozessbevollmächtigten einer [X.] nicht 11
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8
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von der Pflicht, geeignete Organisationsmaßnahmen für den Fall zu treffen, dass eine Reaktion des Gerichts auf das Fristverlängerungsgesuch ausbleibt. Anders als etwa bei einer verfahrenswidrigen Bewilligung eines Fristverlänge-rungsantrags
(vgl. dazu
[X.], Urteil vom 16. Mai 1962 -
V [X.], [X.]Z 37, 125, 127 ff.; [X.], Beschluss vom 22. Oktober 1997 -
VIII ZB 32/97, NJW 1998, 1155, 1156) fehlt es im vorliegenden Zusammenhang an einem durch das Gericht gesetzten Vertrauenstatbestand, auf den sich die
Prozessbevoll-mächtigte verlassen konnte. Der [X.] bemerkt deshalb lediglich ergänzend, dass der Vortrag des Beklagten auch nicht ausreicht, um von einer Unzustän-digkeit der Richterin, die die Verfügung unterzeichnet hat, auszugehen.
Die Richterin war zwar ausweislich des von dem Beklagten vorgelegten Geschäfts-verteilungsplans des [X.] [X.] weder die Vorsitzende noch die stellvertretende Vorsitzende der zur Entscheidung berufenen [X.]. Gemäß §
21 f Abs.
2 Satz
2 GVG können jedoch auch andere Mitglieder des Spruchkörpers den
Vorsitz führen, wenn sowohl der Vorsitzende als auch der
stellvertretende Vorsitzende verhindert sind. Dass es sich hier so verhielt, liegt
angesichts der Unterzeichnung der Verfügung mit i.V.

nahe.
-
9
-
IV.

1. [X.] beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

2. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner

Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.01.2017 -
1 C 2302/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 12.06.2017 -
9 [X.]/17 -

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Meta

V ZB 166/17

18.01.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2018, Az. V ZB 166/17 (REWIS RS 2018, 15435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15435

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 166/17

V ZB 224/09

V ZB 94/13

VI ZB 54/16

XII ZB 211/12

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