Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2017, Az. B 3 KR 22/15 R

3. Senat | REWIS RS 2017, 11077

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Krankenversicherung - Anspruch auf Krankengeld nach dem bis 22.7.2015 geltenden Recht - Notwendigkeit der ärztlichen Feststellung - Unterbleiben wegen einer nichtmedizinisch begründeten Fehlvorstellung des Vertragsarztes - Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien - verfassungsrechtliche Auslegung von Leistungsausschlüssen in der gesetzlichen Krankenversicherung


Leitsatz

Ein Versicherter hat nach dem bis 22.7.2015 geltenden Recht Anspruch auf Krankengeld ab dem Folgetag eines rechtzeitig erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts, wenn er alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare zur ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit getan hat, die Feststellung aber wegen der nichtmedizinisch begründeten Fehlvorstellung des Vertragsarztes unterblieben ist, die Arbeitsunfähigkeit könne krankengeldunschädlich auch noch rückwirkend im Nachhinein attestiert werden (Fortentwicklung und Teilaufgabe von BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R = BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 16. Oktober 2014 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungs- und Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld ([X.]) für die [X.] [X.] bis 7.5.2013.

2

Das Arbeitsverhältnis der 1960 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse wegen Beschäftigung krankenversicherten Klägerin wurde zum 31.12.2012 gekündigt. Der Allgemeinmediziner Dr. S. attestierte ihr wegen einer depressiven Episode erstmals am 23.11.2012 Arbeitsunfähigkeit ([X.]) für die Zeitabschnitte bis 7.12.2012, später bis 21.12.2012 sowie bis [X.]. Ab 1.1.2013 bezog die Klägerin [X.]. Ab [X.] erhielt sie Arbeitslosengeld nach dem [X.]B III.

3

Am [X.] stellte sich die Klägerin bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie [X.] vor, die ihr [X.] bis [X.] attestierte und auch für die Folgezeit [X.]-Bescheinigungen ausstellte. Mit Schreiben vom [X.] wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihr nicht durchgängig ärztlich [X.] bescheinigt worden sei. Die Klägerin schilderte anschließend, bereits 2012 eine Überweisung von Dr. S. zu Frau [X.] erhalten zu haben; bei der Ärztin sei zunächst ein Termin für den [X.] vereinbart worden, der dann aber auf den [X.] vorgezogen worden sei. Noch am [X.] habe sie (die Klägerin) sich im Stadium der [X.] - schriftlich bestätigt durch Dr. S. bei diesem in dessen Sprechstunde vorgestellt. Am [X.] habe Frau [X.] dann eine neue [X.]-Bescheinigung erteilt.

4

Die Beklagte lehnte schließlich [X.]-Ansprüche der Klägerin ab [X.] ab, da sie nicht durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Die dazu nötige [X.]-Folgebescheinigung habe nämlich spätestens am [X.] ausgestellt werden müssen (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

5

Das [X.] hat auf die dagegen erhobene Klage den Sachverhalt ermittelt ([X.] Einholung einer schriftlichen Auskunft des Dr. S.) und die Klägerin persönlich angehört. Sie hat [X.] erklärt, da ihr "klargewesen" sei, dass das Ende der [X.]-Feststellung wichtig sei, habe sie am [X.] Dr. S. aufgesucht und ihn "auf die Krankmeldung angesprochen"; dieser habe ihr erklärt, es reiche aus, dass [X.] sie am nächsten Tag "weiter krankschreiben" werde. Auch von einer Arzthelferin von Frau [X.] habe sie am Folgetag, als ihr die [X.]-Bescheinigung übergeben worden sei, die Auskunft erhalten, dass dies "so okay" sei. Die Arzthelferin habe auf ihre Bitte hin diesbezüglich nochmals in der Praxis Dr. S. nachgefragt.

6

Das [X.] hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, der Klägerin über den [X.] hinaus bis 7.5.2013 [X.] zu zahlen; die Klägerin habe nach den Umständen alles in ihrer Macht Stehende getan, um die Voraussetzungen für ein Fortbestehen der Mitgliedschaft und für ihren [X.]-Anspruch aufrechtzuerhalten (Urteil vom [X.]).

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] die vorinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen: Dem [X.]-Anspruch der Klägerin stehe entgegen, dass dieser Anspruch bei [X.] nach § 46 S 1 [X.] 2 [X.]B V erst von dem Tag an entstehe, der auf den Tag der ärztlichen [X.]-Feststellung folge. Diese Ausschlussregelung sei nach der Rechtsprechung des B[X.] strikt zu handhaben (Hinweis [X.] auf B[X.] Urteil vom 10.5.2012 - B 1 KR 19/11 R - B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.]). Die Obliegenheit Versicherter, zur Aufrechterhaltung ihres [X.]-Anspruchs die [X.] vor Ablauf jedes [X.]-Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich feststellen zu lassen, entfalle nicht deshalb, weil der behandelnde Arzt den Versicherten unzutreffend oder gar nicht rechtlich beraten habe (Hinweis auf B[X.] Urteil vom 4.3.2014 - B 1 KR 17/13 R - [X.]-2500 § 192 [X.]). Die Mitgliedschaft der Klägerin sei gemäß § 192 Abs 1 [X.] 2 [X.]B V nur bis [X.] erhalten geblieben. Da [X.] erst wieder am [X.] [X.] attestiert habe, habe gemäß § 46 S 1 [X.] 2 [X.]B V ein [X.]-Anspruch erst am [X.] entstehen können, als die Klägerin schon nicht mehr mit Anspruch auf [X.] versichert gewesen sei. Ein Fall der ausnahmsweise rückwirkend möglichen Nachholung der [X.]-Feststellung liege nicht vor, weil dies [X.] voraussetzen würde, dass die Klägerin durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung daran gehindert gewesen wäre, ihre Ansprüche zu wahren. Soweit Dr. S. die Klägerin unzutreffend beraten habe, sei dies nicht dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen. Einen nachgehenden Leistungsanspruch nach § 19 Abs 2 [X.]B V habe die Klägerin nicht, da sie vom [X.] an gemäß § 5 Abs 1 [X.] 13 [X.]B V versichert gewesen sei. Denn am letzten Tag ihrer Mitgliedschaft sei nicht davon auszugehen gewesen, dass sie spätestens nach Ablauf eines Monats eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlange (Urteil vom 16.10.2014).

8

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 46 S 1 [X.] 2 [X.]B V. Dem L[X.] könne nicht darin gefolgt werden, dass nach den gesetzlichen Vorschriften eine tatsächlich ärztlich festgestellte [X.] nach außen dokumentiert werden müsse. Bei ihr (der Klägerin) habe auf dieser Grundlage zweifellos eine durchgehend ärztlich festgestellte [X.] bestanden. Selbst wenn man dem aber nicht folgen wolle, müsse hier angenommen werden, dass sie (die Klägerin) ausgehend von den Feststellungen des L[X.] alles in ihrer Macht Stehende und Zumutbare getan habe, um ihre [X.]-Ansprüche durch Erlangung einer zeitgerechten [X.]-Bescheinigung zu wahren. Zu ihren Gunsten sprächen insoweit auch die Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, kraft derer das Verhalten der beteiligten Vertragsärzte der beklagten Krankenkasse zugerechnet werden müsse. Schließlich ergebe sich ein [X.]-Anspruch aus dem Schutzzweck des [X.]-Rechts. Wie schon das [X.] ausgeführt habe, gebiete dieser Zweck den Vorrang der Belange eines arbeitsunfähigen Versicherten, der alles Erforderliche und ihm objektiv Mögliche zur Erlangung seiner Ansprüche getan habe, vor dem Erfordernis der formalen [X.]-Feststellung.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 16. Oktober 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. Juli 2014 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des L[X.] für zutreffend. Schon eine ärztliche Feststellung der [X.] am [X.] sei nicht zu erkennen. Allein die hier erfolgte Dokumentation einer Diagnose in den Behandlungsunterlagen des Arztes erfülle nicht die Voraussetzungen einer [X.]-Feststellung an diesem Tag und einer Dokumentation der [X.] nach außen. Das B[X.] habe einen Ausnahmefall bei ärztlichem Fehlverhalten im Übrigen nur bei einer objektiven medizinischen Fehlentscheidung des Vertragsarztes angenommen, nicht aber bei fehlerhafter Beratung durch den Arzt (Hinweis auf B[X.] Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - B[X.]E 95, 219 = [X.]-2500 § 46 [X.] 1).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet.

Das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil war - durch Aufhebung des Urteils des [X.] und Zurückweisung der Berufung der beklagten Krankenkasse gegen das Urteil des [X.] - wiederherzustellen. Entgegen der Ansicht des [X.] hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf [X.] über den [X.] hinaus bis zum [X.], dem Tag vor Beginn des Arbeitslosengeldbezugs der Klägerin.

1. Die Klägerin hatte auf der Grundlage der für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) unter Aufhebung des [X.]-Urteils Anspruch auf [X.] bis zum Beginn der Zahlungen des ihr zuerkannten Arbeitslosengeldes (vgl § 49 Abs 1 [X.] 3a [X.]B V). Die Anspruchsvoraussetzungen (dazu im Folgenden a>) nach § 44 und § 46 S 1 [X.] (hier anzuwenden in der noch bis 22.7.2015 geltenden Fassung , dazu b>) iVm § 192 Abs 1 [X.] [X.]B V waren auch am [X.] und darüber hinaus durchgängig bis zum [X.] erfüllt, obwohl eine an sich bereits am [X.] erforderliche [X.] auch für den folgenden Tag nicht erfolgt war (dazu c>). Die arbeitsunfähige Klägerin hatte nämlich wegen eines - unter Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung des B[X.] - zu bejahenden Ausnahmefalls auch am [X.] und an den Folgetagen als (weiter) pflichtversichertes Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) Anspruch auf [X.] gegen die beklagte Krankenkasse (dazu 2.).

a) Nach § 44 Abs 1 S 1 [X.]B V haben Versicherte Anspruch auf [X.], wenn - was hier allein einschlägig ist - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte [X.] beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im [X.]punkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für das [X.] vorliegt (stRspr, vgl zuletzt B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.] 8 mwN; B[X.]E 98, 33 = [X.]-2500 § 47 [X.], Rd[X.]0; B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.] 9). Nach § 46 S 1 [X.]B V aF entsteht der Anspruch auf [X.] - abweichend von dem hier nicht vorliegenden Fall der Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs 4, § 24, § 40 Abs 2 und § 41 [X.]B V) "von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der [X.] folgt" (§ 46 S 1 [X.] [X.]B V aF); maßgebend für den [X.]-Beginn ist dabei nicht der "wirkliche" oder der "ärztlich attestierte" Beginn der [X.], sondern der Folgetag nach der ärztlichen Feststellung (so ausdrücklich B[X.] [X.]-2500 § 46 [X.] Rd[X.]5). Der Anspruch auf [X.] ruht nach § 49 Abs 1 [X.] [X.]B V, "solange die [X.] der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der [X.] erfolgt".

b) Der [X.]-Anspruch der Klägerin ist nicht unter Zugrundelegung von § 46 S 2 [X.]B V in der erst vom 23.7.2015 an geltenden Fassung des [X.] in der [X.] (Art 20 Abs 1 [X.]-V[X.] vom [X.], [X.] 1211) zu beurteilen. Zwar bestimmt diese Regelung, dass der Anspruch auf [X.] jeweils bis zu dem Tag bestehen bleibt, an dem die weitere [X.] wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der [X.] erfolgt. Da es bei der Klägerin indessen noch um [X.]-Ansprüche aus dem [X.] geht, war diese Neuregelung mangels gesetzlich angeordneter Rückwirkung hier noch nicht einschlägig.

c) Ausgehend von der bis 22.7.2015 geltenden Rechtslage musste der Klägerin für die Gewährung von [X.] ab [X.] grundsätzlich [X.] bereits am [X.] für den Folgetag ärztlich bescheinigt worden sein, was tatsächlich nicht der Fall war.

Dem [X.] ist in diesem Zusammenhang - entgegen der Ansicht der Klägerin - darin zu folgen, dass eine ärztliche "Feststellung" der [X.] kein bloßer rein praxisinterner Vorgang ist, der lediglich in den den Patienten betreffenden ärztlichen Behandlungsunterlagen (formlos) festgehalten werden müsste. Dies ergibt sich schon mittelbar aus § 49 Abs 1 [X.] [X.]B V und ist jedenfalls im - vorliegend betroffenen - Bereich der [X.] durch Vertragsärzte bezüglich der technischen Ausgestaltung näher geregelt (vgl dazu B[X.]E 111, 18 = [X.]-2500 § 46 [X.], Rd[X.]3). Erforderlich ist dafür vielmehr ein Akt mit Außenwirkung, der über eine lediglich irgendwie geäußerte innere Überzeugungsbildung des Arztes hinausgeht und in Form eines entsprechenden Schriftstücks ("Bescheinigung") nach außen hin - vor allem gegenüber der als leistungspflichtig in Anspruch genommenen Krankenkasse - beweissicher zu dokumentieren ist. Am [X.] wurde für die Folgezeit eine [X.]-Bescheinigung nicht ausgestellt.

Bis zum [X.] bezog die Klägerin [X.], weil ihre auf dem Beschäftigungsverhältnis beruhende Pflichtmitgliedschaft mit Anspruch auf [X.] über das Ende ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2012 hinaus wegen des durchgängigen [X.]-Anspruchs nach § 192 Abs 1 [X.] [X.]B V erhalten geblieben war. Obwohl die [X.] des [X.] mit dem [X.] (Donnerstag) endete und durch die Psychiaterin und Psychotherapeutin [X.] erst wieder am [X.] (Freitag) eine neue formelle [X.] erfolgte, trat allerdings (ausnahmsweise) keine Unterbrechung des [X.]-Anspruchs mit der Folge der Beendigung der auf dem Beschäftigungsverhältnis beruhenden Pflichtmitgliedschaft (§ 190 Abs 2, § 192 Abs 1 [X.] [X.]B V) ein.

Der Senat hält grundsätzlich an der - auch vom [X.] zugrunde gelegten - ständigen Rechtsprechung des 1. Senats des B[X.] fest, wonach es dem Versicherten obliegt, zur Vermeidung einer Unterbrechung von [X.]-Ansprüchen (und zum Erhalt eines durchgehenden umfassenden Krankenversicherungsschutzes Pflichtversicherter) für eine Folge-[X.]-Bescheinigung spätestens am letzten Tag der zuvor bescheinigten [X.] Sorge zu tragen (B[X.]E 111, 18 = [X.]-2500 § 46 [X.], Rd[X.]0; vgl auch - darauf Bezug nehmend - Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des [X.]-V[X.], BT-Drucks 18/4095 [X.] Zu Nummer 15 Zu Buchst b; zur insoweit zu bejahenden grundsätzlichen Zumutbarkeit für den Versicherten und zu Einwänden gegen diese Rspr vgl B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]2; kritisch dazu zB [X.], [X.] 2014, 561, 564 ff; [X.] in jurisPK-[X.]B V, 3. Aufl 2016, § 44 Rd[X.] 31 ff und § 46 Rd[X.]8 ff mit Nachweisen aus der instanzgerichtlichen Rspr). Sinn und Zweck all dessen ist es - wie schon in der Entstehungsgeschichte der Normen zum Ausdruck kommt -, beim [X.] Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der [X.] und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten. Deshalb kann zB grundsätzlich ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten [X.] akzeptiert und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezieht, die er bei [X.] nicht hätte erhalten dürfen, nicht mehr mit der nachträglichen Behauptung gehört werden, er sei in der gesamten [X.] zu Unrecht als arbeitslos statt richtigerweise als arbeitsunfähig behandelt worden (zuletzt B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]7 mwN).

2. Die vorgenannten Grundsätze greifen indessen gleichwohl nicht zum Nachteil der Klägerin ein. Den Entscheidungsgründen des [X.] kann nicht insgesamt gefolgt werden; denn hier lag nach den im Berufungsverfahren erkennbaren, durch entsprechende Ermittlungen des [X.] erhärteten und vom [X.] und von den Beteiligten zugrunde gelegten, nicht in Zweifel gezogenen Umständen ein diese Grundsätze verdrängender und zu [X.]-Ansprüchen führender Ausnahmefall vor.

a) Trotz der gebotenen grundsätzlich strikten Anwendung der oa gesetzlichen Regelungen hat die Rechtsprechung des B[X.] seit jeher in engen Grenzen bestimmte Ausnahmen von den Vorgaben und Grundsätzen anerkannt. So sind dem Versicherten gleichwohl [X.]-Ansprüche zuerkannt worden, wenn die ärztliche Feststellung (oder die rechtzeitige Meldung der [X.] nach § 49 Abs 1 [X.] [X.]B V) durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind (zusammenfassend B[X.]E 95, 219 = [X.]-2500 § 46 [X.], Rd[X.]8 ff). Derartiges hat das B[X.] bejaht bei Fristversäumnissen wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten (B[X.]E 25, 76, 77 f = [X.] [X.]8 zu § 182 RVO; B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]3), im Falle des verspäteten Zugangs der [X.]-Meldung bei der Krankenkasse aufgrund von [X.], die diese selbst zu vertreten hat (B[X.]E 52, 254, 258 ff und [X.] 2 = [X.] 2200 § 216 [X.]), für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der [X.] des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung (B[X.]E 54, 62, 65 = [X.] 2200 § 182 [X.] 84; B[X.]E 95, 219 = [X.]-2500 § 46 [X.], Rd[X.]2; B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]3; B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]4 mwN) sowie bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes (B[X.]E 85, 271, 277 f = [X.] 3-2500 § 49 [X.]).

Als entscheidend für die Anerkennung solcher Ausnahmen hat es das B[X.] angesehen, dass der Versicherte die ihm vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten [X.] Sorge zu tragen, erfüllt, wenn er alles in seiner Macht Stehende tut, um die ärztliche Feststellung zu erhalten: Er hat dazu den Arzt aufzusuchen und ihm seine Beschwerden vorzutragen. Unterbleibt die ärztliche [X.] dann gleichwohl aus Gründen, die dem Verantwortungsbereich des Arztes zuzuordnen sind, darf sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken, wenn er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert wurde (vgl zuletzt B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]8 mwN). Hinzukommen muss anschließend, dass der Versicherte seine Rechte bei der Krankenkasse innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 [X.] [X.]B V nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht. Unter diesen engen Voraussetzungen kann die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung auch durch die nachträgliche Einschätzung eines anderen ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte ausnahmsweise auch rückwirkend [X.] beanspruchen (vgl erneut B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]8 unter Hinweis auf B[X.]E 95, 219 = [X.]-2500 § 46 [X.], Rd[X.]2 ff).

Für diesen Ausnahmefall spricht vor allem, dass die Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten an der Feststellung der [X.] auf das ihm Zumutbare (vgl § 65 Abs 1 [X.] und 2 [X.]B I) beschränkt ist. [X.] der behandelnde Vertragsarzt die (medizinischen) Voraussetzungen für das Vorliegen von [X.] zu Unrecht, muss sich der Versicherte daher nicht so lange um (vertrags-)ärztliche Diagnostik bemühen, bis ihm (endlich) ein anderer Arzt die [X.] bescheinigt. Gegenteiliges würde nämlich zum einen das Vertrauen zu den in das Leistungssystem der [X.] einbezogenen Ärzten untergraben und zudem einem nicht erwünschten sog "[X.]" Vorschub leisten. Demgemäß fällt die objektive medizinische Fehlbeurteilung eines an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse (so B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]3 mwN; B[X.]E 95, 219 = [X.]-2500 § 46 [X.], Rd[X.]8 ff).

b) [X.]) beschriebenen Grundsätze über die Unschädlichkeit ärztlicher Fehlbeurteilungen für den [X.]-Anspruch dürfen indessen nicht auf die Fälle der von einem Vertragsarzt aus medizinischen Gründen zu Unrecht verneinten [X.] beschränkt bleiben, vielmehr entwickelt der Senat die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung weiter.

Hat ein Versicherter - wie hier die Klägerin - entsprechend den gesetzlichen Vorgaben innerhalb des zeitlichen Rahmens einer zuvor attestierten [X.] einen Vertragsarzt zu dem Zweck aufgesucht, für die Weitergewährung von [X.] eine ärztliche [X.]-Folgebescheinigung zu erlangen und hat dazu ein [X.] stattgefunden, unterbleibt aber gleichwohl die begehrte Erteilung einer solchen Bescheinigung, kann es - schon unter dem Blickwinkel des allgemeinen Gleichheitssatzes - nicht entscheidend darauf ankommen, aus welchen Gründen der Vertragsarzt dem Versicherten die erbetene Bescheinigung gleichwohl zu Unrecht nicht erteilt hat. Die Anerkennung eines Ausnahmefalls im Sinne der aufgezeigten Fallgestaltungen kommt unter Anknüpfung an die bereits vorliegende Rechtsprechung des B[X.] (vgl erneut B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]8 mwN; B[X.]E 95, 219 = [X.]-2500 § 46 [X.] Rd[X.]2 ff; B[X.]E 85, 271, 276 f = [X.] 3-2500 § 49 [X.]; vgl auch bereits B[X.]E 25, 76, 78 = [X.] [X.]8 zu § 182 RVO; B[X.]E 54, 62, 65 = [X.] 2200 § 182 [X.] 84) bzw deren Fortentwicklung vielmehr auch in Betracht, wenn der Versicherte seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber trotz [X.] durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung des Arztes, eine [X.]-Bescheinigung nicht auszustellen, gehindert worden ist - unabhängig von den Gründen für das Zustandekommen dieser Fehlentscheidung. Vor dem Hintergrund der gebotenen Vermeidung von Missbrauch gilt dies jedenfalls ausnahmsweise dann, wenn - wie bei der Klägerin - das Vorliegen von [X.] nach der Art und Schwere der im Raum stehenden Erkrankung und den weiteren erkennbaren Umständen keinem ernsthaften Zweifel unterliegen kann (im Falle der Klägerin: [X.] wegen einer seit November 2012 durchgehend bestehenden und im Januar 2013 fortdauernden depressiven Episode) und auch sonstige Gründe für einen Leistungsausschluss nicht vorliegen.

Im Falle der Klägerin verhielt es sich in Bezug auf die Obliegenheit, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ihre Ansprüche zu wahren, nach den vom [X.] in Bezug genommenen und von den Beteiligten im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht beanstandeten Feststellungen des [X.] wie folgt: Die Klägerin ging danach selbst davon aus, dass es wichtig war, schon vor dem Ende der bescheinigten [X.] eine ärztliche Folgebescheinigung zu erlangen; sie suchte deshalb bereits am [X.] [X.] auf, dem sie eröffnete, dass sie einen (extra vorverlegten) Behandlungstermin bei Frau [X.] am [X.] habe; sie sprach [X.] explizit darauf an, wie "das dann mit der Krankmeldung" aussehe, der ihr antwortete, dass [X.] sie am nächsten Tag weiter krankschreiben werde und dass dies ausreiche. Als die Klägerin dann am [X.] die [X.]-Bescheinigung von [X.] erhielt, fragte sie auch dort noch einmal nach, ob dies so in Ordnung sei; sie bat um einen Anruf der Arzthelferin in der Praxis [X.] und erhielt den Rückruf, dass die [X.]-Bescheinigung "so okay" sei. Den Unterlagen von [X.] und seiner Auskunft vom [X.] hat das [X.] entnommen, dass sich die Klägerin am [X.] in seiner Sprechstunde vorstellte und aufgrund ihrer depressiven Episode arbeitsunfähig war, weil sie nach der Einschätzung des Arztes in keiner Weise in der Lage war, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. [X.] ging von [X.] auch am [X.] aus, bescheinigte diese aber wegen des ohnehin am Folgetag bevorstehenden [X.] bei [X.] nicht schriftlich. Angesichts dieser Umstände darf der Klägerin ärztliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit der rechtzeitigen [X.] nicht entgegengehalten werden.

c) Letzteres scheidet im Falle der Klägerin und ähnlichen Fallgestaltungen vor allem deshalb aus, weil eine davon abweichende rechtliche Bewertung nicht dem Schutzbedürfnis der Versicherten in der [X.] Krankenversicherung gerecht werden würde, wie es auch in § 2 Abs 2 [X.]B I explizit hervorgehoben wird. Danach ist bei der Auslegung der Vorschriften des [X.]B sicherzustellen, dass die [X.] Rechte (hier: insbesondere dasjenige auf wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit nach § 4 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B I) "möglichst weitgehend" verwirklicht werden (zu Gehalt und Bedeutung des § 2 Abs 2 [X.]B I in der Rechtsprechung des B[X.] - jeweils mit umfangreichen Rspr-Nachweisen - näher zB [X.] in von [X.]/[X.], Festschrift 50 Jahre B[X.], 2004, 139 ff; Fichte, [X.]b 2011, 492 ff; [X.], [X.]/[X.]B 2012, 9, 13 ff; exemplarisch aus der B[X.]-Rspr B[X.]E 81, 231, 238 = [X.] 3-2500 § 5 [X.] 37 S 145 ). In diese Richtung geht letztlich auch die Rechtsprechung des [X.], wonach trotz des grundsätzlich fehlenden verfassungsrechtlichen Anspruchs auf bestimmte Leistungen der [X.] gesetzliche bzw auf dem Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen ebenso wie die nachteilige Auslegung und Anwendung von Regelungen des Leistungsrechts der [X.] durch die Fachgerichte stets daran gemessen werden müssen, ob sie im Rahmen des Art 2 Abs 1 GG gerechtfertigt sind, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen; das gilt insbesondere für diejenigen Personen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen, die in der [X.] pflichtversichert sind und denen die Möglichkeit einer davon abweichenden Absicherung nicht offen steht (vgl [X.]E 115, 25, 42 ff = [X.]-2500 § 27 [X.] Rd[X.]0 ff). In Anbetracht des Umstandes, dass das Gesetz die Versagung von Leistungsansprüchen aus dem Recht der [X.] bei unstreitiger Krankheit und ansonsten gegebenen Anspruchsvoraussetzungen nur unter qualifizierten Anforderungen ermöglicht (vgl §§ 52, 52a [X.]B V <"Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden">, auch § 146 Abs 1 S 1 [X.]B III zur Alg-Fortzahlung im Krankheitsfall), erschiene es unverhältnismäßig, einem Versicherten, der alle sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, die wegen derselben Krankheit für die Dauer von 78 Kalenderwochen innerhalb eines Dreijahreszeitraums in Betracht kommenden [X.]-Ansprüche (vgl § 48 Abs 1 [X.]B V) selbst bei einer nur einen Tag lang dauernden Lücke bei den [X.]en uneingeschränkt zu versagen (vgl auch Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des [X.]-V[X.], BT-Drucks 18/4095 [X.] f Zu Nummer 15 Zu Buchst b: die Rechtslage sei "nicht sachgerecht" und "in der Praxis gelangen Versicherte oftmals unverschuldet und ohne genaue Kenntnis über die Rechtslage in diese Situation"; kritisch insoweit bereits zB [X.], [X.] 2014, 561, 568). Dem Versicherten darf insoweit bei der unterbliebenen ärztlichen [X.] nicht mehr entgegengehalten und abverlangt werden als in dem Fall, dass ein in die vertragsärztliche Versorgung eingebundener ärztlicher Leistungserbringer, der zur Prüfung und Konkretisierung von Leistungsansprüchen auf Seiten der Krankenkassen mit berufen ist (zu diesem Gesichtspunkt vgl bereits B[X.]E 95, 219 = [X.]-2500 § 46 [X.], Rd[X.]6), die medizinische Notwendigkeit der Ausstellung einer [X.]-Bescheinigung fehlerhaft unterlässt.

d) Es ist auch nicht gerechtfertigt, der Klägerin das Risiko der Nichterteilung einer [X.]-Bescheinigung deshalb aufzuerlegen, weil es sich hier - wie die Beklagte meint - um einen Fall gehandelt habe, der einer nicht der Krankenkasse zuzurechnenden Erteilung eines fehlerhaften rechtlichen Ratschlags des Arztes vergleichbar sei. Die Beklagte beruft sich dafür unter Hinweis auf Rechtsprechung des B[X.] (B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]7; B[X.] [X.]-2500 § 192 [X.] Rd[X.]0) zu Unrecht darauf, dass eine Krankenkasse für nicht von dieser veranlasste rechtliche Ratschläge des Arztes zu den Voraussetzungen des [X.]-Anspruchs nicht einzustehen habe. Gegen die Einschlägigkeit dieses Gesichtspunkts spricht hier schon, dass sich die Klägerin selbst gar nicht in einem Irrtum über ihre eigenen Pflichten im Zusammenhang mit der Weitergewährung von [X.] befand: Sie suchte den Arzt [X.] nämlich gerade entsprechend ihrer Obliegenheit zeitgerecht bereits am [X.] zum Zwecke der Erhaltung ihrer [X.]-Ansprüche und zur weiteren [X.] auf und es fand insoweit ein [X.] statt; dennoch erfolgte keine förmliche ärztliche [X.], obwohl der aufgesuchte Arzt vom Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen ausging und nur die Erstellung einer erneuten formellen Bescheinigung für entbehrlich hielt. Die Klägerin war sich nach den Umständen mithin durchaus der Bedeutung einer zeitgerechten [X.] bewusst und fragte intensiv und hartnäckig bei beiden beteiligten Ärzten bzgl der Modalitäten der [X.] nach. Aufgrund der Äußerung von [X.] und des weiteren Geschehensablaufs durfte sie dann aber nach den Gegebenheiten auch bei objektiver Betrachtung zu Recht davon überzeugt sein, alles für die [X.]-Weiterzahlung Erforderliche unternommen zu haben.

In einer solchen Situation sind auch die von der Beklagten angestellten Erwägungen dazu, dass "von Krankenkassen nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge von zur Behandlung Versicherter zugelassenen Ärzten zwar ggf Schadensersatzansprüche gegen die Ärzte, nicht aber [X.]-Ansprüche gegen Krankenkassen auslösen" können (vgl erneut B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]7) nicht angebracht. Zum einen ging es im Falle der Klägerin am [X.] gar nicht um die bloße Einholung eines rechtlichen Ratschlags oder darum, dass die Klägerin selbst als Folge eines solchen Ratschlags von einer zeitnah begehrten ärztlichen [X.] abgehalten wurde, vielmehr fand ein rechtzeitiger [X.] tatsächlich statt.

Darüber hinaus erscheinen Hinweise auf Schadensersatzansprüche gegen einen Arzt insoweit von vornherein auch kaum erfolgversprechend. Solche Ansprüche setzen nämlich die Erbringung des Nachweises für ein Verschulden voraus, der angesichts der Regelung in § 6 der [X.]-Richtlinien des [X.] (hier noch anzuwenden idF vom 19.9.2006, BAnz [X.]41 vom 22.12.2006 S 7356) überaus zweifelhaft zu erbringen wäre, weil die [X.]-Richtlinien auch die nachträgliche [X.] durchaus ermöglichen. § 6 Abs 2 [X.]-Richtlinien sieht für den Fall der Bescheinigung der [X.] nach Ablauf der Entgeltfortzahlung vor, dass "die Bescheinigung für die [X.]-Zahlung in der Regel nicht für einen mehr als sieben Tage zurückliegenden … [X.]raum erfolgen soll". Dass ein solches dem Vertragsarzt erlaubtes rückwirkendes Attestieren der [X.] den Verlust langzeitiger [X.]-Ansprüche bewirken kann, wird nach dem [X.] einem Vertragsarzt kaum bewusst sein. Selbst in der fachgerichtlichen Rechtsprechung der Landessozialgerichte waren wiederholt Entscheidungen anzutreffen, die [X.]-Ansprüche auch unter Heranziehung des § 46 S 1 [X.] aF [X.]B V trotz rückwirkender [X.] bejaht hatten und erst im Revisionsverfahren beim B[X.] zu den für die Versicherten ungünstigen Ergebnissen führten (vgl insoweit zum Gesichtspunkt einer möglicherweise das Verschulden eines Schädigers ausschließenden gleichen fehlerhaften Bejahung der Rechtmäßigkeit durch ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Gericht <"[X.]"> in Amtshaftungsfällen: zB [X.], 97, 107 sowie [X.], 99, 105 f mwN).

e) Obwohl die Regelung in § 6 [X.]-Richtlinien für sich - objektiv - nicht in Anspruch nehmen kann, die höherrangigen gesetzlichen Voraussetzungen des [X.]-Anspruchs zu konkretisieren oder zu modifizieren, ist ihr Inhalt nach Auffassung des erkennenden Senats jedenfalls geeignet, bei den vertragsärztlichen Adressaten zumindest die Fehlvorstellung darüber auszulösen, dass auch eine nicht sogleich zeitgerecht ausgestellte Folge-[X.]-Bescheinigung zu weitreichenden negativen Konsequenzen in Bezug auf die [X.]-Ansprüche des Versicherten führt (aA wohl B[X.] <1. Senat> B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]6 die Regelung sei "ungeeignet ..., falsche Vorstellungen von den gesetzlichen Voraussetzungen des [X.]-Anspruchs oder von den Obliegenheiten Versicherter zur Wahrung ihrer Rechte zu erzeugen"). Unter dem Blickwinkel, dass Vertreter der Krankenkassen an den Beschlussfassungen im Gemeinsamen [X.] mitwirken (vgl näher § 91 [X.]B V) und auf diese Weise auch für den Inhalt der [X.]-Richtlinien mitverantwortlich sind, ist es nicht hinnehmbar, in erster Linie den auf sich gestellten Versicherten und Patienten zur Erlangung von [X.]-Surrogat-Ansprüchen auf ein wenig erfolgreich scheinendes und - anders als in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit - mit erheblichen Kostenrisiken verbundenes Regressverfahren gegen seinen behandelnden Arzt zu verweisen, zu dem typischerweise gerade ein durch die Behandlung begründetes besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Bei ansonsten zweifelsfrei zu bejahenden Anspruchsvoraussetzungen des [X.]-Anspruchs ist eine fehlerhaft unterbliebene ärztliche [X.] - gleich aus welcher Vorstellung eines Vertragsarztes heraus, insbesondere bei durch § 6 der [X.]-Richtlinien mit hervorgerufenen Fehlvorstellungen - vielmehr den Krankenkassen zuzurechnen und nicht den betroffenen Versicherten (vgl insoweit bereits Keller, [X.], 141, 144; [X.], [X.] 2014, 561, 567).

Für eine solche Sichtweise spricht auch, dass es treuwidrig anmutet, wenn sich Krankenkassen als Mitverantwortliche für den Inhalt der [X.]-Richtlinien bei einer solchen Sachlage gegenüber einem ihnen gegenüber geltend gemachten [X.]-Anspruch regelmäßig darauf berufen könnten, eine auf die [X.]-Richtlinien gegründete vertragsärztliche Fehleinschätzung gehe gleichwohl zu Lasten des Versicherten (vgl zu einer ähnlichen Konstellation des Verstoßes gegen Treu und Glauben durch das Berufen eines Sozialversicherungsträgers auf eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung, welche auf die Anwendung von Verwaltungsvorschriften zurückging, an deren Zustandekommen der Träger selbst mitbeteiligt war: B[X.] <12. Senat> B[X.]E 114, 69 = [X.]-1500 § 66 [X.], [X.] und Rd[X.]0 ff). Schließlich haben die Krankenkassen es seit Jahren mit in der Hand, durch die [X.]-Richtlinien hervorgerufene Missverständnisse durch Regelungen und Formulierungen zu beseitigen, die § 46 S 1 [X.] [X.]B V aF mit in den Blick nehmen.

f) Zusammengefasst ergibt sich nach alledem Folgendes:

Dem [X.]-Anspruch Versicherter steht eine nachträglich erfolgte ärztliche [X.] nicht entgegen, wenn

1.    

der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um

        

(a) die ärztliche Feststellung der [X.] als Voraussetzung des Anspruchs auf [X.] zu erreichen, und

        

(b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den [X.]-Anspruch erfolgt ist,

2.    

er an der Wahrung der [X.]-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (zB eine irrtümlich nicht erstellte [X.]-Bescheinigung), und

3.    

er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 [X.] [X.]B V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.

Unter diesen engen Voraussetzungen kann die ärztliche (auch nichtmedizinische) Fehlbeurteilung nicht dem Versicherten zugerechnet werden, und er kann daher ausnahmsweise rückwirkend [X.] beanspruchen. Der Senat erweitert insofern die bisher schon in der Rechtsprechung des B[X.] anerkannten engen Ausnahmefälle, in denen die ärztliche Feststellung oder die Meldung der [X.] durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem Versicherten zuzurechnen sind (vgl zusammenfassend B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]6 ff mwN), um diesen weiteren Ausnahmefall. Versicherte dürfen daher insofern nicht auf ungewisse Regressansprüche gegen den Arzt verwiesen werden. Der für das [X.] geschäftsverteilungsplanmäßig seit 2015 allein zuständige erkennende Senat hält insoweit an entgegenstehender Rechtsprechung (vgl B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]7; B[X.] [X.]-2500 § 192 [X.] Rd[X.]0; B[X.]E 118, 52 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.]9) nicht mehr fest.

g) Gegen das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eines [X.]-Anspruchs im streitigen [X.]raum bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] keine Bedenken. Erst recht gibt es keine Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch.

3. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 3 KR 22/15 R

11.05.2017

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Koblenz, 8. Juli 2014, Az: S 11 KR 224/13, Urteil

§ 44 Abs 1 S 1 SGB 5, § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 vom 20.12.1988, § 46 S 2 SGB 5 vom 16.07.2015, § 49 Abs 1 Nr 3a SGB 5, § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5, § 52 SGB 5, § 52a SGB 5, § 91 SGB 5, § 92 Abs 1 S 1 Nr 7 SGB 5, § 192 Abs 1 Nr 2 SGB 5, § 2 Abs 2 SGB 1, § 4 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 1, § 65 Abs 1 Nr 1 SGB 1, § 65 Abs 1 Nr 2 SGB 1, § 6 AURL, Art 2 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2017, Az. B 3 KR 22/15 R (REWIS RS 2017, 11077)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11077

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 3 KR 5/20 R (Bundessozialgericht)


B 3 KR 10/19 R (Bundessozialgericht)


B 3 KR 6/20 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankengeld - Beantwortung der formularmäßigen Anfrage der Krankenkasse bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit durch …


B 3 KR 9/19 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Anspruch auf Krankengeld ab dem Folgetag nach dem bis zum 22.7.2015 geltenden Recht …


B 3 KR 6/18 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Ruhen des Krankengeldanspruchs - Meldung der Arbeitsunfähigkeit - Vertragsarzt - Überlassung von Freiumschlägen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.