Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 04.05.2011, Az. 7 ABR 10/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 7053

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Gegenstand

Eingruppierung und betriebliche Vergütungsordnung


Leitsatz

Für die betriebliche Mitbestimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG kommt es nicht auf einen Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers auf die Anwendung des Tarifvertrags, sondern darauf an, ob die Vergütungsordnung im Betrieb gilt. Ist das der Fall, ist der Arbeitgeber betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, eine Eingruppierung vorzunehmen und hieran den Betriebsrat zu beteiligen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des [X.] vom 10. Dezember 2009 - 11 [X.] - insoweit aufgehoben, als auf die Beschwerde der Arbeitgeberin der Beschluss des [X.] vom 7. April 2009 - 11 [X.] - abgeändert und die Anträge des Betriebsrats hinsichtlich der Arbeitnehmer [X.] und Dr. K abgewiesen wurden:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den genannten Beschluss des [X.] wird insoweit zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die tarifgebundene Arbeitgeberin auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats eingruppieren muss, wenn sie mit diesen eine „außertarifliche“ Vergütung vereinbart.

2

Antragsteller ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gebildete 11-köpfige Betriebsrat. Bei dieser finden aufgrund eines Anerkennungstarifvertrags die Tarifverträge der Metallindustrie des Tarifgebiets [X.], darunter auch der Lohn- und [X.] für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in [X.] vom 1. Dezember 1988 ([X.]) Anwendung. Der zwischen der Arbeitgeberin und der [X.] am 8. Dezember 2008 geschlossene Tarifvertrag 1/2008 sieht für die oberste Gehaltsgruppe der kaufmännischen Angestellten ([X.]) ab dem 1. Februar 2009 eine Vergütung von 4.465,57 Euro sowie ab dem 1. Juli 2009 eine solche von 4.572,74 Euro und für die der technischen Angestellten ([X.]) ab dem 1. Februar 2009 eine Vergütung von 4.890,26 Euro sowie ab dem 1. Juli 2009 eine solche von 5.007,63 Euro vor.

3

Die Arbeitgeberin vereinbarte mit dem überwiegenden Teil der Arbeitnehmer in den Arbeitsverträgen die Geltung der einschlägigen Tarifverträge. Sie gruppierte diese Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats ein. Bei Angestellten, mit denen sie sich nicht auf die Anwendung des Tarifvertrags, sondern auf ein individuelles Gehalt verständigte, nahm sie dagegen auch dann keine Eingruppierung vor, wenn das vereinbarte Gehalt die höchste tarifliche Gehaltsgruppe nicht überstieg. Zuletzt hatten 194 der 739 Mitarbeiter einen derartigen „außertariflichen“ Vertrag.

4

Am 1. Dezember 2007 stellte die Arbeitgeberin den nicht tarifgebundenen Angestellten Dr. K als Entwicklungsingenieur ein. Mit Zustimmung des Betriebsrats gruppierte sie ihn in die [X.] ein. Am 20. Mai 2008 schloss die Arbeitgeberin mit [X.]errn Dr. K einen neuen Arbeitsvertrag. Danach sollte [X.]err Dr. K ab dem 1. Juli 2008 als Entwicklungsingenieur in ein außertarifliches Arbeitsverhältnis übernommen werden. Das Gehalt von 4.600,00 Euro zuzüglich Sondervergütungen unterliegt nach dem Arbeitsvertrag der für „[X.] übliche(n) Gehaltsüberprüfung“ jeweils zum 1. Oktober. Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat von dieser Vertragsänderung mit Schreiben vom 29. Mai 2008 und teilte ihm mit, es sei eine tarifnahe Vergütung vereinbart. Weitere vom Betriebsrat mit Schreiben vom 9. Juni 2008 verlangte Information lehnte die Arbeitgeberin ab.

5

Im März 2008 schrieb die Arbeitgeberin die Stelle einer Personalreferentin/eines Personalreferenten zum 1. Oktober 2008 aus, die mit der „Lohn-/Gehaltsgruppe“ „[X.] je nach Qualifikation“ bewertet wurde. Mit Schreiben vom 14. Juli 2008 unterrichtete sie den Betriebsrat über ihre Absicht, die Stelle mit [X.] zu besetzen und bat um Zustimmung zur Einstellung. Dabei wies sie darauf hin, die Einstellung erfolge außertariflich. Der mit [X.] geschlossene Arbeitsvertrag vom 15. Juli 2008 sieht ein Gehalt von 3.500,00 Euro vor, das sich ab dem 1. April 2009 auf 3.750,00 Euro und ab dem 1. Oktober 2009 auf 4.000,00 Euro erhöht. Das vom Betriebsrat mit Schreiben vom 18. Juli 2008 geäußerte Verlangen nach näherer Information zur Eingruppierung der [X.] lehnte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 21. Juli 2008 mit dem [X.]inweis ab, dass die Vergütung von [X.] wegen des [X.] „kein Thema für die Mitbestimmung“ sei, da es keine Zuordnung zu einem tariflichen oder betrieblichen Eingruppierungssystem gebe.

6

Der Betriebsrat hat in dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, die Arbeitnehmer Dr. K und [X.] in den [X.] einzugruppieren, hierzu seine Zustimmung einzuholen und im Falle der Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen. Die von der Arbeitgeberin vorzunehmende Beurteilung, ob ein Mitarbeiter der [X.] des [X.] [X.] und wie er einzugruppieren sei, unterliege seiner [X.].

7

Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - zuletzt beantragt,

        

der Arbeitgeberin aufzugeben, die Arbeitnehmer Dr. K und [X.] in die Lohn- und Gehaltsordnung des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrags I (LGRTV I) der Metallindustrie Südbaden vom 1. Dezember 1988 einzugruppieren und seine Zustimmung zu dieser Eingruppierung zu beantragen und für den Fall seiner Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Nach ihrer Auffassung besteht keine Pflicht zur Eingruppierung der genannten Mitarbeiter. Für eine Verpflichtung zur Eingruppierung genüge es nicht, dass ein Vergütungssystem im Betrieb vorhanden sei. Voraussetzung sei vielmehr die Anwendbarkeit des Vergütungssystems auf das konkrete Arbeitsverhältnis. [X.]ieran fehle es. Sie sei weder nach dem Tarifvertrag noch aufgrund einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Bezugnahme, betrieblicher Übung oder nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, den [X.] auf die Arbeitsverhältnisse der [X.] und des [X.]errn Dr. K anzuwenden. Da diese keine Gewerkschaftsmitglieder seien, stehe den mit ihnen geschlossenen außertariflichen Vereinbarungen nichts entgegen.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Das [X.] hat ihn abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Antrag des Betriebsrats ist entgegen der Auffassung des [X.]s begründet. Die Arbeitgeberin ist nach § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.] verpflichtet, die Angestellten Dr. K und [X.] anhand des [X.]s des [X.] einzugruppieren und den Betriebsrat daran zu beteiligen. Der Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Eingruppierung der beiden Arbeitnehmer steht nicht entgegen, dass diese nicht tarifgebunden sind. Für die [X.]e Pflicht zur Eingruppierung genügt es, dass der [X.] die kollektive, im Betrieb der Arbeitgeberin geltende [X.] ist.

I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.

1. Er ist dahin zu verstehen, dass der Betriebsrat bezogen auf die genannten Arbeitnehmer eine Eingruppierungsentscheidung „anhand“ oder „nach Maßgabe“ des [X.] - und nicht zwingend in eine der im [X.] enthaltenen Vergütungsgruppen - verlangt. Das Begehren umfasst eine von der Arbeitgeberin vorzunehmende rechtliche Beurteilung, ob die Angestellten Dr. K und [X.] aufgrund ihrer Tätigkeiten einer bestimmten Gehaltsgruppe der [X.] zuzuordnen sind. In diesem Sinn haben die Vorinstanzen die von der Arbeitgeberin vorzunehmende Beurteilung zu Recht als „ergebnisoffen“ angesehen. Jedenfalls [X.] ist es nicht ausgeschlossen, dass die Tätigkeit der beiden Arbeitnehmer innerhalb der tariflichen [X.] abgebildet ist.

2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist hinreichend erkennbar, zu welchen Maßnahmen die Arbeitgeberin verpflichtet werden soll.

3. Dem Leistungsantrag fehlt es nicht etwa ausnahmsweise am Rechtsschutzbedürfnis. Die Arbeitgeberin lehnt mit dem [X.]inweis, hierzu nicht verpflichtet zu sein, eine Eingruppierung der Arbeitnehmer [X.] und Dr. K ab.

II. Der Antrag ist begründet. Der Betriebsrat hat in entsprechender Anwendung von § 101 [X.] einen Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin über die Ein- bzw. Umgruppierung der Angestellten [X.] und Dr. K eine Entscheidung nach Maßgabe des [X.] trifft, dazu gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] seine Zustimmung beantragt und im Falle der frist- und ordnungsgemäßen Verweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einleitet. Entgegen der Auffassung des [X.]s entfällt die Pflicht zur Eingruppierung nicht deshalb, weil ein Anspruch der Arbeitnehmer [X.] und Dr. K auf Anwendung des [X.] auf ihre Arbeitsverhältnisse nicht festgestellt und - wohl auch - nicht feststellbar ist. Für die [X.]e Pflicht der Arbeitgeberin zur Eingruppierung genügt es, dass der [X.] die im Betrieb geltende tarifliche [X.] ist.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann der Betriebsrat in Fällen, in denen der Arbeitgeber die gebotene Ein- oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers unterlässt, in entsprechender Anwendung von § 101 [X.] zur Sicherung seines [X.]srechts nach § 99 Abs. 1 [X.] beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Ein- oder Umgruppierungsentscheidung vorzunehmen, ihn um Zustimmung zu ersuchen und im Falle der beachtlichen Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten (vgl. etwa [X.] 14. April 2010 - 7 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.] 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 44 = EzA [X.] 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 5). Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Eingruppierung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen. § 99 Abs. 1 Satz 2 [X.] verpflichtet den Arbeitgeber, bei Einstellungen und Versetzungen insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Verlangt das Gesetz die Mitteilung der vorgesehenen Eingruppierung, setzt dies voraus, dass der Arbeitgeber zuvor eine entsprechende Beurteilung vornimmt. An dieser hat er den Betriebsrat zu beteiligen.

a) Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die - erstmalige oder erneute - Einreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende [X.]. Sie besteht in der Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der [X.] nach Maßgabe der dafür gültigen Kriterien. Bei einer Eingruppierung handelt es sich um keinen konstitutiven Akt, sondern um Rechtsanwendung und die Kundgabe einer Rechtsansicht (vgl. etwa [X.] 11. November 2008 - 1 [X.] - Rn. 23, [X.]E 128, 265; 12. Januar 2011 - 7 [X.] - Rn. 16).

b) Umgruppierung ist jede Änderung der Einreihung in eine [X.]. Eine Umgruppierung liegt nicht nur vor, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, den eingruppierten Arbeitnehmer einer anderen Vergütungsgruppe der gleichen oder einer anderen [X.] zuzuordnen. Eine mitbestimmungspflichtige Beurteilung in diesem Sinne nimmt der Arbeitgeber auch dann vor, wenn er aufgrund einer Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, der Arbeitnehmer sei nicht mehr in eine der [X.] der maßgeblichen [X.] einzugruppieren, weil die vorgesehene Tätigkeit höher wertige Qualifikationsmerkmale als die höchste Vergütungsgruppe aufweist, oder wenn sich die Tätigkeit eines Arbeitnehmers oder die maßgebliche betriebliche [X.] ändert. Gibt es außerhalb der zuvor angewandten [X.] nur einen nicht weiter gestuften Bereich, begrenzt sich die [X.] des Betriebsrats auf die Richtigkeit der Feststellung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer [X.] nicht mehr der bisherigen [X.]. Gelangt der Arbeitgeber als Folge der - [X.] - Änderung des Arbeitsvertrags zu der Auffassung, die bisherige Eingruppierung in eine bestimmte Vergütungsgruppe des maßgeblichen Vergütungssystems sei durch den Abschluss eines [X.] insgesamt überholt, hat er den Betriebsrat an der „[X.]“ eines tariflich eingruppierten Arbeitnehmers im Rahmen der [X.] an dieser Entscheidung zu beteiligen (vgl. [X.] 26. Oktober 2004 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a aa der Gründe, [X.]E 112, 238; 12. Dezember 2006 - 1 [X.] - Rn. 15, [X.]E 120, 303).

c) Die Verpflichtung zur Ein- und Umgruppierung setzt eine im Betrieb geltende [X.] voraus.

aa) Eine [X.] im Sinne von § 99 Abs. 1 [X.] ist ein kollektives - und jedenfalls bei Geltung nur eines betrieblichen Vergütungssystems - mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltendes [X.], das eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer der Vergütungsgruppen nach bestimmten generell beschriebenen Merkmalen vorsieht. Woraus sich die Geltung der [X.] ergibt, ist unerheblich. Sie kann in einem Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein ([X.] 12. Januar 2011 - 7 [X.] - Rn. 16 mwN).

bb) Das [X.] hat bisher regelmäßig formuliert, die Verpflichtung zur Eingruppierung setze eine „im Betrieb und für den Arbeitnehmer geltende [X.]“ voraus (vgl. etwa [X.] 12. Dezember 2006 - 1 [X.] - Rn 19, [X.] 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 27 = EzA [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 13; 8. Dezember 2009 - 1 [X.] - Rn. 20, [X.] BGB § 613a Nr. 380 = EzA [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 20; 14. April 2010 - 7 [X.] - Rn. 12, [X.] 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 44 = EzA [X.] 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 5). Wiederholt hat es auch von einem „auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag“ gesprochen (vgl. etwa [X.] 12. Dezember 2000 - 1 ABR 23/00 - zu B I der Gründe, EzA [X.] 1972 § 87 [X.] Nr. 20; 12. Januar 2011 - 7 [X.] - Rn. 16; 9. März 2011 - 7 [X.] - Rn. 17). Soweit dies dahingehend verstanden werden kann, eine [X.]e Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung eines Arbeitnehmers bestehe nur, wenn dieser selbst aufgrund beiderseitiger Tarifbindung, einzelvertraglicher Bezugnahme oder aus anderen Gründen einen Anspruch auf Anwendung des Tarifvertrags habe, hält daran der - seit dem 1. Januar 2010 für [X.]e Streitigkeiten über die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen ausschließlich zuständige - beschließende Senat nicht fest. Für die betriebliche Mitbestimmung nach § 99 Abs. 1 [X.] kommt es nicht auf einen Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers auf die Anwendung des Tarifvertrags, sondern darauf an, ob die [X.] im Betrieb gilt. Ist das der Fall, ist der Arbeitgeber [X.] verpflichtet, eine Eingruppierung vorzunehmen und hieran den Betriebsrat zu beteiligen. Dabei verlangt der Streitfall keine Entscheidung über Folgen der [X.] gebotenen Eingruppierung auf die vergütungsrechtlichen Ansprüche nicht tarifgebundener Arbeitnehmer.

(1) Allerdings handelt es sich bei tariflichen Bestimmungen, die der zutreffenden Eingruppierung in eine tarifliche [X.] und der tariflichen Vergütungsgerechtigkeit dienen, regelmäßig nicht etwa um Betriebsnormen iSv. § 3 Abs. 2 [X.], die unabhängig von der Tarifbindung der Arbeitnehmer für alle Betriebe des tarifgebundenen Arbeitgebers gelten, sondern um Inhaltsnormen iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. [X.] 18. März 2008 - 1 [X.] - Rn. 29, [X.]E 126, 176). Für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer gilt eine tarifliche [X.] daher nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] unmittelbar und zwingend. Das bedeutet aber nicht, dass deshalb die [X.]e Pflicht des Arbeitgebers zur Eingruppierung dieser Arbeitnehmer entfiele. Die in § 99 Abs. 1 Satz 2 [X.] vorausgesetzte Pflicht des Arbeitgebers zur Eingruppierung und die in § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgesehene Beteiligung des Betriebsrats dient der Transparenz und der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit. Der Arbeitgeber soll prüfen, welcher Stufe der in seinem Betrieb geltenden [X.] ein Arbeitnehmer nach den Kriterien dieser [X.] zuzuordnen ist, und bei dieser Beurteilung den Betriebsrat beteiligen. Es geht also nicht - jedenfalls nicht primär - um die Prüfung individueller Vergütungsansprüche, sondern um die Beachtung der kollektiv geltenden [X.].

(2) Dem entspricht die Rechtsprechung des [X.] zur Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] bei der Änderung einer im Betrieb geltenden [X.]. Auch insoweit kommt es nicht auf die individuellen Vergütungsansprüche der einzelnen Arbeitnehmer, sondern auf die kollektive betriebliche Geltung der [X.] an. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] unterliegt die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung durch den Arbeitgeber der Mitbestimmung, soweit nicht eine Regelung nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz [X.] besteht (vgl. [X.] 3. Dezember 1991 - [X.] - zu [X.] 3 c der Gründe, [X.] 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 52). Für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats ist unerheblich, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze beruht. Nach der Konzeption des § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] hängt das Mitbestimmungsrecht nur vom Vorliegen eines kollektiven Tatbestands ab (vgl. [X.] 22. Juni 2010 - 1 [X.] - Rn. 22, EzA [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 22). Der Arbeitgeber kann die Entlohnungsgrundsätze einer im Betrieb geltenden [X.] deshalb nach dem Wegfall des ursprünglichen [X.] nicht einseitig verändern ([X.] 8. Dezember 2009 - 1 [X.] - Rn. 21, [X.] BGB § 613a Nr. 380 = EzA [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 20). Auch wenn die normative Geltung eines Tarifvertrags mit dem Übergang des Betriebs auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber endet, ist dieser [X.] gehalten, das bei dem Veräußerer geltende tarifliche [X.] mit dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Inhalt fortzuführen. Zwar entfällt mangels Tarifbindung des Erwerbers der bisherige Geltungsgrund der [X.]. Gleichwohl bleibt die ursprünglich tarifliche [X.] die für den Betrieb maßgebliche Entgeltstruktur ([X.] 8. Dezember 2009 - 1 [X.] - Rn. 23, aaO). Nur bei diesem Verständnis lässt sich der Zweck des Beteiligungsrechts erreichen, die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientierten Lohngestaltung zu schützen und durch Einbeziehung des Betriebsrats zur Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie zur Sicherung der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des [X.] beizutragen ( vgl. [X.] 22 Juni 2010 - 1 [X.] - Rn. 21, aaO ).

(3) Ein Verständnis, wonach der Arbeitgeber nur bei Anwendbarkeit des Tarifvertrags zur Eingruppierung verpflichtet sei, geriete auch in ein kaum sachgerecht aufzulösendes Spannungsverhältnis zu der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer. Um seine Pflicht zur Eingruppierung anlässlich der Einstellung prüfen zu können, müsste der tarifgebundene Arbeitgeber Kenntnis von der Gewerkschaftszugehörigkeit des einzustellenden Arbeitnehmers haben. [X.]iervon könnte er regelmäßig nur durch eine entsprechende, vor der Einstellung gestellte Frage an den Arbeitnehmer Kenntnis erlangen. Um eine mögliche, gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 GG verstoßende Diskriminierung von [X.] bei der Einstellung zu verhindern, geht aber das [X.] davon aus, dass Bewerber grundsätzlich nicht gezwungen werden sollen, vor der Einstellung ihre Gewerkschaftszugehörigkeit zu offenbaren ([X.] 28. März 2000 - 1 [X.] - zu II 2 d aa bis cc der Gründe, [X.]E 94, 169, vgl. auch [X.]/[X.] 11. Aufl. Art. 2 GG Rn. 96; [X.]/Preis § 611 BGB Rn. 278). Auch dies spricht für eine von der Tarifbindung des einzustellenden Arbeitnehmers unabhängige Pflicht des Arbeitgebers zur Eingruppierung in die bei ihm geltende [X.].

(4) Schließlich eröffnet auch erst die vom Arbeitgeber vorgenommene und vom Betriebsrat mitbeurteilte Eingruppierung dem Arbeitnehmer, der insbesondere aufgrund seiner Gewerkschaftszugehörigkeit oder aber auch aus anderen Rechtsgründen Anspruch auf Anwendung des Tarifvertrags hat, die Prüfung, ob eine zwischen ihm und dem Arbeitgeber getroffene Vereinbarung dem tariflichen Anspruch entspricht oder diesen über- oder unterschreitet. Bei einer etwaigen Unterschreitung kann er nach Eingehung des Arbeitsverhältnisses - unter Offenlegung seiner Gewerkschaftszugehörigkeit - die sich aus § 4 Abs. 3 [X.] ergebende Unzulässigkeit der einzelvertraglichen Vereinbarung geltend machen. Damit trägt die von der konkreten Tarifbindung des einzelnen Arbeitnehmers unabhängige Eingruppierung in die tarifliche [X.] auch zur Einhaltung der Tarifverträge bei, ohne dass ein Arbeitnehmer zur Beurteilung etwaiger tariflicher Ansprüche - quasi auf Verdacht - seine Gewerkschaftszugehörigkeit offenbaren müsste.

(5) Der Streitfall verlangt keine abschließende Beurteilung der Frage, welche Wirkung auf die individuellen Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers die [X.] gebotene Eingruppierung hat, die der Arbeitgeber mit - unmittelbar erteilter oder vom Arbeitsgericht ersetzter - Zustimmung des Betriebsrats vornimmt (vgl. zur begrenzten individualrechtlichen Bindungswirkung einer in einem Zustimmungsersetzungsverfahren ergangenen gerichtlichen Entscheidung [X.] 3. Mai 1994 - 1 [X.] - zu [X.] 2 c bb der Gründe, [X.]E 77, 1). Jedenfalls folgt aus der Pflicht des Arbeitgebers, auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer in die in seinem Betrieb geltende tarifliche [X.] einzugruppieren, keineswegs ohne Weiteres ein mit der Eingruppierung korrespondierender Anspruch dieser Arbeitnehmer.

2. [X.]iernach ist die Arbeitgeberin verpflichtet, anlässlich der Einstellung der kaufmännischen Angestellten [X.] eine Eingruppierungsentscheidung und infolge der Vertragsänderung mit dem technischen Angestellten Dr. K eine Umgruppierungsentscheidung nach Maßgabe des [X.] zu treffen, zu beiden personellen Maßnahmen die Zustimmung des Betriebsrats zu beantragen und im Falle der frist- und ordnungsgemäßen Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Die fehlende Tarifbindung der Arbeitnehmer Dr. K und [X.] sowie die mit diesen getroffenen „außertariflichen“ Vereinbarungen stehen der [X.]en Pflicht der Arbeitgeberin, auch diese beiden Arbeitnehmer nach Maßgabe der in ihrem Betrieb geltenden tariflichen [X.] einzugruppieren, nicht entgegen. Die Arbeitgeberin hat die Eingruppierung nicht etwa schon vorgenommen. Sie hat nicht anhand der Kriterien des [X.] geprüft, welcher Vergütungsgruppe die beiden Arbeitnehmer zuzuordnen sind oder ob etwa ihre Tätigkeit in der tariflichen [X.] nicht abgebildet ist. Sie hat sich vielmehr - aus ihrer Sicht konsequent - auf den Standpunkt gestellt, zu einer solchen Beurteilung nicht verpflichtet zu sein.

        

    Linsenmaier    

        

    Gallner    

        

    [X.]    

        

        

        

    [X.]olzhausen    

        

    Donath    

                 

Meta

7 ABR 10/10

04.05.2011

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Freiburg (Breisgau), 7. April 2009, Az: 11 BV 19/08, Beschluss

§ 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 99 Abs 1 S 2 BetrVG, § 101 BetrVG, § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, Art 9 Abs 3 GG, § 3 TVG, § 4 Abs 1 S 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 04.05.2011, Az. 7 ABR 10/10 (REWIS RS 2011, 7053)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7053

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8 TaBV 140/09 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


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