Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2015, Az. IV ZB 23/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 555

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:161215IVZB23.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 23/15
vom

16. Dezember 2015

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterinnen Dr.
Brockmöller und [X.]

am 16. Dezember 2015

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivil-senats des [X.] vom 13. Mai 2015 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

[X.]: bis

Gründe:

[X.] Die Klägerin begehrt von der Beklagten
Rückzahlung eines be-haupteten Darlehens und Erstattung angeblich in ihrem Auftrag getätigter Aufwendungen.

Das der Klage stattgebende Urteil des [X.] ist dem Pro-zessbevollmächtigten der Beklagten am 29. Oktober 2014 zugestellt
worden. Nachdem dieser fristgerecht Berufung eingelegt hatte, ist die Frist zur Begründung der Berufung zuletzt bis zum 13. April 2015 verlän-gert worden.
An diesem Tag ist beim [X.] ein Telefax ein-gegangen, dessen Übermittlung um 23.53 Uhr abgeschlossen war. Es umfasste 14 Blatt und enthielt die [X.] sowie die Begrün-1
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dung des Rechtsmittels. Mit der Überschrift "D. Zulassung der Revision" brach es ab und war nicht unterzeichnet. Am Folgetag ist das Original des Schriftsatzes mit einer Seite 15 beim Berufungsgericht eingegangen, die auch die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten trug.

Nach Hinweis des Berufungsgerichts hat der [X.] der Beklagten mit am 4. Mai 2015 eingegangenem
Schriftsatz [X.] in den vorigen Stand beantragt wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung.
Hierzu hat er ausgeführt, er habe den Schriftsatz am 13. April 2015 gegen 23.30 Uhr fertiggestellt und an-schließend ausgedruckt. Nach Unterzeichnung habe er das Original des Schriftsatzes auf das Faxgerät seiner Kanzlei gelegt und den Startknopf gedrückt. Die Übermittlung des Faxes habe um 23.46
Uhr begonnen und sei um 23.53 Uhr mit dem Ausdruck des Sendeberichts, der den Vermerk "ok" enthalten habe, abgeschlossen gewesen. Das Gerät habe Seite für Seite eingezogen. Fehler habe er nicht beobachtet. Erst am nächsten Tag nach einem telefonischen Hinweis des Gerichts habe er festgestellt, dass nur 14 Seiten übermittelt worden seien. Ein solcher Fehler des Faxgerätes sei nach seiner Kenntnis weder zuvor noch in der Folge [X.] aufgetreten.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurück-gewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, dass den Prozessbevollmächtigten der Beklagten kein Verschulden an der Fristversäumung treffe. Er habe bei der Übermittlung der [X.] aus mehreren Gründen die Sorgfalt einer ordentlichen [X.] nicht walten lassen. So habe er den sich auf die Übermittlung 3
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der Berufungsbegründung beziehenden Sendebericht nicht hinreichend kontrolliert, weshalb ihm entgangen
sei, dass die Übermittlung [X.] war. Die
Beklagte habe
nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass die Unterlassung nicht ursächlich für die Fristversäumnis gewesen sei. Abgesehen davon, dass noch weitere sieben Minuten für einen zwei-ten Übertragungsversuch zur Verfügung gestanden hätten, scheitere ei-ne Entlastung der Beklagten daran,
dass nicht dargetan worden sei, dass dieser sieben Minuten in Anspruch genommen hätte. Soweit das Faxge-rät des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ungewöhnlich langsam arbeiten sollte oder die Übermittlungsverzögerung auf einer übermäßigen Beanspruchung
des Faxgerätes beruhte, läge das Verschulden darin, dass mit der Übermittlung der Berufungsbegründung durch Telefax erst um 23.46 Uhr begonnen worden sei.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts wendet sich die [X.] mit ihrer Rechtsbeschwerde.

I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr. 1, §
522 Abs.
1 Satz 4, § 238 Abs.
2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO fehlt. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht eine Ent-scheidung des [X.]. Eine solche ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Die Entschei-dung des Berufungsgerichts verletzt nicht die Verfahrensgrundrechte der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), den Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf Ge-währung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).
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1. Rechtsfehlerfrei war das Berufungsgericht der Auffassung, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfolgen konnte, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Frist zur Begründung der Berufung schuldhaft versäumt habe und sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO sein Verschulden zurechnen lassen müsse.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] muss ein Rechtsanwalt durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Feh-lerquellen bei der Behandlung von [X.] in größtmöglichem Um-fang ausschließen. Bei der Übermittlung eines Schreibens per Telefax darf daher der [X.] erst dann als abgeschlossen ange-sehen werden, wenn sich der Absender von der ordnungsgemäßen, ins-besondere vollständigen Übermittlung überzeugt hat. Über die konkrete Übermittlung muss ein
Sendeprotokoll ausgedruckt und anhand dessen überprüft werden, ob alle Seiten des [X.] neben den er-forderlichen Anlagen übermittelt wurden ([X.], Beschlüsse
vom 29. Juni 2010

[X.] 3/09, [X.], 1515 Rn. 8; vom 13. Juni 1996

VII ZB
13/96, [X.], 1523
unter 2;
Urteil vom 29. April 1994

[X.], [X.], 1494 unter 2 b; jeweils m.w.[X.]).

Nach diesem Maßstab war das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei der Ansicht, dass es den an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten
zu stellenden Sorgfaltsanforderungen widersprach, dass er lediglich be-obachtet hatdes [X.]sat-zes vom Faxgerät eingezogen wurde, nicht aber, wie er selbst einge-räumt hat, unmittelbar nach Versendung des Schriftsatzes die
Seiten der [X.] noch einmal durchgezählt und mit den [X.] im Sendebericht verglichen hat. Auch wenn das Faxge-rät weder vor noch nach dem
13. April 2015
Grund zur Beanstandung 8
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gegeben hat, wie die Beklagte behauptet, ändert dies nichts an der Ver-pflichtung des Prozessbevollmächtigten zur Überprüfung einer [X.] und vollständigen Übertragung im konkreten Einzelfall.

2. Das Berufungsgericht hat -
anders als die Beschwerde meint -
auch nicht gehörswidrig und willkürlich (Art. 103
Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) die zeitlichen Abläufe für eine erneute Faxübersendung gewürdigt, soweit es festgestellt hat, der vorgenannte Pflichtverstoß sei für die Säumnis der Frist kausal geworden. Der Prozessbevollmächtigte der [X.]n hat

wie das Berufungsgericht beanstandungsfrei angenommen hat

nichts Konkretes dazu vorgetragen, dass ein erneuter Übertra-gungsversuch tatsächlich wieder etwa sieben Minuten gedauert hätte. Soweit er mit Wiedereinsetzungsantrag vom 4. Mai 2015 behauptet hat, dass der [X.], die Feststellung des Fehlers, die erneute An-wahl des Faxgeräts und das Einlesen der Seiten schon bis 24.00 Uhr gedauert hätten, so dass die erneute Übertragung von 6:40 Minuten erst am 14.
April 2015 erfolgt wäre, ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass dies eine ungewöhnlich lange Zeit sei. Dies lässt auch bei Berücksichtigung des Vorbringens der Rechtsbeschwerde keine durch-greifenden Rechtsfehler erkennen. Wenn die Übermittlung eines 15-sei-tigen Telefaxes mit dem benutzten Gerät tatsächlich eine solch lange Zeit benötigte, so war der Beginn der Versendung um 23.46
Uhr bereits zu spät.

3. Schließlich hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht den fehlerhaften Obersatz aufgestellt, dass ein Rechtsanwalt keine langsam arbeitenden
Faxgeräte verwenden dürfe; insoweit besteht auch kein weitergehender Klärungsbedarf.

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Zwar darf ein Rechtsanwalt bei Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen (vgl. z.B. [X.], Beschluss vom 3. Mai 2011

[X.], juris Rn. 9 m.w.[X.]). Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz

wie hier -
am letzten [X.], muss aber sicherstellen, dass der Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht. Das zur Fristwahrung Gebotene hat der Anwalt bei der Übermittlung des Schriftsatzes per Fax daher nur getan, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24.00 Uhr hätte gerechnet werden können ([X.] aaO; [X.],
NJW 2000, 574). [X.] der Rechtsanwalt den Begründungs-schriftsatz erst kurz vor Ablauf der Frist per Telefax übermitteln, muss er besonders darauf achten, dass bei der Übermittlung keine Fehler passie-ren ([X.], Beschluss vom 2. August 2006

XII ZB 84/06,
VersR 2007, 1581 Rn. 7 m.w.[X.]).

Das war hier, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, nicht der Fall. Eine [X.] muss nach ständiger Rechtsprechung bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu

insbesondere auch in den Abend-
und Nachtstunden

die Belegung des [X.] bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört; ein Anwalt muss dem im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen [X.] Sicherheitszuschlag Rechnung
tragen ([X.], Beschlüsse vom 3.
Mai 2011

[X.], juris Rn. 10
m.w.[X.] und vom 27. November 2014

III ZB 24/14, [X.], 323 Rn.
8 m.w.[X.]). Der Prozessbe-vollmächtigte der Beklagten hätte dementsprechend deutlich früher als um 23.46 Uhr mit der Versendung der Berufungsbegründung beginnen 13
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müssen;
dies gilt insbesondere dann, wenn sein Vortrag zugrunde gelegt wird, dass die Übersendung eines 15-seitigen Schriftsatzes mit seinem Faxgerät etwa sieben Minuten dauert.

[X.] [X.]

[X.]

Dr. Brockmöller [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.10.2014 -
99 [X.]/14 -

KG Berlin, Entscheidung vom 13.05.2015 -
2 [X.] -

Meta

IV ZB 23/15

16.12.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2015, Az. IV ZB 23/15 (REWIS RS 2015, 555)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 555

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XI ZB 24/10

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