Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. B 11 AL 30/10 R

11. Senat | REWIS RS 2011, 3737

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Arbeitslosengeld - Sperrzeit bei Meldeversäumnis - versehentliche Meldung erst am Folgetag - kein wichtiger Grund - keine analoge Anwendung des § 309 Abs 3 S 2 SGB 3 - Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsfolgen)


Leitsatz

1. Eine Sperrzeit bei Meldeversäumnis tritt auch dann ein, wenn sich der Arbeitslose aus Versehen einen Tag später als aufgefordert bei der Agentur für Arbeit meldet.

2. Die Sanktionsfolgen der Sperrzeit bei Meldeversäumnis, insbesondere das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum von einer Woche, sind nicht verfassungswidrig.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 11. August 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld [X.]) wegen Eintritts einer Sperrzeit bei [X.] im [X.]raum vom 15. bis 21.5.2007 geruht hat, sich die Anspruchsdauer entsprechend gemindert hat und die Beklagte zur (nachträglichen) Aufhebung der Leistungsbewilligung für diesen [X.]raum berechtigt war.

2

Die 1952 geborene Klägerin, von Beruf Altenpflegerin, bezog seit dem 2.8.2006 [X.] (Bewilligungsbescheid vom [X.]). Unter dem 18.4.2007 lud die Beklagte sie zu einem Termin am [X.] um 11:00 Uhr ein; Gegenstand des Termins sollten die berufliche Situation der Klägerin und ihr Bewerberangebot sein. Das Einladungsschreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung. Infolge fehlerhafter Notierung dieses Termins erschien die Klägerin nicht am [X.], sondern am Folgetag um 11:00 Uhr bei der [X.]. An diesem Tag fand kein Gespräch zwischen ihr und der zuständigen Sachbearbeiterin der [X.] statt; stattdessen erhielt die Klägerin eine erneute Einladung zum 21.5.2007. Diesen Termin nahm die Klägerin pünktlich wahr.

3

Mit Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2007 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung für die [X.] vom 15. bis zum 21.5.2007 auf und stellte eine entsprechende Minderung der Anspruchsdauer fest, weil der Anspruch der Klägerin wegen des Eintritts einer Sperrzeit bei [X.] für eine Woche ruhe (§ 144 Abs 1 Satz 2 [X.], § 128 Abs 1 [X.] <[X.]B III>).

4

Das Sozialgericht ([X.]) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom [X.]). Auf die - vom [X.] zugelassene - Berufung hat das [X.] (L[X.]) das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Aufhebungsentscheidung (§ 48 Abs 1 Satz 2 [X.] <[X.]B X>) sei rechtmäßig. Nach § 309 Abs 3 Satz 2 [X.]B III sei zwar eine Meldung zu einer anderen als der bestimmten Tageszeit ausreichend, wenn sie "am selben Tag" erfolge und der Zweck der Meldung erreicht werden könne. Diese Bestimmung sei über ihren Wortlaut hinaus nicht iS einer erweiternden Auslegung auf Fälle einer um 24 Stunden verspäteten Meldung am Folgetag anwendbar. Einer analogen Anwendung sei die Vorschrift aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts ("zu einer anderen [X.] am selben Tag") nicht zugänglich. Daher sei auch nicht aufzuklären, ob der Zweck der Meldung iS des § 309 Abs 3 Satz 2 [X.]B III durch die Vorsprache der Klägerin am 15.5.2007 noch habe erreicht werden können. Der Klägerin habe kein wichtiger Grund zur Seite gestanden. Die Klägerin habe lediglich - fahrlässig - den Meldetermin unzutreffend erinnert. Die Sperrzeit führe zum Ruhen des Anspruchs auf [X.]; zudem mindere sich die Anspruchsdauer um die Tage der Sperrzeit. Die Sanktionsfolge des § 144 Abs 6 [X.]B III sei auch nicht verfassungswidrig. oder unverhältnismäßig.

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts (§ 309 Abs 2 Satz 3 [X.]B III; Art 3 Abs 1, Art 14 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ) und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Das [X.] ([X.]) habe bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eine ausnahmslose pauschale Kürzung des [X.] als unzumutbar erachtet, soweit ein Arbeitsloser aus Unerfahrenheit, Unverständnis für Verwaltungsvorgänge, aus Unachtsamkeit oder aus anderen Gründen seiner Meldepflicht nicht nachgekommen sei. Auch die Sanktion von einer Woche stelle vor diesem Hintergrund einen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentum dar und müsse unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit beurteilt werden. Gemäß § 144 Abs 6 [X.]B II sei Folge des [X.]ses eine pauschale Sperrzeit; eine Abwägung im Einzelfall lasse das Gesetz nicht zu. Überdies sei ein versehentliches Terminversäumnis kein vorwerfbares versicherungswidriges Verhalten iS des § 144 Abs 1 iVm § 309 [X.]B III; die Versichertengemeinschaft werde nicht tangiert, weil der Zweck ihrer, der Klägerin, Meldung lediglich in der Besprechung ihrer beruflichen Situation und des Bewerberangebots gelegen habe. Dieser Zweck habe bei der Besprechung eine Woche später nachgeholt werden können. Im Übrigen bestehe bei der Meldung einen Tag später kein Unterschied zu dem von § 309 Abs 3 Satz 2 [X.]B III umfassten Fall, in dem ein Betroffener noch am selben Tag - aber nach Dienstschluss des Sachbearbeiters - die Meldung [X.]; auch in diesem Fall könne der [X.] erst bei dem - nachgeholten - Gespräch mit dem Sachbearbeiter erfüllt werden.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.]s Nordrhein-Westfalen vom 11. August 2010 aufzuheben und die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 27. August 2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>).

Das [X.] hat zutreffend die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids der [X.] vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2007 bestätigt.

1. Gegenstand des Verfahrens (§ 95 [X.]G) sind die Verfügungen der [X.] vom [X.] betreffend den Eintritt einer Sperrzeit bzw das Vorliegen eines Ruhenszeitraums vom 15. bis 21.5.2007, die Aufhebung des [X.] für diesen [X.]raum und die Minderung der Anspruchsdauer (vgl ua B[X.] Urteil vom [X.] - B 7 [X.] 33/09 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.]0 mwN).

2. Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom [X.] misst sich an § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] ([X.]) iVm § 330 Abs 3 [X.]. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 [X.] 4 [X.] iVm § 330 Abs 3 [X.] ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom [X.]punkt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Der Bescheid der [X.] vom [X.] war ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung; er hatte die Bewilligung von [X.] ab August 2006 für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen zum Gegenstand. Wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl nur [X.], 73 = [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.]). Hier ist wegen des Eintritts einer Sperrzeit ein Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 144 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 [X.] eingetreten (dazu sogleich unter 3). Schließlich sind auch die subjektiven Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] 4 [X.] gegeben. Das [X.] hat dabei entsprechend der ständigen Rechtsprechung des B[X.] bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit einen subjektiven Maßstab angelegt (vgl [X.], 73 = [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.]4 mwN). Soweit sich die Klägerin gegen die Feststellungen des subjektiven Verschuldens wendet, ist zu beachten, dass die Entscheidung über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nur in engen Grenzen revisionsrechtlich nachprüfbar ist. Das Revisionsgericht prüft insoweit lediglich, ob das [X.] den Begriff der groben Fahrlässigkeit als solchen verkannt hat, sowie, ob es beachtet hat, dass sich die Bösgläubigkeit grundsätzlich auf den zurückzunehmenden Teil des Verwaltungsakts erstrecken muss (vgl B[X.] [X.] 4-4300 § 122 [X.] Rd[X.]4 mwN). Insofern ist die Entscheidung des [X.] nicht zu beanstanden. Es hat bei der Prüfung des subjektiven Verschuldens nicht nur auf den Erhalt und Inhalt des "[X.]" und die der Klägerin im Einladungsschreiben vom 18.4.2007 übermittelte Rechtsfolgenbelehrung abgestellt, sondern sich einen eigenen Eindruck von der persönlichen Einsichtsfähigkeit der im Termin anwesenden Klägerin verschafft (vgl dazu auch Senatsurteil vom 17.10.2007 - [X.]/7a [X.] 44/06 R - Juris, Rd[X.]6, 19). Danach war es der Klägerin möglich und zumutbar, die Hinweise nachzuvollziehen und wusste sie - oder hätte zumindest im Sinne grober Fahrlässigkeit ohne Weiteres erkennen können -, welche Folgen das [X.] haben konnte. Diese Würdigung der tatsächlichen Feststellungen durch das [X.] entzieht sich der revisionsrechtlichen Überprüfung, wenn sie nicht mit zulässigen Verfahrensrügen (zB Verstoß gegen Denkgesetze) angegriffen wird (vgl § 163 [X.]G), was hier nicht der Fall ist.

a) Gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2005 in [X.] getretenen Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.] 2848) ruht der Anspruch auf [X.] für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Ein versicherungswidriges Verhalten liegt nach Satz 2 [X.] der Vorschrift ua dann vor, wenn der Arbeitslose einer Aufforderung der [X.], sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309 [X.]), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei [X.]). Die Voraussetzungen für die Feststellung einer solchen Sperrzeit, dh pflichtwidriges Verhalten und Fehlen eines wichtigen Grundes, liegen vor.

Gemäß § 309 Abs 2 [X.] kann die Aufforderung zur Meldung ua zum Zwecke der Berufsberatung ([X.]), der Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit ([X.]) und der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch ([X.]) erfolgen. An diesen Anforderungen orientiert sich die Aufforderung der [X.] vom 18.4.2007, mit der sie die Klägerin zwecks Erörterung ihrer beruflichen Situation und ihres Bewerberangebots zum Termin am [X.] um 11:00 Uhr einlud. Es bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte für eine zweckwidrige Aufforderung (vgl dazu [X.], [X.], 5. Aufl 2010, § 309 Rd[X.]0 ff). Gemäß § 309 Abs 3 Satz 1 [X.] idF des [X.] hat sich der Arbeitslose zu der von der [X.] bestimmten [X.] zu melden. Nach Satz 2 des § 309 Abs 3 [X.] ist er seiner allgemeinen Meldepflicht (nur) dann auch nachgekommen, wenn diese nach Tag und Tageszeit bestimmt war und er sich zu einer anderen [X.] am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird. Diese Voraussetzungen treffen auf das [X.] der Klägerin nicht zu.

Die Meldung der Klägerin erfolgte am 15.5.2007 und damit nicht mehr "am selben Tag", der in der Meldeaufforderung bestimmt war. Der Begriff "am selben Tag" ist fest bestimmt; er ist weder auslegungsfähig noch auslegungsbedürftig. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und dem damit zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers kann eine Meldung am Folgetag nicht mehr als rechtzeitig angesehen werden. Demgemäß hat die Beklagte entsprechend ihrer, in § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] zum Ausdruck gebrachten [X.] und Hinweispflicht vor Eintritt einer Sperrzeit bei [X.] klargestellt, dass "vom Tag nach dem [X.] an für die Dauer von einer Woche" [X.] nicht gezahlt wird. Die Meldeaufforderung und die Rechtsfolgenbelehrung entsprechen auch im Übrigen - wie bereits das [X.] ausgeführt hat - den gesetzlichen Anforderungen; insbesondere wird der Arbeitslose in verständlicher und klarer Form darüber informiert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen aus dem [X.] resultieren (vgl Senatsurteil vom 17.10.2007 - [X.]/7a [X.] 44/06 R - Rd[X.]7; ebenso bereits B[X.] [X.] 4100 § 132 [X.]; vgl ferner B[X.] Urteil vom [X.] - B 4 AS 27/10 R - [X.] 4-4200 § 31 [X.] Rd[X.]6).

b) Entgegen der Ansicht des [X.], auf die sich die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung gestützt hat, kann die Klägerin auch nicht kraft richterlicher Rechtsfortbildung, insbesondere mittels einer analogen Anwendung des § 309 Abs 3 Satz 2 [X.], so behandelt werden, als sei sie ihrer Rechtspflicht nachgekommen. Ein Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, er wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen [X.] gekommen. Analogie ist mithin die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestands auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt (vgl zuletzt B[X.] [X.] 4-2700 § 8 [X.] 36 Rd[X.]5 und Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 11 [X.] 42/08 R - B[X.]E 105, 94 = demnächst in [X.] 4-4300 § 132 [X.] 4; vgl auch B[X.]E 96, 257 = [X.] 4-1300 § 63 [X.] 3 Rd[X.]4; B[X.] [X.] 4-2500 § 73 [X.] Rd[X.]6 und [X.] 3 Rd[X.]8; [X.] 82, 6, 11 f; 116, 69, 83, 84; [X.] NJW 2011, 836 unter [X.] 3b = Rd[X.]3 mwN). Sie beruht - in Anlehnung an Art 3 Abs 1 Grundgesetz - auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, [X.] gleich zu behandeln (vgl B[X.]E 77, 102, 104 = [X.] 3-2500 § 38 [X.] S 3; B[X.] [X.] 4-2700 § 8 [X.] 4 Rd[X.]). Aus der Rechtsentwicklung sowie aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergeben sich jedoch keine Hinweise auf das Bestehen einer Gesetzeslücke.

§ 309 [X.] entspricht nahezu wortgleich der Vorgängerregelung in § 132 Abs 1 und 2 Arbeitsförderungsgesetz ([X.]) iVm mit § 5 Satz 2 der [X.] vom 14.12.1972 ([X.] 1973, 245). Die Begrenzung einer sanktionslosen Nachholung der Meldung nur am selben Tag ist mithin bewusst in das [X.] übernommen worden. Im Übrigen fehlt es für eine analoge Anwendung des § 309 Abs 3 Satz 2 [X.] auch an einer Vergleichbarkeit der zu regelnden Sachverhalte; die Meldung am selben Tag ist etwas anderes als das Aufsuchen der [X.] an einem späteren Tag.

Ebenso wie zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage eingeführt werden dürfen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl [X.] 117, 272 = [X.] 4-2600 § 58 [X.] 7; stRspr), können Vorschriften einzelne Personengruppen begünstigen und andere von der Begünstigung ausnehmen (vgl [X.] 87, 1 = [X.] 3-5761 Allg [X.]). Zu prüfen ist lediglich, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (vgl [X.] 80, 297 = [X.] 5795 § 4 [X.] 8; [X.] 87, 1 = [X.] 3-5761 Allg [X.]; stRspr). Daran, dass die Datumsgleichheit ein - leicht überprüfbares - sachliches Kriterium darstellt, um den Versicherten vor Rechtsnachteilen zu bewahren, hat der Senat keinen Zweifel; eine willkürlich unterschiedliche Behandlung liegt nicht vor.

Es kann deshalb dahinstehen, ob der Zweck der Meldung iS des § 309 Abs 3 Satz 2 [X.] auch durch die Vorsprache der Klägerin am 15.5.2007 um 11:00 Uhr noch hätte erreicht werden können [X.], info also 2011, 22 f). Die mögliche Zweckerreichung kann allenfalls bei der Frage eine Rolle spielen, ob die festgestellte Sperrzeit von einer Woche unverhältnismäßig war (dazu unten zu 3c).

c) Die Klägerin kann sich für ihr pflichtwidriges Verhalten auch auf keinen wichtigen Grund iS des § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] berufen. Ein solcher ist anzunehmen, wenn durch diesen die Meldung oder das Erscheinen unmöglich oder erschwert wurde, sodass dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen, mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden konnte (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B 7 [X.] 33/09 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.]2 mwN; [X.] in [X.]/Brand, [X.], 5. Aufl 2010, § 144 Rd[X.]12; [X.] in Gagel, [X.][X.]I/[X.], § 144 [X.] Rd[X.]98, Stand Einzelkommentierung Juli 2009). Die Sperrzeit greift dabei [X.] des Versicherten auf (B[X.] aaO; vgl auch [X.], [X.], 21, 22 ff) und setzt - ebenso wie der Sperrzeittatbestand des § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] 7 [X.] (verspätete Arbeitsuchendmeldung) - ein subjektiv vorwerfbares Verhalten (mindestens leichte Fahrlässigkeit nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab) voraus (vgl ua B[X.] [X.] 4-4300 § 37b [X.] Rd[X.], 22; [X.] in Eicher/[X.], [X.], § 144 Rd[X.] 446, Stand Einzelkommentierung Juni 2010). Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.], die die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat und die damit für den Senat bindend sind (vgl § 163 [X.]G), war ihr ein rechtmäßiges Verhalten objektiv möglich und subjektiv zumutbar. Seitens der Versichertengemeinschaft kann von einem Berechtigten erwartet werden, dass er Termine zur Einhaltung einer eigenen Mitwirkungsobliegenheit korrekt notiert und einhält; beides liegt allein im Verantwortungsbereich des Versicherten. Aus der Sicht eines objektiven Dritten konnte die Klägerin den Meldetermin am [X.] ohne Weiteres wahrnehmen und ist ihr, wie vom [X.] festgestellt, jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last zu legen.

d) Die Sperrzeit führt zum Ruhen des Anspruchs auf [X.] gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 [X.]. Nach § 128 Abs 1 [X.] 3 [X.] mindert sich der [X.]-Anspruch um die Tage der Sperrzeit. Diese Rechtsfolgen sind im angefochtenen Bescheid der [X.] zutreffend umgesetzt worden. Nach § 144 Abs 6 [X.] idF des [X.] beträgt die Dauer der Sperrzeit bei [X.] eine Woche. Nach § 144 Abs 2 Satz 1 [X.] begann die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das sie begründet. Zutreffend hat die Beklagte daher die Dauer der Sperrzeit vom 15. bis zum 21.5.2007 festgestellt.

3a) [X.] des § 144 Abs 6 [X.] als Folge des [X.]ses verstößt auch im Lichte der Eigentumsgarantie des Art 14 GG nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar ist der Anspruch auf [X.] - wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat - durch die Eigentumsgarantie geschützt (vgl nur [X.] [X.] 4100 § 104 [X.]3 S 12; [X.] 3-4100 § 116 [X.] 3 S 124; [X.] Beschluss vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - [X.] 4100 § 120 [X.], Rd[X.] 36 mwN; B[X.] [X.] 4-4300 § 37b [X.] Rd[X.]9 mwN). Zu Recht hat das [X.] aber einen Eingriff in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie verneint. Denn es fehlt bereits daran, dass eine geschützte vermögenswerte Position der Klägerin (also ihr [X.]-Anspruch) durch eine Maßnahme der [X.] beeinträchtigt worden wäre (zu diesen Voraussetzungen vgl B[X.] [X.] 4-4300 § 37b [X.] Rd[X.]9 und [X.] 4-4300 § 223 [X.] Rd[X.]3 mwN; [X.] [X.] 4-4300 § 434c [X.] Rd[X.]4). Der Klägerin ist im Sinne einer solchen geschützten vermögenswerten Rechtsposition keine stärkere konkrete Rechtsposition "genommen" worden. Denn sie hat mit ihrer letzten Beschäftigung als Altenpflegerin einen (neuen) [X.]-Anspruch als Stammrecht erworben, der von vornherein mit der Möglichkeit der Sanktion in Form einer Sperrzeit auch nach § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] belastet war. Die Realisierung dieser Belastung im Einzelfall ist durch den angefochtenen Bescheid der [X.] lediglich festgestellt worden.

b) Selbst wenn aber der Schutzbereich des Art 14 GG tangiert wäre, ist der dann anzunehmende "Eingriff" durch § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm Abs 6 [X.] lediglich eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art 14 Abs 1 Satz 2 GG). Insoweit kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite Gestaltungsmöglichkeit zu, auch zur Beschneidung von Leistungsansprüchen zur Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der Sozialleistungsverwaltung (vgl [X.] 53, 257 ff, 293 = [X.] 7610 § 1587 [X.]; [X.] 74, 203 = [X.] 4100 § 120 [X.]). Das [X.] hat diesbezüglich - worauf das [X.] zu Recht hinweist - zu der für verfassungswidrig erklärten Ruhensvorschrift des § 120 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz ([X.]), welche zunächst keine Härtefallregelung enthielt, entschieden, dass, soweit ein Arbeitsloser aus Unerfahrenheit, Unverständnis für Verwaltungsvorgänge, aus Unachtsamkeit oder aus anderen Gründen, welche nicht als "wichtig" iS des § 120 Abs 1 [X.] zu qualifizieren seien, seine Meldepflicht nicht einhalte, die ausnahmslos pauschale Kürzung des [X.] unzumutbar sei. Dies gelte erst recht, wenn sich die Säumnis dieses Arbeitslosen nicht nachteilig für die Arbeitslosenversicherung auswirke ([X.] 74, 203 = [X.] 4100 § 120 [X.] S 4). Im Einzelnen hat das [X.] ausgeführt, bei missbräuchlicher Inanspruchnahme des [X.] sei weder etwas gegen die zeitweise Versagung des [X.] noch dagegen etwas einzuwenden, dass die Sanktion pauschal einen zweiwöchigen Wegfall des [X.] anordne. Es fehlten aber hinreichend Gründe, die Rechte aus dem durch Beitragszahlung erworbenen Versicherungsschutz so weitgehend und undifferenziert einzuschränken. Nicht zu entscheiden sei, ob für Bezieher von [X.] auch ein pauschales Ruhen des [X.] von sechs Tagen noch hinnehmbar wäre; ein Wegfall des [X.] von zwei Wochen sei diesem Personenkreis gegenüber nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil das eigentumsgeschützte [X.] der Existenzsicherung des Berechtigten diene und eine auf eigenen Beiträgen beruhende lohnbezogene Versicherungsleistung sei (Hinweis auf [X.] 72, 9, 18 ff). In Reaktion auf diese Rechtsprechung des [X.] ist mit Wirkung ab 1.1.1988 in § 120 Abs 3 [X.] idF des [X.] ([X.] 2602) eine Härteklausel angefügt worden, wonach sich - in Anlehnung an die für Sperrzeiten getroffene Härteregelung in § 119 Abs 2 [X.] - die Säumniszeit von regelmäßig zwei Wochen auf eine Woche verkürzt. Diese Regelung ist insoweit unverändert in § 145 Abs 3 [X.] idF des [X.] vom [X.] ([X.] 594) mit Wirkung vom [X.] übernommen und durch das Gesetz vom 23.12.2003 mit Wirkung vom 1.1.2005 aufgehoben worden.

c) Die nunmehr in § 144 Abs 6 [X.] vorgenommene pauschale Regelung ("die Dauer einer Sperrzeit bei [X.] … beträgt eine Woche") ist iS der vorstehend zitierten Rechtsprechung des [X.] verhältnismäßig (vgl auch B[X.] [X.] 4-4300 § 37b [X.] Rd[X.] f - zur Regelung der §§ 37b, 140 [X.] aF). Denn die Dauer der Sperrzeit von einer Woche beträgt im Vergleich zu der früheren Regelung in § 120 [X.] bzw § 145 [X.] nur noch die Hälfte der [X.] und bringt mithin eine geringere Belastung des Arbeitslosen mit sich. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Wahl des geringsten Mittels nicht aus den Augen verloren hat (B[X.], aaO; vgl auch [X.] in [X.]/Brand, 5. Aufl 2010, § 144 Rd[X.]70; [X.] in LPK-[X.], 2008, § 144 Rd[X.]2; [X.] in [X.] zum [X.], § 144 Rd[X.]44, Stand Einzelkommentierung März 2009; [X.] in Eicher/[X.], [X.], § 144 Rd[X.] 453, Stand Einzelkommentierung März 2006; zweifelnd [X.], info also 2011, 22 f). Die von § 144 Abs 5 [X.] vorgesehene Sanktionsfolge einer einwöchigen Sperrzeit ist auch in dieser pauschalierten Form angemessen. Denn die Sperrzeitfeststellung ist nicht Ausdruck individueller Schadensfeststellung, sondern Folge versicherungswidrigen Verhaltens (vgl BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.] 76 = § 144; vgl ferner B[X.] Urteil vom [X.] - B 7 [X.] 33/09 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.]6). Schließlich ist die pauschalierte Sperrzeit auch verhältnismäßig im engeren Sinne (= zumutbar). Sie ermöglicht einerseits der [X.], im Rahmen einer Massenverwaltung auf versicherungswidriges Verhalten ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand zu reagieren; andererseits setzt die Verletzung der Obliegenheit des § 309 Abs 3 Satz 1 [X.] auf Seiten des Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab voraus und schafft damit ein Korrektiv (vgl B[X.] [X.] 4-4300 § 37b [X.] Rd[X.]2; ebenso [X.] in Eicher/[X.] § 144 Rd[X.] 446, Stand Einzelkommentierung Juni 2010). Eine unverschuldete Unkenntnis von der Obliegenheit führt damit nicht zum Eintritt einer Sperrzeit, die schuldhafte Unkenntnis führt indes - auch unter Berücksichtigung der mit der Sperrzeit verbundenen weiteren Rechtsfolge der Anspruchsminderung nach § 128 Abs 1 [X.] 3 [X.] - nicht zu einer Existenzgefährdung, ist aber geeignet, den Versicherten zu einem der Versichertengemeinschaft gegenüber verantwortungsbewussten Verhalten anzuhalten. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Zweck der Belehrung durch ein Beratungsgespräch vor Ablauf des Termins hätte erreicht werden können. Denn die insoweit erforderlichen Feststellungen wären in der Regel mit einem erheblichen Verwaltungs- bzw [X.] verbunden und stünden im Widerspruch zu der klaren verwaltungspraktikablen Regelung des § 309 Abs 3 Satz 2 [X.].

4. [X.] beruht auf § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 11 AL 30/10 R

25.08.2011

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Düsseldorf, 27. August 2009, Az: S 32 AL 180/07, Urteil

§ 144 Abs 1 S 1 SGB 3, § 144 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 3, § 144 Abs 6 SGB 3, § 309 Abs 3 S 2 SGB 3, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. B 11 AL 30/10 R (REWIS RS 2011, 3737)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3737

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 11 AL 12/17 R (Bundessozialgericht)

Arbeitslosengeldanspruch - Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung - Sperrzeitbeginn -sperrzeitbegründendes Ereignis - Eintritt der Beschäftigungslosigkeit


B 11 AL 19/18 R (Bundessozialgericht)

Überprüfungsverfahren - Rücknahme einer Sperrzeitentscheidung - Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses …


B 11 AL 2/18 R (Bundessozialgericht)


B 11 AL 14/18 R (Bundessozialgericht)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs - mehrere Sperrzeiten wegen Arbeitsablehnung - Nichtbewerbung nach mehreren Vermittlungsvorschlägen - keine …


B 11 AL 31/21 R (Bundessozialgericht)

(Bemessung des Arbeitslosengeldes - einzuordnende Vereinbarung mit Arbeitgeber - Altersteilzeitvereinbarung - Teilzeitvereinbarung - Fortzahlung der …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.