Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2019, Az. B 11 AL 14/18 R

11. Senat | REWIS RS 2019, 5993

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs - mehrere Sperrzeiten wegen Arbeitsablehnung - Nichtbewerbung nach mehreren Vermittlungsvorschlägen - keine ausreichend konkreten Rechtsfolgenbelehrungen - keine Angabe der unmittelbaren und konkreten Auswirkung der Weigerung ohne wichtigen Grund - Individualisierung


Leitsatz

Der Eintritt einer zweiten und dritten Sperrzeit bei Arbeitsablehnung mit einer Dauer von sechs oder zwölf Wochen setzt voraus, dass der Arbeitslose vorab über die jeweiligen individuellen leistungsrechtlichen Folgen der jeweiligen Pflichtverletzung belehrt worden ist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. Februar 2018 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren (noch) um die Aufhebung der Bewilligung von [X.] wegen des Eintritts von zwei Sperrzeiten vom 10.6.2013 bis [X.] und [X.] bis 13.10.2013, die Minderung der Dauer des Anspruchs auf [X.] um 42 Tage bzw 84 Tage und eine Erstattungsforderung der Beklagten.

2

Nach Beendigung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Lackierer bewilligte die Beklagte dem Kläger [X.] für die Zeit vom [X.] bis 30.4.2014 (Bescheid vom [X.], Änderungsbescheid vom [X.]). Am [X.] übersandte sie ihm einen Vermittlungsvorschlag für eine Tätigkeit als Fahrzeuglackierer und forderte ihn auf, sich umgehend zu bewerben. Dem Vermittlungsvorschlag war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, die auszugsweise wie folgt lautete:

"Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder - nicht antreten - oder - das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch Ihr Verhalten verhindern (z.B. indem Sie sich nicht vorstellen), tritt eine Sperrzeit ein (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.]). Sie dauert längstens zwölf Wochen. Die Sperrzeit dauert drei Wochen bei erstmaligem versicherungswidrigen Verhalten (§ 159 Abs. 4 Nr. 1 [X.]B III), sechs Wochen bei dem zweiten versicherungswidrigen Verhalten (§ 159 Abs. 4 Nr. 2 [X.]B III). Ein versicherungswidriges Verhalten in diesem Sinne liegt vor, wenn Sie eine Arbeit oder berufliche Eingliederungsmaßnahme nach ihrer persönlichen Arbeitsuchendmeldung abgelehnt oder eine berufliche Eingliederungsmaßnahme abgebrochen haben."

3

Der Kläger bewarb sich nicht und begründete dies damit, dass es sich um eine Teilzeitbeschäftigung handele. Am [X.] und am [X.] übersandte die Beklagte ihm weitere [X.] für Tätigkeiten als Industrielackierer bzw als Helfer im Fahrzeugbau. Den Vorschlägen war die zuvor bezeichnete Rechtsfolgenbelehrung beigefügt. Der Kläger teilte der Beklagten am 3[X.] und am [X.] mit, er habe sich nicht beworben, weil das jeweilige Angebot nicht seinen Interessen und Fähigkeiten bzw das Berufsbild nicht seinem Profil und der Lohn nicht seinen Vorstellungen entspräche.

4

Wegen fehlender Bewerbung auf den ersten Vermittlungsvorschlag vom [X.] hob die Beklagte die Bewilligung von [X.] vom 20.5.2013 bis zum [X.] auf, weil der Anspruch auf [X.] wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit bei Arbeitsablehnung ruhe (bindender Bescheid vom 8.8.2013). Auch für die Zeiträume vom 10.6.2013 bis [X.] und vom [X.] bis 13.10.2013 hob sie die Bewilligung jeweils wegen eines Ruhens des Anspruchs auf [X.] auf Grund eines Sperrzeitsachverhalts auf. Die Sperrzeiten minderten seinen Anspruch auf [X.] um 42 Tage bzw 84 Tage. Da es sich um das zweite bzw dritte versicherungswidrige Verhalten handele, dauerten die Sperrzeiten sechs bzw zwölf Wochen (Bescheide vom [X.]). Mit weiteren Bescheiden vom [X.] stellte die Beklagte das Erlöschen des [X.]-Anspruchs ab dem [X.] fest, hob die Bewilligung ab [X.] insgesamt auf und forderte die Erstattung des für den Zeitraum vom 10.6.2013 bis [X.] gezahlten [X.] in Höhe von 1066,92 Euro. Die Widersprüche des [X.] gegen sämtliche Bescheide hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheide vom [X.]). Am [X.] nahm er erneut eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf.

5

Das [X.] hat die Sperrzeitbescheide vom [X.] sowie die am selben Tag ergangenen Erlöschens- und Erstattungsbescheide, alle in der Fassung der Widerspruchsbescheide, aufgehoben (Urteil vom 17.2.2014). Zur Begründung hat es ausgeführt, den [X.]n vom [X.] und [X.] sei keine wirksame Rechtsfolgenbelehrung beigefügt gewesen. Die Belehrungen seien nicht konkret gewesen, weil sie dem Kläger nicht zweifelsfrei erklärten, mit welchen Rechtsfolgen er zu rechnen habe, falls er ohne wichtigen Grund den Aufforderungen nicht nachkomme. Sie erschöpften sich in der sinngemäßen Wiedergabe des Gesetzestextes. Unabhängig hiervon habe der Kläger kein zweites bzw drittes versicherungswidriges Verhalten verwirklicht, weil dieses in gleicher Weise wie im Bereich des [X.]B II ein gestuftes Verfahren mit den vorangegangenen Sperrzeiten umsetzenden Bescheiden voraussetze. Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten, die sich nicht gegen die Aufhebung des [X.] wendet, zurückgewiesen. Es hat ergänzend ausgeführt, die Formulierung in der Rechtsfolgenbelehrung, wonach die Sperrzeit "längstens zwölf Wochen" dauere, suggeriere einen tatsächlich nicht vorhandenen Ermessensspielraum (Urteil vom 1.2.2018).

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 159 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr 2 [X.]B III. Die streitige Rechtsfolgenbelehrung entspreche den vom B[X.] formulierten Anforderungen. Ihr sei zu entnehmen, dass der Hinweis auf die zwölfwöchige Sperrzeit nur für den Fall der dritten Arbeitsablehnung gelte. Es sei nicht notwendig, vor Erlass eines Bescheides über die Feststellung des Eintritts einer dritten Sperrzeit einen Bescheid über den Eintritt einer zweiten Sperrzeit zu erlassen. Auch der Beginn der Sperrzeiten sei zutreffend festgelegt.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 1. Februar 2018 und des [X.] vom 17. Februar 2014, soweit damit nicht der [X.] vom 12. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2013 aufgehoben worden ist, aufzuheben und die Klagen insoweit abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten hat im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den Entscheidungen der Vorinstanzen zunächst die Bescheide vom [X.] in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom [X.], mit denen die Beklagte wegen des Eintritts einer sechs- und einer zwölfwöchigen Sperrzeit [X.] zum Teil rückwirkend aufgehoben und die Dauer des Anspruchs auf [X.] entsprechend gemindert hat, sowie die ebenfalls am [X.] ergangenen Änderungsbescheide über die Leistungsberechnung unter Berücksichtigung der Sperrzeiten, die mit den vorgenannten Bescheiden eine rechtliche Einheit darstellen (vgl B[X.] vom 4.4.2017 - [X.] [X.] 19/16 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.] Rd[X.]5 mwN). Weiter einbezogen ist der [X.] vom [X.], nicht hingegen der vom [X.] aufgehobene [X.] vom [X.].

Der Kläger greift die Bescheide vom [X.] zu Recht mit isolierten Anfechtungsklagen an (§ 54 Abs 1, § 56 [X.]G). Auf Grund der zuvor mit dem Bescheid vom [X.] in der Fassung des Änderungsbescheides vom [X.] erfolgten bindenden Bewilligung von [X.] für die hier streitbefangenen [X.]räume bedurfte es keiner damit verbundenen Leistungsklage hinsichtlich der Bewilligung von [X.] für die [X.]räume der festgestellten Sperrzeiten (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 2/17 R - [X.] 4-4300 § 159 [X.] Rd[X.]0, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen).

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Zwar hat das [X.] die weiteren Klageverfahren ([X.] [X.] 895/13, [X.] [X.] 896/13) zum Aktenzeichen [X.] [X.] 894/13 zunächst nur durch [X.], den Beteiligten mitgeteilte Verfügung, nicht jedoch durch förmlichen Beschluss iS des § 113 Abs 1 [X.]G mit ordnungsgemäßer Unterschrift (§ 142 Abs 1 iVm § 134 Abs 1 [X.]G) zusammengeführt. Unabhängig davon, ob eine Verbindung in der gemeinsamen Verhandlung in einem Termin und Entscheidung durch lediglich ein Urteil gesehen werden kann, wofür auch der in den Urteilsgründen des [X.] erteilte Hinweis des Gerichts zu einer Prozessverbindung sprechen könnte, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass eine fehlerhafte Verbindung Einfluss auf den Inhalt der Sachentscheidung des Berufungsgerichts gehabt haben könnte (vgl für den Fall der unterlassenen Verbindung im Berufungsverfahren B[X.] vom [X.] [X.] 36/08 B - juris Rd[X.]4). Ohnehin war die Berufung zum maßgeblichen [X.]punkt ihrer Einlegung bezogen auf jedes der Verfahren statthaft und überstieg den Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G) von jeweils 750 Euro.

3. a) Die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der [X.]-Bewilligung für die streitigen [X.]räume misst sich an § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 [X.]B X iVm § 330 Abs 3 [X.]B III, soweit diese die ursprüngliche Bewilligung von [X.] durch Bescheid vom [X.] jeweils rückwirkend für die [X.]räume der angenommenen Sperrzeiten bis zur Bekanntgabe der Bescheide vom [X.] aufgehoben hat, im Übrigen an § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B X. Der Bewilligungsbescheid vom [X.], auf dem die laufende Zahlung des [X.] beruhte, ist nicht durch den Änderungsbescheid vom [X.] iS des § 39 Abs 2 [X.]B X ersetzt worden. Es liegt daher kein Fall der von § 45 [X.]B X iVm § 330 Abs 2 [X.]B III erfassten Rücknahme eines anfänglich (teilweise) rechtswidrigen Verwaltungsakts vor. Zwar ist mit dem Bescheid vom [X.] anlässlich einer Änderung des EStG die Höhe des Anspruchs auf [X.] für den Bewilligungszeitraum neu berechnet und ein höherer täglicher Leistungsbetrag (20,92 Euro statt zuvor 20,87 Euro) zuerkannt worden. Es handelte sich nach dem objektiven Sinngehalt der Erklärung, wie sie ein verständiger Empfänger unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls verstehen musste (vgl zu diesem Maßstab zuletzt B[X.] vom 23.10.2018 - [X.] [X.] 20/17 R - [X.] 4-6065 Art 61 [X.] Rd[X.]5 mwN), nicht um eine vollständige Neuberechnung des Anspruchs für die [X.] ab 1.5.2013. Sämtliche Berechnungsfaktoren (Bemessungsentgelt, Lohnsteuerklasse, Prozentsatz) blieben unverändert, nur das tägliche Leistungsentgelt erhöhte sich aufgrund der allgemeinen Änderung des EStG. Vergleichbar den [X.] zum ehemaligen [X.] ist der Regelungsgehalt des Änderungsbescheids vom [X.] darauf beschränkt, einen zusätzlichen Betrag auf den bereits mit Bescheid vom [X.] bewilligten Betrag aufzusatteln, ohne erneut eine vollständige Berechnung der individuellen Faktoren der Leistungshöhe des schon festgesetzten Anspruchs durchzuführen (vgl nur B[X.] vom 25.3.2003 - B 7 [X.] 114/01 R - Rd[X.]1 mwN).

Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 [X.]B X iVm § 330 Abs 3 [X.]B III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der Leistung auswirkt (vgl nur B[X.] vom 21.3.1996 - 11 [X.]/94 - B[X.]E 78, 109, 111 = [X.] 3-1300 § 48 [X.] mwN). Die Beklagte ist von einer Änderung aufgrund eines Ruhens des Anspruchs auf [X.] wegen des Eintritts von Sperrzeiten nach Ablehnung von Arbeitsangeboten ausgegangen. Nach § 159 Abs 1 Satz 1 [X.]B III (sämtliche Vorschriften des [X.]B III hier anwendbar in der ab dem 1.4.2012 geltenden Fassung des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, [X.]) ruht der Anspruch auf [X.] für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. [X.] Verhalten liegt nach dem hier allein in Betracht kommenden § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B III vor, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der [X.] unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgesprächs, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei [X.]). Die Dauer der Sperrzeit bei [X.] beträgt im Falle des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen, im Falle des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen und in den übrigen Fällen zwölf Wochen (§ 159 Abs 4 Satz 1 [X.]B III).

b) Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen iS des § 48 [X.]B X wegen eines Ruhens des Anspruchs auf [X.] aufgrund des Eintritts einer Sperrzeit von sechs bzw zwölf Wochen, die jeweils den angefochtenen Bescheiden der Beklagten zugrunde liegt, ist ausgeschlossen. Denn nach dem Inhalt der vom L[X.] festgestellten Rechtsfolgenbelehrung mangelt es hinsichtlich dieser Sperrzeitdauern an einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung.

aa) Wie die für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate des B[X.] bereits zu der Vorgängerregelung der in § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B III (bis zum [X.]: § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B III) normierten Pflicht zur Belehrung über die Rechtsfolgen einer [X.] ohne wichtigen Grund in § 119 Abs 1 [X.] [X.] (in der ab dem [X.] geltenden Fassung des Arbeitsförderungsgesetzes vom [X.], [X.]), der wiederum auf § 78 [X.] (Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 3.4.1957, [X.]) zurückgeht (vgl die Begründung zum Gesetzentwurf für ein Arbeitsförderungsgesetz, [X.]/2291, [X.]), entschieden haben, soll die Rechtsfolgenbelehrung den Arbeitslosen über die Folgen eines versicherungswidrigen Verhaltens so informieren, dass er eine selbstverantwortliche Entscheidung treffen (vgl B[X.] vom 10.10.1978 - 7 [X.]/77 - B[X.]E 47, 101, 105 = [X.] 4100 § 119 [X.]) und sich über die zulässigen Ablehnungsgründe schlüssig werden kann (B[X.] vom 21.7.1981 - 7 [X.] - B[X.]E 52, 63, 66 = [X.] 4100 § 119 [X.]5 S 73). Entsprechend diesem [X.] Schutzzweck hat die Rechtsfolgenbelehrung formalen Charakter und muss mit jedem einzelnen Vermittlungsangebot erteilt werden, ohne dass es auf Kenntnisse des Arbeitslosen von möglichen Rechtsfolgen ankommt. Inhaltlich muss die Belehrung konkret, richtig und vollständig sein und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich für ihn im Fall einer Weigerung ohne wichtigen Grund ergeben (vgl B[X.] vom 10.12.1981 - 7 [X.] - B[X.]E 53, 13, 15 = [X.] 4100 § 119 [X.]8 S 87). An diesen Anforderungen hat der Senat auch nach Inkrafttreten des [X.]B III festgehalten und betont, eine Rechtsfolgenbelehrung iS von § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B III aF müsse als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit vor allem widerspruchsfrei sein (vgl B[X.] vom [X.] - B 7a [X.] 26/05 R - Rd[X.]5 mwN; vgl zur Rechtsfolgenbelehrung im [X.]B II - B[X.] vom 15.12.2010 - [X.] [X.]/09 R - Rd[X.]4).

bb) Das Erfordernis einer Belehrung über die konkret bei Ablehnung des jeweiligen Vermittlungsangebots drohende Rechtsfolge wird durch die Entwicklung der Sperrzeitregelungen verdeutlicht. § 119 Abs 1 [X.] in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung und - ab dem 1.1.1998 - § 144 Abs 1 [X.]B III in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung sahen für jeden Sperrzeittatbestand den Eintritt der [X.] von acht bis zwölf Wochen mit der Möglichkeit der Verkürzung bei Vorliegen einer besonderen Härte vor (§ 119 Abs 2 [X.]; § 144 Abs 3 [X.]B III aF). Demgegenüber besteht seit dem 1.1.2003 eine differenzierende Regelung zur Dauer der Sperrzeit bei [X.], die für den Fall der wiederholten [X.] eine gestufte Abfolge der Sperrzeitdauern vorsieht, ohne die Möglichkeit einer Verkürzung einzuräumen (§ 144 Abs 4 [X.]B III in der ab dem 1.1.2003 geltenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.]). Diese Regelung wurde ab dem 1.1.2009 dahingehend vereinfacht, dass die Dauer der abgelehnten Beschäftigung nicht mehr relevant für die Dauer der Sperrzeit sein sollte, sodass allein die Zahl der Verstöße maßgebend ist (§ 144 Abs 4 [X.]B III in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ne[X.]usrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.], [X.] 2917).

Mit der nunmehr vorhandenen Ausdifferenzierung der Sperrzeitdauern in der Weise, dass die Sperrzeitdauer nunmehr entsprechend der Anzahl der Verstöße abgestuft ist, soll der Eingliederungsdruck auf den Arbeitslosen in Abhängigkeit von seiner Mitwirkungsbereitschaft stetig erhöht werden (vgl dazu [X.] in [X.]/Fuchsloch/Kohte, Arbeitsmarktpolitik und Sozialrecht: Festschrift für [X.], 2011, 67, 69; vgl auch B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 2/17 R - [X.] 4-4300 § 159 [X.] Rd[X.]7, zur Veröffentlichung auch in B[X.]E vorgesehen mit Hinweis auf das individ[X.]lisierte Vermittlungskonzept, das der differenzierten Sperrzeitdauer zugrunde liegt). Dieser [X.] findet Ausdruck auch in einer Individ[X.]lisierung der Sperrzeitfolgen. Entsprechend muss auch die Rechtsfolgenbelehrung auf die individuelle leistungsrechtliche Sit[X.]tion abgestimmt sein. Dies dient zugleich dem Ziel der Verhaltenssteuerung (zuletzt B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 2/17 R - [X.] 4-4300 § 159 [X.] Rd[X.]7 mwN, zur Veröffentlichung auch in B[X.]E vorgesehen).

cc) Davon ausgehend waren dem Kläger nach den Feststellungen des L[X.] keine ausreichenden Rechtsfolgenbelehrungen für den Eintritt einer sechs- und zwölfwöchigen Sperrzeit bei [X.] erteilt worden. Denn diese Sperrzeitdauern werden nicht als unmittelbar und konkret drohende Rechtsfolge benannt. Vielmehr werden lediglich die verschiedenen, nach dem Gesetz möglichen Sperrzeitdauern mitgeteilt, ohne zu verdeutlichen, welche davon bei der Ablehnung des Angebots einschlägig wäre. Für den Arbeitslosen ist der Belehrung zwar zu entnehmen, dass bei [X.] ohne wichtigen Grund eine Sperrzeit droht und sich die Abstufung der Sperrzeitdauern nach der Häufigkeit des versicherungswidrigen Verhaltens richtet. Ohne weitergehende Erläuterungen ist der Belehrung aber nicht zu entnehmen, ob für das konkret übersandte Beschäftigungsangebot im Fall einer [X.] ohne wichtigen Grund eine mehr als dreiwöchige Sperrzeit eintreten wird. Eine Rechtsfolgenbelehrung dieses Inhalts beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe des Gesetzestextes, was nicht ausreichend ist (vgl B[X.] vom [X.] - [X.]a/11 [X.] 81/04 R - B[X.]E 95, 8 = [X.] 4-4300 § 140 [X.], Rd[X.]5).

Offenbleiben kann, ob der Hinweis auf eine Sperrzeit von "längstens" zwölf Wochen auf einen tatsächlich nicht bestehenden Ermessensspielraum hindeutet, wie das L[X.] ausgeführt hat. Da es schon an einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung für den [X.]raum einer drei Wochen überschreitenden Sperrzeit fehlt, kommt es auch nicht mehr darauf an, dass es vorliegend an einer Verbescheidung des jeweils vorhergehenden versicherungswidrigen Verhaltens fehlte (vgl hierzu im Einzelnen B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 14/18 R).

c) Allerdings ist von einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung auszugehen, soweit jeweils ein erstes versicherungswidriges Verhalten und die daran anknüpfende Rechtsfolge einer dreiwöchigen Sperrzeit betroffen ist. Insoweit lässt die Rechtsfolgenbelehrung für einen verständigen Arbeitslosen erkennen, dass im Fall einer [X.] jedenfalls eine Sperrzeitdauer von drei Wochen droht. Es liegt auch keine widersprüchliche Belehrung vor, was in Betracht käme, wenn der Eintritt miteinander im Widerspruch stehender Rechtsfolgen offen und im Ergebnis unklar bliebe, ob überhaupt eine Rechtsfolge eintritt. Auch wenn die den [X.] beigefügte Belehrung hinsichtlich des Eintritts einer sechs- und zwölfwöchigen Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe nicht ordnungsgemäß erteilt wurde, kann ihr entnommen werden, dass zumindest eine dreiwöchige Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe eintreten werde.

d) Ob die weiteren Voraussetzungen für den Eintritt von jeweils dreiwöchigen Sperrzeiten bei [X.] vorliegen, bedarf weiterer Feststellungen, die das L[X.] - von seiner Rechtsansicht konsequent - unterlassen hat.

Dies betrifft [X.] die Frage, ob die Beschäftigungsangebote dem Kläger zumutbar gewesen sind. Nach § 140 [X.]B III sind einer arbeitslosen Person alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen (§ 140 Abs 1 [X.]B III). Eine personenbezogene Unzumutbarkeit liegt vor, wenn das aus der Beschäftigung erzielbare Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist als das der Bemessung des [X.] zugrundeliegende Arbeitsentgelt, wobei erst mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit ein geringeres Arbeitsentgelt zumutbar ist (vgl § 140 Abs 3 Satz 1, 2 [X.]B III). Da der Kläger die fehlende Bewerbung auf die Beschäftigungsangebote auch mit einer unzureichenden Entlohnung begründet hat, sind Feststellungen insbesondere zur Entlohnung der angebotenen Beschäftigung zu treffen (vgl zur Notwendigkeit auf das Entgelt bezogener Feststellungen B[X.] vom 8.11.2001 - [X.] [X.] 31/01 R - [X.] 3-4300 § 144 [X.]; B[X.] vom 2.5.2012 - [X.] [X.] 18/11 R - [X.] 4-4300 § 144 [X.]).

Weiter wird zu prüfen sein, ob dem Kläger ein wichtiger Grund für sein Verhalten zur Seite gestanden hat (§ 159 Abs 1 Satz 1 [X.]B III). Ein solcher ist anzunehmen, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denjenigen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl nur B[X.] vom 12.9.2017 - [X.] [X.] 25/16 R - [X.] 4-4300 § 159 [X.] Rd[X.]6). Insofern könnte von Bedeutung und aufzuklären sein, ob dem Kläger in zeitlicher Nähe zu den streitigen [X.] anderweitige Angebote unterbreitet worden sind, auf die er sich beworben hat.

Der Beginn der Sperrzeit bei [X.] (§ 159 Abs 1 Satz 2 [X.], § 159 Abs 4 Satz 1 [X.] [X.]B III) richtet sich nach § 159 Abs 2 [X.]B III. Danach beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Bei einer unterlassenen Bewerbung auf ein Beschäftigungsangebot hängen das Vorliegen eines versicherungswidrigen Verhaltens und der Sperrzeitbeginn davon ab, zu welchem [X.]punkt eine Bewerbung hätte erfolgen müssen. Dies ist keiner schematischen Beurteilung zugänglich. Die Bewertung hat im Einzelfall unter Berücksichtigung [X.] des konkreten Arbeitsangebots und eventueller Besonderheiten des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes zu erfolgen (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 2/17 R - [X.] 4-4300 § 159 [X.] Rd[X.], zur Veröffentlichung auch in B[X.]E vorgesehen). Davon ausgehend wäre nach den bisherigen Feststellungen des L[X.] zum Geschehensablauf eine [X.] spätestens mit dem Zugang der jeweiligen Mitteilung über die [X.]en bei der Beklagten am [X.] und am [X.] anzunehmen. Dies wäre mit einem Beginn der Sperrzeiten am [X.] und am [X.] verbunden. Sollte sich der Kläger gegenüber dem Arbeitgeber zu einem früheren [X.]punkt ablehnend geäußert haben, wäre dieser maßgeblich. Auf Grund der nicht streitbefangenen dreiwöchigen Sperrzeit bei [X.], die bis zum [X.] lief, kommt hinsichtlich des sperrzeitauslösenden Erklärungszugangs am [X.] ein Beginn der Sperrzeit erst nach Ablauf der vorangegangenen Sperrzeit in Betracht.

4. Von den Feststellungen des L[X.] zu dem möglichen Eintritt von zwei jeweils dreiwöchigen Sperrzeiten hängt auch ab, in welchem Umfang die Beklagte zur Minderung der mit dem Bescheid vom [X.] bewilligten Anspruchsdauer wegen einer Änderung der Verhältnisse iS des § 48 [X.]B X berechtigt war. Rechtsgrundlage für die von dem Kläger gleichfalls angegriffene Minderung der Anspruchsdauer ist § 148 Abs 1 [X.] [X.]B III. Danach mindert sich die Dauer des Anspruchs auf [X.] um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen [X.]. Sollte der Kläger infolge der Beschäftigungsaufnahme ab dem [X.] aus dem [X.]-Bezug ausgeschieden sein, wäre er hinsichtlich der Minderung der Anspruchsdauer weiterhin beschwert. Diese Beschwer bliebe bestehen, wenn aus dem nicht verbrauchten Anspruchsrest des bisherigen Stammrechts erneut [X.] bezogen würde. Allerdings könnte ein neues, das bisherige Stammrecht zum Erlöschen bringendes (§ 161 Abs 1 [X.] [X.]B III) Stammrecht mit der dem Lebensjahr des [X.] entsprechenden Höchstanspruchsdauer (§ 147 Abs 2 [X.]B III) entstanden sein. Nur bei diesem Verlauf würde die auf die Restdauer des erloschenen Anspruchs bezogene Minderung (§ 148 Abs 2 Satz 4 [X.]B III) den Kläger nicht mehr beschweren, weil die Restdauer des erloschenen Anspruchs den neu entstandenen Anspruch ohnehin nicht über die Höchstdauer hinaus verlängern kann (§ 147 Abs 4 [X.]B III).

5. Sollte das L[X.] zu dem Ergebnis gelangen, dass der Bewilligungsbescheid vom [X.] wegen des Eintritts zweier Sperrzeiten bei [X.] mit einer Dauer von jeweils drei Wochen und damit verbundener Minderung der Anspruchsdauer wegen einer wesentlichen Änderung rechtswidrig geworden ist, wird zu prüfen sein, ob ein Tatbestand vorliegt, der die Beklagte zur Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit berechtigte. Dies wäre der Fall, wenn der Kläger Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der eingetretenen Rechtswidrigkeit gehabt hätte.

6. Anknüpfend an die Aufhebungsentscheidung sind auch Feststellungen zur Höhe der Erstattungsforderung (§ 50 [X.]B X) und ggf deren Korrektur erforderlich.

Die Kostenentscheidung bleibt - auch hinsichtlich der Kosten des Revisionsverfahrens - der abschließenden Entscheidung des L[X.] vorbehalten.

Meta

B 11 AL 14/18 R

27.06.2019

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Chemnitz, 17. Februar 2014, Az: S 31 AL 894/13, Urteil

§ 159 Abs 1 S 1 SGB 3 vom 20.12.2011, § 159 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 3 vom 20.12.2011, § 159 Abs 4 S 1 SGB 3 vom 20.12.2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2019, Az. B 11 AL 14/18 R (REWIS RS 2019, 5993)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5993

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