Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.11.2022, Az. 2 WD 20/21

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2022, 8735

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Gegenstand

Kürzung der Dienstbezüge wegen verbaler sexueller Belästigung einer Kameradin


Leitsatz

1. Zum Amt für Militärkunde (Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes) versetzte Soldaten unterstehen weiterhin der Disziplinargewalt des Bundesministeriums der Verteidigung.

2. Wird eine nichtöffentliche Hauptverhandlung mit offenem Fenster geführt, begründet das regelmäßig keinen schweren Verfahrensmangel im Sinne des § 121 Abs. 2 WDO.

Tenor

Auf die Berufung der [X.] wird das Urteil der [X.] des Truppendienstgerichts ... vom 25. August 2021 aufgehoben.

Die Dienstbezüge des Soldaten werden für die Dauer von einem Jahr um 1/20 gekürzt.

Der Soldat trägt 3/7 und der [X.] der Kosten des gesamten Verfahrens und der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Tatbestand

1

Das disziplinargerichtliche Berufungsverfahren betrifft den Vorwurf der sexuellen Belästigung einer Kameradin.

2

1. Der ... geborene Soldat ist verheiratet, getrenntlebend und hat zwei 16 und 19 Jahre alte Kinder. Nach dem Abitur und Grundwehrdienst wurde er ... Zeit- und ... Berufssoldat. Zuletzt wurde er ... zum Oberstleutnant befördert und ... in eine Planstelle der Besoldungsgruppe [X.] eingewiesen. Zum Dezember ... wurde er zum [X.] ([X.]) versetzt. Er war - überwiegend als Leiter von ... - zwischen 1999 und 2015 in zehn Auslandseinsätzen.

3

2. [X.] wurde zuletzt zum 30. September 2015 planmäßig beurteilt. Er erhielt auf der von 1 bis 9 reichenden [X.] viermal die Einzelnote 7 (Leistungserwartungen wurden ständig, teilweise auch erheblich übertroffen) und fünfmal die Einzelnote 6 (Leistungserwartungen wurden ständig übertroffen). Der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung betrug 6,44. Er habe sich in der erweiterten Spitzengruppe gut behauptet.

4

In einer Stellungnahme von [X.], dem ... Offizier der ... des [X.], vom 19. Oktober 2020 heißt es, der Soldat handele mit großer Sicherheit stets angemessen und zweckmäßig im Sinne der Führung und gelange durchweg zu optimalen Arbeitsergebnissen. Dabei schöpfe er aus seinem großen Erfahrungsschatz als Leiter von ... in Auslandseinsätzen. Er übertreffe die Leistungserwartungen ständig, teils erheblich.

5

Oberstleutnant [X.], der seit Ende September 2015 Fachvorgesetzter des Soldaten und 2021 zeit- und vertretungsweise dessen Disziplinarvorgesetzter war, hat erstinstanzlich ausgesagt, der Soldat sei sehr zurückhaltend und sehr geradlinig mit subtilem Humor und starker Sozialkompetenz. Seine dienstlichen Leistungen seien absolut im obersten Drittel seiner Vergleichsgruppe anzusiedeln. Auf einer Skala von 1 bis 9 sei der Soldat deutlich über 8 einzustufen. Seine Leistungen hätten sich kontinuierlich gesteigert.

6

In einer Sonderbeurteilung vom 14. Januar 2022 wurde der Soldat mit "D+" beurteilt. Er habe herausragende analytische und organisatorische Fähigkeiten, arbeite klar strukturiert, zielorientiert und pragmatisch, sei äußerst teamfähig und absolut zuverlässig. Als Vertreter der Dezernatsleitung erbringe er exzellente Führungsleistungen. Er sei charakterfest und integer, gehöre zur Spitze seiner Vergleichsgruppe und übertreffe die Anforderungen erheblich.

7

3. [X.] ist straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Er erhielt neben diversen Einsatzmedaillen zwischen 1999 und 2006 vier förmliche Anerkennungen, ferner 1991 die [X.] und überdurchschnittliche Leistungen, 1993 die Schützenschnur in Gold ([X.]), 1999 das [X.] in Gold und eine Gratifikation für weit überdurchschnittliche Leistungen als Zugführer, 2000 das [X.] in Silber" und das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold ([X.]), 2003 eine Leistungsprämie, 2005 das [X.] in Silber sowie 2009 eine weitere Leistungsprämie.

8

4. Im gerichtlichen Disziplinarverfahren ist der Soldat beim [X.] eines vorsätzlichen, jedenfalls fahrlässigen Dienstvergehens durch folgendes Verhalten angeschuldigt worden:

"In der [X.] in ... vom 03.08.2015 bis 01.10.2015 verhielt sich der Soldat in dem gemeinsam vom [X.] und [X.] genutzten Haus in ..., ... gegenüber der damaligen [X.] wie folgt:

1. ...

2. ...

3. ...

4. ...

5. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt ab dem 06.09.2015 meinte er, als die Zeugin verschwitzt nach einem Außeneinsatz in das Haus zurückkehrte und ihre [X.] ablegte: 'Bist Du aber wieder (schön) feucht!'

6. Wahrscheinlich am 30.09.2015 sagte er zu der Zeugin, nachdem er unmittelbar vor ihr im Pool des Hauses nach einem Tauchvorgang auftauchte: 'Ich habe das schwarze Bermudadreieck entdeckt/oder: gesehen!', womit er auf das schwarze Bikiniunterteil der Zeugin anspielte.

7. Wenig später am selben Tag reagierte er auf den erschreckten Ausruf der Zeugin darüber, dass sich ein Insekt auf ihren Arm gesetzt hatte, mit dem Ausspruch: 'Das ist der gemeine Mösenfloh!'"

9

5. In der erstinstanzlichen Hauptverhandlung hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft den Soldaten von den [X.]en 1 bis 4 freigestellt. Das [X.] hat den Soldaten mit Urteil vom 25. August 2021 freigesprochen. Der allein erwiesene [X.] 6 sei disziplinarisch nicht relevant.

6. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft macht mit ihrer unbeschränkt eingelegten Berufung einen schweren Verfahrensmangel geltend. Die Hauptverhandlung sei nicht durchweg nichtöffentlich gewesen. Sie sei nach einer wegen der [X.] erfolgten Lüftungspause mit offenem Fenster fortgesetzt worden, bis der Verteidiger darauf hingewiesen habe, dass damit öffentlich verhandelt werde und das Fenster geschlossen worden sei. Es sei nicht auszuschließen, dass draußen Teile der Hauptverhandlung mitverfolgt worden seien. Nach den Zeugenaussagen seien die [X.]e 5 bis 7 erwiesen. Damit habe der Soldat ein Dienstvergehen begangen.

Der Bundeswehrdisziplinaranwalt teilt diese Auffassung. Er hat den Soldaten ebenfalls von den [X.]en 1 bis 4 freigestellt und hält eine Einstellung des Verfahrens unter Feststellung eines Dienstvergehens für geboten.

7. [X.] bestreitet, die Zeugin [X.] sexuell belästigt zu haben. Er habe sich wegen des Verfahrens in therapeutische Behandlung begeben und infolge der [X.] ein faktisches Beförderungsverbot erlitten.

8. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person des Soldaten, zur Anschuldigung und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses verwiesen. Zu den im Berufungsverfahren eingeführten Unterlagen und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Da die [X.] sie in vollem Umfang eingelegt hat, hat der [X.] im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen und auf dieser Grundlage über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Danach ist eine Kürzung der Dienstbezüge des Soldaten um 1/20 für die Dauer eines Jahres angemessen.

1. Der [X.] ist nicht an einer Sachentscheidung gehindert.

a) Es besteht kein Verfahrenshindernis gemäß § 123 Satz 3 i. V. m. § 108 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Darunter fallen Umstände, die der Fortführung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens von Rechts wegen entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. März 2021 - 2 WD 11.20 - juris Rn. 16). Solche Umstände liegen nicht vor.

Insbesondere ist der persönliche Geltungsbereich der [X.] eröffnet. Diese gilt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] für Soldaten. Die [X.] des Soldaten beim [X.] ([X.]), das nicht dem Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums, sondern demjenigen des [X.] unterfällt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2019 - 2 A 14.17 - juris Rn. 21 m. w. N.), ändert an seinem Soldatenstatus im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] nichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 2 VR 2.16 - BVerwGE 161, 59 Rn. 18). Denn auch zum [X.] versetzte Soldaten unterstehen weiterhin der Disziplinargewalt des [X.]. Sie bleiben truppendienstlich nach § 8 Abs. 3 Satz 4 und 5 der Rahmenvereinbarung ([X.]) zwischen dem [X.] und dem [X.] vom 13. Januar 1998 in der Fassung vom 6. August 2012 dem [X.] auch disziplinarisch unterstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 2 VR 2.16 - BVerwGE 161, 59 Rn. 19).

b) Das angefochtene Urteil ist auch nicht wegen eines schweren [X.] gemäß § 121 Abs. 2 [X.] aufzuheben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Dabei kann es dahinstehen, ob durch das Öffnen der Fenster einige Passanten Sätze oder Passagen der mündlichen Verhandlung mitverfolgen konnten oder tatsächlich mitverfolgt haben. Denn darin läge kein schwerer Verfahrensfehler, auf den das Urteil des [X.]s beruhen könnte.

§ 105 Abs. 1 Satz 1 [X.] sieht als Ausnahme vom Grundsatz der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens (Art. 6 Abs. 1 [X.], § 169 [X.]) für das Verfahren vor den [X.] im Interesse des Beschuldigten und dienstlicher Belange die Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung vor (vgl. [X.]. 2/2181 S. 59 f. zu § 86 [X.]-E). Demzufolge könnten durch ein zufälliges Bekanntwerden einzelner Ausschnitte des Prozessgeschehens zwar die Interessen des Soldaten oder das Ansehen der [X.] beeinträchtigt werden; damit ist aber regelmäßig keine Beeinträchtigung der Rechtmäßigkeit der Beweisaufnahme oder der richterlichen Entscheidungsfindung verbunden.

Aus diesen Gründen misst die Rechtsprechung einer Verletzung von Vorschriften über die Nichtöffentlichkeit auch ansonsten nur relative Bedeutung bei. Während der Grundsatz der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens der Kontrolle des Gerichtsgeschehens durch die Allgemeinheit dient und dessen Missachtung einen absoluten Revisionsgrund bildet (vgl. § 338 Nr. 6 StPO), stellt die Verletzung von Vorschriften über den Ausschluss der Öffentlichkeit nur einen relativen Revisionsgrund dar, wenn das Gesetz nicht sogar - wie in § 171b Abs. 5 [X.] - deren revisionsgerichtliche Nachprüfung ausschließt (vgl. [X.], Urteile vom 2. Juli 1969 - 4 [X.] - [X.]St 23, 82 <85>, vom 21. November 1969 - 3 StR 249/68 - [X.]St 23, 176 <178> und vom 17. Februar 1989 - 2 [X.] - [X.]St 36, 119 <120 f.>).

Ungeachtet dessen wäre in Ausübung des dem [X.] nach § 121 Abs. 2 [X.] zustehenden Ermessens selbst bei Annahme eines schweren [X.] von einer Zurückverweisung abzusehen. Denn der Umstand, dass das Fenster zeitweise offen stand, ist nicht behebbar, sodass eine Zurückverweisung nur zu einer weiteren Verfahrensverzögerung führen würde.

2. In tatsächlicher Hinsicht sind nach dem Ergebnis der [X.] 5 bis 7 erwiesen.

a) Die Äußerung gemäß [X.] 5 gegenüber der damaligen [X.] (nunmehr: [X.], im Folgenden: Zeugin [X.]) hat der Soldat nach anfänglichem Bestreiten auf Vorhalt seiner erstinstanzlichen Einlassung in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt. Sie wurde von der Zeugin [X.] und vom Zeugen [X.] (im Folgenden: Zeuge D.) bestätigt.

Zwar hat der Soldat geltend gemacht, die Bemerkung lakonisch gemeint zu haben, weil die Zeugin [X.] zuvor ein großes Bedürfnis nach Sex geäußert habe. Sie habe Anpassungsprobleme gehabt und sich übergriffig geäußert, was unangenehm gewesen sei. Ein dahingehendes Vorverhalten der Zeugin [X.] hat der [X.] in der Beweisaufnahme jedoch nicht feststellen können.

Die Zeugin [X.] hat erklärt, dass die Bemerkung direkt nach ihrem Eintreten und Ablegen der Schutzweste gefallen sei, ohne dass es zuvor ein Gespräch zwischen ihr und dem Soldaten gegeben habe. Sie könne sich auch nicht erinnern, mit dem Soldaten sexualbezogene Gespräche geführt zu haben. Ein so vertrautes Verhältnis habe sie mit ihm nicht gehabt. Ein sexuelles Bedürfnis habe sie nicht geäußert. Der Zeuge D. konnte sich ebenfalls nicht an ein dem Vorfall mit der Schutzweste vorgelagertes Gespräch erinnern. Er habe gemeinsam mit der Zeugin [X.] das Haus betreten; sie hätten die Schutzwesten ausgezogen und dann sei die Äußerung des Soldaten gefallen. Von unangemessenen Äußerungen der Zeugin [X.] sexuellen Inhalts habe er keine Kenntnis.

Der [X.] hält die übereinstimmenden Aussagen der Zeugin [X.] und des [X.] für glaubhaft. Sie sind schlüssig und widerspruchsfrei. Die Zeugen erweckten auch nicht den Eindruck, sich abgesprochen zu haben. So vermochte sich der Zeuge D. etwa zusätzlich an einen von der Zeugin [X.] nicht angesprochenen Vorfall zu erinnern, dass der Soldat einmal beim Anblick der Zeugin [X.] auf diese bezogen äußerte "Wenn sie jetzt Strapse anhätte, das wäre geil", während er an den [X.] 6, zu dem die Zeugin [X.] Angaben machte, keine Erinnerungen hatte. Die Zeugen haben auch keinen Belastungseifer gezeigt. Insbesondere haben sie ihre dienstlichen Meldungen über die Vorfälle nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Veranlassung ihres Abteilungsleiters abgesetzt.

b) Die Äußerung gemäß [X.] 6 im dort aufgezeigten Kontext hat der Soldat ebenfalls eingeräumt. Sie wurde von der Zeugin [X.] bestätigt.

Zwar hat der Soldat erläutert, der Spruch habe ein Witz über das [X.] der Zeugin [X.] sein sollen, nachdem diese erzählt habe, dass sich ihre Großmutter über ihre als "Bindfäden" bezeichnete Unterwäsche lustig gemacht habe; mit dem Wort "Bermuda-Dreieck" sei die maritime Komponente angesprochen gewesen, weil man sich im Wasser aufgehalten habe.

Ungeachtet seines eigenen Verständnisses von dem von der Zeugin [X.] nach deren Bekunden als unangenehm empfundenen Spruch, hat er aber eingestanden, ihn von sich gegeben zu haben.

c) Der [X.] ist ferner davon überzeugt, dass der Soldat den im [X.] 7 wiedergegebenen Ausruf tätigte. Zwar hat er geltend gemacht, er habe in Anspielung auf den Spitznamen "Möhre" der Zeugin [X.] "Möhrenfloh" und nicht "[X.]" gesagt. Der [X.] glaubt ihm dies aber nicht. Denn seiner Aussage stehen die gegenteiligen Aussagen der Zeugin [X.] und des [X.] gegenüber. Beide haben zwar bestätigt, dass die Zeugin [X.] den Spitznamen "Möhre" hatte, waren sich aber sicher, dass die Formulierung des Soldaten "[X.]" gewesen sei. Der [X.] hält ihre übereinstimmenden Aussagen aus den bereits aufgezeigten Gründen für glaubhaft, zumal sich der Ausruf nach Art und Inhalt in die beiden vom Soldaten eingeräumten Äußerungen einreiht, für ihn also nicht untypisch ist.

d) Demgegenüber sind die ersten vier [X.]e nicht erwiesen. Alle erstinstanzlich vernommenen Zeugen hatten dazu keine hinreichende Erinnerung, sodass die [X.] an ihrer Anschuldigung insoweit nicht festgehalten hat. Angesichts dessen bestand in der Berufungshauptverhandlung kein Anlass, eine weitere Beweiserhebung durchzuführen.

3. [X.] hat mit den erwiesenen [X.]en 5 bis 7 ein Dienstvergehen begangen (§ 23 Abs. 1 [X.]).

a) Er hat vorsätzlich gegen seine Pflicht nach § 10 Abs. 6 [X.] verstoßen, inner- und außerhalb des Dienstes bei seinen Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten.

aa) Zwar war der beim [X.] dauerverwendete Soldat nicht Vorgesetzter der Zeugin [X.], die damals dem Amt für den Militärischen Abschirmdienst ([X.]) angehörte. Ein Verstoß gegen § 10 Abs. 6 [X.] setzt jedoch nicht voraus, dass der Soldat es innerhalb eines konkreten [X.] an [X.] hat fehlen lassen. Es genügt das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrads (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 - 2 WD 7.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 89 Rn. 40 m. w. N.), hier aufgrund des Dienstgrads als Oberstleutnant.

bb) Die Bemerkungen des Soldaten waren auch geeignet, das Vertrauen in ihn als Vorgesetzten zu erschüttern. Bei ihrer Auslegung ist vom objektiven Erklärungsgehalt auszugehen, wie ihn ein unbefangener Dritter verstehen musste. Dabei sind alle Begleitumstände einschließlich des Kontextes und [X.], auf der die Äußerungen fielen, zu berücksichtigen. Maßgeblich für die Deutung ist nicht die subjektive Absicht des sich Äußernden, sondern der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Dritten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 - 2 WD 4.21 - juris Rn. 34).

(1) Mit der Bemerkung "Du bist aber wieder (schön) feucht!" wurde nach dem objektiven Erklärungsgehalt wegen der direkten Ansprache der Zeugin [X.] ("Du") deren Zustand angesprochen. In dem Kontext, dass sie gerade verschwitzt von einem Außeneinsatz zurückkehrte, war die Äußerung doppeldeutig. Sie konnte sowohl im Sinne von "nassgeschwitzt" als auch im Sinne von "feucht aus sexueller Erregung" verstanden werden. Weil bei sexueller Erregung das weibliche Geschlechtsorgan feucht wird, kann die Bemerkung "schön feucht" als sexuelle Anspielung verstanden werden, die mit dem Zusatz "Du ... wieder" einen abwertenden Unterton hat. Wegen dieser Assoziation war die Bemerkung aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers bewusst doppeldeutig konzipiert. So wurde sie auch von beiden Anwesenden - der Zeugin [X.] und dem [X.] - aufgefasst. Dies hat der Soldat auch nicht in Abrede gestellt. Seine Einlassung, er habe den wiederholten sexuellen Äußerungen der Zeugin mit der Bemerkung Einhalt gebieten wollen, spricht für das Verständnis als abwertende sexuelle Bemerkung. Eine solche zweideutige Verwendung sexualbezogener Begrifflichkeiten ist geeignet, das Vertrauen in einen Vorgesetzten zu erschüttern.

(2) Die Äußerung "Ich habe das schwarze Bermuda-Dreieck entdeckt/gesehen!" bezog sich angesichts des Kontextes, dass sie unmittelbar nach dem Tauchgang des Soldaten unter der im Pool schwimmenden Zeugin [X.] fiel, welche einen schwarzen Bikini trug, aus Sicht eines objektiven Betrachters auf ihr Bikiniunterteil. Mit diesem Ausruf hat der Soldat dem objektiven Erklärungsgehalt nach zum Ausdruck gebracht, einen Blick zwischen die Beine der schwimmenden Zeugin [X.] erhascht zu haben. Der Vergleich dieses Anblicks mit dem "Bermudadreieck", einem Seegebiet im westlichen [X.], in dem zahlreiche Schiffe und Flugzeuge verschollen sind, kann zwar auch bei längerem Nachdenken als abwertende Anspielung auf das Geschlechtsorgan der Soldatin interpretiert werden. Die Zeugin [X.] und der Zeuge D. haben dies jedoch vor dem Hintergrund der damaligen Gesprächsatmosphäre und der Spontanität der Äußerung nicht so interpretiert. Auch der Soldat hat eine diesbezügliche Erklärungsabsicht bestritten. Dessen ungeachtet ist ein solcher Kommentar für einen Vorgesetzten in einer Dienststelle unangebracht.

(3) Die Äußerung "Das ist der gemeine [X.]!" bezog sich auf ein Insekt, das im Pool auf der Zeugin [X.] gelandet war und vor dessen Stich sich die Zeugin fürchtete. Die Kommentierung des Soldaten, es handele sich um den gemeinen "[X.]", war objektiv betrachtet eine spöttische und abwertende Bemerkung gegenüber der Zeugin. Der in die Bezeichnung "[X.]" integrierte Begriff "Möse" ist eine derbe und gemeinhin abfällig verstandene Bezeichnung des primären weiblichen Geschlechtsorgans. Damit wurde bei objektiver Betrachtung das Geschlechtsorgan der Zeugin [X.] thematisiert. Eine solche sexualbezogene Bemerkung ist ebenfalls geeignet, das Vertrauen in einen Vorgesetzten zu untergraben.

cc) § 10 Abs. 6 [X.] erfasst nur solche Äußerungen, die Untergebenen zu Gehör kommen oder in die Öffentlichkeit dringen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 34). Dies war hier schon deshalb der Fall, weil die Gefahr bestand, dass die Äußerungen des Soldaten, die im Beisein der Zeugen [X.] und D. fielen, von diesen dem damaligen [X.] zugetragen würden, welcher dieselbe Unterkunft bewohnte und Untergebener des Soldaten war.

dd) [X.] hat die Zurückhaltungspflicht vorsätzlich verletzt. Er hat es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, mit seinen Äußerungen nicht die erforderliche Zurückhaltung zu wahren, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten. Denn er ist nach eigenen Angaben sprachaffin und verfügte nach dem Eindruck des [X.]s über hinreichende intellektuelle Fähigkeit, seine Worte einzuschätzen.

b) Damit einher geht ein vorsätzlicher Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

aa) Denn die anzüglichen Bemerkungen wurden nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die der Dienst des Soldaten erforderte, was der Soldat zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm.

bb) Für den Anwendbarkeit des § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] kann dahinstehen, ob sich der Soldat bei seinen Äußerungen "im Dienst" befand. Denn die Vorschrift ist auch dann einschlägig, wenn sich ein Soldat nicht im Dienst befindet, aber im räumlichen Bereich dienstlicher Anlagen im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 3 [X.] (§ 17 Abs. 2 Satz 2 [X.] a. [X.]) handelt.

Der Begriff "dienstliche Anlagen" ist schon vom Wortlaut her weiter als die Begriffe "umschlossene militärische Anlagen" in § 4 Abs. 3 [X.] oder "[X.]" in § 32 Abs. 2 [X.] a.[X.] Er erfasst nach Nutzungsart und Verwendungszweck Flächen und Räumlichkeiten, die von ihrer Umgebung erkennbar abgegrenzt sind, ohne umschlossen sein zu müssen, und im weitesten Sinne dem militärischen Dienstbetrieb dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2009 - 2 WD 16.08 - [X.] 449 § 17 Soldatengesetz Nr. 43 Rn. 40).

Danach ist auch das Gelände des vom [X.] gemieteten und ausschließlich von Angehörigen des [X.] und des [X.] dienstlich genutzten Hauses in ..., auf dem die Bemerkungen fielen, eine dienstliche Anlage im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 3 [X.]. Denn der Gesetzeswortlaut enthält keine Beschränkung auf Anlagen der [X.] oder auf [X.] Anlagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2009 - 2 WD 16.08 - [X.] 449 § 17 Soldatengesetz Nr. 43 Rn. 40). Das betreffende Haus war nach Nutzungsart und Verwendungszweck die im Einsatzgebiet vorgesehene Anlage für die Verrichtung des Dienstes der dort eingesetzten Soldaten des [X.] und des [X.]. Dabei bestand die Aufgabe des [X.] nach den Angaben der Zeugin [X.] darin, die [X.]n Truppen im Ausland durch Aufklärungsarbeit, Kontakt mit anderen Nachrichtendiensten und Herstellung eines Lagebildes für die militärische Sicherheit zu schützen. Zwar gehört das [X.] zum [X.] ([X.]). Es nahm aber nach den Angaben des Soldaten ebenfalls eine Schutz- und Warnfunktion für [X.] Soldaten im Ausland wahr. Dementsprechend diente das Gelände des Hauses in ... im weitesten Sinne dem militärischen Dienstbetrieb.

c) Mit den zu den [X.]en 5 und 7 erwiesenen Äußerungen hat der Soldat zudem vorsätzlich seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 [X.]) verletzt, welche die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung umfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 68 Rn. 37 m. w. N.). Denn damit hat er die Zeugin [X.] sexuell belästigt (§ 7 Abs. 2 [X.]).

Nach § 3 Abs. 4 [X.] liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Nach der beispielhaften Auflistung der Norm kann ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten insbesondere in Bemerkungen sexuellen Inhalts liegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. März 2020 - 2 WD 3.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 72 Rn. 19).

Beide Äußerungen hatten einen sexuellen Inhalt und waren der Zeugin [X.] nach deren glaubhaften Bekundungen unerwünscht.

Sie bewirkten - anders als die zum [X.] 6 erwiesene Bemerkung zum Bikiniunterteil - auch eine Verletzung der Würde der Zeugin [X.]. Eine Würdeverletzung im Sinne des § 3 Abs. 4 [X.] muss nicht die Qualität einer Würdeverletzung im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG erreichen (vgl. [X.]. 16/1780 S. 33 und 54; BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2022 - 2 WD 14.21 - juris Rn. 51). Insoweit genügt es, dass mit beiden despektierlichen Bemerkungen die Geschlechtsorgane der Zeugin [X.] im Beisein ihres Vorgesetzten, des [X.], thematisiert wurden, weil dies eine fehlende Achtung vor der Intimsphäre und der sexuellen Ehre der Zeugin [X.] dokumentiert.

Dass der Soldat dies möglicherweise nicht bezweckt hat, ändert nichts daran, dass er eine Würdeverletzung wissentlich und willentlich bewirkt hat. Das Bewirken allein ist nach dem Tatbestand des § 3 Abs. 4 [X.] ausreichend (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. April 2021 - 2 WD 15.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 91 Rn. 27).

d) Mit den zu den [X.]en 5 und 7 erwiesenen Äußerungen einher geht zudem ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht nach § 12 Satz 2 [X.]. Diese gebietet gemäß § 12 Satz 2 [X.], die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten. Dem ist der Soldat mit den beiden Bemerkungen nicht gerecht geworden, weil er damit - wie festgestellt - wissentlich und willentlich eine Verletzung der Würde der Zeugin [X.] bewirkt hat.

3. Bei Art und Maß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 [X.] Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Insoweit legt der [X.] ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde:

a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine [X.] für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der [X.].

Dies ist bei sexuellen Belästigungen von Untergebenen im Dienst regelmäßig eine Herabsetzung im Dienstgrad (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. April 2021 - 2 WD 15.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 91 Rn. 35 m. w. N.), wobei ein [X.] kraft Dienstgrads genügt (BVerwG, Urteil vom 4. März 2020 - 2 WD 3.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 72 Rn. 25 m. w. N.). Entsprechendes gilt bei sexuellen Belästigungen von dienstlich unterstellten Zivilbediensteten (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 1998 - 2 WD 12.98 - BVerwGE 113, 290 <293>). Denn zur Funktionsfähigkeit der [X.] trägt nicht nur die integre Kameradschaft der Soldaten, sondern auch die reibungslose und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Soldaten und zivilen Mitarbeitern der [X.] bei (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 - 2 WD 30.99 - juris Rn. 6).

Derselbe Ausgangspunkt der [X.] ist im vorliegenden Fall angezeigt. Zwar gehörten der Soldat und die Zeugin [X.] unterschiedlichen Dienststellen in verschiedenen Geschäftsbereichen an. Sie mussten aber im Rahmen der [X.]" nach der aufgrund § 14 Abs. 6 [X.]-Gesetz getroffenen Einzelvereinbarung aus dem [X.] vor Ort zusammenarbeiten. Nach Nr. 3 dieser Vereinbarung gewähren sich der [X.] und der [X.] im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben und Möglichkeiten gegenseitige Unterstützung und unterrichten einander. Es bedurfte daher - ebenso wie bei der Zusammenarbeit von Soldaten und Zivilbediensteten - einer reibungslosen und vertrauensvollen Zusammenarbeit der Soldaten in beiden Dienststellen. Daher ist als Ausgangspunkt der [X.] ebenfalls eine Dienstgradherabsetzung angemessen.

b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 [X.] und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die ein Abweichen von der [X.] gebieten. Danach ist eine Kürzung der Dienstbezüge des Soldaten um 1/20 für die Dauer von einem Jahr angemessen.

aa) Für den Soldaten sprechen mehrere gewichtige Umstände:

(1) Nach Art und Schwere liegt ein minderschwerer Fall der sexuellen Belästigung vor. Denn im Spektrum möglicher sexueller Belästigungsformen sind rein verbale Belästigungen im unteren Bereich anzusiedeln (BVerwG, Urteil vom 22. April 2021 - 2 WD 15.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 91 Rn. 38 m. w. N.). Zwar kann für wiederholte und hartnäckige, auch strafrechtlich relevante sexuelle Aufforderungen im Sinne des § 3 Abs. 4 [X.] etwas Anderes gelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. März 2020 - 2 WD 3.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 72 Rn. 27). Die in Rede stehenden Äußerungen sind aber straflos. [X.] verfolgte damit auch nicht die Absicht, die Zeugin [X.] etwa zur Vornahme sexueller Handlungen zu bewegen. Seine Bemerkungen waren zwar respektlos und die Äußerungen gemäß den [X.]en 5 und 7 zudem würdeverletzend. Jede Bemerkung wäre aber für sich genommen nicht so schwerwiegend, dass zu ihrer Ahndung nicht eine einfache Disziplinarmaßnahme gereicht hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 2020 - 2 WD 13.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 74 Rn. 37).

(2) Des Weiteren hat der Soldat nicht nur zehn Auslandseinsätze absolviert, sondern gute dienstliche Leistungen erbracht. Dies kommt in seiner letzten planmäßigen Beurteilung, der Sonderbeurteilung, der Stellungnahme von [X.], der erstinstanzlichen Aussage des [X.] Oberstleutnant [X.], den Abzeichen und Trageberechtigungen sowie den vier förmlichen Anerkennungen zum Ausdruck.

bb) Nicht erfüllt sind allerdings die klassischen Milderungsgründe einer Nachbewährung und eines faktischen Beförderungsverbots; ebenso wenig ist dem Soldaten zu [X.] zu halten, dass er vor den Äußerungen gemäß den [X.]en 6 und 7 Alkohol konsumiert hatte.

(1) Eine Nachbewährung setzt in fachlicher Hinsicht eine deutliche Leistungssteigerung oder die Beibehaltung eines hohen Leistungsniveaus voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 - 2 WD 7.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 89 Rn. 37). [X.] hat seine Leistungen nach dem Dienstvergehen nicht deutlich gesteigert. Die Leistungen waren auch nicht überdurchschnittlich hoch, sondern bewegten sich mit der zuletzt vergebenen Note "D+" in der Sonderbeurteilung vom 14. Januar 2022 nach Ziff. 908 [X.]/50 ("Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten") im Normalbereich.

(2) Ein faktisches Beförderungsverbot setzt voraus, dass eine konkret anstehende Beförderung durch das Disziplinarverfahren verhindert wurde. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Aushändigung einer bereits erstellten Beförderungsurkunde aktenkundig wegen des Disziplinarverfahrens unterbleibt oder wenn nach Bestehen einer beruflichen Prüfung regelmäßig eine Beförderung erfolgt und dies im konkreten Fall allein wegen des Disziplinarverfahrens entfällt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2019 - 2 WD 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 34). Beides ist nicht der Fall.

(3) Eine enthemmende Wirkung einer Alkoholisierung wäre zwar auch schon im Vorstadium des § 21 StGB schuldmildernd zu berücksichtigen, wenn der Soldat wegen einer Alkoholerkrankung schuldlos Alkohol konsumiert und wegen dieses Zustandes das Dienstvergehen begangen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2022 - 2 WD 14.21 - juris Rn. 78). [X.] war aber nicht alkoholkrank. Zwar hat er in dem Einsatz nach der Wahrnehmung des erstinstanzlich vernommenen Zeugen [X.] überdurchschnittlich viel Alkohol konsumiert. Nach der truppenärztlichen Stellungnahme von [X.] vom 20. August 2021 liegt aber kein Anhalt für eine durchgemachte oder akut bestehende Suchterkrankung vor. Hinweise darauf ergeben sich auch nicht aus den sonstigen Zeugenaussagen. Danach bleibt es bei dem Grundsatz, dass ein Soldat, der sich schuldhaft alkoholisiert und damit in einen zum Dienstvergehen führenden Zustand versetzt, dafür verantwortlich bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2022 - 2 WD 14.21 - juris Rn. 78).

cc) Demgegenüber sprechen gegen den Soldaten folgende Umstände:

(1) Er hatte zur Tatzeit wegen seines Dienstgrads als Oberstleutnant eine Vorgesetztenstellung inne, wobei er in dem vom [X.] und [X.] genutzten [X.] den höchsten Dienstrang hatte. Nach § 10 [X.] war er zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet. Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Vorbild ab, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2020 - 2 WD 20.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 84 Rn. 40 m. w. N.). Dabei ist es nicht erforderlich, dass es der Soldat innerhalb eines konkreten [X.] an [X.] hat fehlen lassen. Es genügt das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrads (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 - 2 WD 7.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 89 Rn. 40 m. w. N.). Die Vorgesetztenstellung wirkt sich allerdings nicht erschwerend im Hinblick auf die Verletzung des § 10 Abs. 6 [X.] aus, weil dieser nur für Vorgesetzte gilt.

(2) Das Dienstvergehen hatte zudem nachteilige Auswirkungen für den Dienstherrn. Denn dem Soldaten wurde deshalb die [X.] entzogen.

dd) Bei einer Gesamtwürdigung aller aufgezeigten Umstände ist wegen des minder schweren Falls einer sexuellen Belästigung von der Dienstgradherabsetzung (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 [X.]) als [X.] zur nächstmilderen Maßnahmeart überzugehen, die im Fall des als Oberstleutnant der Besoldungsgruppe [X.] eingestuften Soldaten in einer Herabsetzung in der Besoldungsgruppe (§ 58 Abs. 1 Nr. 3 [X.]) besteht.

ee) Die unangemessene Dauer des Disziplinarverfahrens mit einer außergewöhnlich langen, ungerechtfertigten Überlänge von etwa dreieinhalb Jahren gebietet zwei weitere Maßnahmesprünge zu einer Kürzung der Dienstbezüge.

In Fällen, in denen - wie hier - eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme geboten ist, ist eine gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] und Art. 19 Abs. 4, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verstoßende, unangemessene Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2020 - 2 WD 18.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 82 Rn. 75 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des [X.] kann der für die Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum bereits vor dem Gerichtsverfahren beginnen und ein behördliches Vorschaltverfahren umfassen (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04, [X.]/[X.] - NVwZ 2010, 1015 Rn. 44).

(1) Ausgehend davon weist bereits das bei der Verfahrensdauer einzubeziehende disziplinare Vorermittlungsverfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 2 WD 1.20 - BVerwGE 169, 388 Rn. 41) eine Überlänge von etwa drei Monaten auf. Die dienstlichen Meldungen der Zeugen [X.], [X.] und D. zum Dienstvergehen gingen Anfang November 2015 ein. Spätestens nach der ersten Vernehmung dieser drei Zeugen am 22. und 26. Februar 2016 sowie am 2. März 2016 lagen hinreichende Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht eines mit einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme zu ahndenden Dienstvergehens vor. Daher hätte das gerichtliche Disziplinarverfahren bei einer dem Beschleunigungsgebot (§ 17 Abs. 1 [X.]) entsprechenden zügigen Durchführung der erforderlichen Anhörungen der Vertrauensperson und des früheren Soldaten jedenfalls innerhalb eines angemessenen Bearbeitungszeitraums von drei Monaten Anfang Juni 2016 eingeleitet werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 2 WD 22.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 95 Rn. 39). Tatsächlich ist es erst am 20. September 2016 und somit etwa drei Monate zu spät eingeleitet worden.

(2) Darüber hinaus weist das [X.] und drei Monate lange erstinstanzliche Verfahren eine nicht gerechtfertigte Überlänge von etwa drei Jahren und drei Monaten auf. Zwar waren Zeugenvernehmungen erforderlich. Jedoch handelte es sich um der Sache nach gleichgelagerte Tatvorwürfe, deren rechtliche Beurteilung nicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden war. Dementsprechend hatte der Vorsitzende der Truppendienstkammer vorgeschlagen, das Verfahren im Wege eines Disziplinargerichtsbescheids zu beenden. Besondere Gründe dafür, dass das Verfahren nicht binnen eines Jahres zu Ende Mai 2018 zum Abschluss gebracht wurde, sind der Akte nicht zu entnehmen. Dies lässt darauf schließen, dass dies auf die gerichtsbekannte Überlastung der [X.]e zurückgeht. Diesen strukturellen Mangel hat der Soldat nicht zu verantworten. Von der Überlänge sind auch keine Zeiträume wegen Verzögerungen aufgrund der [X.]ovid-19-[X.] abzuziehen. Denn wäre das erstinstanzliche Verfahren Ende Mai 2018, also lange vor Beginn der [X.]ovid-19-[X.] abgeschlossen worden, wäre es auch nicht zu den nachfolgenden Verzögerungen aufgrund der [X.] gekommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2022 - 2 WD 14.21 - juris Rn. 84).

(3) Nicht einzubeziehen ist jedoch der Zeitraum zwischen der Zustellung der Einleitungsverfügung an den Soldaten und dem Eingang der Anschuldigungsschrift beim [X.]. Denn der Soldat hat in diesem Verfahrensstadium keinen Antrag beim [X.] nach § 101 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestellt, um auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04, [X.]/[X.] - NVwZ 2010, 1015 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2019 - 2 WD 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 42). Das gut ein Jahr lange Berufungsverfahren weist keine Überlänge auf.

(4) [X.] hat unter der überlangen Verfahrensdauer auch gelitten. Er wurde nicht nur in drei Beurteilungsrunden in den Jahren 2017, 2019 und 2020 nicht berücksichtigt, sondern begab sich - nach seinen Angaben wegen des Verfahrens - zudem in eine ambulante psychotherapeutische Behandlung. Ausweislich des von ihm in der Berufungshauptverhandlung vorgelegten Briefes des [X.]krankenhauses ... vom 21. Juni 2021 war er infolge der langen Verfahrensdauer frustriert.

ff) Innerhalb des nach § 59 [X.] eröffneten Spielraums, der eine bruchteilmäßige Verminderung der jeweiligen Dienstbezüge um mindestens 1/20 und höchstens 1/5 für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zulässt, ist eine Kürzung der Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von einem Jahr angemessen. Die Dauer bewegt sich im unteren Bereich des Möglichen und berücksichtigt einerseits die guten dienstlichen Leistungen und die zehn Auslandseinsätze und andererseits die Vorgesetztenstellung und den wegen des Dienstvergehens erfolgten Entzug der [X.]. Wegen der Unterhaltspflichten gegenüber den beiden Kindern und der Ehefrau nach erfolgter Trennung kann es beim genannten [X.] verbleiben.

4. [X.] beruht auf § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2, § 140 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]. Die Quotelung trägt den Freistellungen von vier der sieben [X.]e Rechnung.

Meta

2 WD 20/21

10.11.2022

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Urteil

Sachgebiet: WD

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 25. August 2021, Az: S 2 VL 14/17, Urteil

Art 6 Abs 1 S 1 MRK, Art 1 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 1 Abs 1 S 1 SG, § 7 SG, § 10 Abs 6 SG, § 12 S 2 SG, § 17 Abs 2 S 1 SG, § 105 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 3 Abs 4 SoldGG, § 7 Abs 2 SoldGG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.11.2022, Az. 2 WD 20/21 (REWIS RS 2022, 8735)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8735

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