Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.04.2021, Az. 2 WD 15/20

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2021, 6645

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Gegenstand

Beförderungsverbot wegen sexueller Belästigung in Form sexuell herabsetzender Bemerkungen


Tenor

Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil des [X.] vom 28. November 2019 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.

Gegen den Soldaten wird ein Beförderungsverbot für die Dauer von 48 Monaten verhängt; im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen tragen der [X.] und der Soldat jeweils zur Hälfte.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft den Vorwurf unangemessener und sexistischer Äußerungen durch einen Stabsoffizier.

2

Der 19... geborene Soldat verfügt über das Abitur und trat 1985 den Dienst in der [X.] an. An der ... schloss er das Studium Maschinenbau/Luft- und Raumfahrttechnik erfolgreich ab. 1994 wurde er zum Berufssoldaten ernannt. Seine Dienstzeit endet 20... 2016 wurde er zum Oberst der Besoldungsgruppe A 16 befördert.

3

Nach zahlreichen Verwendungen, des [X.] unter anderem des Generalstabslehrgangs und einer Tätigkeit im ... wurde er 2013 zum ... und nach vorheriger Kommandierung zum November 2015 zum ... versetzt; dort nahm er die Funktion des ... wahr. Seit Oktober 2017 ist er als ... im ... tätig.

4

2015 wurde er im Dienstgrad eines Oberstleutnants im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung mit "8,40" beurteilt. Er sei als Mensch, Kamerad und Vorgesetzter allseits geschätzt und ein "Macher". Die Konzipierung und Implementierung des Spitzenkräftecoachings trage vor allem seine Handschrift. Für die Auftragserfüllung stelle er seine persönlichen Interessen immer zurück. Er sei ein außerordentlich robuster, belastungsfähiger und zäher Stabsoffizier, der das Herz am rechten Fleck trage. Wegen seiner herausragenden Führungsbefähigung und seiner Souveränität sei er für die höchsten Verwendungen seiner Laufbahn geeignet. Der nächsthöhere Vorgesetzte hat den Soldaten für Führungsverwendungen bis in [X.] empfohlen.

5

Eine vom Truppendienstgericht als rechtswidrig angesehene Beurteilung vom 10. April 2019 und die dem Soldaten erteilte [X.] vom 12. November 2020 weisen als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "8,56" aus. Der Soldat gehöre zur Spitze der ... Auch nach seiner Rückkehr aus einem bravourös gemeisterten Einsatz in [X.] habe er aus dem Stand heraus in seine Gruppe Schwung gebracht. Er sei ein Planer und ein Organisationstalent mit klarem Führungsanspruch. Bei der Auftragserfüllung bedürfe es keinerlei Anstoßes von außen. Die Zusammenarbeit mit ihm sei hervorragend. Wegen des laufenden Berufungsverfahrens sei die Bewertung im Bereich Führungsverhalten herabgesetzt worden, obwohl die aktuellen Erkenntnisse eine höhere Bewertung rechtfertigten. Der Soldat sei ein geradliniger, erfahrener, fachlich hochqualifizierter, hochmotivierter und charakterlich integrer Generalstabsoffizier mit tadelloser Berufsauffassung und breiter Einsatzerfahrung. Er sei für [X.] [X.] geeignet. Der nächsthöhere Vorgesetzte hat sich dem angeschlossen.

6

Der aktuelle Disziplinarvorgesetzte Generalmajor A. hat den Soldaten als seinen besten ... beschrieben. Der frühere Disziplinarvorgesetzte Generalmajor B. hat ihn als leistungsstarken Soldaten beschrieben, der mit der Sprache kokettiert habe. Durch dessen Verhalten sei dem bereits seinerzeit wegen zahlreicher anderer Vorfälle stark unter öffentlichem Druck stehenden ... schwerer Schaden zugefügt worden. Der Soldat sei unabhängig von der Presseberichterstattung als ... nicht mehr haltbar gewesen. Ungeachtet dessen sei er ein leistungsstarker Soldat, dessen pflichtwidriges Verhalten mit der notwendigen disziplinarischen Ahndung nun allerdings ausreichend sanktioniert sein müsse.

7

Der Disziplinarbuchauszug des Soldaten enthält fünf förmliche Anerkennungen, zuletzt aus 2018. 2015 wurde ihm eine Leistungsprämie gewährt und 2001 das Ehrenkreuz der [X.] verliehen. Der Zentralregisterauszug des Soldaten ist ohne Eintragungen.

8

Der Soldat ist verheiratet und Vater von drei minderjährigen Kindern; seine Frau ist schwanger. Er erhält Dienstbezüge in Höhe von etwa 6 051 € netto. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet.

Entscheidungsgründe

9

1. Nachdem dem Kommandeur ... im Juli 2017 ein anonymes Schreiben zugegangen war, wurde das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten mit Verfügung vom 11. Juni 2018 eingeleitet und ihm mit [X.] vom 17. Dezember 2018 als Dienstvergehen zur Last gelegt:

"[X.]

1. äußerte am 29.09.2015 in der militärischen Liegenschaft ... gegenüber der im [X.] im Bereich Infrastrukturmanagement eingesetzten Frau [X.] in Anwesenheit von [X.] in Bezug auf die gute Infrastruktur am Standort ... zumindest sinngemäß: 'Bitte verzeihen Sie [X.], aber ich befinde [X.] gerade in einem Zustand der Dauererektion.'

2. äußerte ... in der militärischen Liegenschaft ... im Januar 2016 gegenüber den Zeugen [X.], [X.], [X.] sowie [X.] zumindest sinngemäß: 'Na, Ihr Wichser.'

3. äußerte an einem nicht mehr genau zu ermittelnden Zeitpunkt im Januar 2016 in der militärischen Liegenschaft ... in Anwesenheit des Zeugen [X.] und anderer nicht mehr zu ermittelnder Zeugen zumindest sinngemäß: 'ficken, ficken, ficken'.

4. bezeichnete die ... im Bereich Infrastrukturmanagement eingesetzte Zivilbeschäftigte Frau [X.] in Anwesenheit der Zeugen [X.] und [X.] zu einem nicht genau zu ermittelnden Zeitpunkt am Abend des 10.11.2016 ... in Bezug auf ihre Tätigkeit im Bereich der Infrastruktur zumindest sinngemäß als 'geile Sau'.

5. äußerte zu einem nicht genau ermittelbaren Zeitpunkt zwischen 18:00 Uhr des 10.11.2016 und 01:00 Uhr des 11.11.2016 ... gegenüber [X.], der sich zu diesem Zeitpunkt mit der ... im Bereich Infrastrukturmanagement eingesetzten Zivilbeschäftigten Frau [X.] über ein Infrastrukturprojekt unterhielt, zumindest sinngemäß: 'Haben Sie schon Ihr großes Gemächt in die Waagschale geworfen?'

6. äußerte an einem nicht mehr genau zu ermittelnden Tag im Juni oder Juli 2017 in der militärischen Liegenschaft ... telefonisch gegenüber der im Bereich Infrastrukturmanagement ... eingesetzten Zivilbeschäftigten Frau [X.] zumindest sinngemäß: 'Wir befinden uns in der [X.], in welcher wir nicht wissen, in welches Loch wir penetriert werden.'"

2. Mit Urteil vom 28. November 2019 hat das [X.] gegen den Soldaten ein [X.] für die Dauer von 48 Monaten in Verbindung mit einer Kürzung der jeweiligen monatlichen Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von 36 Monaten verhängt. Aufgrund der Einlassungen des Soldaten und der Zeugenaussagen stehe fest, dass sich der Soldat tatsächlich wie angeschuldigt geäußert und damit gegen die soldatischen Pflichten aus §§ 7, 10 Abs. 3 und 6, §§ 12 und 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] sowie § 3 Abs. 4 [X.] verstoßen habe. Dabei wirke erschwerend, dass er wiederholt verbale Entgleisungen gezeigt, sich auch durch Hinweise von Kameraden bzw. einer zivilen Mitarbeiterin nicht von weiteren verbalen Entgleisungen habe abbringen lassen und er eine herausgehobene Stellung innegehabt habe, in der er durch das Dienstvergehen untragbar geworden sei. [X.] wirkten die hervorragenden Leistungen und die fehlende Beleidigungsabsicht.

3. [X.] macht mit seiner dagegen unbeschränkt eingelegten Berufung im Wesentlichen geltend, rechtsfehlerhaft habe das [X.] bei der [X.] eine Verletzung soldatenspezifischer Vorschriften festgestellt und die Beurteilung vom 10. April 2019 nicht verwertet. Er habe die Vorwürfe auch keineswegs vollumfänglich eingestanden und einzelne Feststellungen, insbesondere zu seinem Entschuldigungsverhalten und zu den Folgen der Pflichtverletzungen, seien unzutreffend. Die Zeugenaussagen seien zudem anders als erstinstanzlich angenommen zu bewerten.

Die vom Soldaten eingelegte Berufung ist zulässig und zum Teil begründet. Da nur er Berufung in vollem Umfang eingelegt hat, hat der Senat unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 331 StPO) im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Danach erweist sich ein [X.] für die Dauer von 48 Monaten ohne zusätzliche [X.] als tat- und schuldangemessen.

1. [X.] hat sich in allen Punkten wie angeschuldigt geäußert.

a) Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 261 StPO hat das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen. Dabei können rein abstrakte oder theoretische Zweifel, für die es keine reale Grundlage gibt, das für die Verurteilung nach der Lebenserfahrung ausreichende Maß an Sicherheit nicht in Frage stellen. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 2 [X.] 20.18 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 66 Rn. 31 m.w.[X.]). Zwar ist das Tatgericht nicht schon dann aufgrund des [X.] an einer Verurteilung gehindert, wenn "Aussage gegen Aussage" steht und außer der Aussage des einzigen Belastungszeugen keine weiteren belastenden Indizien vorliegen. Bei einer derartigen Sachlage muss allerdings die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen werden. Das gilt insbesondere dann, wenn er in der Verhandlung seine Vorwürfe ganz oder teilweise nicht mehr aufrechterhält, der anfänglichen Schilderung weiterer Taten nicht gefolgt wird oder sich sogar die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt. Dann muss das Gericht regelmäßig auch außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe ermitteln, um der Zeugenaussage dennoch zu glauben. Gelingt dies nicht, hat nach dem Rechtsgrundsatz "in dubio pro reo" ein Freispruch zu erfolgen (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 2020 - 2 [X.] 13.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 74 Rn. 15 m.w.[X.]).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe steht zur Überzeugung des Senats fest:

aa) Hinsichtlich des [X.]es 1 hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung nicht in Abrede gestellt, diesen "flapsigen Ausdruck" verwendet zu haben. Sein Geständnis entspricht seiner erstinstanzlichen Einlassung und wird bestätigt durch die Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung erneut vernommenen Zeugin [X.] sowie der erstinstanzlich protokollierten Aussage des Zeugen D. Gegen die Glaubwürdigkeit dieser den Sachverhalt identisch beschreibenden Zeugen sind vom Soldaten weder durchgreifende Umstände vorgetragen worden noch ersichtlich. Insbesondere der Einwand des Soldaten, gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin [X.] spreche die unwahre Angabe des Zeitpunkts, zu dem das klärende Gespräch (zu [X.] 4) mit ihm stattgefunden habe, erschüttert die Glaubwürdigkeit der Zeugin [X.] nicht. Zum einen betrifft dieser - vom Soldaten in der Berufungshauptverhandlung zudem nicht weiterverfolgte - Einwand nur ein Randgeschehen; zum anderen hat der Senat von der Zeugin in der Berufungshauptverhandlung den Eindruck einer äußerst pflichtbewussten Beamtin gewonnen, die trotz ihrer weiterhin ersichtlich bestehenden Betroffenheit den Sachverhalt sachlich und ohne Dramatisierung dargestellt hat. Dass sie seinerzeit die verbalen Übergriffe des Soldaten nicht angezeigt und gegenüber dem Generalmajor als eines der maßgeblichen Motive für ihre Wegbewerbung angegeben hat, spricht auch gegen ein Belastungsmotiv.

Die Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen, glaubwürdigen Zeugen [X.], M., [X.], [X.] und P. sind nicht geeignet, Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin [X.] zu schüren. Sie beschreiben den Soldaten zwar als Vorgesetzten, der ihnen gegenüber nie durch verbale Übergriffe in Erscheinung getreten ist; Aussagen zu den konkret angeschuldigten Situationen konnten sie jedoch nicht tätigen. Zudem hat der Soldat in weitem Umfang Äußerungen eingeräumt, zu denen sie ihn nicht für fähig gehalten haben. Dies wird insbesondere durch die Aussage der Zeugin [X.] deutlich, die als Initiatorin des Briefs "Ihre Frauen des ..." in der Berufungshauptverhandlung erklärt hat, mit der Formulierung "die beschriebenen Äußerungen entsprechen unserer Ansicht nach nicht seinem Sprachgebrauch" zum Ausdruck gebracht haben zu wollen, dass der Soldat solche Äußerungen tatsächlich nicht getätigt habe.

bb) Auch hinsichtlich des [X.]es 2 hat der Soldat - wie bereits erstinstanzlich - nicht in Abrede gestellt, die Worte "Ihr Wichser" verwendet zu haben. Seine Einlassung entspricht zudem den erstinstanzlich protokollierten Aussagen der [X.] sowie insbesondere des Zeugen [X.], der den Soldaten - wie von diesem wiederum bestätigt - zweimal darauf aufmerksam gemacht hat, dass die so angesprochenen Kameraden sich Äußerungen dieser Art von ihm verbitten würden. Gegen die Glaubwürdigkeit dieser den Sachverhalt im Wesentlichen identisch beschreibenden Zeugen sprechen ebenfalls keine Umstände. Dies gilt insbesondere für den Zeugen [X.], mit dem den Soldaten zumindest eine langjährige Bekanntschaft verbindet und der ausgesagt hat, er habe deshalb mit der groben Art des Soldaten umgehen können.

cc) Hinsichtlich des [X.]es 3 hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung zwar bestritten, beim Neujahrsempfang dreimal das Wort "ficken" benutzt zu haben. Lediglich aus prozesstaktischen Gründen habe er erstinstanzlich erklärt, er könne sich an eine solche Aussage nicht erinnern. Ein solches [X.] begründet in Verbindung mit der erstinstanzlich protokollierten Aussage des Zeugen [X.] jedoch die Überzeugung des Senats, dass es sich hierbei um eine Schutzbehauptung handelt. Auch die dienstliche Erklärung des Zeugen [X.] vom 26. März 2021, die im Rahmen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung eingeholt wurde, bietet keinen Anhalt dafür, dass dieser die Unwahrheit gesagt hat. [X.] hat dies in der Berufungshauptverhandlung auch nicht weiter geltend gemacht, sondern vielmehr erklärt, zu dem Zeugen seinerzeit ein gutes Verhältnis gehabt zu haben. Ein Belastungsmotiv ist bei diesem Zeugen somit nicht ersichtlich.

dd) Zum [X.] 4 hat der Soldat die angeschuldigte Äußerung eingeräumt. Soweit er einwendet, Motiv dafür sei gewesen, die Zeugin zu loben, stellt dies nicht die Äußerung als solche infrage. Dass der Soldat die Zeugin [X.] als "geile Sau" bezeichnet hat, wird durch ihre Aussage sowie durch die erstinstanzlich protokollierten Aussagen der Zeugen [X.] und [X.] belegt, gegen deren Glaubwürdigkeit der Soldat nichts vorgetragen hat und wofür auch im Übrigen nichts spricht.

ee) Die unter [X.] 5 beschriebene Äußerung hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung zwar in Abrede gestellt. Er habe sich erstinstanzlich lediglich aus prozesstaktischen Gründen auf eine fehlende Erinnerung berufen. Ein solches [X.] führt in Verbindung mit der in der Berufungshauptverhandlung erneut bestätigten Aussage der Zeugin [X.] sowie durch die Aussagen des [X.] jedoch zur Überzeugung des Senats, dass es sich auch hierbei um eine Schutzbehauptung des Soldaten handelt.

ff) [X.] hat zum [X.] 6 eingeräumt, im Rahmen eines Gesprächs mit der Zeugin [X.] zur plastischen Darstellung der damaligen Situation des ... von einer "[X.]" gesprochen zu haben. Die Richtigkeit dieser Einlassung ist durch die Aussage dieser Zeugin bestätigt worden. Die insoweit festzustellende Abweichung vom Wortlaut der [X.] - dort ist von "Gedächtnisstellung" die Rede - ist ohne Belang, da dies der Äußerung nicht ihren [X.] Gehalt nimmt.

2. [X.] hat durch die festgestellten Äußerungen ein Dienstvergehen nach § 23 [X.] begangen, weil er damit schuldhaft die nach dem [X.] bestehenden Pflichten verletzt hat.

a) [X.] hat mit seiner wissentlichen und willentlichen Verwendung sexuellen Vokabulars im dienstlichen Zusammenhang ([X.] 1: "Dauererektion", [X.] 3: "ficken", [X.] 6: "[X.]") wiederholt gegen das Zurückhaltungsgebot des § 10 Abs. 6 [X.] verstoßen. Diese Bemerkungen waren unsachlich, in einem dienstlichen Gespräch deplatziert und geeignet, das Vertrauen in ihn als Vorgesetzten zu erschüttern (BVerwG, Urteile vom 13. März 2008 - 2 [X.] 6.07 - [X.] 449 § 10 [X.] Nr. 59 Rn. 86 ff. m.w.[X.] und vom 7. Mai 2020 - 2 [X.] 13.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 74 Rn. 28). Dass dieses Vertrauen darüber hinaus auch tatsächlich erschüttert wurde, ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen [X.] und D.; insbesondere die Zeugin hat ausgeführt, der Soldat habe damit wie jemand aus der Gosse gesprochen.

Vorsätzlich verletzt hat der Soldat damit auch die Pflicht zu innerdienstlichem Wohlverhalten. Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 [X.] vorangestellt ist, enthält zugleich einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.], wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn es Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 [X.] 2.10 - juris Rn. 29). Dass zudem auch eine tatsächliche Ansehensschädigung eintrat, steht nach dem bereits Dargelegten fest.

Eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 [X.] liegt indes nicht vor. Jede Äußerung ist zwar eine Bemerkung sexuellen Inhalts; jedoch wurde durch sie weder bezweckt noch bewirkt, dass die Würde eines Anderen verletzt wurde (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 2020 - 2 [X.] 13.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 74 Rn. 28). Die unter Punkt 1, 3 und 5 angeschuldigten Äußerungen bezogen sich nicht auf die angesprochenen Personen. Die Gesprächspartner haben als Zeugen erklärt, die Wortwahl des Soldaten habe sie lediglich "irritiert", mithin nicht (in ihrer Würde) verletzt. Mangels einer Würdeverletzung der Zeugen scheidet auch eine einfache Belästigung nach § 3 Abs. 3 [X.] aus. Aus denselben Gründen liegt auch keine Belästigung gegenüber der Beamtin [X.] nach § 3 Abs. 3 und 4 AGG - als Parallelregelungen zu denen des [X.] (v. Roetteken in: v. Roetteken, AGG, 73. Update März 2021, X. Besonderheiten des [X.]) - vor.

b) [X.] hat mit der wissentlichen und willentlichen, somit vorsätzlichen "Begrüßung" der Soldaten als "Wichser" gemäß § 7 Abs. 2 [X.] seine dienstlichen Pflichten verletzt. Denn er hat damit eine unerwünschte sexuelle Belästigung gemäß § 3 Abs. 4 [X.] in Form einer Bemerkung sexuellen Inhalts getätigt, die jedenfalls bewirkte, dass deren Würde verletzt wurde (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2011 - 2 [X.] 21.10 - [X.] 449 § 7 [X.] Nr. 56 Rn. 35 m.w.[X.]). Mit der Bemerkung reduzierte er bei objektiver Auslegung die angesprochenen Soldaten zu triebgetriebenen Kameraden und negierte sie als ganzheitliche Persönlichkeiten. Dass er dies nach seinen Einlassungen nicht bezweckt hat, ändert nichts daran, dass er eine Würdeverletzung wissentlich und willentlich bewirkt hat. Das Bewirken allein ist nach dem gesetzlichen Tatbestand des § 3 Abs. 3 [X.] ausreichend (BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 - 2 [X.] 13.16 - juris Rn. 87 und vom 7. Mai 2020 - 2 [X.] 13.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 74 Rn. 26; v. Roetteken in: v. Roetteken, AGG, 73. Update März 2021, 4. Verletzung der Würde der Person, Rn. 991). Soweit er sich damit verteidigt hat, ein solcher Umgangston sei in der Einheit üblich, haben dem sämtliche Zeugen widersprochen. Seine weitere Relativierung, er sei mit den angesprochenen [X.] seit Jahren befreundet und unter alten Kameraden werde eine solche scherzhafte Begrüßung akzeptiert, trägt ebenfalls nicht. In der mündlichen Verhandlung hat der Soldat selbst eingeräumt, zu [X.] ein angespanntes Verhältnis gehabt zu haben und aufgrund früherer Vorfälle "per Sie" gewesen zu sein. Da der angeschuldigte Soldat als ... und Oberst ein hoher militärischer Vorgesetzter gewesen ist, haben fast alle auf diese Weise angesprochenen Soldaten seine Äußerung auch als Abwertung und nicht - wie etwa der [X.] - lediglich als "Nicknamen" verstanden. Der Zeuge E. hat dazu ausgesagt: "Natürlich war das ehrverletzend. Er denkt, wir seien stumpfe Leute, mit denen man auch stumpf sprechen muss."

Die Belästigung war für den Soldaten objektiv erkennbar auch im Sinne von § 7 Abs. 3 [X.] unerwünscht, da die Zeugen ihm gegenüber weder ausdrücklich noch indirekt signalisiert hatten, eine objektiv sexuell diskriminierende Anrede zu akzeptieren (vgl. auch [X.], Urteil vom 29. Juni 2017 - 2 [X.] - [X.], 1121). Im Gegenteil hatte Oberstabsfeldwebel [X.] wegen der hier nur einmal angeschuldigten, aber wiederholt gefallenen Anrede den angeschuldigten Soldaten darauf aufmerksam gemacht, dass dies als diskriminierend empfunden werde.

Durch die Äußerungen hat der Soldat auch vorsätzlich die Pflicht zum treuen Dienen aus § 7 [X.] verletzt. Zu dieser Pflicht gehört insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität der geltenden Rechtsordnung gegenüber (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 [X.] 7.08 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 29 Rn. 33 m.w.[X.]). Zur Rechtsordnung gehört auch die Pflicht aus § 7 Abs. 2 [X.]. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift einem Verstoß gegen das Verbot sexueller Belästigung ausdrücklich die Qualität einer Pflichtverletzung verliehen und damit disziplinarische Relevanz beigemessen. Ein Vorgesetzter verletzt mit der Beleidigung Untergebener zugleich in gravierender Weise seine Fürsorgepflicht aus § 10 Abs. 3 [X.], das Zurückhaltungsgebot des § 10 Abs. 6 [X.], die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] und die Kameradschaftspflicht (BVerwG, Urteile vom 9. Januar 2007 - 2 [X.] 20.05 - BVerwGE 127, 293 Rn. 25 ff. und vom 13. März 2008 - 2 [X.] 6.07 - juris Rn. 68 ff.). Ein Vorgesetzter, der die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt (§ 12 Satz 2 [X.]), stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe. Dies ist insbesondere bei einer sexuellen Belästigung der Fall.

c) [X.] hat mit seinen unter Punkt 4 und 5 angeschuldigten Äußerungen eine sexuelle Belästigung gegenüber der Zeugin [X.] begangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass sich der Soldat an dem fraglichen Abend zu Frau [X.] und [X.] gesetzt hat. Beide sprachen darüber, wie die Beamtin einen von [X.] benötigten Schrank beschaffte. Die vom Soldaten dazu gestellte Frage, ob der [X.] dafür sein "großes Gemächt" in die Waagschale geworfen habe, war bereits sexuell diskriminierend. Die Frage musste - was der Soldat auch nicht in Abrede gestellt hat - dahingehend verstanden werden, dass es für die erbetene Beschaffung eines Schrankes nützlich sein könnte, wenn der Stabsfeldwebel bei der Zeugin sein Geschlechtsteil einsetzte. Die damit verbundene Unterstellung, dass die Beamtin zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten sexuell motiviert werden müsse, wurde - wie die Zeugin ausgesagt hat - von ihr als tiefgreifende Kränkung empfunden. Die anschließende Bezeichnung der Zeugin [X.] als "geile Sau" war eine weitere herabwürdigende Bemerkung sexuellen Inhalts im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG. Soweit der angeschuldigte Soldat erklärt hat, er habe mit diesen Worten seine Anerkennung für das Organisationstalent und die schnelle Aufgabenerledigung der Beamtin zum Ausdruck bringen wollen, ändert dies am objektiven Erklärungswert der Äußerung nichts. Im Kontext der vorangegangenen Anspielung auf das Geschlechtsteil des [X.] konnte und musste bei der Zeugin der Eindruck entstehen, vom Soldaten nicht als Amtsperson wegen ihrer besonderen Leistungen als "geile Sau" angesprochen worden zu sein, sondern als Frau, die durch das "große Gemächt" eines Soldaten in ihrer Amtsführung beeinflussbar sei. Die Zeugin hat auch in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, dass diese in einer größeren Runde gefallene Bemerkung in der Einheit weitergegeben worden und dass sie als die "geile Sau des ..." bezeichnet worden sei. Soweit der angeschuldigte Soldat mehrere Zeuginnen und Zeugen aus der mehr als 1000 Personen starken Einheit benannt hat, die nichts von diesem Vorfall erfahren haben, widerlegt dies die naheliegende Annahme einer erheblichen Verbreitung des Vorfalls nicht. Vor allem ändert dies nichts daran, dass die Zeugin von einer erheblichen Verbreitung der Äußerungen des angeschuldigten Soldaten ausgehen musste und seine Worte als stigmatisierend und dauerhaft beeinträchtigend erlebte.

[X.] hat mit den unter Punkt 4 und 5 angeschuldigten Äußerungen auch wissentlich und willentlich eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB gegenüber der Zeugin ausgesprochen und damit seine Pflicht aus § 7 [X.] verletzt. Zudem hat er damit gegen das Zurückhaltungsgebot des § 10 Abs. 6 [X.] verstoßen.

Ein Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht nach § 12 [X.] sowie gegen die Fürsorgepflicht nach § 10 Abs. 3 [X.] ist zwar nicht gegeben, weil es sich bei der Zeugin um keine Soldatin handelt; jedoch liegt ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] vor. Denn zur Funktionsfähigkeit der [X.] trägt nicht nur die Wahrung der Kameradschaft unter Soldaten bei, sondern maßgeblich auch die reibungslose und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Soldaten und Angehörigen der Truppenverwaltung (BVerwG, Urteile vom 25. Januar 1996 - 2 [X.] 24.95 - BVerwGE 103, 295 <296>, vom 10. Dezember 1997 - 2 [X.] 1.97 - BVerwGE 113, 169 <171>, vom 20. Februar 2014 - 2 [X.] 35.11 - juris Rn. 52 ff. und Rn. 79 und vom 8. September 2020 - 2 [X.] 18.19 - juris Rn. 62 m.w.[X.]).

d) Mit seiner Äußerung zum "Gemächt" des [X.] [X.] hat der Soldat aus den bereits dargelegten Rechtsgründen auch gegenüber ihm gegen § 3 Abs. 4 [X.], §§ 7, 10 Abs. 3 und 6 [X.], §§ 12 und 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] verstoßen.

3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von [X.] wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der [X.]", BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 [X.] 11.07 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.[X.]). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 [X.] Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

a) Auf der ersten Stufe bestimmt der Senat im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine [X.] für die in Rede stehende Fallgruppe als Ausgangspunkt der [X.]. Bei sexuellen Belästigungen von Untergebenen durch Vorgesetzte im Dienst, die hier den Schwerpunkt des Dienstvergehens ausmachen, bildet eine Herabsetzung im Dienstgrad den Ausgangspunkt der [X.] (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 2020 - 2 [X.] 13.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 74 Rn. 35 m.w.[X.]). Gleiches gilt für die sachgleiche Beleidigung Untergebener (BVerwG, Urteile vom 9. Januar 2007 - 2 [X.] 20.05 - BVerwGE 127, 293 Rn. 46 m.w.[X.] und vom 13. März 2008 - 2 [X.] 6.07 - [X.] 449 § 10 [X.] Nr. 59).

b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 [X.] normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten [X.] eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der [X.] die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die [X.], die den Ausgangspunkt der [X.] bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

c) Nach Maßgabe dessen liegt ein mittelschwerer Fall vor, der an sich kein Abweichen vom Ausgangspunkt der [X.] rechtfertigt.

Im Spektrum möglicher sexueller Belästigungsformen sind rein verbale Belästigungen häufig im unteren Bereich anzusiedeln (BVerwG, Urteile vom 13. Februar 2014 - 2 [X.] 4.13 - juris Rn. 75 und vom 6. April 2017 - 2 [X.] 13.16 - juris Rn. 109), sofern keine wiederholten und hartnäckigen, auch strafrechtlich relevanten sexuellen Aufforderungen im Sinne des § 3 Abs. 4 [X.] vorliegen (BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2005 - 2 [X.] 33.04 - juris Rn. 18 f. m.w.[X.] und vom 4. März 2020 - 2 [X.] 3.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 72 Rn. 27 ff.). Zwar beabsichtigte der Soldat vorliegend nicht, Soldaten oder Zivilbedienstete sexuell zu bedrängen oder sie zur Vornahme sexueller Handlungen zu bewegen. Auch hat er sein Verhalten durch seine Teilnahme an einem Spitzenkräftecoaching selbstkritisch hinterfragt (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 2020 - 2 [X.] 10.19 - juris Rn. 56) und sich bei der Zeugin [X.] entschuldigt. Glaubhaft dargelegt hat er auch, nicht bezweckt zu haben, einen der Zeugen in seiner Würde zu verletzen, und die Äußerungen zu bereuen. Demgegenüber stehen jedoch erheblich erschwerende Umstände, die zum Ausgangspunkt der [X.] zurückführen.

aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden dadurch erhöht, dass der Soldat in allen erwiesenen Fällen gegen die Mäßigungspflicht und mehrfach gegen die Kameradschafts- und Fürsorgepflicht verstoßen sowie in drei Fällen eine sexuelle Belästigung begangen hat. Die Pflichtverletzungen beschränkten sich auch nicht auf eine Person, sondern richteten sich gegen mehrere Untergebene sowie gegen eine Zivilbedienstete. Die nach § 18 Abs. 2 [X.] in ihrer Kumulation zu würdigenden Pflichtverletzungen zeigen damit ein wiederholtes Versagen als Vorgesetzter, "dem das notwendige Gespür im täglichen Umgang mit Untergebenen verloren gegangen" ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 - 2 [X.] 30.99 - [X.]) und dessen Verhalten folglich zum Tatzeitpunkt auch nicht persönlichkeitsfremd war. Es handelte sich auch nicht um Pflichtverletzungen, die nur fahrlässig begangen wurden und deshalb milder zu gewichten wären (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2020 - 2 [X.] 15.19 - juris Rn. 34 m.w.[X.]).

bb) Zu den die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens erhöhenden Umständen treten schließlich dessen nachhaltige Folgen hinzu. Sie bestehen zum einen darin, dass er die für den Verband äußerst verdienstvoll tätige Zeugin [X.] tiefgreifend kränkte und durch seine Äußerungen maßgeblich mit dazu veranlasste, den Standort zu verlassen. Dass das Verhalten des Soldaten dafür ursächlich war, steht auf der Grundlage der glaubhaften Aussage der Zeugin [X.] fest, an deren Glaubwürdigkeit aus den bereits dargelegten Gründen der Senat keine Zweifel hegt. Zum anderen musste der Soldat den Dienstposten als ... räumen, weil er untragbar geworden war. Zwar hat er von sich aus um eine Versetzung gebeten; nach den glaubhaften Aussagen des früheren Kommandeurs (Generalmajor B.) wäre er jedoch ohnehin als Folge des Dienstvergehens und ungeachtet der Presseberichterstattung versetzt worden. Dies folgt auch aus dessen die Ablösung des Soldaten beantragenden Bericht, der noch vor der medialen Verbreitung des Geschehens erstellt worden ist. Hinzu tritt, dass die Pflichtverletzung den wegen bereits anderer Vorfälle in der kritischen Öffentlichkeit stehenden Verband in einem noch schlechteren Licht erscheinen ließ.

cc) Dem Verstoß gegen die Vorbildfunktion nach § 10 Abs. 1 [X.] kommt vorliegend besonderes Gewicht zu. [X.] ist nicht nur als Oberst Stabsoffizier, womit er bereits eine exponierte Vorgesetztenfunktion wahrnahm (BVerwG, Urteil vom 21. November 2019 - 2 [X.] 31.18 - juris Rn. 34 m.w.[X.]); darüber hinaus hatte er zum Tatzeitpunkt auch die Funktion des ... inne. Damit kam ihm eine noch gesteigerte Vorbildfunktion zu. Dieser Vorbildfunktion ist er nicht ansatzweise nachgekommen, obgleich ihm mehrfach die Chance eingeräumt worden war, sein Verhalten zu überdenken. Er ist nicht nur unstreitig vom Untergebenen [X.] mehrfach auf seine unangemessenen Äußerungen erfolglos angesprochen worden; auch das mit der Zeugin [X.] zum [X.] 4 geführte Gespräch hat ihn - wie das Verhalten gemäß [X.] 6 belegt - nicht veranlasst, sich verbal zu mäßigen. Dabei unterstellt der Senat zugunsten des Soldaten, dass seinerzeit von ihm die Initiative zu einem Gespräch ausgegangen ist und er sich bei der Zeugin - unter Aushändigung eines Blumenstraußes - entschuldigt hat.

d) Wieder vom Ausgangspunkt der [X.] abzuweichen verlangt indes die Nachbewährung des Soldaten. Denn die Sonderbeurteilung des Soldaten vom 12. November 2020 weist im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "8,56" aus, während er 2015 noch im Dienstgrad eines Oberstleutnants mit "8,40" bewertet worden war. Außerdem hat er sich in einem sehr verantwortlichen Auslandseinsatz in [X.] über sechs Monate mit Erfolg bewährt. Die von ihm dadurch jedenfalls kontinuierlich erbrachten Spitzenleistungen und der Umstand, dass er nach dem Dienstvergehen keinen Anlass zu disziplinarischer Beanstandung gegeben hat (BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2020 - 2 [X.] 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 52 m.w.[X.] sowie vom 4. Juni 2020 - 2 [X.] 10.19 - juris Rn. 57 m.w.[X.]), führen zu einer Nachbewährung. Sie kann als klassischer Milderungsgrund den Übergang zur nächst niedrigeren [X.] (BVerwG, Urteile vom 7. Mai 2020 - 2 [X.] 13.19 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 74 Rn. 40 m.w.[X.] und vom 8. September 2020 - 2 [X.] 18.19 - juris Rn. 73 m.w.[X.]) gebieten. Dies ist vorliegend ein [X.] nach § 58 Abs. 1 Nr. 2, § 60 [X.], das allerdings auch die Einweisung in eine Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe verbietet (§ 60 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Dabei begegnet das erstinstanzlich ausgeurteilte Maß des [X.] in Höhe des nach oben gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 [X.] gesetzlich Zulässigen keinen Bedenken, weil nur die auf der zweiten Bemessungsstufe vorliegenden Milderungsgründe dazu führen, von der [X.] abzuweichen (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 2 [X.] 1.20 - juris Rn. 37 m.w.[X.]).

e) Eine neben dem [X.] gemäß § 58 Abs. 4 Satz 1 [X.] grundsätzlich zulässige Kürzung der Dienstbezüge ist jedoch nicht mehr geboten.

Die Verbindung von [X.] und [X.] steht nach dieser Vorschrift grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. Dau/[X.], [X.], 7. Aufl. 2017, § 58 Rn. 10 ff.). Ein Regelfall für eine solche Verbindung im Sinne des § 58 Abs. 4 Satz 2 [X.] liegt zwar nicht vor, weil bereits das [X.] erhebliche Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben und die nach seinen Leistungen mögliche Förderung in die [X.] um vier Jahre verzögern und dadurch erhebliche erzieherische Wirkung entfalten wird. Die vom [X.] zusätzlich verhängte [X.] wäre jedoch an sich durch den Umstand gerechtfertigt, dass das letztlich unvermeidliche Bekanntwerden des Verhaltens des Soldaten in der Presseberichterstattung das Ansehen der [X.] erheblich beschädigt hat. Im [X.] 20... war das Vertrauen der Öffentlichkeit in das ... bereits durch die ... publik gewordene Disziplinlosigkeiten der ... stark belastet, weswegen die Presse in erheblichem Umfang recherchierte. Durch das zusätzliche Bekanntwerden des hier angeschuldigten Fehlverhaltens ... entstand der verheerende Eindruck, dass es auch der Führungsebene des ... an der notwendigen Integrität fehlte.

Eine zusätzliche [X.] widerspräche im vorliegenden Fall dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Er gebietet namentlich, den mit der Überdauer eines Verfahrens verbundenen Belastungen kompensatorisch Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 - 2 [X.] 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 54 m.w.[X.]). Eine Überdauer des vorgerichtlichen Verfahrens liegt auch vor, weil das Verfahren erst im Juni 2018 förmlich eingeleitet wurde, obwohl bereits seit Juli 2017 - mit Eingang des anonymen Schreibens - Umstände vorlagen, die Untersuchungen zu dessen Einleitung hätten veranlassen müssen (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2019 - 2 [X.] 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 43 m.w.[X.] und vom 2. Juli 2020 - 2 [X.] 9.19 - juris Rn. 35). Dem entspricht, dass bereits in der E-Mail des ... vom 11. August 2017 an das [X.] von Anhaltspunkten für schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen die Rede ist. Allerdings ist einerseits der Einleitungsbehörde ein Vorermittlungs- und Anhörungszeitraum von etwa vier Monaten zuzubilligen. Andererseits ist wegen des Prozessverhaltens des Soldaten nicht der ganze Zeitraum zugrunde zu legen. Zeiträume, die durch [X.], die Verlängerung von Fristen und Akteneinsichten entstanden sind, sind auszublenden und führen zu einer Verfahrensüberdauer von im Ergebnis vier Monaten im [X.] und weiteren zwei Monaten im Berufungsverfahren. Gegen eine zusätzliche [X.] spricht auch, dass der Soldat sein Fehlverhalten bereut, sich bei der Zeugin [X.] entschuldigt und durch die Teilnahme an einem Führungskräfte-Coaching an sich gearbeitet hat. Daher erscheint keine weitere Disziplinarmaßnahme neben dem [X.] geboten.

4. [X.] beruht auf § 139 Abs. 3, § 140 Abs. 5 Satz 1 [X.].

Meta

2 WD 15/20

22.04.2021

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Urteil

Sachgebiet: WD

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 28. November 2019, Az: S 4 VL 35/18, Urteil

§ 18 Abs 2 WDO 2002, § 58 Abs 4 S 1 WDO 2002, § 58 Abs 4 S 2 WDO 2002, § 60 Abs 1 S 2 WDO 2002, § 91 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 139 Abs 3 WDO 2002, § 140 Abs 5 S 1 WDO 2002, § 7 SG, § 10 Abs 1 SG, § 10 Abs 3 SG, § 10 Abs 6 SG, § 12 S 2 SG, § 17 Abs 2 S 1 SG, § 23 SG, § 261 StPO, § 331 StPO, § 3 Abs 3 SoldGG, § 3 Abs 4 SoldGG, § 7 Abs 2 SoldGG, § 3 Abs 3 AGG, § 3 Abs 4 AGG, § 185 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.04.2021, Az. 2 WD 15/20 (REWIS RS 2021, 6645)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6645

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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