Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.12.2017, Az. 20 W (pat) 6/15

20. Senat | REWIS RS 2017, 1344

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2012 107 717

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2017 durch [X.], die Richterin [X.], [X.] und [X.]. Dr. Wollny

beschlossen:

Der Beschluss der [X.] vom 9. Oktober 2014 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Auf die am 22. August 2012 eingereichte Patentanmeldung wurde vom [X.] das Patent 10 2012 107 717 mit der Bezeichnung „Berührungslos arbeitender Sicherheitsschalter“ erteilt. [X.]ie Patenterteilung wurde am 12. September 2013 im [X.] veröffentlicht. [X.]as Patent umfasst insgesamt 14 Patentansprüche.

2

Gegen das Patent hat die Einsprechende am 11. [X.]ezember 2013 Einspruch erhoben, mit dem der vollständige Widerruf des Patents begehrt wurde. [X.]er Einspruch stützt sich auf den [X.] der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Zur Begründung hat sich die Einsprechende auf folgende [X.]ruckschriften bezogen:

3

[X.]0 [X.] 40 620 C1

4

[X.]1 [X.] 10 2004 020 997 [X.]

5

[X.] [X.] 101 09 864 [X.]

6

[X.] [X.] Produktprogramm Sicherheitstechnik (vom 09.04.2008)

7

[X.]4 [X.] Rechnung (vom 20.02.2009)

8

[X.]5 [X.] Bericht FMEA eines Sicherheitsschalters (vertraulich)

9

[X.]6 [X.] 197 11 588 [X.].

[X.]avon waren im Prüfungsverfahren die [X.] bis [X.] bereits in Betracht gezogen worden. Ferner hat die Einsprechende das „Gutachten zum Sicherheitsschalter [X.] der Firma [X.]“ des Herrn Prof. [X.]r.-Ing. G… vom 15. September 2014 vorgelegt.

Mit am Ende der Anhörung vom 9. Oktober 2014 verkündetem Beschluss hat die [X.] des [X.]s das Patent widerrufen. Sie hielt den Einspruch für zulässig und in der Sache auch für begründet, insbesondere, weil der [X.] durch die offenkundige Vorbenutzung des Sicherheitsschalters [X.] [X.] (vgl. die [X.]ruckschriften [X.] bis [X.]5) nicht neu gegenüber diesem Stand der Technik sei. [X.]er Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag sei gegenüber den [X.] unzulässig erweitert. [X.]er schriftlich begründete Beschluss wurde der Patentinhaberin am 17. [X.]ezember 2014 zugestellt.

Hiergegen wendet sich die Patentinhaberin mit ihrer am 14. Januar 2015 eingelegten Beschwerde.

[X.]ie Pateninhaberin und Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss der [X.] vom 9. Oktober 2014 aufzuheben und das Patent 10 2012 107 717 in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Hilfsweise beantragt sie,

das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen im Umfang eines der [X.] bis 6 in der nachstehenden Reihenfolge aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 14 vom 14. Juni 2016, beim B[X.] als (korrigierter) 1. Hilfsantrag per Fax eingegangen am selben Tag

Patentansprüche 1 bis 13 vom 4. August 2015, beim B[X.] als 2. Hilfsantrag per Fax eingegangen am selben Tag

Patentansprüche 1 bis 13 vom 24. November 2017, beim B[X.] als 3. Hilfsantrag per Fax eingegangen am 27. November 2017

Patentansprüche 1 bis 12 vom 24. November 2017, beim B[X.] als 4. Hilfsantrag per Fax eingegangen am 27. November 2017

Patentansprüche 1 bis 12 vom 24. November 2017, beim B[X.] als 5. Hilfsantrag per Fax eingegangen am 27. November 2017

Patentansprüche 1 bis 13 vom 24. November 2017, beim B[X.] als 6. Hilfsantrag per Fax eingegangen am 27. November 2017

Beschreibung und Zeichnungen jeweils wie Patentschrift.

Sie ist der Auffassung, der jeweilige Gegenstand des [X.] sowohl in der erteilten als auch in der Fassung der [X.] bis 6 sei neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

[X.]ie Einsprechende und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl in der Fassung des erteilten Patents als auch in der jeweiligen Fassung der [X.] bis 6 nicht patentfähig sei. Sie stützt ihr Vorbringen zusätzlich auf die mit Schriftsatz vom 19. Januar 2016 eingereichten [X.]ruckschriften:

[X.]7 Typschlüssel [X.] Produktgruppe

[X.]8 Lieferschein vom 20.02.2009 über die Auslieferung von Sicherheitsschalter [X.] an die Firma C[X.]P Bharat Forge

[X.]9 Auszug aus [X.] [X.] (2006),  http://lexikon.martinvogel.de/dekompilieren.html.

Patentanspruch 1 lautet (mit eingefügter Merkmalsgliederung):

[X.] Berührungslos arbeitender Sicherheitsschalter (1, 100, 200),

[X.] der zum berührungslosen Zusammenwirken mit einem Betätiger (9, 110, 210) eingerichtet ist,

M3 wobei der Sicherheitsschalter (1, 100, 200) dazu eingerichtet ist, an einem Schaltausgang (4, 5, 140, 240) des Sicherheitsschalters (1, 100, 200) ein [X.] zu erzeugen, wenn der Abstand ([X.]) zwischen dem Sicherheitsschalter (1, 100, 200) und dem Betätiger (9, 110, 210) einen vorbestimmten Grenzwert über- oder unterschreitet,

[X.] wobei der Sicherheitsschalter (1, 100, 200) eine redundant aufgebaute softwaregesteuerte Steuerschaltung (11, 21, 102, 202) aufweist,

[X.] die wenigstens zwei Rechner (11, 21, 102, 202) aufweist,

M6 die dazu eingerichtet sind, beim Betrieb des Sicherheitsschalters (1, 100, 200) untereinander [X.]aten auszutauschen,

[X.] wobei nur ein erster der Rechner (11, 21, 102, 202) mit einer Kommunikationseinheit (30, 107, 207) des Sicherheitsschalters (1, 100, 200) verbunden ist,

[X.] die zur drahtlosen [X.]atenkommunikation mit dem Betätiger (9, 110, 210) eingerichtet ist,

[X.] wobei der erste Rechner (21, 107, 207) dazu eingerichtet ist, über die Kommunikationseinheit [X.]aten mit dem Betätiger (9, 110, 210) auszutauschen,

[X.]0 wobei der erste Rechner (21, 107, 207) dazu eingerichtet ist, wenigstens einen Teil der von dem Betätiger (9, 110, 210) empfangenen [X.]aten an den zweiten Rechner (11) weiterzuleiten

[X.]1 und der zweite Rechner (11) dazu eingerichtet ist, eine Sicherheitsüberprüfung der von dem Betätiger (9, 110, 210) empfangenen und an den zweiten Rechner (11) weitergeleiteten [X.]aten unabhängig vom ersten Rechner (21, 107, 207) auszuführen.

Bezüglich des Wortlauts der erteilten abhängigen [X.] 2 bis 14 wird auf die [X.]schrift verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere des Wortlauts der Patentansprüche nach den [X.], wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

[X.]ie zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist begründet. [X.]er angefochtene Beschluss, mit welchem das Patent widerrufen wurde, ist daher aufzuheben mit der Folge, dass das erteilte Patent in vollem Umfang aufrecht erhalten bleibt.

1. Bezüglich der auch im [X.] zu prüfenden Zulässigkeit des Einspruchs bestehen keine Bedenken. [X.]er Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben worden. [X.]er geltend gemachte [X.] der mangelnden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) wurde im [X.] jedenfalls hinsichtlich der fehlenden erfinderischen Tätigkeit gegenüber den [X.]ruckschriften [X.]1 und [X.]6 ausreichend substantiiert vorgetragen. [X.]er Einwand der Patentinhaberin, der Einspruch sei bezüglich der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung nicht substantiiert und daher insoweit als unzulässig zu verwerfen, greift nicht durch, da das Patentrecht einen gesonderten [X.] der „offenkundigen Vorbenutzung“ nicht vorsieht, diese vielmehr ebenfalls unter den – hier innerhalb der Einspruchsfrist geltend gemachten – [X.] der mangelnden Patentfähigkeit fällt. [X.]amit liegt ein zulässiger Einspruch vor.

2. [X.]as [X.] betrifft einen berührungslos arbeitenden Sicherheitsschalter. [X.]er vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen gegenüber dem Stand der Technik verbesserten Sicherheitsschalter anzugeben, der mit verringertem [X.] und Softwareaufwand die einschlägigen Sicherheitsvorschriften erfüllt (vgl. [X.], Abs. [0005]).

3. Als zuständigen Fachmann sieht der Senat – in Übereinstimmung mit der Patentabteilung im Einspruchsbeschluss – einen [X.]iplomingenieur der Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Hardware- und Software-Entwicklung und des Betreibens von Sicherheitsschaltern. [X.]ieser Fachmann ist in einem Unternehmen auch mit der Analyse von Produkten des [X.] betraut.

4. Zum Verständnis des Patentanspruchs

Sicherheitsschalter wird der Teil einer Schaltvorrichtung bezeichnet, der eine Abschaltfunktion realisiert. [X.]er Sicherheitsschalter arbeitet mit einem Betätiger zusammen, d. h. er detektiert diesen und fungiert somit als Sensor. [X.]ie Hauptfunktionalität des Sicherheitsschalters besteht darin, eine Maschine abzuschalten, wenn der Betätiger nicht mehr detektiert wird bzw. eine Signalempfangsstärke an dem Sicherheitsschalter unterschritten wird (vgl. [X.], Abs. [0002] und [0018]; Merkmale [X.], [X.], M3).

Rechner versteht das [X.] beispielhaft einen [X.], Mikrocontroller, [X.] oder FPGA (vgl. [X.], Abs. [0007]).

softwaregesteuerte Steuerschaltung auf, die zwei Rechner umfasst, welche dazu eingerichtet sind, untereinander [X.]aten auszutauschen (Merkmale [X.], [X.], M6).

Kommunikationseinheit des Sicherheitsschalters verbunden, die ihrerseits die Kommunikation mit dem Betätiger aufbaut und durchführt (Merkmale [X.], [X.], [X.]). Als Kommunikationseinheit kann dabei jede Schnittstelle angesehen werden, über die [X.]aten berührungslos gesendet und empfangen werden können (vgl. [X.], Abs. [0040] und [0042]). [X.]ies bedeutet, dass nur der erste Rechner über die Kommunikationsschnittstelle [X.]aten unmittelbar vom Betätiger erhält.

[X.]er erste Rechner leitet zumindest einen Teil der von dem Betätiger empfangenen [X.]aten an den zweiten Rechner weiter (Merkmal [X.]0). [X.]er zweite Rechner ist dazu eingerichtet, anschließend eine Sicherheitsüberprüfung dieser [X.]aten unabhängig von dem ersten Rechner durchzuführen (vgl. [X.], Abs. [0024]; Merkmal [X.]1). [X.]er zweite Rechner erhält die zu überprüfenden sicherheitskritischen [X.]aten mithin vom ersten Rechner. Als Beispiel für diese [X.]aten nennt das [X.] einen von dem Betätiger übermittelten Sicherheitscode, der mit einem in dem Sicherheitsschalter gespeicherten Referenzcode (im [X.] Soll-Sicherheitscode genannt) verglichen wird, um sicherzustellen, dass die Kommunikation mit dem „richtigen“ Betätiger durchgeführt wird (vgl. [X.], Abs. [0025]).

[X.]urch diese Vorgehensweise wird eine sogenannte serielle Redundanz in dem Sicherheitsschalter realisiert, die den Vorteil hat, dass mit geringem [X.] und Softwareaufwand die einschlägigen Sicherheitsvorschriften für solche Sicherheitsschalter erfüllt werden können (vgl. [X.], Abs. [0025]).

5. [X.]er gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist patentfähig (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 und § 4 [X.]).

5.1 [X.]er mit Patentanspruch 1 beanspruchte Sicherheitsschalter ist durch die im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren behauptete Vorbenutzung nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.

[X.]ie Einsprechende stützt ihre Argumentation bezüglich der offenkundigen Vorbenutzung u. a. auf die [X.]ruckschriften [X.], [X.]4, [X.]5 und [X.]8, die einen Verkauf eines aus dem Produktprogramm Sicherheitstechnik der Fa. [X.] bekannten Sicherheitsschalters ohne Geheimhaltungspflicht belegen sollen. Einem einschlägigen Fachmann würden durch eine [X.]ekompilierung der Software bzw. Zerlegen des Sicherheitsschalters und durch Messungen an demselben alle Merkmale des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung offenbart.

[X.]er Senat hat aufgrund einer Zusammenschau der Rechnung [X.]4, des zugehörigen Lieferscheins [X.]8 und des Produktprogramms [X.] keinen Zweifel daran, dass ein aus dem Produktprogramm Sicherheitstechnik der Firma [X.] bekannter Sicherheitsschalter am 18./20.02.2009 an die Firma [X.] in [X.] verkauft und auch geliefert wurde.

[X.]ie Veräußerung eines Gegenstands ohne Begründung einer Geheimhaltungspflicht, der die Lehre des [X.]s vorwegnimmt, führt für sich genommen allerdings noch nicht zur Offenkundigkeit. Es muss vielmehr darüber hinaus die nicht zu entfernte Möglichkeit eröffnet sein, dass beliebige [X.]ritte und damit auch Fachkundige, die nicht zur Geheimhaltung verpflichtet sind, zuverlässige und ausreichende Kenntnis von der Erfindung erhalten haben ([X.], Urteil vom 25.11.1965 – [X.], [X.] 1966, 484, 486 – Pfennigabsatz; [X.], Beschluss vom 05.03.1996 - [X.], [X.] 1996, 747, 752 – Lichtbogen-Plasma-Beschichtung; [X.], Urteil vom 15.01.2013 – [X.], [X.] 2013, 367 Rn. 20 – [X.] für [X.]; [X.], Urteil vom 08.11.2016 – [X.] – Wärmespeicher). [X.]arauf, ob ein [X.]ritter tatsächlich von der Vorbenutzung Kenntnis erlangt hat, kommt es daher nicht an ([X.], [X.], 11. Aufl., § 3 Rn. 285), sofern jedenfalls die nicht nur theoretische Möglichkeit hierzu bestanden hat.

Eine solche Möglichkeit der Kenntnisnahme kann zur Überzeugung des Senats vorliegend jedoch nicht festgestellt werden.

a) [X.]okument [X.]5 („FMEA des [X.] zur Analyse von Fehlern“)

Aus dem [X.]okument [X.]5 lässt sich eine öffentliche Zugänglichkeit des Gegenstands des [X.]s nicht herleiten.

Wie schon die Prüfungsstelle im Widerrufsbeschluss zutreffend ausgeführt hat, bildet das [X.]okument [X.]5 aufgrund seiner Kennzeichnung als „vertraulich“ keinen Stand der Technik. [X.]ie Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung die mangelnde öffentliche Zugänglichkeit des [X.]okumentes [X.]5 bestätigt.

[X.]as [X.]okument [X.]5 ist entgegen der Ansicht der [X.] aber auch nicht geeignet zu belegen, was dem Fachmann bei Analyse des behauptet vorbenutzten Schalters offenbar geworden wäre. [X.]as [X.]okument [X.]5 ist eine „Failure Mode and Effects Analysis“, also eine „Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse“ oder kurz „[X.]“. Sie zielt darauf ab, Produktfehler hinsichtlich ihrer Bedeutung, ihrer Auftrittswahrscheinlichkeit und ihrer Entdeckungswahrscheinlichkeit zu bewerten. Eine solche Analyse wird üblicherweise im Rahmen des Qualitäts- bzw. Sicherheitsmanagements zur Fehlervermeidung und Erhöhung der technischen Zuverlässigkeit vorbeugend eingesetzt; sie wird insbesondere in der [X.]esign- bzw. Entwicklungsphase neuer Produkte oder Prozesse angewandt. [X.]amit beruht diese Analyse auf einem tiefen Verständnis der [X.]esign- und Entwicklungsideen und [X.]. Sie setzt Kenntnisse voraus, die weit über das hinausgehen, was eine einfache Analyse des fertigen Gegenstandes einem – ansonsten mit dessen [X.]esign oder Entwicklung nicht befassten – Fachmann offenbaren würde.

[X.]amit ist das [X.]okument [X.]5 für die Beurteilung dessen, was dem Fachmann bei Analyse des behauptet vorbenutzten Schalters offenbar geworden wäre, nicht geeignet.

b) Möglichkeit der [X.]ekompilierung der Software des [X.]

Inwieweit eine [X.]ekompilierung der Software des behauptet vorbenutzten Sicherheitsschalters [X.] für den Fachmann technisch überhaupt möglich gewesen wäre, wurde aus Sicht des Senates nicht substantiiert vorgetragen. [X.]ie Einsprechende hat ihre diesbezügliche Argumentation in der mündlichen Verhandlung auch nicht weiterverfolgt.

[X.]iese Frage kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da eine [X.]ekompilierung der Software des behauptet vorbenutzten Sicherheitsschalters, wenn sie denn technisch möglich gewesen wäre, im vorliegenden Fall jedenfalls urheberrechtlich nicht zulässig ist und sogar strafbar sein dürfte:

Eine Rückübersetzung des sog. Objektcodes in den Quellcode, wie sie bei einer [X.]ekompilierung erfolgt, ist nach § 69e i. V. m. § 69c Nr. 1 und 2 [X.] ohne Zustimmung des [X.] nur in besonderen Fällen zulässig, nämlich, wenn sie unerlässlich ist, um die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten (§ 69e Abs. 1 Satz 1 [X.]) und zusätzlich die in § 69e Abs. 1 Nr. 1 bis 3 [X.] genannten Bedingungen erfüllt sind. Schon die erste Voraussetzung ist bei einer [X.]ekompilierung zum Zwecke einer reinen Analyse des fraglichen Gegenstands zweifellos nicht gegeben, eine solche daher urheberrechtlich untersagt. Gleichzeitig kommt in solchen Fällen eine Strafbarkeit nach § 106 [X.] wegen unerlaubter Verwertung (Vervielfältigung) urheberrechtlich geschützter Werke ([X.], [X.], 5. Aufl., § 106 Rn. 8) sowie nach § 202a StGB wegen Ausspähens von [X.]aten ([X.] Online-Kommentar zum StGB, 3. Aufl., § 202a Rn. 34 m. w. N.) in Betracht.

[X.]amit scheidet schon aus den o. g. rechtlichen Gründen eine etwaige technische Möglichkeit der [X.]ekompilierung als Erkenntnisquelle einer offenkundigen Vorbenutzung aus.

c) Untersuchungen und Messungen an dem behauptet vorbenutzten Sicherheitsschalter

Soweit sich die Einsprechende schließlich darauf beruft, dass dem Fachmann sämtliche Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 durch bloße Untersuchungen und Messungen an dem behauptet vorbenutzten Sicherheitsschalter hätten offenbar werden können, ist das mit Schriftsatz vom 25. September 2014 in diesem Zusammenhang eingereichte „Gutachten zum Sicherheitsschalter [X.] der Firma [X.]“ des Herrn Prof. [X.]r.-Ing. G… vom 15. September 2014 nicht geeignet, den diesbezüglichen Vortrag hinreichend zu belegen. [X.]enn dieses Privatgutachten wirft eine Reihe von Fragen auf, die nicht den Schluss zulassen, dass dem Fachmann die Merkmale des streitpatentlichen Anspruchs offenbar geworden wären, z. B. ist daraus nicht erkennbar,

- wie sich Art der Codierung und Inhalt des [X.]atentelegramms unschwer ermitteln lassen soll (vgl. Gutachten S. 3, Abs. 2),

- wie Signalwege durch Messungen verfolgbar sein sollen, wenn die sechslagige Leiterplatte eine zerstörungsfreie Inspektion der Signalwege verbietet (vgl. Gutachten S. 3, Abs. 5),

- wie festgestellt werden kann, dass die Platine in der Umgebung bestimmter Lötpunkte „offensichtlich“ die analoge Signalaufbereitung für das Senden und Empfangen aufweist (vgl. Gutachten S. 4, erster Absatz),

- wie sich Merkmal [X.], das nicht direkt beobachtet werden könne, zweifelsfrei aus dem Fehlen anderweitig höher integrierter digitaler Bausteine (z. B. FPGAs) erschließen läßt (vgl. Gutachten S. 5, Abs. 3).

[X.]ie Erkennbarkeit von Merkmal [X.]1 wird nicht einmal behauptet (vgl. Gutachten, S. 5, Abs. 5).

Als Beweis für ihren diesbezüglichen Vortrag zur offenkundigen Vorbenutzung hat die Einsprechende zuletzt nur noch den [X.] angeboten (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2017, [X.]). Auf den Hinweis des Senats, dass das schriftsätzlich vorgebrachte [X.] nicht hinreichend substantiiert sein dürfte, hat die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung hierzu folgendes [X.] vorgelegt (vgl. Anlage zum Protokoll vom 04.12.2017):

„Folgende Aussagen kann Herr H… durch Messungen an definierten Messstellen am Sicherheitsschalter [X.] belegen:

1. [X.]er Sicherheitsschalter [X.] arbeitet berührungslos mit einem Betätiger

2. [X.]er Sicherheitsschalter generiert ein [X.] wenn der Betätiger weiter weg als ein Grenzwert ist

3. [X.]er Sicherheitsschalter weist zwei Rechner auf

4. [X.]ie Rechner tauschen untereinander [X.]aten aus

5. Nur ein (erster) Rechner tauscht mit einer Kommunikationseinheit [X.]aten aus

6. [X.]er erste Rechner erhält ein serielles [X.]atensignal vom Betätiger über die Kommunikationseinheit

7. [X.]er erste Rechner leitet ein Teil der [X.]aten des Betätigers an den zweiten Rechner weiter

8. [X.]ie Übereinstimmung der [X.], die meßtechnisch erfasst wird, und der Signalfolge der vom ersten an den zweiten Rechner, die auch messtechnische erfasst wird, ist feststellbar

9. Wenn keine [X.] erkannt werden schaltet der Sicherheitsschalter ab“

aa) Selbst wenn sämtliche in das Wissen des [X.] gestellten Behauptungen in dem o. g. [X.] als nachgewiesen unterstellt werden, beziehen sich diese nicht auf alle, sondern nur auf einen Teil der Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1.

So geht aus dem o. g. [X.] nicht hervor, dass mittels Messungen nachgewiesen werden könne, dass der Sicherheitsschalter eine redundant aufgebaute softwaregesteuerte Steuerschaltung aufweise (Merkmal [X.]), sondern lediglich, dass der Sicherheitsschalter zwei Rechner aufweisen soll (vgl. Punkt 3. des [X.]s). Unter Punkt 5. wird zwar die Behauptung unter Beweis gestellt, dass nur ein (erster) Rechner mit einer Kommunikationseinheit [X.]aten austauscht, nicht aber, dass nur ein erster der Rechner mit einer Kommunikationseinheit des Sicherheitsschalters verbunden ist (Merkmal [X.]). Ein Beweis dafür, dass der zweite Rechner dazu eingerichtet ist, eine Sicherheitsüberprüfung der von dem Betätiger empfangenen und an den zweiten Rechner weitergeleiteten [X.]aten unabhängig vom ersten Rechner auszuführen (Merkmal [X.]1), ist ebenfalls nicht angeboten.

bb) [X.]er Senat war auch nicht gehalten, den [X.] über das [X.] der [X.] hinaus dazu zu vernehmen, dass durch Messungen an dem behauptet vorbenutzten Schalter auch die weiteren, nicht im Beweisantrag aufgeführten Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 für den Fachmann feststellbar seien.

Zwar ist das Patentgericht gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 [X.] gehalten, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, und ist dabei an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. [X.]ie Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts ist indessen nicht unbegrenzt. [X.]ie Ermittlungspflicht besteht vielmehr im Allgemeinen nur insoweit, als der Vortrag der Beteiligten oder der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Überlegung zu Feststellungen Anlass gibt ([X.] M[X.]R 55, 347; [X.], a. a. O., § 87 Rn. 9). So sind Ermittlungen "ins Blaue" hinein nicht geboten; es bedarf vielmehr bestimmter Anhaltspunkte, die Nachforschungen in eine bestimmte Richtung lenken und sinnvoll erscheinen lassen können. [X.]as [X.] muss auch nicht beliebige Anhaltspunkte für die Auffassung eines Beteiligten ermitteln, dieser muss vielmehr mit hinreichender [X.]eutlichkeit die Zielrichtung seiner Angriffe artikulieren ([X.], Beschluss vom [X.] – [X.], juris Rn. 21 – Flächenschleifmaschine). [X.]ies betrifft insbesondere auch eine geltend gemachte Vorbenutzung ([X.], a. a. O., § 3 Rn. 284 und 285 m. w. N.).

Weder aus dem Vortrag der [X.] noch sonst sind konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass insbesondere die Merkmale [X.] und [X.]1 mittels Messungen überhaupt nachgewiesen werden könnten, da es sich hier um Wirkungen von auf Rechnern ablaufenden Softwareprogrammen handelt (zum Verbot der [X.]ekompilierung siehe oben unter Punkt b)). Somit bestand für den Senat vor dem Hintergrund der oben aufgezeigten Grenzen seiner Ermittlungspflicht keine hinreichende Veranlassung, Nachforschungen in diese Richtung zu lenken und den [X.] dazu zu vernehmen.

Eine offenkundige Vorbenutzung des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 kann somit nicht nachgewiesen werden. [X.]ie Feststellungslast für diesen einspruchsbegründenden Umstand trifft die Einsprechende.

5.2 [X.]er Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist neu gegenüber der [X.]ruckschrift [X.] 197 11 588 [X.] ([X.]6).

[X.]ie [X.]ruckschrift [X.]6 betrifft, wie das [X.], einen berührungslos arbeitenden Sicherheitsschalter (vgl. Titel, Zusammenfassung). Aus dieser [X.]ruckschrift geht in Bezug auf den Streitgegenstand hervor:

[X.] Berührungslos arbeitender Sicherheitsschalter  

[X.] der zum berührungslosen Zusammenwirken mit einem Betätiger eingerichtet ist  

M3 wobei der Sicherheitsschalter dazu eingerichtet ist, an einem Schaltausgang des Sicherheitsschalters ein [X.] zu erzeugen, wenn der Abstand zwischen dem Sicherheitsschalter und dem Betätiger einen vorbestimmten Grenzwert über- oder unterschreitet  

[X.] wobei der Sicherheitsschalter eine redundant aufgebaute softwaregesteuerte Steuerschaltung aufweist  

[X.] die wenigstens zwei Rechner aufweist  

M6 die dazu eingerichtet sind, beim Betrieb des Sicherheitsschalters untereinander [X.]aten auszutauschen  

nur ein erster der beide Rechner mit einer Kommunikationseinheit des Sicherheitsschalters verbunden ist sind

[X.] die zur drahtlosen [X.]atenkommunikation mit dem Betätiger eingerichtet ist  

[X.] wobei der erste Rechner dazu eingerichtet ist, über die Kommunikationseinheit [X.]aten mit dem Betätiger auszutauschen  

wobei der erste Rechner dazu eingerichtet ist, wenigstens einen Teil der von dem Betätiger empfangenen [X.]aten an den zweiten Rechner (11) weiterzuleiten

und an den zweiten Rechner (11) weitergeleiteten [X.]aten unabhängig vom ersten Rechner auszuführen

[X.]er Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 unterscheidet sich vom Stand der Technik aus der [X.]ruckschrift [X.]6 somit in den Merkmalen [X.], [X.]0 und [X.]1, wonach

nur ein erster der Rechner mit einer Kommunikationseinheit des Sicherheitsschalters verbunden ist (Merkmal [X.]),

der erste Rechner dazu eingerichtet ist, wenigstens einen Teil der von dem Betätiger empfangenen [X.]aten an den zweiten Rechner weiterzuleiten (Merkmal [X.]0) und

und an den zweiten Rechner weitergeleiteten [X.]aten unabhängig vom ersten Rechner auszuführen (Merkmal [X.]1).

5.3 [X.]er Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 [X.]).

a) Ausgehend von der [X.]ruckschrift [X.]6 als nächstkommendem Stand der Technik stellt sich zwar die im [X.] genannte Aufgabe, nämlich einen Sicherheitsschalter bereitzustellen, der mit verringertem [X.] und Softwareaufwand die einschlägigen Sicherheitsvorschriften erfüllt, dem Fachmann von selbst, allerdings ist der [X.]ruckschrift [X.]6 aus Sicht des Senats keine Anregung zu entnehmen, auf eine Leitung für das Liefern der [X.] unmittelbar von der Kommunikationseinheit an den zweiten Rechner zu verzichten (Merkmal [X.]).

nichtredundant realisieren würde, käme er dennoch nicht auf den Gedanken, auf eine Leitung zum zweiten Rechner zu verzichten, um den Verdrahtungsaufwand zu reduzieren. [X.]enn dadurch wäre die erforderliche Redundanz im Empfangszweig des Sicherheitsschalters nicht mehr gewährleistet. Sollte er diesen Gedanken dennoch aufgreifen, so müsste er den Aufbau des bekannten Sicherheitsschalters prinzipiell ändern, und zwar dahingehend, dass sicherheitskritische [X.]aten vom ersten an den zweiten Rechner weitergeleitet werden, womit sowohl eine Realisierung einer entsprechenden Schnittstelle zwischen den Rechnern als auch eine Anpassung der Software im ersten und auch im zweiten Rechner verbunden wäre. [X.]iesbezüglich liefert die [X.]ruckschrift [X.]6 jedoch keine Anregung. [X.]iese Maßnahmen vorzusehen, liegt zur Überzeugung des Senats auch nicht auf Basis des Wissens des [X.]urchschnittsfachmanns nahe.

b) [X.]er Senat hat sich davon überzeugt, dass auch der weitere im Verfahren befindliche Stand der Technik dem [X.] nicht näher kommt und damit dessen Patentfähigkeit ebenfalls nicht im Wege steht. [X.]ies gilt insbesondere auch für die von der [X.] herangezogene [X.]ruckschrift [X.] 10  2004 020 997 [X.] ([X.]1), welche jedenfalls die Merkmale [X.], [X.]0 und [X.]1 weder zeigt noch dem Fachmann nahelegt, vielmehr – vergleichbar der [X.]ruckschrift [X.]6 – eine vollständige Redundanz lehrt. [X.]amit ist die zweifellos gewerblich anwendbare Vorrichtung nach Patentanspruch 1 nicht nur neu, sondern gilt auch als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.

c) [X.]ie [X.] 2 bis 14 gestalten den Gegenstand des Patentanspruchs zweckmäßig, in nicht nur trivialer Weise weiter aus und sind mit diesem patentierbar.

6. Im Ergebnis war der angefochtene Beschluss der [X.] aufzuheben mit der Folge, dass das Patent in der erteilten Fassung aufrechterhalten wird.

Meta

20 W (pat) 6/15

04.12.2017

Bundespatentgericht 20. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.12.2017, Az. 20 W (pat) 6/15 (REWIS RS 2017, 1344)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1344

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

19 W (pat) 70/17 (Bundespatentgericht)

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – "Energieversorgungseinrichtung für einen Elektromagneten und Betriebsverfahren (Ausgangsstrombegrenzung)" – zur Möglichkeit, dass die komplexe …


14 W (pat) 48/19 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdesache –"Beschichtungsmaterial für flexible Unterlagen und dessen Verwendung" – Zur Frage der offenkundigen Vorbenutzung


19 W (pat) 29/19 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Steckverbinder und Stecksystem" – Zur Frage der Patentfähigkeit


11 W (pat) 4/17 (Bundespatentgericht)

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – "Küchenmaschine" – zur erfinderischen Tätigkeit bei einer Küchenmaschine mit einem Einlernmodus für Rezepte


6 Ni 44/21 (EP) (Bundespatentgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

X ZR 81/11

X ZR 116/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.