Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.05.2021, Az. B 12 KR 2/21 B

12. Senat | REWIS RS 2021, 5865

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Rüge des Verfahrensmangels einer Überraschungsentscheidung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 16. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in der [X.] vom 1.10.2009 bis [X.] aufgrund Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.

2

Der Kläger ist als Netzwerkplaner, IT-Netzwerkarchitekt und IT-Projektkoordinator tätig. Die Beigeladene zu 1. ist ein Unternehmen für Beratung und Dienstleistung in der Informationstechnologie. Zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber einem Dritten bediente sie sich auf der Grundlage einer Vereinbarung vom [X.] des Klägers. Auf ihren Statusfeststellungsantrag stellte die Clearingstelle der beklagten [X.] fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. aufgrund Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag. Das [X.] (Oder) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das [X.] hat nach Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 [X.] zurückgewiesen (Beschluss vom 16.12.2020). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.].

3

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 [X.] als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

4

In seiner Beschwerdebegründung vom [X.] bezeichnet der Kläger den allein geltend gemachten Zulassungsgrund eines entscheidungserheblichen [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]).

5

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen [X.] s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 - [X.] RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4; jeweils mwN; [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.], [X.] ff). Nach § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines [X.] auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des [X.] (vgl BSG Beschluss vom [X.] - B 1 KR 21/07 B - juris Rd[X.] 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - [X.] [X.] 79 zu § 162 [X.]; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - [X.] 1500 § 160 [X.]3). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das BSG allein anhand der Beschwerdebegründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des [X.] möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

6

Der Kläger behauptet einen Verstoß "gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs aufgrund mangelnder Anhörung vor Erlaß des [X.]". Im Hinweisschreiben des [X.] seien die entscheidenden Umstände nicht genannt worden. Daher sei er nicht in der Lage gewesen, auf die erst in der Entscheidung enthaltenen Argumente zu reagieren. Bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte er von der [X.] Gebrauch machen können. Aufgrund der Entscheidung durch Gerichtsbeschluss seien ihm jedoch diese prozessualen Möglichkeiten unter Verstoß gegen grundsätzliche Werte von Verfassungsrang abgeschnitten worden. Die angefochtene Entscheidung verstoße gegen Sachverhalte, die aus seiner Sicht gegen eine Beschäftigung sprächen. Es handele sich mithin um eine allenfalls kursorische und sehr einseitige Würdigung des Akteninhaltes unter Verstoß gegen die Verpflichtung, die vorgefundenen Tatsachen einer objektiven und im Einklang mit den Denkgesetzen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung schlüssig und widerspruchsfrei zu würdigen.

7

1. Soweit der Kläger vorträgt, er hätte bei einem umfangreicheren Hinweis im Rahmen der beabsichtigten Verfahrensweise nach § 153 Abs 4 [X.] seinen Vortrag ergänzt, setzt er sich nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Umfang gerichtlicher Hinweispflichten auseinander. Danach gibt es keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern und zwar weder in einer mündlichen Verhandlung noch in der einem Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 [X.] vorgeschriebenen Anhörungsmitteilung (vgl [X.] - [X.] 3-1500 § 153 [X.] 1 S 3 = juris Rd[X.] 10; BSG Beschluss vom [X.] KR 24/06 B - juris Rd[X.] 9). Art 103 Abs 1 GG gebietet lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger [X.] nicht zu rechnen brauchte (vgl BSG Urteil vom 16.3.2016 - B 9 V 6/15 R - [X.] 4-3100 § 60 [X.] 7 Rd[X.] 26). Die im Raum stehende Rüge des [X.] einer Überraschungsentscheidung ist nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter [X.] aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt (vgl [X.] - [X.] R 40/16 B - juris Rd[X.] 9). Diesen Anforderungen wird der Kläger nicht gerecht.

8

Die Beschwerdebegründung arbeitet nicht heraus, welche tragenden Urteilsgründe aus Sicht des Klägers neu und unter vermeintlicher Verletzung der Gewährung rechtlichen Gehörs verwendet worden sind. Der Kläger macht umfangreiche Ausführungen zu Umständen, die nach seiner Rechtsauffassung für das von ihm präferierte Ergebnis vermeintlich von Relevanz sind. Hierdurch greift er jedoch in erster Linie die Entscheidungsgründe (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]) an. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann hierauf jedoch nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]). Auch befasst sich der Kläger nicht damit, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs die Gerichte nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen ([X.] Nichtannahmebeschluss vom [X.] - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497). Im [X.] seines Vorbringens macht der Kläger zusammenfassend geltend, dass die Entscheidung "rechtsfehlerhaft" (Seite 3 der Beschwerdebegründung) bzw unter keinem rechtlichem Gesichtspunkt vertretbar sei (vgl Seite 6 der Beschwerdebegründung). Die Behauptung, die Entscheidung des [X.] sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom [X.] - B 12 KR 62/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 6 Rd[X.] 18).

9

2. Soweit der Kläger die Eignung des Verfahrens für eine Entscheidung nach § 153 Abs 4 [X.] anzweifeln will, ist ebenfalls kein Verfahrensfehler dargetan. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 [X.] zurückzuweisen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des [X.] und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, also sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüft werden (stRspr; BSG Beschluss vom [X.] KR 4/16 B - [X.] 4-1500 § 140 [X.] Rd[X.] 11 mwN). Nur in Ausnahmefällen ist das dem [X.] bei der Frage eines Verfahrens nach § 153 Abs 4 [X.] eingeräumte Ermessen auf Null reduziert (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 153 Rd[X.] 15b mwN). Entsprechende Ausführungen hierzu sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Meta

B 12 KR 2/21 B

17.05.2021

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Frankfurt (Oder), 16. März 2018, Az: S 4 KR 75/13, Urteil

§ 103 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.05.2021, Az. B 12 KR 2/21 B (REWIS RS 2021, 5865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5865

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