Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.12.2020, Az. B 12 KR 48/20 B

12. Senat | REWIS RS 2020, 2421

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Urteilsinhalt - fehlende Entscheidungsgründe - Begründungspflicht


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 9. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die zur gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und [X.] Pflegeversicherung ([X.]) zu zahlenden Beiträge auf eine Kapitalleistung aus einem Pensionsfonds.

2

Der 1953 geborene Kläger ist bei den Beklagten in der [X.] und [X.] versichert. Er schied im [X.] unter Inanspruchnahme einer betriebsinternen Regelung für im Alter von 55 Jahren ausscheidende Arbeitnehmer (sog "55er Modell") aus seinem Arbeitsverhältnis aus. Im Mai 2017 erhielt er aus einem Pensionsfonds eine Kapitalzahlung in Höhe von 87 830 Euro ausgezahlt. Gegen die auf 1/120 dieses Betrags monatlich erhobenen Beiträge (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 19.9.2017) wandte sich der Kläger mit der Begründung, in dem von der Pensionskasse ausgezahlten Betrag seien Beiträge seines Arbeitgebers auf der Grundlage des sog "55er Modells" enthalten. Diese Zahlungen dürften nicht der Beitragspflicht unterworfen werden. Klagen und Berufungen sind erfolglos geblieben ([X.] vom [X.], Verbindungsbeschluss des [X.] vom 19.12.2019, [X.] Urteil vom 9.6.2020). Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und der Gerichtsbescheide des [X.] Bezug genommen. Ergänzend hat es unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des B[X.] und des [X.] ausgeführt, dass ein betrieblicher Bezug dann entfalle, wenn der Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis in die Stellung als Versicherungsnehmer der Direktversicherung einrücke. Der Pensionsfonds des Arbeitgebers sei institutionell eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung. Die Art der Finanzierung, im Wege der Abfindung, des Rentenniveauausgleichs oder des Ausgleichs von Rentenabschlägen sowie die Gewährung einer Sondergutschrift, seien keine Abgrenzungsmerkmale für die Beitragspflicht.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

4

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des [X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) und eines [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) nicht hinreichend bezeichnet.

5

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des [X.] von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des B[X.], des [X.] oder des [X.] abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das [X.] seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das B[X.], der [X.] oder das [X.] entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das [X.] diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 3 P 13/04 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] 5 und B[X.] Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.], jeweils mwN). Es muss insofern dargetan werden, dass sie der Beantwortung der identischen Rechtsfrage gedient haben. Dies erfordert, dass die abstrakten Rechtssätze nicht allein isoliert gegenübergestellt werden, sondern dass sie zusätzlich jeweils in ihrem tatsächlichen und rechtlichen Kontext dargestellt werden. Es darf nicht lediglich eine isolierte Wiedergabe einzelner Passagen der Aussagen beider Gerichte erfolgen. Der Widerspruch muss in der Beschwerdebegründung klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden (Voelzke in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]G, 1. Aufl 2017, § 160a [X.]G, Stand 14.10.2020, Rd[X.] 128).

6

Diesen Anforderungen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Der Kläger zitiert als "Rechtssatz" des [X.], dass es für die typisierende Anknüpfung des Begriffs der betrieblichen Altersversorgung ausreiche, dass die Mitgliedschaft in einer solchen Einrichtung nur aufgrund einer bestimmten (früheren) Berufstätigkeit erworben werden könne. Maßgeblich für diese Beurteilung sei ua die Erwägung, dass derjenige, der aufgrund einer früheren Berufstätigkeit Mitglied einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung werden könne, sich nicht irgendeiner Form der privaten Altersversorgung bediene, sondern sich gerade der betrieblichen Altersversorgung anschließe und sich damit im gewissen Sinn deren Vorteile nutzbar mache. Er stellt dem folgende Sätze aus dem Beschluss des [X.] vom 27.6.2018 ([X.] Beschluss vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15 - [X.] 4-2500 § 229 [X.]7) gegenüber: "Ausgehend hiervon überschreitet die Typisierung als betriebliche Altersversorgung ausschließlich nach der auszuzahlenden Institution bei Pensionskassen in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit ihre zulässige Grenze, wenn - wie hier - die Zahlungen auf einen nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zwischen der Pensionskasse und dem Versicherten beruhen, an dem der frühere Arbeitgeber nicht mehr beteiligt ist und in den nur der Versicherte Beiträge einbezahlt hat." und "Obwohl der frühere Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses weiterhin eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung nutzt, wird in diesem Fall der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts verlassen und der Versicherungsvertrag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem [X.] gelöst."

7

Allein unter dem Vorbringen, [X.] und [X.] hätten auf unterschiedliche Gesichtspunkte abgestellt, hat der Kläger nicht die geltend gemachte Abweichung dargelegt. Hierzu hätte es deshalb näherer Ausführungen bedurft, weil sich die zitierten Entscheidungsgründe des [X.] auf Zahlungen auf einen nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu geschlossenen Lebensversicherungsvertrag beziehen, das [X.] hiergegen die Frage behandelt, ob der Pensionsfonds als Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung anzusehen ist. Im Grunde macht der Kläger nur geltend, das [X.] habe die Rechtsprechung des [X.] nicht genügend berücksichtigt oder im Einzelfall falsch angewendet. Ein solcher Mangel stellt jedoch, auch wenn er vorläge, keine Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G dar (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 12 KR 62/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 18 = juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 9 SB 26/13 B - juris Rd[X.] f).

8

2. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB B[X.]E 2, 81, 82; 15, 169, 172 = [X.] [X.] zu § 52 [X.]G). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des [X.] möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

9

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger rügt, der Entscheidung des [X.] fehle es an einer Begründung iS der §§ 128 Abs 1 und 136 Abs 1 [X.] [X.]G, weil es unter Hinweis auf § 153 Abs 2 [X.]G auf den Widerspruchsbescheid verwiesen habe. Ein Urteil ist nur dann nicht mit ausreichenden Entscheidungsgründen gemäß § 136 Abs 1 [X.] [X.]G versehen, wenn ihm hinreichende Gründe objektiv nicht entnommen werden können, etwa weil die angeführten Gründe unverständlich oder verworren sind, nur nichtssagende Redensarten enthalten oder zu einer vom Beteiligten aufgeworfenen, eingehend begründeten und für die Entscheidung erheblichen Rechtsfrage nur ausführen, dass diese Auffassung nicht zutreffe (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - 10 RV 405/65 - [X.] [X.] 9 zu § 136 [X.]G und B[X.] Beschluss vom 3.5.1984 - 11 BA 188/83 - [X.] 1500 § 136 [X.] 8). Aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl [X.] Beschluss vom 1.8.1984 - 1 BvR 1387/83 - [X.] 1500 § 62 [X.] 16; B[X.] Beschluss vom 13.4.2015 - B 12 KR 109/13 B - juris Rd[X.] 19). Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 13 R 144/07 B - juris Rd[X.] 7). Weshalb die für das [X.] wesentlichen Gesichtspunkte wegen des Hinweises auf § 153 Abs 2 [X.]G nicht deutlich geworden sein sollen oder dieser Hinweis zur Unverständlichkeit der die Entscheidung des [X.] tragenden Überlegungen geführt hätte (vgl B[X.] Beschluss vom 19.5.2011 - B 4 [X.]/11 B - juris Rd[X.]), geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.

Weitere Verfahrensfehler macht der Kläger nicht geltend.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

4. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 12 KR 48/20 B

01.12.2020

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Chemnitz, 8. Februar 2018, Az: S 15 KR 821/17 und S 15 P 183/17, Gerichtsbescheid

§ 128 Abs 1 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.12.2020, Az. B 12 KR 48/20 B (REWIS RS 2020, 2421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2421

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 249/15

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