Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2010, Az. II ZB 15/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5921

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Gegenstand

Aktienrechtliche Anfechtungsklage: Kostenerstattungsanspruch des streitgenössischen Nebenintervenienten bei Klagerücknahme im Rahmen eines Vergleichs


Leitsatz

Nimmt der Kläger im aktienrechtlichen Anfechtungsprozess im Rahmen eines Vergleichs die Klage zurück, hat er - vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO - auch die außergerichtlichen Kosten der auf Beklagtenseite beigetretenen, am Vergleich nicht beteiligten streitgenössischen Nebenintervenienten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO zu tragen (Bestätigung des Sen.Beschl. v. 15. Juni 2009, II ZB 8/08, DStR 2009, 1970 Tz. 12) .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Nebenintervenienten zu 2 und 3 wird der Beschluss des [X.] vom 26. Mai 2009 aufgehoben, soweit die sofortige Beschwerde der Nebenintervenientin zu 2 gegen den Beschluss des [X.] vom 29. Dezember 2008 sowie die sofortige Beschwerde der Nebenintervenientin zu 3 gegen den Beschluss des [X.] vom 3. Februar 2009 zurückgewiesen worden sind.

Unter Abänderung der Beschlüsse des [X.] vom 29. Dezember 2008 und vom 3. Februar 2009 werden die Kosten der Nebenintervenienten zu 2 und zu 3 den Klägern auferlegt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger.

[X.]: 9.900,00 €

Gründe

1

I. Die Kläger, Aktionäre der [X.], erhoben zunächst getrennt Anfechtungsklage gegen [X.]üsse der Hauptversammlung der [X.] vom 7. Juli 2008. Die Verfahren wurden mit [X.]uss des [X.] vom 12. September 2008 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die beiden [X.] sind ebenfalls Aktionäre der [X.]. Sie und ein weiterer, im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr beteiligter Aktionär, sind dem Verfahren mit Schriftsätzen vom 22. September 2008 bzw. vom 16. Oktober 2008 als Nebenintervenienten auf Seiten der [X.] beigetreten.

2

In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] schlossen die Kläger und die Beklagte am 10. November 2008 einen Vergleich, in dem die Kläger mit Zustimmung der [X.] die Klage zurücknahmen und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden. Eine Kostenregelung für den Nebenintervenienten auf [X.]seite enthält der Vergleich nicht. Der [X.] der [X.] stimmte der Klagerücknahme zu und stellte den Antrag, die Kosten der [X.] den Klägern aufzuerlegen.

3

Das [X.] hat mit [X.]üssen vom 29. Dezember 2008 und vom 3. Februar 2009 angeordnet, dass die [X.] ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben, weil die Kostenregelung im Vergleich auch im Verhältnis zu den Nebenintervenienten maßgebend sei. Die sofortigen Beschwerden der [X.] sowie der weiteren - im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beteiligten - Nebenintervenientin hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die [X.] ihr Begehren weiter, die Kosten ihrer [X.] den Klägern aufzuerlegen.

4

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde der [X.] zu Unrecht zurückgewiesen. Die Kosten der von den [X.]n erhobenen [X.] auf [X.]seite sind den Klägern aufzuerlegen.

5

1. Das [X.] hat ausgeführt:

6

Im Rahmen der Entscheidung über die Kosten des streitgenössischen Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Aktiengesellschaft nach einer Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich sei die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht sachgerecht. Eine im Vergleich getroffene Kostenregelung gehe der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO vor, auch wenn die Nebenintervenienten nicht an dem Vergleich beteiligt seien. Es sei über die Kosten der [X.] unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden, wobei regelmäßig eine Teilung der Kosten oder Kostenaufhebung in Erwägung zu ziehen sei, wenn - wie hier - eine hinreichend gesicherte Feststellung der Erfolgsaussichten der Kläger und der [X.] nicht möglich erscheine. Hierfür spreche auch die korrespondierende Vorschrift des § 98 ZPO. [X.] oder gar zwingende Billigkeitserwägungen erforderten eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenienten nicht.

7

2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.

8

Über den Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten der [X.] ist infolge der Rücknahme der Klage auf der Grundlage des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu entscheiden. Die Kosten der [X.] der [X.] tragen deshalb die Kläger.

9

a) Der als Aktionär dem von den Klägern als Aktionären gegen die beklagte Gesellschaft geführten Anfechtungsstreit auf Seiten der [X.] beigetretene Nebenintervenient ist im Hinblick auf die sich aus § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebende Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Anfechtungsurteils nach der ständigen Rechtsprechung des Senats als streitgenössischer Nebenintervenient [X.] der §§ 66, 69 ZPO anzusehen (vgl. nur [X.], 137 [X.]. 9 m.w.Nachw.). Für die streitgenössische [X.] gilt der für die einfache Streitgenossenschaft in § 101 Abs. 1 ZPO geregelte Grundsatz der Kostenparallelität und damit auch der in dieser Vorschrift in Bezug genommene § 98 ZPO nicht; vielmehr sind ausschließlich die §§ 101 Abs. 2, 100 ZPO anzuwenden, die den streitgenössischen Nebenintervenienten kostenrechtlich uneingeschränkt einem Streitgenossen der [X.] gleichstellen. Ob ein streitgenössischer Nebenintervenient Ersatz seiner außergerichtlichen Kosten beanspruchen kann, ist danach eigenständig und unabhängig von der gegenüber der unterstützten [X.] zu treffenden Kostenentscheidung nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner zu beurteilen. Hat der Kläger die Klage zurückgenommen, hat er - vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO - die außergerichtlichen Kosten der auf [X.]seite beigetretenen streitgenössischen Nebenintervenienten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO zu tragen ([X.], [X.]. v. 15. Juni 2009 - [X.], [X.], 1970 [X.]. 12).

b) Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO liegen nicht vor. Über die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten ist weder bereits rechtskräftig entschieden noch sind sie ihm "aus einem anderen Grund aufzuerlegen". Insbesondere ist insoweit kein Raum für materielle Billigkeitserwägungen, wie sie das [X.] angestellt hat. Als "andere Gründe" kommen vielmehr grundsätzlich nur prozessuale Kostenerstattungsansprüche in Betracht (vgl. [X.], [X.]. v. 27. Oktober 2003 - [X.], NJW 2004, 223, 224; [X.]. v. 6. Juli 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1662, 1663; [X.]/[X.]. § 269 Rdn. 41; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO § 269 Rdn. 20), die hier nicht ersichtlich sind. Es fehlt ferner an einer von § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO abweichenden Kostenregelung in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich. Eine solche vergleichsweise Regelung der prozessualen Kostenlast kann zwar ebenfalls ein "anderer Grund" [X.] von § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 ZPO sein ([X.], [X.]. v. 6 Juli 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1662, 1663), ist hier aber nicht gegeben. Der gerichtliche Vergleich wurde allein zwischen den [X.]en des Verfahrens getroffen und kann als solcher keine Wirkungen zum Nachteil der streitgenössischen Nebenintervenienten entfalten (§§ 101 Abs. 2, 69, 61 ZPO).

c) Die Kläger haben die Klage [X.] des § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 ZPO zurückgenommen. Dass diese sich - insoweit abweichend von dem Sachverhalt, der den Senatsbeschlüssen vom 18. Juni 2007 ([X.] aaO) und vom 15. Juni 2009 ([X.] aaO) zugrunde lag - in dem Vergleich nicht zur Klagerücknahme verpflichtet haben, sondern die Rücknahme der Klage bereits im Vergleich selbst erklärt haben, ändert an der Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 ZPO nichts (ebenso [X.], [X.], 1257, 1259 [X.]. 27, 1260). Die [X.]en haben nach dem ausdrücklichen Wortlaut ihrer Vereinbarung zur Beendigung des Verfahrens das Gestaltungsmittel der Klagerücknahme gewählt. Es lassen sich aus dem vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auch keine Umständen ersehen, die trotz des eindeutigen Wortlauts dafür sprechen könnten, dass die Parteien tatsächlich keine Klagerücknahme, sondern eine andere Beendigung des Verfahrens regeln wollten. Wie die Frage der Erstattung der Kosten einer streitgenössischen [X.] zu beurteilen ist, wenn die Parteien das Verfahren durch eine beiderseitige Erledigungserklärung (dazu [X.], [X.]. v. 3. Juni 1985 - II ZR 248/84, [X.] 1985, 914 f.) bzw. einen Prozessvergleich im engeren Sinne beenden (vgl. [X.], [X.], 1257, 1260; [X.], [X.] 2009, 1019, 1021), dann hier deshalb offen bleiben.

[X.]                                  Caliebe                              Reichart

                     Drescher                             Löffler

Meta

II ZB 15/09

14.06.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 26. Mai 2009, Az: 11 W 26/09, Beschluss

§ 66 ZPO, § 69 ZPO, § 269 Abs 3 S 2 Halbs 1 ZPO, § 269 Abs 3 S 2 Halbs 2 ZPO, § 248 Abs 1 S 1 AktG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2010, Az. II ZB 15/09 (REWIS RS 2010, 5921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5921

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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