Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2022, Az. AK 33/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5989

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Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe

I.

1

[X.] befindet sich seit dem 31. März 2022 zunächst aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 28. Februar 2020 ([X.]) und sodann aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 6. September 2022 ununterbrochen in Untersuchungshaft.

2

Gegenstand des nunmehr vollzogenen Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeschuldigte habe in der [X.] vom 30. Oktober 2013 bis Oktober 2020 - bis zum 2. Oktober 2014 als Heranwachsende - in [X.] durch zehn selbständige Handlungen

- in zwei Fällen eine [X.] im Ausland unterstützt, deren Zweck und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 [X.]) zu begehen, und durch eine dieser Handlungen zugleich ihre Fürsorge- und [X.] gegenüber einer Person unter 16 Jahren gröblich verletzt und dadurch die Schutzbefohlene in die Gefahr gebracht, in ihrer körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden,

- in acht Fällen sich als Mitglied an einer [X.] im Ausland beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 [X.]) zu begehen, davon

o in einem Fall zugleich ihre Fürsorge- und [X.] gegenüber einer Person unter 16 Jahren gröblich verletzt und dadurch die Schutzbefohlene in die Gefahr gebracht, in ihrer körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden,

o in drei Fällen jeweils zugleich sich im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen [X.] angeeignet,

o in drei Fällen jeweils zugleich vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidrigen Tat, nämlich einer Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten unmittelbar geltenden [X.], der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme gedient habe, bestimmt,

strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 171 StGB, § 9 Abs. 1 [X.], § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] in Verbindung mit der Verordnung ([X.]) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 ([X.] L 39 vom 29. Mai 2002, [X.]), § 25 Abs. 2, §§ 26, 52, 53 StGB, §§ 1, 105 [X.].

3

Die [X.] hat am 19. September 2022 wegen der oben dargestellten Vorwürfe Anklage gegen die Angeschuldigte beim [X.] erhoben.

II.

4

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

5

1. [X.] ist jedenfalls dringend verdächtig der Verletzung der Fürsorge- oder [X.] und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 171, 53 StGB). Dieser dringende Tatverdacht trägt die Anordnung der [X.]. Deshalb kann für die Haftfrage dahinstehen, ob und inwieweit sich die Angeschuldigte mit dem nach § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad wegen der Begehung weiterer Delikte strafbar gemacht hat.

6

a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

7

aa) Die in [X.] seit Februar 2011 gegen die Regierung von [X.] schwelenden Proteste eskalierten ab dem 15. März 2011 aufgrund des repressiven und gewaltsamen Vorgehens [X.] Sicherheitskräfte, Milizen sowie der [X.] gegen Demonstranten und Oppositionelle. Die dadurch bewirkte Militarisierung der Protestbewegung entwickelte sich zu einem bewaffneten [X.], der Anfang 2012 schließlich weite Teile des [X.] erfasste und sich zu einem großflächigen Bürgerkrieg ausweitete.

8

Die [X.]" ([X.]) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] sowie das Regime des [X.] Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.

9

Die Führung der [X.], die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 von "[X.] im [X.] und in Großsyrien" ([X.]IG) in "[X.]" ([X.]) umbenannte, wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 [X.] inne. Bei der Ausrufung des Kalifats war [X.] von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "[X.]" produziert und über die Medienstelle "[X.]" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein [X.] nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "[X.] - [X.] - [X.]" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Seine Ziele setzte der [X.] durch offenen militärischen Bodenkampf im [X.] und in [X.] sowie durch Sprengstoff- und Selbstmordanschläge, aber auch durch Entführungen, Erschießungen und spektakulär inszenierte, grausame Hinrichtungen durch. Die [X.] teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.] ein und errichtete einen [X.]; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.] und [X.] [X.], aber auch in Gegnerschaft zum [X.] stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.] in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging der [X.] immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung.

Im [X.] gelang es dem [X.] im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt [X.], die bis zu der Offensive der von [X.] unterstützten [X.] [X.] Ende 2016 der zentrale Ort seiner [X.] [X.] war. In den Jahren 2013 und 2014 gelang es dem [X.] zudem, weite Teile im Norden und Osten [X.]s unter seine Gewalt zu bringen.

Seit Januar 2015 wurde die [X.] schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von [X.], die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der [X.] aus seiner letzten nord[X.] Hochburg in [X.] verdrängt; im Frühjahr 2019 verlor er auch die von ihm zuletzt noch kontrollierten Gebiete im Norden [X.]s. Der Anführer und selbsternannte "Kalif" des [X.] [X.] wurde in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2019 im Rahmen einer [X.] Militäraktion im Nordwesten [X.]s getötet. Zu seinem Nachfolger berief der [X.] kurz darauf [X.]. Heute hat der [X.] sein ehemaliges Herrschaftsgebiet in [X.] und im [X.] verloren, ohne dass aber die [X.] als solche zerschlagen wäre.

bb) [X.] reiste am 30. Oktober 2013 gemeinsam mit ihrem nach [X.] Ritus angetrauten - mittlerweile verstorbenen - ersten Ehemann und der gemeinsamen, am 22. Juli 2012 geborenen Tochter ungeachtet der damit einhergehenden Gefährdung von Leib und Leben des Kindes ins [X.] nach [X.], führte dort dem Kindesvater, der sich seinerseits bereits als Mitglied dem [X.] angeschlossen hatte, den Haushalt und kümmerte sich um die gemeinsame Tochter.

cc) Nachdem die Angeschuldigte Anfang/Mitte Januar 2014 in die [X.] zurückgekehrt war und sich im Rahmen einer Chatgruppe mit anderen [X.]-Frauen über die Geschehnisse in [X.] ausgetauscht hatte, reiste sie am 9. April 2014 erneut mit ihrer Tochter nach [X.] aus, wo das Kind wiederum Kampfhandlungen und Bombardements ausgesetzt war. Dort schloss sich die Angeschuldigte ihrerseits dem [X.] an, indem sie sich der herrschenden Organisations- und Befehlsstruktur sowie dem Willen der [X.] unterwarf, mit deren Zielen und Ideologie sie sich identifizierte.

Neben der Verrichtung ihrer Tätigkeiten als Hausfrau und Mutter bot sie einer zur Ausreise nach [X.] entschlossenen Frau ihre Hilfe an, vermittelte einem weiteren [X.]-Mitglied eine Ehefrau, erzog ihre inzwischen drei Kinder im Sinne der [X.]-Ideologie, wurde - auch nach dem Tod ihres ersten Ehemanns - von der Organisation u.a. durch ein Witwengeld alimentiert und heiratete durch Vermittlung des [X.] zwei weitere [X.]-Angehörige, von denen sie sich unter Inanspruchnahme eines "[X.]" jeweils nach kurzer Ehe wieder scheiden ließ, bevor sie ihren zweiten Ehemann später erneut ehelichte. Ferner lebte sie zwischenzeitlich mit ihren drei Kindern in einem Frauenhaus der Organisation. Nach ihrer Festnahme durch kurdische Sicherheitskräfte schloss sie sich in der [X.] von Dezember 2018 bis Oktober 2020 im [X.]  mit anderen [X.]-Angehörigen zusammen und vertrat weiterhin die Ideologie des [X.]. Daneben suchte sie über die [X.] Medien aktiv Kontakt zu anderen [X.]-Mitgliedern.

[X.]) Etwa einen Monat nach ihrer erneuten Ausreise nach [X.] am 9. April 2014 bezog die Angeschuldigte mit ihrer Tochter und ihrem ersten Ehemann eine vom [X.] zugewiesene Wohnung, ließ sich sowie ihre Tochter von der [X.] registrieren und erhielt Ausweisdokumente.

Ende August/Anfang September sowie im November 2014 bezog die Familie nacheinander zwei neue, ebenfalls vom [X.] zugewiesene Wohnungen, wobei sie letztere mit Hilfe des [X.] einrichtete.

ee) Auf Bitten der Angeschuldigten überwies der gesondert Verfolgte A.     , ein in [X.] ansässiges [X.]-Mitglied, im [X.]raum von April bis Juli 2020 in drei Fällen mittels Hawala-Bankings an sie bzw. eine dritte Person Gelder, während sie sich im Lager [X.]  aufhielt.

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die Erkenntnisse zum [X.] [X.] und zur außereuropäischen [X.]" beruhen auf den - vom [X.] in [X.] zusammengetragenen - Ergebnissen von Strukturermittlungen, insbesondere Sachverständigengutachten sowie Auswertungsberichten und -vermerken des Bundeskriminalamts.

bb) [X.] hat im Rahmen von vier Beschuldigtenvernehmungen im März und Juni 2022 sowie im [X.] am 6. September 2022 die ihr zur Last gelegten Tatbeiträge im Wesentlichen eingeräumt. Soweit ihre Angaben von den erhobenen Vorwürfen abweichen, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund der folgenden Beweismittel überführt werden.

(1) [X.] hat eingeräumt, zweimal nach [X.] ausgereist zu sein, vom 30. Oktober 2013 bis Januar 2014 und sodann erneut vom 9. April 2014 bis zu ihrer Festnahme am 27. November 2017 im [X.]-Herrschaftsgebiet mit ihren inzwischen drei Kindern in mehreren Wohnungen sowie einem Frauenhaus des [X.] gelebt zu haben und vom [X.] alimentiert worden zu sein. Ferner hat sie die Umstände ihrer drei Eheschließungen nebst Scheidungen sowie die vielfachen Bombardierungen in den Wohnorten und die abschließende Internierung in kurdischen Lagern bestätigt.

(2) Abweichend von den erhobenen Vorwürfen hat sie angegeben, nicht aus eigenem Antrieb, sondern aus Liebe und Abhängigkeit Ende Oktober 2013 mit ihrem ersten Ehemann nach [X.] zum [X.] ausgereist zu sein. Sie habe im Fall ihrer Weigerung befürchtet, er werde mit der gemeinsamen Tochter allein nach [X.] reisen. Auch im Frühjahr 2014 habe sie nicht die Absicht gehabt, sich erneut nach [X.] zu begeben. Die Ausreise sei vielmehr von ihrem Ehemann ohne ihre Kenntnis geplant und durchgeführt worden. In [X.] habe sie zunächst in einem leerstehenden Hotel gewohnt; wer ihr die Wohnung zur Verfügung gestellt und bezahlt habe, wisse sie nicht. Die zweite Wohnung habe sie von einem [X.] erhalten. Nachdem sie das Frauenhaus im [X.] 2015 verlassen habe, habe sie sich vom [X.] distanziert, was auch später im Internierungslager bekannt gewesen sei.

(3) Diese bestreitenden Angaben der Angeschuldigten sind durch die im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit widerlegt. So bekundete ihr Vater in seiner Zeugenvernehmung, dass sie sein Angebot im Dezember 2013, als er sich bei ihr in der [X.] aufhielt, mit ihm nach [X.] zurückzukehren, nicht nutzte. Dies wäre ihr indes mit ihrer Tochter ohne Weiteres möglich gewesen, zumal beide die [X.] Staatsangehörigkeit besitzen. Ferner berichtete sie ihrem Schwiegervater in einem Telefonat im Februar 2014, wie sich aus [X.] ergibt, zu ihrem Ehemann nach [X.] zurückkehren zu wollen. Zudem ärgerte sie sich in einem weiteren Telefongespräch mit ihrem Schwager darüber, dass ihr Ehemann sie überhaupt von [X.] in die [X.] gebracht hatte. Auch beschaffte sie sich eigenständig die Flugtickets von I.     in die syrische Grenzregion. Die weiteren Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung machen zudem deutlich, dass sie die radikalislamistische Einstellung ihres Ehemanns zu dieser [X.] bereits übernommen hatte.

Dass sich die Angeschuldigte im [X.] 2015 vom [X.] distanziert haben will, steht bereits im Widerspruch zu ihren weiteren Angaben im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung. Danach stand sie noch bis zu ihrer Flucht aus [X.] im November 2017 im engen Kontakt zu [X.]-Angehörigen, wohnte bei diesen und reiste mit ihnen durch die besetzten [X.]-Gebiete. Auch akzeptierte sie die Entscheidung eines [X.]-Richters im Hinblick auf ein gerichtlich angeordnetes Umgangsrecht ihres geschiedenen Ehemanns. Ferner handelte es sich bei ihrem dritten Ehemann um einen [X.]-Kämpfer, wobei diese Eheschließung, ebenso wie die mit ihrem zweiten Ehemann, durch Mitglieder des [X.] vollzogen wurde. Die Reisebewegungen der Angeschuldigten stellen sich nach den Erkenntnissen des Sachverständigen   S.     nicht als Flucht vor dem [X.] dar, sondern decken sich vielmehr mit dem sich verschiebenden Frontverlauf und belegen somit einen Rückzug mit dem [X.].

Dass sich die Angeschuldigte nicht vom [X.] löste, sondern nach wir vor dessen Ideologie verhaftet war, wird auch durch ihre Tätigkeiten und Äußerungen im Lager [X.]  belegt. So schilderten zwei Zeuginnen übereinstimmend, dass die Angeschuldigte dort einer besonders radikal-islamistischen Gruppierung angehörte. Auch kommunizierte sie über einen vom [X.]kriminalamt NRW betriebenen Facebook-Account mit anderen [X.]-Angehörigen und chattete mit dem gesondert Verfolgten A.     , einem in [X.] lebenden [X.]-Mitglied. Diesen bat sie, ihr Gelder ins Lager zukommen zu lassen. Noch in einer Nachricht an den gesondert Verfolgten vom 1. Juli 2020 brachte sie - wie sie in ihrer Zeugenvernehmung vor dem [X.] eingeräumt hat - ihre Verachtung gegenüber "[X.]" zum Ausdruck.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Verdachtslage wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] und das in der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 19. September 2022 dargelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen verwiesen.

c) In rechtlicher Hinsicht ist der der Angeschuldigten angelastete Sachverhalt dahin zu beurteilen, dass sie jedenfalls dringend verdächtig ist der Verletzung der Fürsorge- oder [X.] (§ 171 StGB) und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).

aa) Der unter Gliederungspunkt 1. a) bb) geschilderte Sachverhalt ist mit hoher Wahrscheinlichkeit als Verletzung der Fürsorge- und [X.] gemäß § 171 StGB zu werten; denn die Angeschuldigte verbrachte ihre einjährige Tochter 2013 aus dem [X.] über die [X.] in den vom [X.] kontrollierten [X.]teil [X.]s und verweilte dort mit ihr gut zwei Monate. Nach ihrem Willen musste ihr Kind in einem Gebiet leben, in dem es dem anhaltenden Risiko von Bombardierungen und sonstiger Waffengewalt ausgesetzt war, zudem unter der Willkürherrschaft einer islamistischen terroristischen Organisation (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, [X.]R StGB § 171 Verletzung der [X.] 1 Rn. 42 f.; vom 13. Oktober 2021 - AK 44/21, juris Rn. 31; vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 38; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 25). Die durch den [X.]aufenthalt bewirkte Gefahr für die körperliche und psychische Entwicklung der Tochter realisierte sich in Form eines bis heute anhaltenden Traumas.

Für die [X.]entscheidung kommt es hingegen nicht darauf an, ob auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sich die Angeschuldigte nach ihrer ersten Ausreise nach [X.] am 30. Oktober 2013 auch wegen Unterstützung einer terroristischen [X.] im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 und 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB strafbar gemacht hat. Insbesondere bedarf es keiner Entscheidung, ob die Angeschuldigte konkrete, die [X.] objektiv und subjektiv fördernde Tätigkeiten bis zu ihrer zweiten Ausreise nach [X.] am 9. April 2014 entfaltete (zum Begriff des Unterstützens s. etwa [X.], Beschlüsse vom 17. Oktober 2018 - AK 37/18, juris Rn. 14 ff.; vom 28. April 2020 - StB 13/20, juris Rn. 22 f.; jeweils mwN).

bb) Mit Blick auf die unter 1. a) cc) geschilderten Sachverhalte hat sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) strafbar gemacht, indem sie sich dem [X.] anschloss und sich für ihn betätigte. Dies gilt sowohl unter Zugrundelegung des bis zum 21. Juli 2017 nach der Rechtsprechung des [X.] maßgeblichen [X.]sbegriffs als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des seit dem Folgetag gültigen § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB.

(1) Nach beiden Varianten setzt die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer [X.] zum einen eine gewisse einvernehmliche Eingliederung des [X.] in die Organisation (die Mitgliedschaft) und zum anderen eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele (die Beteiligungshandlungen) voraus. Hierzu gilt:

(a) Die erforderliche Eingliederung in die Organisation kommt nach altem wie nach neuem Recht nur in Betracht, wenn der Täter sie von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der [X.] einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die [X.], mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der [X.] zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer [X.] nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die [X.] und ihre kriminellen Ziele zu fördern (st. Rspr.; s. etwa [X.], Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 28; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 35 mwN; vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 28; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 5).

Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt auf der Grundlage der seit dem 22. Juli 2017 geltenden Legaldefinition der [X.] (§ 129 Abs. 2 StGB) nicht voraus, dass sich der Täter in ihr [X.] integriert (s. [X.], Beschlüsse vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207 mwN; vom 24. Februar 2021 - AK 9/21, juris Rn. 18; Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, [X.]St 66, 137 Rn. 20). Für die Eingliederung in die Organisation ist somit nicht mehr erforderlich, dass seine Förderungshandlungen von einem einvernehmlichen Willen zur fortdauernden Teilnahme an diesem [X.] getragen sind. Bestehen jedoch bei der zu beurteilenden [X.] - wie dem [X.] - eine ausgeprägte Organisation und ein verbindlicher Gruppenwille, ist auch nach der aktuellen Gesetzeslage dieses von der bisherigen Rechtsprechung verlangte Kriterium von Bedeutung (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 22. Oktober 1979 - StB 52/79, [X.]St 29, 114, 120 ff.; Urteil vom 14. August 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 69 Rn. 128); die Eingliederung in die auf diese Weise strukturierte Personenmehrheit geht typischerweise mit dem einvernehmlichen Willen zur Teilnahme am [X.] einher (s. MüKoStGB/[X.]/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 82). Im Übrigen genügt nach neuem Recht insoweit jedenfalls ein entsprechender Wille zur auf Dauer oder zumindest längere [X.] angelegten Mitwirkung an den Aktivitäten oder an der Verfolgung der Ziele der [X.] ([X.], Beschlüsse vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 29; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 6).

(b) Die notwendige aktive Tätigkeit zur Förderung der von der [X.] verfolgten Ziele kann darin bestehen, unmittelbar zu deren Durchsetzung beizutragen. Sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der [X.] zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der [X.] bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem mitgliedschaftlichen Beteiligungsakt (s. [X.], Beschlüsse vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, [X.]R StGB § 129a Abs. 1 Mitgliedschaft 5 Rn. 24; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 37; vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 30; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 7).

(2) Gemessen an diesen Maßstäben beteiligte sich die Angeschuldigte am [X.] als Mitglied.

(a) [X.] wurde einvernehmlich in die [X.] [X.] aufgenommen. Das erklärte Ziel ihrer zweiten Ausreise war von Anfang an dieser [X.]. Sie identifizierte sich mit dessen Ideologie, Handlungsweisen und Zielen. Dies zeigt sich auch daran, dass sie sich noch in der [X.] von Dezember 2018 bis Oktober 2020 im von kurdischen Sicherheitskräften kontrolliertem Lager [X.]  anderen [X.]-Angehörigen anschloss, dort weiterhin die Ideologie des [X.] vertrat und über [X.] Medien aktiv Kontakt zu anderen [X.]-Angehörigen suchte.

[X.] organisierte ihre zweite Ausreise im April 2014 eigenständig und hielt sich anschließend über dreieinhalb Jahre im Herrschaftsgebiet des [X.] auf. Sie beabsichtigte, mit ihrer Familie an dessen [X.], das heißt einem von ihr idealisierten religiös-fundamentalistischen, auf den Regeln der Sharia beruhenden Gemeinwesen, teilzuhaben.

[X.] ordnete sich somit der [X.] unter. Dies geschah auch mit Zustimmung der Verantwortlichen, da der [X.] der Familie Geldbeträge zur Versorgung - und zwar auch noch nach dem Tod ihres ersten Ehemanns - auszahlte und hierdurch auch den Einsatz der Angeschuldigten für die Organisation entlohnte. Daneben bewohnte sie verschiedene Wohnungen, die ihr von der Organisation überlassen worden waren. Ferner beantragte und erhielt sie vom [X.] Ausweisdokumente für sich und ihre älteste Tochter.

(b) Die der Angeschuldigten vorgeworfenen Aktivitäten im [X.]-Herrschaftsgebiet sind als aktive Beteiligungshandlungen zu beurteilen.

Der sich in den weiteren Handlungen und Einflussnahmen manifestierende Wille der Angeschuldigten zur Förderung des [X.] rechtfertigt es, ihre Betätigungen im Haushalt und beim Aufziehen der Kinder, die für sich gesehen noch keine Beteiligungsakte darstellen müssen (s. [X.], Beschlüsse vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 21 f.; vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 35), als auf Dauer angelegtes vereinigungstypisches Verhalten zu bewerten. Denn sie stellen sich in Anbetracht der langjährigen Einbindung der Angeschuldigten in den [X.] und ihres Ziels, im Rahmen der ihr von der [X.] zugedachten Rolle die Kampfbereitschaft des Ehemanns zu gewährleisten, nicht lediglich als bloße alltägliche Verrichtungen ohne Organisationsbezug dar (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, [X.]R StGB § 129a Abs. 1 Mitgliedschaft 5 Rn. 27; ferner [X.], Beschlüsse vom 3. März 2021 - AK 10/21, juris Rn. 34; vom 20. April 2021 - AK 30/21, [X.], 575 Rn. 45; vom 13. Oktober 2021 - AK 44/21, juris Rn. 22; vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 35).

So bot sie nach ihrer intrinsisch motivierten zweiten Ausreise nach [X.] einer zur Ausreise nach [X.] entschlossenen Frau ihre Hilfe an, vermittelte einem weiteren [X.]-Mitglied eine Ehefrau, erzog ihre inzwischen drei Kinder im Sinne der [X.]-Ideologie, wurde - auch nach dem Tod ihres ersten Ehemanns - vom [X.] durch ein Witwengeld alimentiert und heiratete durch Vermittlung des [X.] zwei weitere [X.]-Angehörige, davon einen [X.]-Kämpfer, von denen sie sich unter Inanspruchnahme eines "[X.]" jeweils nach kurzer Ehe zunächst wieder scheiden ließ. Ferner lebte sie sowohl in Wohnungen, die die [X.] ihr zugewiesen hatte, als auch in einem Frauenhaus des [X.].

Belegt wird dies außerdem dadurch, dass sich die Angeschuldigte noch während ihrer Internierung im Lager [X.]  in der [X.] von Dezember 2018 bis Oktober 2020 für die [X.] betätigte. So schloss sie sich nicht nur mit anderen [X.]-Angehörigen zusammen und vertrat gemeinsam mit ihnen weiterhin die Ideologie des [X.], sondern suchte auch über [X.] Medien aktiv Kontakt zu anderen [X.]-Angehörigen. Daneben stiftete sie 2020 ein weiteres, sich in [X.] aufhaltendes [X.]-Mitglied an, ihr bzw. einer dritten Person in mehreren Fällen Gelder mittels Hawala-Bankings ins Lager zu transferieren.

(3) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt hinsichtlich des [X.] vor.

cc) [X.] Strafrecht ist anwendbar. Für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland ergibt sich dies jedenfalls aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, weil die Angeschuldigte [X.] ist und die Tat auch in [X.] - als [X.] an eine terroristische Organisation gemäß Art. 1 und 3 des [X.] Anti-Terror-Gesetzes Nr. 19 vom 28. Juni 2012 - mit Strafe bedroht ist.

Für die Verletzung der Fürsorge- oder [X.] folgt die Anwendbarkeit [X.]n Strafrechts aus §§ 3, 9 Abs. 1 StGB, weil die Angeschuldigte die mutmaßliche Tatausführung spätestens mit der Ausreise und damit in [X.] begann (s. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 3. März 2021 - AK 10/21, juris Rn. 42 mwN).

d) Für die Haftfrage kommt es hingegen nicht darauf an, ob sich die Angeschuldigte aufgrund des im Haftbefehl und unter Gliederungspunkt 1. a) cc) geschilderten Sachverhalts neben der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) auch tateinheitlich wegen Verletzung der Fürsorge- und [X.] (§ 171 StGB) strafbar gemacht hat, indem sie ihre Tochter im April 2014 erneut in den vom [X.] kontrollierten [X.]teil [X.]s verbrachte und mit ihr bis zur ihrer Festsetzung im November 2017 dort verweilte (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, [X.]R StGB § 171 Verletzung der [X.] 1 Rn. 42 f.; vom 13. Oktober 2021 - AK 44/21, juris Rn. 31; vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 38). Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob im Hinblick auf die erneute Ausreise aus der [X.] nach [X.] [X.]s Strafrecht gemäß § 7 Abs. 1 Alternative 2 StGB oder gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar ist.

Ebenso kommt es für die [X.]entscheidung nicht auf die im Haftbefehl sowie oben unter Gliederungspunkt 1. a) [X.]) geschilderte Aneignung von drei Wohnungen an. Ob die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sämtliche Wohnstätten im [X.]-Herrschaftsgebiet, welche die Angeschuldigte mit ihrer Familie bezog, von den rechtmäßigen Bewohnern zurückgelassen worden waren, als sie von den heranrückenden [X.]-Truppen geflohen oder von diesen vertrieben worden waren, bedarf deshalb keiner näheren Betrachtung (vgl. [X.], Beschluss vom 4. April 2019 - AK 12/19, NStZ-RR 2019, 229, 230 f.).

Ferner ist für die Haftfrage ohne Bedeutung, ob das unter Gliederungspunkt 1. a) ee) beschriebene Verhalten der Angeschuldigten mit dem nach § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad eine Anstiftung zum Verstoß gegen das [X.] gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 [X.] begründet. Insbesondere bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die transferierten Gelder dem [X.] zugutekamen, weil die Angeschuldigte bzw. die weitere [X.]-Angehörige M.    durch diese in der Lage waren, ihre Agitationen im Sinne der [X.]-Ideologie im Lager [X.]  fortzusetzen, oder ob die Zuwendungen lediglich zu einer Verbesserung ihrer privaten Lebenssituation ohne positiven Effekt für die [X.] führten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. April 2010 - AK 2/10, [X.]St 55, 94 Rn. 18 ff.; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 40; vom 11. August 2021 - 3 [X.], juris Rn. 6; vom 11. August 2021 - 3 [X.], juris Rn. 18; vom 18. November 2021 - AK 47/21, [X.], 207 Rn. 15 ff.).

2. Es bestehen der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (s. [X.], Beschluss vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) - derjenige der [X.].

a) Nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist es wahrscheinlicher, dass sich die Angeschuldigte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm zur Verfügung halten werde.

[X.] hat im Falle ihrer Verurteilung mit einer erheblichen Jugend- oder Freiheitsstrafe zu rechnen. Sie ist u.a. der Mitgliedschaft in einer terroristischen [X.] im Ausland dringend verdächtig. Dieses Delikt ist als Verbrechen im Erwachsenenalter mit einer Mindeststrafe von einem Jahr und einer Höchststrafe von zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Für den Fall der Anwendung von Jugendstrafrecht nach § 32 [X.] beträgt der Strafrahmen gemäß § 105 Abs. 3 [X.] sechs Monate bis zehn Jahre Jugendstrafe.

Nach derzeitigem Ermittlungsstand liegen - auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verteidigers in den Schriftsätzen vom 18. August 2022 und vom 13. Oktober 2022 - keine konkreten Anhaltspunkte für eine tatzeitbezogene erhebliche Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB, insbesondere aufgrund einer bestehenden Persönlichkeitsstörung, vor, die den Schweregrad des Eingangsmerkmals einer schweren anderen seelischen Störung erreicht.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach bislang vorliegenden Erkenntnissen der Aufenthalt der Angeschuldigten in den Lagern [X.], [X.].    und [X.]  bei vorläufiger Bewertung voraussichtlich nicht gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB auf eine Freiheitsstrafe anzurechnen sein wird. Insbesondere ist nach derzeitigem Kenntnisstand die Annahme gerechtfertigt, dass die die nord[X.] Lager betreibenden kurdischen und die sie unterstützenden [X.] Kräfte mit der dortigen Internierung von [X.]-Angehörigen präventive Zwecke verfolgten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. Oktober 2021 - AK 44/21, juris Rn. 45 f.; vom 4. Mai 2022 - AK 17/22, juris Rn. 63).

Dem mithin gegebenen Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Die Eltern der Angeschuldigten leben zwar in [X.]; dies hat sie jedoch nicht davon abgehalten, mit ihrer ältesten Tochter zunächst in die [X.] und sodann in das Herrschaftsgebiet des [X.] auszureisen. Ferner äußerte sie noch im Mai 2020, sie wolle nach ihrer Freilassung in den [X.] gehen. [X.] hingegen sei für sie nur eine Option, wenn sie keine andere Wahl hätte. Daneben verfügt sie weiterhin über familiäre Verbindungen in die [X.], wo sie sich in der Vergangenheit mit ihrer ältesten Tochter bereits über Monate aufgehalten hatte. Ferner versuchte sie Kontakt zu Verwandten ihres jetzigen Ehemanns herzustellen, die in [X.] leben. Ihre ideologische Ausrichtung und ihre bestehenden Kontakte in die salafistische und jihadistische Szene machen es hochwahrscheinlich, dass sie auf ein Netzwerk Gleichgesinnter zurückgreift und im In- oder Ausland untertaucht (zum erforderlichen Verdachtsgrad hinsichtlich der für die Fluchtgefahr maßgeblichen Tatsachen s. [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2018 - StB 43/18, juris Rn. 37 mwN). Vor diesem Hintergrund wird die bestehende Fluchtgefahr auch nicht durch den vom Verteidiger vorgetragenen Umstand abgemildert, die Angeschuldigte verfüge über keine "Reisedokumente".

b) Daneben besteht der Haftgrund der [X.]. [X.] ist der Mitgliedschaft in einer terroristischen [X.] im Ausland, mithin einer Katalogtat des § 112 Abs. 3 StPO dringend verdächtig. Nach den vorgenannten Umstanden des Einzelfalls ist eine Fluchtgefahr im Sinne der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Dezember 1965, [X.]E 19, 342; ferner [X.], Beschlüsse vom 22. September 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 37) jedenfalls nicht ausgeschlossen.

c) Dieser Gefahr kann durch andere fluchthemmende Maßnahmen nicht genügend begegnet werden, weshalb der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO erreicht werden kann.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die [X.]. Es handelt sich um umfangreiche und zeitintensive Ermittlungen. Das Ermittlungsverfahren ist, auch nach der Festnahme der Angeschuldigten am 31. März 2022, mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden:

Die Verfahrensakte umfasst 27 Bände. Es haben in mehreren Bundesländern zahlreiche Zeugenvernehmungen durchgeführt werden müssen. Aufgrund der insoweit gewonnenen Erkenntnisse und der Angaben der Angeschuldigten im März und Juni 2022 hat sich die Anzahl der Vorwürfe gegen die Angeschuldigte erheblich erhöht, so dass der [X.] am 1. und 9. August 2022 zwei weitere Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet hat, die nach Abgabe des gesamten Verfahrens an die Generalstaatsanwaltschaft zu dem hiesigen Verfahren mit Verfügungen vom 8. und 10. August 2022 verbunden worden sind. Zugleich ist dem Verteidiger der Angeschuldigten hinsichtlich der erweiterten Tatvorwürfe Akteneinsicht und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Am 19. September 2022 hat die Generalstaatsanwaltschaft Anklage zum [X.] erhoben und zugleich beantragt, die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus anzuordnen. Nach Eingang der Anklageschrift beim [X.] am 20. September 2022 hat die Vorsitzende am nächsten Tag deren Zustellung verfügt. Zugleich hat das [X.] den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet. Die Erklärungsfrist nach § 201 Abs. 1 StPO läuft voraussichtlich Ende Oktober 2022 ab. Das [X.] plant, für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens spätestens im Januar 2023 mit der Hauptverhandlung zu beginnen. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Gang des Ermittlungsverfahrens wird auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 22. September 2022 Bezug genommen. Insgesamt ist das Verfahren entgegen der Auffassung des Verteidigers danach ausreichend gefördert worden.

4. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe - auch unter Berücksichtigung der familiären Umstände - nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

III.

Soweit die Angeschuldigte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 13. Oktober 2022 eine mündliche Haftprüfung vor dem Senat beantragt, sind Gründe hierfür weder ersichtlich noch vorgetragen.

[X.]                     [X.]

Meta

AK 33/22

18.10.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2022, Az. AK 33/22 (REWIS RS 2022, 5989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5989

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