Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2021, Az. AK 5/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 8864

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Gegenstand

Strafverurteilung wegen Beihilfe zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit u.a.: Ausübung eines angemaßten "Eigentumsrechts" bei der Versklavung von Menschen


Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe

I.

1

Die Angeklagte wurde am 24. Juli 2020 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 5. Juni 2020 (2 [X.] 333/20) festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls sind folgende Vorwürfe:

2

Die Angeklagte habe sich seit einem nicht bekannten [X.]punkt Ende Februar/Anfang März 2015 in [X.] durch neun rechtlich selbständige Handlungen als Mitglied an der Gruppierung "[X.]" ([X.]) und damit an einer außereuropäischen terroristischen [X.] beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen; in einem dieser Fälle habe die Angeklagte tateinheitlich die Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter 16 Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden; in fünf weiteren Fällen habe sie sich durch dieselbe Handlung im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, angeeignet; in einem weiteren Fall habe sie zugleich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen beruhte; schließlich habe sie in einem weiteren Fall tateinheitlich einem anderen dazu Hilfe geleistet, im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung einen Menschen zu versklaven und sich dabei ein Eigentumsrecht an ihm anzumaßen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 171 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a [X.]. mit Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zum KrWaffKG, § 7 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 [X.], §§ 52, 53 StGB).

3

Der [X.] hat unter dem 28. Oktober 2020 wegen der dem Haftbefehl zugrundeliegenden Tatvorwürfe Anklage zum [X.] erhoben. Dieses hat mit Beschlüssen vom 11. Januar 2021 ([X.] 2/20) die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren vor dem 7. Strafsenat eröffnet und Haftfortdauer angeordnet.

II.

4

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.

5

1. Die Angeklagte ist der ihr zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.

6

a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

7

aa) Der [X.] ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] sowie das Regime des [X.] Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.

8

Die Führung der [X.], die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "[X.] im [X.] und in Großsyrien" ([X.]IG) in "[X.]" ([X.]) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 [X.] inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war [X.] von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "[X.]" produziert und über die Medienstelle "[X.]" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein [X.] nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "[X.] - [X.] - [X.]" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

9

Die [X.] teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.] ein und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.] und [X.] Armee, aber auch in Gegnerschaft zum [X.] stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.] in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der [X.] immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung.

Im [X.] gelang es dem [X.] im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt [X.], die bis zu der Offensive der von [X.] unterstützten [X.] Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner [X.] [X.] war. Seit Januar 2015 wurde die [X.] schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von [X.], die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der [X.] aus seiner letzten nord[X.] Hochburg in Tal Afar verdrängt.

[X.]) In der Nacht vom 2. auf den 3. August 2014 griffen hunderte Milizionäre des [X.] die Region um das [X.] im Nordwesten des [X.]s an, in der vornehmlich [X.] [X.]n Glaubens lebten, welche nach dem radikal-sunnitischen Verständnis des [X.] als Ungläubige bzw. "Teufelsanbeter" angesehen wurden. Ziel der [X.] war die vollständige Vernichtung der [X.]n Religion, des [X.] als solchem und seiner Angehörigen in den vom [X.] besetzten Gebieten, unter anderem durch [X.] und religiöse Umerziehung aller [X.], durch sofortige Hinrichtung der nichtkonversionsbereiten Männer und durch [X.] und Kinder.

Dementsprechend wurden diejenigen Männer, die sich weigerten, zum Islam zu konvertieren, hingerichtet; diejenigen, die sich - um zu überleben - bereit erklärt hatten, zum Islam überzutreten, wurden gefangengenommen, verschleppt und in der Folgezeit zumeist als Zwangsarbeiter eingesetzt. Frauen und Kinder wurden zunächst an Sammelstellen zusammengetrieben und in Gruppenunterkünfte verbracht. Später wurden sie unter Androhung von Gewalt in Gebiete verschleppt, die schon länger vom [X.] besetzt waren, insbesondere nach [X.] in [X.] und nach [X.] im [X.]. Dort wurden Frauen und Mädchen in Unterkünften gesammelt, in denen [X.]-Kämpfer sich einzelne der Gefangenen entweder aufgrund ihrer herausgehobenen Funktion, als Auszeichnung für besondere Leistungen, als Besoldungssurrogat oder gegen Geld aussuchen und mitnehmen konnten. Die jüngeren Frauen und Mädchen wurden sodann überwiegend als Sexsklavinnen gehalten und missbraucht, die älteren Frauen zumeist in Privathäusern als Haussklavinnen eingesetzt, etwa für die Erledigung des Haushalts und die Kinderbetreuung. Soweit die Frauen und Mädchen nicht direkt aus den Unterkünften "vermarktet" wurden, wurden sie über zentrale Sklavenmärkte verkauft, vor allem in [X.] oder [X.].

[X.]) (1) Zu einem nicht näher bestimmbaren [X.]punkt vor dem 11. Februar 2015 fasste die Angeklagte den Entschluss, gemeinsam mit ihrer Tochter, [X.]          , geboren am             , aus dem [X.] auszureisen und sich in das syrische Kriegsgebiet zu begeben, um sich dort dem [X.] anzuschließen. Sie reiste deshalb am 11. Februar 2015 gemeinsam mit ihrem Kind nach [X.], wo sie am 21. März 2015 eintraf und von der Organisation in einem Frauenhaus untergebracht wurde. Die Angeklagte identifizierte sich mit der Ideologie der [X.], deren Handlungsweisen und Zielen; im Einvernehmen mit für die Terrororganisation verantwortlich handelnden Personen unterwarf sie sich dem Willen der [X.]. Vermittelt über den [X.] heiratete sie nach islamischem Ritus den ebenfalls aus [X.] ausgereisten      S.    ("      "), der hochwahrscheinlich seit August 2013 Mitglied der [X.] war. Gemeinsam mit diesem gründete die Angeklagte im Herrschaftsgebiet des [X.] eine Familie und gebar ein weiteres Kind. Sie und ihre Familie unterwarfen sich freiwillig den Regeln des [X.] und wurden hierfür von diesem monatlich alimentiert. Die Angeklagte erzog ihre Abkömmlinge nach den Vorgaben der [X.] in dem Bestreben, zukünftig treue Diener des vom [X.] gegründeten Staates großzuziehen. Durch die von ihr bewusst übernommenen Pflichten als Ehefrau eines Kämpfers des [X.] ermöglichte sie ihrem Ehemann u.a. Wachdienst für die [X.] zu leisten. Die Ansiedlung der Familie im Herrschaftsgebiet des [X.] geschah in dessen Interesse (Fall 1).

(2) Die Angeklagte verbrachte ihre vierjährige Tochter aus der Bundesrepublik [X.] in [X.], in denen diese - wie sie wusste - durch die Willkürherrschaft und ideologische Indoktrination des [X.] sowie drohende Kampfhandlungen in ihrer körperlichen und psychischen Entwicklung bis hin zum Tod gefährdet sein werde. Sie nahm dies billigend in Kauf als Preis dafür, sich der Terrororganisation in [X.] anschließen zu können (Fall 2).

(3) Als Entlohnung für ihre Dienste wurden die Angeklagte und ihre Familie vom [X.] zunächst in [X.], sodann in [X.] in insgesamt fünf verschiedenen Wohnungen untergebracht, deren rechtmäßige Eigentümer vom [X.] getötet oder vertrieben worden waren, was die Angeklagte billigend in Kauf nahm. Die Inbesitznahme der Wohnungen diente der Festigung der Gebietsansprüche des [X.] und sollte die Rückeroberung der Gebiete erschweren (Fälle 3 bis 7).

(4) Die Angeklagte übte in den gemeinsam mit ihrem Ehemann genutzten Räumen die Sachherrschaft über zumindest zwei vollautomatische Sturmgewehre [X.] "[X.]" aus. Die Waffen wurden offen und unverschlossen in einem Raum der jeweils genutzten Wohnungen gelagert, wo sie auch für die Angeklagte jederzeit zugriffsbereit waren. Sie wurden dort für ihren Ehemann verwahrt, der diese als Kämpfer für den [X.] verwendete. Die Angeklagte verfügte selbst über eine funktionsfähige halbautomatische Pistole, welche sie beim Verlassen der Wohnungen stets zugriffsbereit und geladen in einem Schulterholster mitführte (Fall 8).

(5) Zu im Einzelnen nicht näher bestimmbaren [X.]punkten in den Jahren 2016 und 2017 erhielt die Angeklagte in ihren Wohnungen in [X.] und [X.] regelmäßig, mindestens aber in 50 Fällen, Besuch von ihrer Freundin     [X.]    . Die anderweitig Verfolgte [X.]    brachte jeweils die von ihr - gegen deren Willen - als Sklavin gehaltene [X.] Staatsangehörige [X.]n Glaubens     [X.]mit, damit diese die Angeklagte in ihren Räumen bediente, dort aufräumte, Reinigungsarbeiten verrichtete und sich um die Tochter [X.]kümmerte. Dabei war der Angeklagten bekannt, dass die Zeugin im Zuge des vom [X.] gegen die [X.] betriebenen Angriffs in die Herrschaft ihrer Freundin gelangt und nur durch Androhung von Gewalt oder Tod zur Ausübung der Dienste gebracht worden war. Die Ausnutzung der unentgeltlichen Arbeit von     [X.]diente nicht nur eigenen Zwecken, sondern war auch von der von ihr verinnerlichten Überzeugung des [X.] getragen, die Versklavung der [X.] sei religiös gerechtfertigt und deren Religionsgemeinschaft zu vernichten (Fall 9).

Vorstehende Sachverhalte sind eingebettet in das [X.] in [X.], das spätestens Anfang 2012 das Ausmaß eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts erreicht hatte.

b) Der dringende Tatverdacht stützt sich hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen [X.] des [X.], der Erkenntnisse zum [X.] [X.] und zum gewaltsamen und auf Vernichtung ausgelegten Vorgehen des [X.] gegen die [X.] auf Sachverständigengutachten, insbesondere derjenigen der Sachverständigen [X.]. [X.]     , [X.]     und [X.], sowie Auswerteberichte des Bundeskriminalamts.

Im Hinblick auf die der Angeklagten zur Last gelegten Tathandlungen ergibt sich der dringende Tatverdacht aus den in der Anklageschrift des [X.]s ausführlich dargestellten Beweismitteln, insbesondere der Vernehmung der Zeugin [X.]. Diese hat unter anderem bekundet, sie habe bei der Angeklagten auf Anweisung der anderweitig Verfolgten [X.]    unentgeltlich Arbeitsleistungen verrichten müssen. Die Angeklagte habe sie, als [X.]    sie bei einem Streit mit einem Messer bedrohte, als "dreckige Ungläubige", "[X.]" bezeichnet und [X.]    geraten, sie endlich zu verkaufen. Hinsichtlich der durch die Angeklagte genutzten Wohnungen in [X.] und [X.] hat die Zeugin ausgesagt, dass diese - wie sie von [X.]    gehört habe - "[X.]" gehörten, die vor dem Krieg geflüchtet sind.

Die Hinwendung der Angeklagten zum [X.] erschließt sich überdies aus einer E-Mail vom 13. April 2015 an ihren Bruder. Die Angeklagte hat in einer Befragung nach § 41 Abs. 1 [X.] eingeräumt, nach [X.] ausgereist zu sein, um "ihren Herrn" zufrieden zu stellen, und im Herrschaftsgebiet des [X.] eine Familie gegründet zu haben, jedoch den Besitz von Waffen und die Inanspruchnahme von Diensten versklavter [X.] in Abrede gestellt. Sie habe allerdings gewusst, dass es im Herrschaftsgebiet des [X.] Sklavenhandel gegeben habe. Im Ermittlungsverfahren hat sie sich bislang zu den Tatvorwürfen nicht geäußert.

c) Danach hat sich die Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit in neun rechtlich selbständigen Fällen als Mitglied an einer terroristischen [X.] im Ausland beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 53 StGB), davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB), in fünf weiteren Fällen in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9 Abs. 1 Variante 3 [X.]), in einem weiteren Fall in Tateinheit mit einem Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 1 KrWaffKG in Verbindung mit Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG und mit Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.]) sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.], § 27 StGB). [X.] kann, ob sich die Angeklagte im Fall 9 auch eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 10 [X.] oder der Beihilfe zu § 239 Abs. 3 StGB strafbar gemacht hat, da es hierauf für die Haftfortdauerentscheidung nicht ankommt.

aa) Die Angeklagte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung am [X.] dringend verdächtig (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).

Das gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des [X.] maßgeblichen [X.]sbegriffs (s. dazu etwa [X.], Urteile vom 20. März 1963 - 3 StR 5/63, [X.]St 18, 296, 299 f.; vom 14. August 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 69 Rn. 123) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung (vgl. § 2 Abs. 1, 3 StGB; [X.], Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 27; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 24). Nach beiden Varianten ist entscheidend, dass der Täter die [X.] von innen heraus und nicht von außen her fördert. Die Unterstützung muss von einem einheitlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am [X.] getragen sein (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen etwa [X.], Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 27 f. mwN; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 24).

Diese Voraussetzungen liegen bei der Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit vor. Durch die ihr zur Last gelegten Handlungen förderte sie bewusst und gewollt die Ziele der [X.]. Sie reiste aus eigenem Antrieb nach [X.], um dort den [X.], mit dessen Handlungsweisen und Zielen sie sich identifizierte, im Kampf gegen die "[X.]" zu unterstützen und am Aufbau eines [X.] Staates mitzuwirken. Mit Einzug in das von der [X.] geführte "Frauenhaus" im März 2015 gliederte sie sich in die Organisation ein und unterwarf sich freiwillig deren Regeln. Die Angeklagte stellte sich als Braut für einen beliebigen [X.]-Kämpfer zur Verfügung, heiratete einen solchen nach entsprechender Vermittlung durch die [X.] und erfüllte dann einige [X.] die ihr von der Organisation zugedachte Rolle als dessen Ehefrau in einem islamistischen Gemeinwesen, indem sie ihm den Haushalt führte und ein Kind gebar. Die von der Organisation initiierte Heirat und fortwährende Unterstützung eines [X.]-Kämpfers bestärkte diesen in seiner Kampfbereitschaft und ging über ein bloßes Alltagsleben im "Kalifat" hinaus. Die Angeklagte lebte zudem mit [X.] in Städten, die der [X.] kontrollierte, und bewohnte Wohnungen, die ihr vom [X.] zugewiesen worden und deren rechtmäßige Eigentümer vorher vom [X.] getötet und vertrieben worden waren, um die Gebietsansprüche des [X.] zu festigen und die Rückeroberung der Gebiete zu erschweren. Sie verbrachte ihre vierjährige Tochter aus der Bundesrepublik [X.] in [X.] des [X.] und erzog das Mädchen dort nach dessen Vorgaben in dem Bestreben, eine zukünftige treue Dienerin des von der [X.] gegründeten Staates großzuziehen. Überdies waren in der gemeinsamen Wohnung zwei vollautomatische Sturmgewehre [X.] "[X.]" gelagert, die der Ehemann der Angeklagten als Kämpfer für den [X.] verwendete und auf welche sie jederzeit Zugriff hatte. In der gesamten [X.] wurde die Angeklagte von der Organisation alimentiert. Ferner nahm sie die Dienste der Zeugin [X.]in Anspruch, die von ihrer Freundin [X.]    als Sklavin gehalten wurde; dabei handelte sie nicht nur zu eigenen Zwecken, sondern auch aus der von ihr verinnerlichten Überzeugung des [X.], die Versklavung der [X.] sei religiös gerechtfertigt und deren Religionsgemeinschaft zu vernichten. Dies alles belegt, dass die Angeklagte einvernehmlich in den [X.] aufgenommen wurde und durch die ihr zur Last gelegten Handlungen bewusst und gewollt die Ziele der Organisation förderte (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 26).

[X.]) Mit Blick auf die Verbringung ihrer vierjährigen Tochter aus dem [X.] in [X.] des [X.] ist die Angeklagte darüber hinaus dringend verdächtig, tateinheitlich den Tatbestand der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB) verwirklicht zu haben. Denn nach ihrem Willen musste die Tochter in dem Herrschaftsgebiet des [X.] und damit unter einer Willkürherrschaft und in einem Kriegsgebiet leben, in dem sie unentwegt der Gefahr von Bombardierungen ausgesetzt war. Sie nahm dies als Preis dafür, sich der Terrororganisation in [X.] anschließen zu können, billigend in Kauf (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 43).

[X.]) Die Angeklagte hat sich ferner in fünf weiteren Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit tateinheitlich eines Kriegsverbrechens gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.] strafbar gemacht. Gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann (§ 2 [X.] i.V.m. § 25 Abs. 2 StGB) eignete sie sich Wohnungen an, die - wie sie wusste - zuvor Vertriebene oder getötete Angehörige der Zivilbevölkerung bewohnt hatten (vgl. im Einzelnen [X.], Beschlüsse vom 4. April 2019 - AK 12/19, NStZ-RR 2019, 229, 230 f.; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, [X.], 26 Rn. 29 f.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 28).

dd) Wegen der Verwahrung der beiden Sturmgewehre und des Besitzes einer funktionsfähigen halbautomatischen Pistole ist die Angeklagte zudem dringend verdächtig, in einem Fall tateinheitlich einen Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKG in Verbindung mit Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG und § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.] begangen zu haben. Ein Sturmgewehr "[X.]" stellt eine Kriegswaffe im Sinne von Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG dar. Über diese übte die Angeklagte auch die tatsächliche Gewalt aus. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sie über die Sturmgewehre nicht die alleinige Verfügungsgewalt innehatte (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 1997 - 3 [X.], [X.], 283). Die [X.]e stehen zueinander in Tateinheit (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Februar 1996 - 3 [X.], NJW 1996, 1483).

ee) Schließlich hat sich die Angeklagte durch die Inanspruchnahme der Dienste der Zeugin [X.]in einem weiteren Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit tateinheitlich der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.], § 27 StGB strafbar gemacht.

(1) Es besteht der dringende Tatverdacht, dass die anderweitig Verfolgte [X.]    den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.] verwirklicht hat, indem sie die vorher vom [X.] gefangen genommene [X.] gegen deren Willen bei sich festhielt und unter Androhung von Gewalt deren Dienste in Anspruch nahm.

(a) Die Versklavung der Zeugin war in die von § 7 Abs. 1 [X.] vorausgesetzte Gesamttat eingebunden; sie war Teil eines vorsätzlich durchgeführten Angriffs auf die Zivilbevölkerung, der sowohl als ausgedehnt als auch systematisch zu qualifizieren ist.

(aa) Bei einer Zivilbevölkerung handelt es sich um eine größere Gruppe von Menschen, die über gemeinsame Unterscheidungsmerkmale (etwa das gemeinsame Bewohnen eines geografischen Gebiets oder eine gemeinsame politische Willensrichtung) verfügen, aufgrund derer sie angegriffen werden. Kennzeichnend ist, dass die Maßnahmen auf die einzelnen Tatopfer nicht in erster Linie als individuelle Persönlichkeiten, sondern wegen ihrer Zugehörigkeit zu der Gruppe zielen. Nicht notwendig ist hingegen, dass sich der Angriff gegen die gesamte - in einem Gebiet ansässige - Bevölkerung richtet. Vielmehr ist ausreichend, dass gegen eine erhebliche Anzahl von Einzelpersonen vorgegangen wird (vgl. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 [X.], [X.]St 64, 10 Rn. 164; Beschluss vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, [X.]St 64, 89 Rn. 56; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 7 [X.] Rn. 15, 21 mwN).

Ein gegen die Bevölkerung gerichteter Angriff ist ein Gesamtvorgang, in den sich die mehrfache Verwirklichung der Einzeltatbestände des § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 [X.] einfügt und hinter dem ein Kollektiv (ein Staat oder eine Organisation) steht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, [X.]St 55, 157 Rn. 25; vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, [X.]St 64, 89 Rn. 57). Unter einem ausgedehnten Angriff ist - in Anlehnung an die Rechtsprechung der internationalen Strafgerichte (s. die Nachweise bei MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 7 [X.] Rn. 26) - ein in großem Maßstab durchgeführtes Vorgehen mit einer hohen Anzahl von Opfern zu verstehen. Als systematisch ist der Angriff zu beurteilen, wenn die Gewaltanwendung organisiert ist und planmäßig im Sinne eines konsequenten Handelns ausgeführt wird (vgl. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 [X.], [X.]St 64, 10 Rn. 166; Beschluss vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, [X.]St 64, 89 Rn. 57; MüKoStGB/[X.] aaO, Rn. 27).

([X.]) Das Vorgehen des [X.] gegen die kurdische Bevölkerung [X.]n Glaubens in der Region um das [X.] im Nordwesten des [X.]s, beginnend mit dem [X.], erfüllt nach hinreichend gesicherten Erkenntnissen diese tatbestandlichen Voraussetzungen.

Anfang August 2014 griff der [X.], der im Jahr 2014 ein Drittel des Staatsterritoriums des [X.]s besetzte und dessen Ziel es war, dort einen auf seiner Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten, die Region um das [X.] im Nordwesten des [X.] an, in der vornehmlich [X.] [X.]n Glaubens lebten. Ziel der [X.] war die vollständige Vernichtung der [X.]n Religion, des [X.] als solchem und seiner Angehörigen in den vom [X.] besetzten Gebieten, denn nach dem radikal-sunnitischen Verständnis des [X.] waren [X.] Ungläubige bzw. "Teufelsanbeter", die in dem zu errichtenden "Gottesstaat" nicht geduldet wurden.

Der Angriff gegen die [X.] Bevölkerung war ausgedehnt und systematisch. Denn dem Übergriff durch die Milizionäre des [X.] Anfang August 2014 folgten eine Vielzahl von Gewalttaten gegen eine hohe Anzahl von Opfern, namentlich sofortige Hinrichtungen nicht konversionsbereiter Männer und die Versklavung von Frauen und Kindern. Die Bündelung der vom [X.] gesteuerten Maßnahmen zum vollständigen Auslöschen des [X.]n Glaubens begründet überdies den systematischen Charakter des Angriffs.

([X.]) Ob das Tatbestandsmerkmal des gegen die Bevölkerung gerichteten Angriffs im Sinne des § 7 Abs. 1 [X.] zusätzlich ein "Politikelement" enthält, wonach ein Angriff voraussetzt, dass er in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staats oder einer Organisation vorgenommen wird, die einen solchen Angriff zum Ziel hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, [X.]St 55, 157 Rn. 26; vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, [X.]St 64, 89 Rn. 61; Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 [X.], [X.]St 64, 10 Rn. 168), kann - erneut - dahinstehen. Ein solches liegt hier mit hoher Wahrscheinlichkeit vor. Denn die Übergriffe erfolgten in Ausführung der "politischen" Ideologie des [X.] mit dem Ziel, die Religion der [X.] auszurotten und dem Islam radikal-sunnitischer Ausrichtung als der "wahren Religion" in den vom [X.] besetzten Gebieten alleinige Geltung zu verschaffen.

(b) Im Rahmen dieses Angriffs auf die Zivilbevölkerung führte die anderweitig Verfolgte [X.]    Handlungen aus, die sich rechtlich als Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.] darstellen.

(aa) Voraussetzung der Tatbestandsalternative des § 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ist, dass der Täter ein angemaßtes "Eigentumsrecht" an einem Menschen ausübt (vgl. dazu die sich an dem Übereinkommen betreffend die Sklaverei vom 25. September 1926 in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 7. Dezember 1953 [BGBl. [X.] ff.] orientierende Legaldefinition des Art. 7 Abs. 2 Buchst. c [X.]tGH-Statut ["die Ausübung aller oder einzelner mit einem Eigentumsrecht an einer Person verbundenen Befugnisse"]; BT-Drucks. 14/8524 S. 20; [X.]/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1022; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 7 [X.] Rn. 57). Nachdem es von Rechts wegen allerdings kein solches Eigentumsrecht an einer Person gibt, umfasst der Tatbestand der Sklaverei eine de facto vergleichbare Behandlung (vgl. [X.]/Jeßberger, aaO Rn. 1024), bei der der Täter einen Menschen seinem Willen und seinen Interessen unterwirft und diesem die Freiheit abspricht, selbstbestimmt zu handeln. Wesentliche Indizien dabei sind die Kontrolle der Bewegungsfreiheit des Opfers, seine Verletzlichkeit, Misshandlungen und die wirtschaftliche Beherrschung oder Ausnutzung der betroffenen Person. Nicht zwingend erforderlich ist es dagegen, dass das Opfer entgeltlich oder gegen eine sonstige Vergütung "erworben" oder wieder "veräußert" worden bzw. die Ausübung des "Eigentumsrechts" von längerer Dauer ist. Diese Aspekte können jedoch starke Indizien für eine Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sein (vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 2001 - [X.]-23-T u.a. - Kunarac - 539 ff.; [X.]/Jeßberger, aaO Rn. 1024).

([X.]) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die anderweitig Verfolgte [X.]    die Zeugin [X.]mit hoher Wahrscheinlichkeit versklavt. Die [X.] wurde von Angehörigen des [X.] gefangen genommen und musste von 2015 bis 2017 als "[X.]" (Bezeichnung des [X.] für gefangen genommene [X.]nen) bei [X.]    und deren Ehemann Dienste (Hausarbeiten, Kinderbetreuung und anderes) verrichten. Sie wurde von [X.]    angehalten, nicht nur in deren Haushalt, sondern auch bei der Angeklagten und einer weiteren Person unentgeltlich Arbeit zu leisten. Dabei bestimmte die anderweitig Verfolgte [X.]    , ob und wann die Dienste der Zeugin in Anspruch genommen werden durften. Auch im [X.] gab ausschließlich [X.]    Arbeitsanweisungen. Die [X.] durfte sich weder dort noch sonst frei bewegen. Für die stets verschlossenen Haustüren hatte sie keinen Schlüssel, der Besitz eines Mobiltelefons war ihr nicht gestattet. [X.] sie sich nicht nach den Wünschen von [X.]    und deren Ehemann, wurde sie geschlagen.

(2) Die Angeklagte förderte die Tat der anderweitig Verfolgten [X.]    , indem sie in Kenntnis dessen, dass die Zeugin als "[X.]" gehalten wurde, deren Dienste in Anspruch nahm und dadurch zu einer weiteren Ausbeutung der [X.] und Verfestigung des Machtanspruchs von [X.]    beitrug.

Die bisherigen Ermittlungsergebnisse belegen indes nicht, dass die Angeklagte täterschaftlich handelte.

Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen [X.] erscheint. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat das Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 6. August 2019 - 3 StR 189/19, [X.], 22 Rn. 4 f.; Urteile vom 15. Januar 1991 - 5 [X.], [X.]St 37, 289, 291; vom 12. Februar 1998 - 4 [X.], NJW 1998, 2149, 2150). Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am [X.] selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich [X.] als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. August 2019 - 3 StR 189/19, aaO mwN; vom 27. März 2012 - 3 StR 63/12, [X.], 209 mwN). [X.] sich demgegenüber die Mitwirkung nach dem Willen des sich [X.] in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so fällt ihm lediglich Beihilfe zur Last ([X.], Beschluss vom 28. April 2020 - 3 [X.], juris Rn. 4).

Hieran gemessen handelte die Angeklagte nicht als Täterin. Denn allein die anderweitig Verfolgte [X.]    entschied, wann und wo die Zeugin Arbeitsleistungen zu erbringen hatte; nur [X.]    erteilte der [X.] Anweisungen, maßregelte sie bei deren Nichtbefolgung und überwachte deren Aufenthaltsort. Auch eingedenk des Umfangs der für die Angeklagte erbrachten Dienstleistungen stellen sich deren Handlungen nicht als (notwendiger) Bestandteil der Versklavung der Zeugin dar, sondern intensivieren diese lediglich.

(3) Die auf eine Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gerichteten Handlungen der anderweitig Verfolgten [X.]    hängen sachlich, zeitlich und räumlich eng zusammen. Sie richteten sich stets in gleichartiger Weise gegen dieselbe Geschädigte und waren in denselben ausgedehnten und systematischen Angriff gegen die [X.] Zivilbevölkerung eingebunden. Sie stellen deshalb eine Tat im Rechtssinne dar (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, [X.]St 64, 89 Rn. 69), zu der die Angeklagte Beihilfe leistete.

ff) Im Hinblick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten gilt ferner Folgendes:

Die mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte, die zugleich den Tatbestand einer anderen Straftat erfüllen, stehen gemäß § 52 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung, jedoch - soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt - sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen [X.] ([X.], Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, [X.]St 60, 308 Rn. 23 ff.; vom 17. Oktober 2019 - StB 26/19, juris Rn. 30 ff.; vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 53).

Die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, die [X.]e, die Kriegsverbrechen und die Beihilfe zu dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit standen im Interesse des [X.]. Die Delikte bilden deshalb jeweils eine Tateinheit (§ 52 StGB) mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung, stellen aber untereinander eigenständige Taten im Sinne des § 53 StGB dar. Gegenüber den daneben von der Angeklagten verwirklichten, keinen weiteren Tatbestand erfüllenden mitgliedschaftlichen Beteiligungsakten ist ebenfalls Tatmehrheit gemäß § 53 StGB gegeben.

d) [X.] Strafrecht ist anwendbar. Hinsichtlich der [X.]sdelikte folgt dies u.a. aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. Juli 2017 - AK 32/17, juris Rn. 12; vom 6. April 2017 - AK 11-13/17, juris Rn. 16; vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.). Der notwendige Inlandsbezug ist gegeben, die Angeklagte ist [X.] Staatsangehörige. Jedenfalls ist [X.]s Strafrecht insoweit - ebenso wie in Bezug auf den Verstoß gegen das [X.] und das [X.] - gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar. Die jeweiligen Tatorte befanden sich zur Tatzeit unter alleiniger Kontrolle des [X.] und unterlagen damit faktisch keiner Strafgewalt. Auslieferungen von und nach [X.] finden derzeit nicht statt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. Juni 2019 - AK 26/19, juris Rn. 17; vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 55; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 32). Die Anwendbarkeit [X.]n Strafrechts für die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB) ergibt sich aus § 3 StGB. Die Tat wurde nach derzeitigem Ermittlungsstand zumindest auch im Inland begangen. Denn die Tathandlung begann mit dem Verlassen der Wohnung in [X.] mit dem Ziel, sich mit dem minderjährigen Kind dauerhaft in einem Kampfgebiet des [X.] niederzulassen.

Im Hinblick auf die Kriegsverbrechen und das Verbrechen gegen die Menschlichkeit folgt die Anwendbarkeit [X.]n Strafrechts aus § 1 [X.].

e) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.

2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Es ist wahrscheinlicher, dass sich die Angeklagte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen als sich ihm stellen wird.

Die Angeklagte hat mit Blick auf die ihr zur Last gelegten Taten im Falle ihrer Verurteilung mit einer mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen. Diesem erhöhten Fluchtanreiz stehen keine tragfähigen [X.] Bindungen im [X.] gegenüber. Sie hat ihren Lebensmittelpunkt hier vor Jahren aufgegeben, ein enger Bezug - etwa zu ihrer weiterhin in [X.] lebenden Kernfamilie - ist nicht gegeben. Die Angeklagte ist wohnungs- und erwerbslos. Schließlich ist nicht erkennbar, dass sie sich von der Ideologie des [X.] abgewendet hat.

Darüber hinaus liegt der Haftgrund der [X.] vor. Die Angeklagte ist der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen [X.] dringend verdächtig. Daher sind die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 StPO auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Vorschrift erfüllt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. September 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.).

Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind nicht erfolgversprechend.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 112 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.

Nach der Festnahme der Angeklagten bei ihrer Wiedereinreise in das [X.] sind die bei der Durchsuchung ihrer Person aufgefundenen Asservate ausgewertet worden. Ferner sind zur Ermittlung der Radikalisierung und des Hintergrundes ihrer Ausreise nach [X.] Zeugen vernommen worden. Zur Vorbereitung einer etwaigen Vernehmung der Tochter der Angeklagten als tatnächste Zeugin ist ein Ergänzungspfleger bestellt worden, der schließlich mitgeteilt hat, das Mädchen mache von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen Anfang Oktober 2020 hat der [X.] unverzüglich unter dem 28. Oktober 2020 Anklage zum [X.] erhoben. Die Akten sind dort am 2. November 2020 eingegangen. Der Vorsitzende des [X.] hat noch am selben Tag die Zustellung der Anklageschrift verfügt und der Angeklagten gemäß § 201 Abs. 1 StPO eine Frist zur Stellungnahme von drei Wochen gesetzt. Mit Beschluss vom 11. Januar 2021 hat das [X.] die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung soll am 25. Februar 2021 beginnen.

Nach alledem ist das Verfahren bislang mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden.

4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Schäfer                   Wimmer                   Anstötz

Meta

AK 5/21

09.02.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 7 Abs 1 Nr 3 VStGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2021, Az. AK 5/21 (REWIS RS 2021, 8864)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8864

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