Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2017, Az. I ZB 23/16

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 12738

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SCHIEDSGERICHTSBARKEIT AUFSÄTZE KOMMANDITGESELLSCHAFT SCHIEDSFÄHIGKEIT

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Gegenstand

Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften: Geltung von Mindestanforderungen - Schiedsfähigkeit III


Leitsatz

Schiedsfähigkeit III

Die Mindestanforderungen an die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen, die auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen sollen, gelten jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. April 2009, II ZR 255/08, BGHZ 180, 221 - Schiedsfähigkeit II).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 1. März 2016 aufgehoben.

Auf Antrag der Antragstellerinnen wird das Schiedsgericht, bestehend aus dem Obmann [X.].   und den Schiedsrichtern [X.]und [X.], für unzuständig erklärt.

Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

Wert des [X.]: 100.000 €

Gründe

1

I. Die Antragsgegnerinnen waren Kommanditistinnen der Reederei [X.].   L.  GmbH & Co. KG (im Folgenden: [X.]). Sie sind durch Beschluss der [X.]erversammlung vom 15. Juli 2015 mit den Stimmen der Antragstellerinnen durch Einziehung der Geschäftsanteile aus der [X.] ausgeschlossen worden. Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegnerinnen unter Berufung auf die in § 30 Abs. 2 des [X.]svertrags vom 30. Dezember 1968 enthaltene Schiedsvereinbarung und den [X.] gleichen Datums ein Schiedsverfahren eingeleitet. Nach Bildung des Schiedsgerichts haben die Antragstellerinnen dessen Zuständigkeit gerügt. Mit [X.] vom 23. Dezember 2015 hat sich das Schiedsgericht für zuständig erklärt.

2

Die Antragstellerinnen haben beantragt,

das Schiedsgericht für unzuständig zu erklären,

hilfsweise, die Unwirksamkeit des [X.]s festzustellen.

3

Das [X.] hat den Antrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerinnen, deren Zurückweisung die Antragsgegnerinnen beantragen.

4

II. Das [X.] hat die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bejaht. Dazu hat es ausgeführt:

5

Die Schiedsvereinbarung vom 30. Dezember 1968 sei wirksam und binde auch die Rechtsnachfolger der damaligen [X.]er. Zwar hätten die [X.]er in der Neufassung des [X.]svertrags am 18. November 2013 keine [X.] mehr vereinbart. Unabhängig von der unter den [X.]en streitigen Frage, ob der neue [X.]svertrag im Hinblick auf die Stimmenthaltung der [X.]erin A.     wirksam beschlossen werden konnte, sei die Schiedsvereinbarung jedenfalls schon deshalb nicht durch die Neufassung entfallen, weil die [X.]er den gesonderten [X.] nicht aufgehoben hätten. Die hier in Rede stehende [X.] sei bei einer Personengesellschaft ohne weiteres schiedsfähig. Die Schiedsvereinbarung genüge auch den Erfordernissen des [X.] der Zivilprozessordnung.

6

III. [X.] ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg.

7

1. Der [X.] des Schiedsgerichts ist allerdings nicht schon deshalb unwirksam, weil die Antragstellerinnen nicht zu der mündlichen Verhandlung geladen worden sind, auf die er ergangen ist.

8

a) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass der [X.] des Schiedsgerichts aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, zu der die Antragstellerinnen nicht geladen worden sind. [X.] macht geltend, ausweislich des [X.]s vom 17. Dezember 2015 habe das Schiedsgericht aufgrund einer an diesem Tag abgehaltenen mündlichen Verhandlung entschieden. Die Antragstellerinnen seien zu dieser mündlichen Verhandlung nicht geladen worden. Die Antragsgegnerinnen sind dieser Darstellung der Antragstellerinnen nicht entgegengetreten. Das [X.] hat keine abweichenden Feststellungen getroffen.

9

b) Damit hat das Schiedsgericht den Anspruch der Antragstellerinnen auf rechtliches Gehör verletzt. Wird eine [X.] nicht zur mündlichen Verhandlung geladen und kann sie deswegen den Termin nicht wahrnehmen, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juli 1965 - [X.], [X.], 160 - Terminladung; Beschluss vom 14. Dezember 1990 - [X.], [X.], 442 - Pharmazeutisches Präparat).

c) Die Verletzung des rechtlichen Gehörs im Schiedsverfahren ist aber nur dann erheblich, wenn die Entscheidung des Schiedsgerichts auf der Gehörsverletzung beruhen kann. Diese Voraussetzung ist vom Antragsteller darzulegen (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 1959 - [X.], [X.]Z 31, 43, 46 ff.). Eine solche Darlegung ist durch die Antragstellerinnen vor dem [X.] nicht erfolgt.

Die Antragstellerinnen haben vor dem [X.] zwar die fehlende Ladung zu dem Termin vor dem Schiedsgericht gerügt. Sie haben dabei allerdings keinen Gehörsverstoß dargelegt, also nicht ausgeführt, welche entscheidungserheblichen Ausführungen sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht über den von ihnen schon gehaltenen schriftlichen Vortrag hinaus gemacht hätten. Die Antragstellerinnen haben vielmehr nur die Ansicht geäußert, der [X.] des Schiedsgerichts sei schon wegen der fehlenden Ladung unwirksam. Unabhängig von der Rüge eines Gehörsverstoßes durch das Schiedsgericht haben die Antragstellerinnen vor dem [X.] sodann Vortrag zu der ihrer Auffassung nach von den [X.]ern beschlossenen Aufhebung der [X.] gehalten.

d) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das [X.] nicht nach § 139 ZPO verpflichtet, die Antragstellerinnen darauf hinzuweisen, ihren Vortrag zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs zu konkretisieren.

Die anwaltlich vertretenen Antragstellerinnen haben in der unterbliebenen Ladung zum Termin nur einen [X.] für den [X.] des Schiedsgerichts gesehen, aber nicht eine dadurch eingetretene Einschränkung ihrer Verteidigungsrechte geltend gemacht. Unter diesen Umständen war der von der Rechtsbeschwerde vermisste gerichtliche Hinweis nicht geboten (vgl. [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 139 Rn. 5). Gegen eine versehentliche Unvollständigkeit des Vortrags der Antragstellerinnen sprach aus Sicht des [X.]s, dass die Antragstellerinnen ihre Bedenken gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts in vollem Umfang und ohne Rechtsnachteil vor dem [X.] geltend machen konnten.

e) Soweit die Rechtsbeschwerde nunmehr Ausführungen dazu macht, was die Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2015 vor dem Schiedsgericht vorgetragen hätten, kann dieser Vortrag im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung des [X.]s führen. Vor dem [X.] fehlender Vortrag zur Begründung einer Gehörsverletzung durch das Schiedsgericht kann vor dem Rechtsbeschwerdegericht nicht mehr nachgeholt werden (vgl. [X.]Z 31, 43, 49).

2. Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde aber gegen die Auffassung des [X.]s, unabhängig davon, ob die [X.] bei der Neufassung des [X.]svertrags vom 18. November 2013 wirksam gestrichen werden konnte, sei der gesonderte [X.] der [X.]er jedenfalls nicht aufgehoben worden.

a) Das [X.] hat angenommen, die Schiedsvereinbarung sei durch die Neufassung des [X.]svertrags schon deshalb nicht entfallen, weil die [X.]er den gesonderten [X.] nicht aufgehoben hätten; dem Protokoll der [X.]erversammlung vom 18. November 2013 sei ein entsprechender Wille der [X.]er nicht zu entnehmen.

b) Bei dieser Beurteilung hat das [X.] die gebotene Auslegung des [X.] im Zusammenhang mit der [X.] des [X.]svertrags 1968 unterlassen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Auslegung selbst vornehmen, da weitere für die Auslegung maßgebliche tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. [X.], Urteil vom 21. Oktober 2014 - [X.], [X.]Z 203, 77 Rn. 23 mwN).

§ 30 Abs. 2 des [X.]svertrags 1968 lautet:

Über Streitigkeiten aus diesem Vertrag zwischen der [X.] und den [X.]ern oder zwischen [X.]ern untereinander oder zum Vollzug von Beschlüssen der Organe der [X.] entscheidet unter Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht.

Eine entsprechende Abrede wird unter den [X.]ern zusätzlich durch besonderen [X.] vereinbart.

Im [X.] heißt es in § 1:

Die [X.]en unterwerfen sich wegen aller aus dem [X.]svertrag vom 30. Dezember 1968 entstehenden Streitigkeiten unter Ausschluss des Rechtsweges einem Schiedsgericht.

Dadurch sind der [X.] und die [X.] in § 30 Abs. 2 des [X.]svertrags von 1968 unmittelbar aufeinander bezogen und miteinander verknüpft. Schon nach seinem Wortlaut ist der [X.] auf eine spätere Neufassung des [X.]svertrags und daraus resultierende Streitigkeiten nicht mehr anwendbar. Hätten die [X.]er 1968 keine Koppelung des [X.]s an den damaligen [X.]svertrag gewollt, hätten sie davon absehen müssen, ihn konkret auf den [X.]svertrag von 1968 zu beziehen. Wäre die [X.] in einer Neufassung des [X.]svertrags ohne Anpassung des [X.]s erhalten geblieben, so mag zwar nahe liegen, den [X.] auch unter Geltung des neu gefassten [X.]svertrags weiterhin anzuwenden. Dies ist jedoch nicht geschehen. Der neugefasste [X.]svertrag vom 18. November 2013 enthält keine [X.].

3. Der Beschluss des [X.]s stellt sich nicht deshalb als im Ergebnis richtig dar, weil es an einem wirksamen Beschluss über die Neufassung des [X.]svertrags ohne [X.] fehlt (§ 577 Abs. 3 ZPO).

a) Dabei kann dahinstehen, ob die Stimmenthaltung der [X.]erin A.     der Wirksamkeit der Neufassung des [X.]svertrags im Jahr 2013 entgegensteht, weil diese gemäß § 16 Abs. 3 [X.]svertrag 1968 nur mit Zustimmung aller anwesenden oder vertretenen [X.]er möglich war.

b) Die Ansicht des [X.]s, die hier in Rede stehende [X.] sei bei einer Personengesellschaft ohne weiteres schiedsfähig, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Nach der zu einer [X.] mit beschränkter Haftung ergangenen Rechtsprechung des [X.] bestehen für die Wirksamkeit von [X.] in [X.]sverträgen gewisse inhaltliche Mindestanforderungen, wenn sie auch [X.]en erfassen sollen ([X.], Urteil vom 6. April 2009 - [X.], [X.]Z 180, 221 - [X.]).

Zu diesen Mindestanforderungen gehört insbesondere, dass neben den [X.]sorganen jeder [X.]er über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden muss, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten. Sämtliche [X.]er müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt; dabei kann bei Beteiligung mehrerer [X.]er auf einer Seite des [X.] das Mehrheitsprinzip Anwendung finden. Weiter muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden [X.]en bei einem Schiedsgericht konzentriert werden ([X.]Z 180, 221 Rn. 20 - [X.]).

bb) Der [X.] hat diese Anforderungen zwar im Zusammenhang mit der Satzung einer [X.] mit beschränkter Haftung formuliert. Sie wurden jedoch aus den grundlegenden Maßstäben des § 138 BGB und des Rechtsstaatsprinzips entwickelt ([X.]Z 180, 221 Rn. 17 - [X.]). Sie gelten deshalb jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften, sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten sind. In jedem Fall müssen die Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft ebenso wie die [X.]er einer [X.] mit beschränkter Haftung vor Benachteiligung und Entziehung des notwendigen Rechtsschutzes bewahrt werden (vgl. [X.]Z 180, 221 Rn. 18 - [X.]), so dass auf entsprechende Regelungen in Schiedsabreden für eine Kommanditgesellschaft grundsätzlich nicht verzichtet werden kann.

cc) Da der [X.] von 1968 keine Regelungen zum Schutz der Kommanditisten bei [X.]en enthält, wird der Streitfall von der [X.] nicht erfasst. Das Schiedsgericht ist unzuständig.

4. Weitere Feststellungen sind nicht mehr erforderlich, so dass der Senat in der Sache selbst entscheiden kann (§ 577 Abs. 5 ZPO). Der Rechtsbeschwerde ist stattzugeben.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Büscher      

        

Schaffert      

        

[X.]

        

Koch      

        

Feddersen      

        

Meta

I ZB 23/16

06.04.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 1. März 2016, Az: 8 SchH 2/16

§ 1040 Abs 3 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2017, Az. I ZB 23/16 (REWIS RS 2017, 12738)

Papier­fundstellen: WM2017,961 REWIS RS 2017, 12738


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 23/16

Bundesgerichtshof, I ZB 23/16, 06.04.2017.


Az. 8 SchH 2/16

Oberlandesgericht Hamm, 8 SchH 2/16, 21.11.2016.


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