Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.12.2013, Az. 4 StR 356/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 111

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Gegenstand

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Zäsurwirkung bei Absehen von der Einbeziehung einer Geldstrafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. März 2013

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Urkundenfälschung in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung in sieben Fällen sowie der Urkundenfälschung schuldig ist; die Einzelstrafe im Fall III. 2. e der Urteilsgründe entfällt;

b) im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in fünf Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung, unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des [X.]s Wuppertal vom 9. Juni 2009 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten sowie wegen Urkundenfälschung in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Annahme selbständiger, real konkurrierender Taten der Urkundenfälschung in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung in den Fällen [X.] und e der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beurkundungen in diesen Fällen wurden nach den Feststellungen auf Grund eines einheitlichen Tatentschlusses innerhalb eines Notartermins vorgenommen. Sie bilden daher, worauf der [X.] in seinem Zuleitungsantrag zu Recht hingewiesen hat, eine natürliche Handlungseinheit. Eine solche ist gegeben, wenn zwischen mehreren im Wesentlichen gleichartigen strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen, die von einem einheitlichen Willen getragen werden, ein so enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Tätigwerden für einen Dritten objektiv als [X.] erscheint (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 8. Februar 2012 - 1 StR 427/11, [X.], 241, 242).

3

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Infolge der Schuldspruchänderung entfällt die Einzelstrafe von vier Monaten für den Fall III. 2. e der Urteilsgründe.

4

2. Der [X.] des angefochtenen Urteils kann keinen Bestand haben, weil die [X.] dem Urteil des [X.]s Wuppertal vom 9. Juni 2009 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.

5

a) Wurden die neu abzuurteilenden Taten zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus den Strafen für die neu abgeurteilten Taten und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu. Dies gilt nach der Rechtsprechung des [X.] nicht nur in Fällen, in denen eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Mai 2013 - 4 [X.], [X.], 354; Urteil vom 12. August 1998 - 3 StR 537/97, [X.]St 44, 179, 180 f.; Beschluss vom 22. Juli 1997 - 1 [X.], [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13) oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. Juli 2009 - 5 [X.]; vom 17. Juli 2007 - 4 StR 266/07, [X.], 369; vom 7. Dezember 1983 - 1 [X.], [X.]St 32, 190, 193), sondern auch dann, wenn nach § 55 Abs. 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Einbeziehung einer Geldstrafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen worden ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. September 2010 - 5 [X.], [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 19; vom 10. Juli 2007 - 3 [X.]; vom 3. November 1999 - 3 [X.]). Durch eine Entscheidung nach § 55 Abs. 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB wird eine gegebene Gesamtstrafenlage nicht beseitigt (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 10. Januar 2012 - 3 [X.], [X.], 170; Urteil vom 12. August 1998 - 3 StR 537/97, [X.]St 44, 179, 184).

6

b) Bei der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Gesamtstrafenbildung hat die [X.] übersehen, dass die dem Urteil des [X.]s Wuppertal vom 9. Juni 2009 zugrunde liegende Tat bereits vor der Verurteilung des Angeklagten durch das [X.] vom 7. Dezember 2006 beendet war. Aus dem Umstand, dass die Geldstrafe aus dem Straferkenntnis vom 7. Dezember 2006 in das Urteil des [X.] vom 2. Mai 2007 einbezogen worden ist, lässt sich ferner hinreichend sicher entnehmen, dass auch die Tat aus dem Urteil des [X.] vor der Verurteilung durch das [X.] vom 7. Dezember 2006 begangen wurde. Der insoweit bestehenden Gesamtstrafenlage wurde im Urteil des [X.]s Wuppertal vom 9. Juni 2009 Rechnung getragen, indem das [X.] eine Entscheidung nach § 55 Abs. 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB traf und die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erledigte (Gesamt-)Geldstrafe aus dem Urteil des [X.] vom 2. Mai 2007 gesondert bestehen ließ. Demgegenüber wurden sämtliche in dem angefochtenen Urteil abgeurteilten Taten erst ab Februar 2009 und damit nach dem Straferkenntnis vom 7. Dezember 2006 begangen, so dass eine nachträgliche Gesamtstrafe unter Einbeziehung der genannten Vorverurteilungen nicht in Betracht kommt. Da es für die Gesamtstrafenlage zwischen den Vorverurteilungen, die einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung im vorliegenden Verfahren unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des [X.]s Wuppertal vom 9. Juni 2009 entgegensteht, allein auf den Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt des Urteils vom 9. Juni 2009 ankommt, ist die zwischenzeitlich erfolgte Bezahlung der (Gesamt-) Geldstrafe aus dem Urteil vom 2. Mai 2007 für die gesamtstrafenrechtliche Beurteilung ohne Belang (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. September 2010 - 5 [X.], aaO; vom 17. Juli 2007 - 4 StR 266/07, aaO).

7

c) Durch die fehlerhafte Bildung von zwei Gesamtfreiheitsstrafen unter Einbeziehung der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des [X.]s Wuppertal vom 9. Juni 2009 in die erste Gesamtfreiheitsstrafe ist der Angeklagte beschwert. Der [X.] kann daher nicht bestehen bleiben.

8

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über die zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO zuzuweisen; das danach zuständige Gericht wird auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden haben. Im Nachverfahren wird aus den verbleibenden Einzelstrafen für die im angefochtenen Urteil abgeurteilten Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden sein. Der Senat weist darauf hin, dass die neue Gesamtstrafe wegen des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nur so hoch bemessen werden darf, dass sie zusammen mit der bestehenbleibenden Strafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des [X.]s Wuppertal vom 9. Juni 2009 die Summe der im angefochtenen Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafen nicht übersteigt (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2004 - 4 [X.], [X.], 428).

Sost-Scheible                           Roggenbuck                           Cierniak

                       Mutzbauer                                [X.]

Meta

4 StR 356/13

18.12.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bochum, 11. März 2013, Az: 12 KLs 35 Js 66/09

§ 53 Abs 2 S 2 StGB, § 55 Abs 1 StGB, § 460 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.12.2013, Az. 4 StR 356/13 (REWIS RS 2013, 111)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 111

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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