Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 KR 12/14 R

1. Senat | REWIS RS 2014, 1265

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsstreit zwischen Sozialhilfeträger und Krankenkasse - Erstattungsanspruch bei Beauftragung einer Krankenkasse zur Krankenbehandlung in Unkenntnis einer bestehenden Familienversicherung - Ablauf der Ausschlussfrist gem § 111 SGB 10 - Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur bei grob rechtswidrigem Verhalten des Begünstigten - keine Stützung eines Erstattungsanspruchs auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, Geschäftsführung ohne Auftrag oder einen Schadensersatzanspruch im Anwendungsbereich der §§ 102ff SGB 10 - sozialgerichtliches Verfahren - notwendige Beiladung nur bei Auswirkung auf die Rechtsposition des Berechtigten)


Leitsatz

1. Erbringt ein Sozialhilfeträger einem Sozialhilfeempfänger Krankenbehandlung mittels Beauftragung einer Krankenkasse in Unkenntnis einer bestehenden Familienversicherung, hat er als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Anspruch auf Erstattung hierfür aufgewendeter Kosten gegen die Krankenkasse, bei der die Versicherung besteht.

2. Ist ein Erstattungsanspruch eines Leistungsträgers gegen einen anderen wegen Ablaufs der Ausschlussfrist von einem Jahr ausgeschlossen, greift dagegen der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nur bei grob rechtswidrigem Verhalten des Begünstigten.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. November 2013 geändert. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen [X.].

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 31 102,90 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für die Krankenbehandlung eines Empfängers von Leistungen nach dem [X.] XII.

2

K. [X.]. ([X.]) bezog ab 1.1.2005 vom klagenden Sozialhilfeträger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem [X.] XII. Bis 15.6.2005 war er freiwillig versichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse ([X.]) und wurde ab 16.6.2005 bei der [X.] nach § 264 [X.] V angemeldet. Der Kläger erstattete der [X.] in der Folgezeit in den [X.]/2005 bis III/2007 für Krankenbehandlung inklusive Verwaltungskosten 31 102,95 Euro (29 621,86 Euro zuzüglich 5 % Verwaltungskosten 1481,09 Euro). Der Kläger stellte im Juli 2007 fest, dass die getrennt lebende Ehefrau des [X.] im betroffenen Zeitraum als Alg-II-Bezieherin pflichtversichertes Mitglied der Beklagten war. Er forderte die Beklagte zur Rückerstattung geleisteter Beiträge (Zeitraum 1.1.2005 bis 31.7.2005) in Höhe von 866,74 Euro (31.3.2008) sowie zur Erstattung von 31 254,81 Euro - später korrigiert auf 31 102,95 Euro - (30.7.2008) auf. Die Beklagte nahm [X.] ab 1.1.2005 in die Familienversicherung der Ehefrau auf, erstattete dem Kläger die bis 31.7.2005 geleisteten Beiträge in Höhe von 866,74 Euro (15.8.2008), lehnte aber eine Erstattung im Übrigen unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 111 [X.] X ab (5.1.2009; [X.]). Das [X.] hat die Klage auf Erstattung von 31 102,95 Euro nebst Zinsen abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat auf die Berufung des [X.] das Urteil des [X.] abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 31 102,95 Euro verurteilt. Im Übrigen (Zinsen) hat es die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, der Kläger habe einen Erstattungsanspruch aus § 105 [X.] X. Der Anspruch sei aufgrund des Rechtsmissbrauchs der Beklagten nicht wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 111 [X.] X ausgeschlossen. Die Beklagte habe es versäumt, [X.] auf die kostenlose Familienversicherung hinzuweisen und damit auch die [X.]flicht zur engen Zusammenarbeit (§ 86 [X.] X) grob verletzt. Ein Zinsanspruch bestehe hingegen nicht (Urteil vom 8.11.2013).

3

Der Kläger hat ein Teilanerkenntnis der Beklagten in Höhe von 123,63 Euro betreffend im dritten Quartal 2007 für den Versicherten gezahlte Kopfpauschalen angenommen.

4

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 111 [X.] X. Nahezu jeder Erstattungsfall beruhe auf einer fehlerhaft beurteilten Zuständigkeit.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 8. November 2013 zu ändern und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2011 zurückzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der beklagten [X.] ist begründet. Der klagende Träger der Sozialhilfe hat keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe jetzt noch streitiger 30 979,32 Euro. Der Senat ist prozessual an einer Entscheidung nicht gehindert (dazu 1.). Ein Erstattungsanspruch nach § 104 [X.] ist entstanden (dazu 2.) Der Anspruch auf Erstattung ist aber nach § 111 [X.] ausgeschlossen (dazu 3.). Ein Erstattungsanspruch kann im Anwendungsbereich der §§ 102 ff [X.] auch nicht auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, Geschäftsführung ohne Auftrag oder einen Schadensersatzanspruch gestützt werden (dazu 4.).

9

1. Im Revisionsverfahren fortwirkende prozessrechtliche Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. [X.] war nicht notwendig beizuladen. Einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 1 [X.] bedarf es im [X.] nur dann, wenn sich die [X.] nach § 107 [X.] auf weitere Rechte des Leistungsempfängers auswirkt ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 75 Rd[X.]0a mwN). Hat der Berechtigte die Leistung aber bereits erhalten, kann er diese nicht noch einmal beanspruchen. Hat die Entscheidung über die Erstattungsforderung keine Auswirkung auf seine Rechtsposition, ist eine notwendige Beiladung nicht erforderlich ([X.]-1300 § 111 [X.] Rd[X.] 9; [X.] aaO). Das gilt auch im Verhältnis zwischen Sozialhilfe- und Sozialversicherungsträger (missverständlich insoweit [X.]-1300 § 111 [X.], [X.] Rd[X.]0). So liegt der Fall hier. [X.] hat vom [X.]läger bereits Sozialleistungen erhalten (dazu 2.a). Er kann diese Leistungen - unabhängig vom Ausgang des vorliegenden [X.] - weder nochmals von den hier Beteiligten beanspruchen noch kommt in Betracht, dass er dem [X.]läger wegen § 107 [X.] die erbrachten Leistungen erstatten muss (vgl hierzu [X.]-1300 § 111 [X.] Rd[X.] mwN). Vorliegend geht es lediglich noch um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen Leistungsträgern (vgl ähnlich [X.]-2500 § 39a [X.] Rd[X.] 9 mwN).

2. Der Erstattungsanspruch des [X.]lägers entstand nach § 104 Abs 1 [X.] [X.] (idF der Bekanntmachung der Neufassung des [X.] vom 18.1.2001, [X.]). Die Vorschrift regelt, dass dann, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 [X.] vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig ist, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers [X.]enntnis erlangt hat. So liegt der Fall hier. Der [X.]läger erbrachte im noch betroffenen [X.]raum vom 16.6.2005 bis [X.] [X.]rankenbehandlung an [X.] (dazu a), für die er nur nachrangig zuständig war. Vorrangig zuständiger Leistungsträger war die Beklagte (dazu b). Die übrigen Voraussetzungen für das Entstehen des Erstattungsanspruchs liegen vor (dazu c).

a) Der [X.]läger erbrachte für die [X.] vom 16.6.2005 bis [X.] Sozialleistungen an [X.], nämlich [X.]rankenbehandlung. Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom [X.] entschieden hat, erbringen die [X.]n die [X.]rankenbehandlung von nicht in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung ([X.]) versicherten Sozialhilfeempfängern nach § 264 [X.] aufgrund gesetzlichen Auftrags iS des § 93 [X.] (vgl ausführlich [X.], 42 = [X.]-2500 § 264 [X.]; ihm folgend [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]1 <12. Senat>; so auch: [X.]/[X.], [X.], Stand August 2014, [X.] § 264 Rd[X.]4; [X.]rauskopf in Wagner/[X.]nittel, Soziale [X.]rankenversicherung [X.]flegeversicherung, Stand: Juni 2010, § 264 Rd[X.]; [X.], [X.] 2004, 289, 291; [X.] in [X.]asseler [X.]ommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 82. Ergänzungslieferung 2014, § 264 [X.] Rd[X.] 4; [X.] in juris[X.][X.]-[X.], 2. Aufl 2012, § 264 Rd[X.]2; [X.] in [X.]/[X.], [X.]II, 5. Aufl 2014, § 48 [X.]II Rd[X.] 47; [X.] Urteil vom 27.5.2014 - [X.] [X.] 26/12 R - [X.] Rd[X.] 20, vorgesehen für [X.] und [X.]-2500 § 264 [X.]; [X.], Gutachten [X.] Verein für öffentliche und private Fürsorge, [X.] 2004, 320, 323; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]II, 18. Aufl 2010, § 48 [X.]II Rd[X.]0; Zink/[X.] in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 48 [X.]II Rd[X.] 43 ff, Stand April 2014; wohl auch: [X.]ler, [X.] 2004, 45, 46; [X.] in [X.]/[X.], [X.]II, Stand April 2014, [X.] § 48 Rd[X.]; noch offen lassend, ob ein gesetzlicher Auftrag oder ein auftragsähnliches Verhältnis anzunehmen ist: [X.] 102, 10 = [X.]-2500 § 264 [X.] 2 Rd[X.] 23 <8. Senat>). Insoweit überträgt § 264 [X.] den [X.]n - hier der AO[X.] Berlin - in Abstimmung mit dem [X.]II die den [X.] dem Grunde nach obliegende Aufgabe, die den Regelungen der [X.] entsprechenden Leistungen zu gewähren (vgl § 48 [X.]II). Auf diese Weise wird nach § 264 Abs 2 [X.] die [X.]rankenbehandlung der nicht versicherten Leistungsberechtigten nach dem [X.]II von der [X.] "übernommen" (vgl zum Ganzen [X.], 42 = [X.]-2500 § 264 [X.]).

Auftraggeber der AO[X.] Berlin war der [X.]läger, so dass die Sozialleistungen im Zuständigkeitsgefüge des [X.] seinem Aufgabenbereich zuzurechnen sind. Denn allein der [X.]läger ist - unabhängig davon, dass die Leistungen gegenüber den Berechtigten unmittelbar von der AO[X.] Berlin im Rahmen des dargestellten Auftragsverhältnisses bewirkt wurden - im Rechtssinne der für die [X.]rankenbehandlung an nicht krankenversicherte Sozialhilfeempfänger nach dem [X.]II zuständige Träger. Der Träger der Sozialhilfe, für den [X.]n - hier die AO[X.] Berlin - auftragsgemäß [X.]rankenbehandlung an nicht versicherte Sozialhilfeempfänger übernehmen, erbringt danach selbst Sozialleistungen ([X.]-2500 § 264 [X.] L[X.]). Der erkennende Senat muss wegen dieser Auslegung nicht beim 8. Senat im Hinblick auf dessen Entscheidung vom 27.5.2014 - [X.] [X.] 26/12 R - anfragen (§ 41 Abs 3 [X.]). Dort waren nicht Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern betroffen, sondern das Bestehen einer sog "Quasiversicherung" nach § 264 Abs 2 [X.]. Soweit der 8. Senat in seiner Entscheidung ausgeführt hat, dass der Sozialhilfeträger in das unmittelbare krankenversicherungsrechtliche Leistungsgeschehen in keiner Weise eingebunden ist, ihm lediglich Meldeverpflichtungen und die Verpflichtung zur Einziehung der [X.]rankenversichertenkarte für die [X.] (§ 264 Abs 5 und Abs 3 S 3 [X.]) obliegen und er keinen Statusbescheid über eine "Quasiversicherung" erlassen darf, folgt dem auch der erkennende Senat. Selbst wenn man ein Auftragsverhältnis ablehnen und lediglich ein "auftragsähnliches Verhältnis" bejahen wollte (dazu [X.] 102, 10 = [X.]-2500 § 264 [X.] 2 Rd[X.] 23 <8. Senat>; BSG Urteil vom 27.5.2014 - [X.] [X.] 26/12 R - [X.] Rd[X.] 20), änderte dies im Übrigen nichts. Denn auch dann wären Sozialleistungen im Zuständigkeitsgefüge des [X.] allein dem Aufgabenbereich des Sozialhilfeträgers zuzurechnen und die zwischen Sozialleistungsträgern geltenden Erstattungsregelungen der §§ 102 ff [X.] entsprechend anzuwenden.

b) Vorrangig zuständig für die [X.]rankenbehandlung war die Beklagte. [X.] hatte gegen die Beklagte im [X.]raum nach Beendigung der freiwilligen Versicherung einen Anspruch auf [X.]rankenbehandlung nach § 27 [X.]. Er war nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) bei der [X.] nach § 10 Abs 1 [X.] familienversichert. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Der [X.]läger war demgegenüber nachrangig zuständig für die Erbringung der [X.]rankenbehandlung. Er war nicht - wie das [X.] meint - unzuständiger Leistungsträger iS von § 105 [X.], weil [X.] familienversichertes Mitglied der [X.] war. [X.] verpflichtet ist gemäß § 104 Abs 1 S 2 [X.] ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Dies ist vorliegend der Fall. Nach § 2 Abs 1 [X.]II erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (sog [X.], Selbsthilfeobliegenheit). Die Norm regelt keinen eigenständigen Ausschlusstatbestand ([X.] 104, 219 = [X.]-3500 § 74 [X.], Rd[X.] 20; [X.] 110, 301 = [X.]-3500 § 54 [X.] 8, Rd[X.] 25; BSG Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 21/08 R - [X.] Rd[X.]3). Wenn tatsächlich keine anderen Leistungen erbracht werden, stellt die Erfüllung der Selbsthilfeobliegenheit in § 2 Abs 1 [X.]II deshalb kein ungeschriebenes (negatives) Tatbestandmerkmal eines Sozialhilfeanspruchs dar. So liegt der Fall hier. Die (vorrangig) zuständige Beklagte erbrachte im betroffenen [X.]raum keine Leistungen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der durch den [X.]läger erbrachten Leistungen bestehen nach dem Vorbringen der Beteiligten und nach Aktenlage im Übrigen nicht.

c) Der Erstattungsanspruch scheitert nicht an § 104 Abs 1 S 3 [X.]. Danach besteht kein Erstattungsanspruch, soweit der nachrangige Träger seine Leistung auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Trägers hätte erbringen müssen. Dies ist nach oben Gesagtem (1.b) gerade nicht der Fall. Hätte die Beklagte [X.]rankenbehandlung erbracht, hätte der [X.]läger nicht leisten müssen. Die nach § 104 [X.] erforderliche [X.]ongruenz (Gleichartigkeit) der Leistungen liegt ebenfalls vor. Schließlich liegen auch die einen Anspruch nach § 104 [X.] ausschließenden Voraussetzungen des § 103 Abs 1 [X.] nicht vor, weil die Leistungspflicht des klagenden Sozialhilfeträgers nicht nachträglich ab 16.6.2005 entfiel, sondern wegen der vorrangigen [X.]flicht der [X.] zur [X.]rankenbehandlung von vornherein nur nachrangig bestand.

3. Der Anspruch auf Erstattung ist für den noch betroffenen [X.]raum nach § 111 [X.] ausgeschlossen. Es bedarf deshalb auch keiner Entscheidung dazu, in welchem Umfang der Erstattungsanspruch entstanden ist (§ 104 Abs 3 [X.]). Dies gilt insbesondere für die vom [X.] bejahte Frage, ob die Verwaltungskosten (§ 264 Abs 7 S 2 [X.]) entgegen § 109 [X.] erstattungsfähig sind und es sich insoweit um vergleichbare Leistungspflichten der betroffenen Träger handelt (vgl dazu [X.] 84, 61, 62 f = [X.] 3-1300 § 105 [X.] [X.]4 f mwN; [X.]-3100 § 18c [X.] 2 Rd[X.]9; [X.] 105, 271 = [X.]-2500 § 40 [X.], Rd[X.]9).

Gemäß § 111 [X.] [X.] ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der [X.] ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Diese Frist hat der [X.]läger nicht eingehalten. Die [X.]rankenbehandlung des [X.] erfolgte, soweit der Erstattungsanspruch noch im Streit ist, für [X.]räume bis [X.]. Auf den Tag, "an" dem die Leistung erbracht wurde, kommt es demgegenüber nicht an (vgl [X.] 65, 27, 30 = [X.] 1300 § 111 [X.] 4 sowie [X.] 65, 31 = [X.] 1300 § 111 [X.] 6, [X.] Rd[X.]0; BSG Urteil vom 28.2.2008 - B 1 [X.]R 13/07 R - US[X.] 2008-6, Rd[X.]2). Der [X.]läger hat den Erstattungsanspruch erst mit Schreiben vom 30.7.2008 in einer die Frist wahrenden Weise geltend gemacht. Das Schreiben vom [X.] und der Schriftverkehr unter den Beteiligten zur Familienversicherung des [X.] genügen nicht den Anforderungen an das "[X.]" des Erstattungsanspruchs.

Der Begriff des "[X.]s" meint im Zusammenhang mit § 111 [X.] [X.] keine gerichtliche Geltendmachung und keine Darlegung in allen Einzelheiten, sondern das Behaupten oder Vorbringen. Allerdings muss der Wille erkennbar werden, zumindest rechtssichernd tätig zu werden. Eine bloß "vorsorgliche" Anmeldung reicht dagegen nicht aus. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Ausschlussfrist, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht, muss der in Anspruch genommene Leistungsträger bereits beim Zugang der Anmeldung des Erstattungsanspruchs ohne weitere Nachforschungen beurteilen können, ob die erhobene Forderung ausgeschlossen ist. Dies kann er ohne [X.]enntnis des Forderungsbetrags feststellen, wenn die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und der [X.]raum, für den die Sozialleistungen erbracht wurden (§ 111 [X.] [X.]), hinreichend konkret mitgeteilt sind. Da der Erstattungsanspruch iS des § 111 [X.] [X.] bereits geltend gemacht werden kann, bevor die Ausschlussfrist zu laufen begonnen hat, können allgemeine Angaben genügen, die sich auf die im [X.]punkt des [X.]s vorhandenen [X.]enntnisse über Art und Umfang künftiger Leistungen beschränken (zum Ganzen [X.]-1300 § 111 [X.] Rd[X.]5 mwN).

Diesen Anforderungen genügt das Schreiben vom [X.] nicht. Der [X.]läger rügte darin nur die nicht durchgeführte Familienversicherung, verlangte die "Eröffnung der Familienversicherung" ab 1.1.2005 und forderte die Erstattung der für den [X.]raum vom 1.1.2005 - 15.5.2005 von ihm geleisteten Beiträge zur freiwilligen Versicherung. Weder diesem Schreiben noch dem übrigen Schriftverkehr im Zusammenhang mit der Familienversicherung ist auch nur ansatzweise der Wille zu entnehmen, hinsichtlich der für die [X.]rankenbehandlung erbrachten Leistungen zumindest rechtssichernd tätig werden zu wollen. Erstmals mit Schreiben vom 30.7.2008 verlangte der [X.]läger unter Hinweis auf § 104 [X.] Erstattung und bezifferte seinen Anspruch.

Die in § 111 [X.] [X.] normierte Frist ist eine materielle Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist (BT-Drucks 9/95 S 26 f). Deshalb ist es dem [X.]n regelmäßig verwehrt, dem [X.], dem die Ausschlussfrist zugutekommt, unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzuhalten ([X.] 86, 78, 83 = [X.] 3-1300 § 111 [X.] 8). Dieser Grundsatz findet zwar dann keine Anwendung, wenn die Versäumung der Ausschlussfrist auf ein grob rechtswidriges, zB vorsätzliches Verhalten dessen zurückzuführen ist, der durch die Ausschlussfrist begünstigt wird ([X.] 22, 257, 259 f = [X.] [X.] 2 zu § 143l [X.]). Schon unter Geltung des § 111 [X.] aF hat das BSG den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung für die Fälle in Betracht gezogen, in denen der [X.] absichtlich davon abgehalten wird, seinen Anspruch rechtzeitig geltend zu machen ([X.] 86, 78, 83 = [X.] 3-1300 § 111 [X.] 8). Dies gilt erst recht nach der Änderung des § 111 S 2 [X.] (dazu unten), mit der der Gesetzgeber in gewissen Grenzen materieller (Ausgleichs-)Gerechtigkeit Vorrang vor rascher Rechtssicherheit eingeräumt hat, wie sie durch Ausschlussfristen gewährleistet wird (vgl [X.]-1300 § 111 [X.] Rd[X.]3). Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung findet dabei nicht nur im Verhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsträger, sondern auch im Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträgern Anwendung. Diese trifft nämlich eine [X.]flicht zu enger Zusammenarbeit untereinander (§§ 86 ff [X.]); bei deren Verletzung besteht ein Beanstandungsrecht, bei groben Verletzungen sogar ein "Herstellungsanspruch" (zum Ganzen [X.] 98, 238 = [X.]-1300 § 111 [X.] 4, Rd[X.] 20; [X.] 57, 146, 150 = [X.] 1300 § 103 [X.] 2 S 6 = [X.] 1986, 162, 164; [X.], [X.] 1986, 133, 135 f).

Eine solche Ausnahme, die den Einwand unzulässiger Rechtsausübung rechtfertigt, liegt entgegen der Auffassung des [X.] aber nicht vor. Selbst wenn der [X.] vorgeworfen werden könnte, [X.] falsch beraten zu haben, fehlt es an einem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dieser [X.]flichtverletzung und der Versäumung der Ausschlussfrist. Denn der [X.]läger wusste bereits im Juli 2007, dass die getrennt lebende Ehefrau des [X.] als Alg-II-Bezieherin pflichtversichert war und dem [X.] deshalb die Familienversicherung nach § 10 [X.] offenstand. Dennoch hat er über ein weiteres Jahr zugewartet, bis er einen Erstattungsanspruch geltend gemacht hat. Zudem hat der [X.]läger es selbst versäumt, die sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse bei [X.] zu prüfen. Dies gehört schon wegen der Auswirkungen auf den Leistungsanspruch und den Leistungsbezug nach dem [X.]II zu seinen eigenen Aufgaben. Erst mit der [X.]lärung dieser Verhältnisse kann entschieden werden, ob der Bedürftige nach § 264 [X.] bei einer [X.] seiner Wahl gemeldet werden muss, ob er (ggf freiwilliges) Mitglied in der [X.] oder privat krankenversichert ist und schließlich, ob ggf [X.]ranken- und [X.]flegeversicherungsbeiträge nach § 32 [X.]II zu übernehmen sind. Unterlässt der [X.] entsprechende Ermittlungen und meldet er den Bedürftigen nach § 264 [X.] bei der gewählten [X.] an, kann er sich im Zusammenhang mit der versäumten Ausschlussfrist nicht darauf berufen, auch der Erstattungsverpflichtete habe einen Fehler gemacht. Denn ohne das eigene Fehlverhalten hätte der [X.]läger bereits mit Beginn der Leistung [X.]enntnis von der Familienversicherung haben können.

Schließlich ist die unterlassene oder fehlerhafte Beratung des [X.] kein "grob rechtswidriges" Verhalten. Dies hat die Rechtsprechung etwa dann bejaht, wenn der [X.] absichtlich davon abgehalten wird, seinen Anspruch rechtzeitig geltend zu machen ([X.] 86, 78, 83 = [X.] 3-1300 § 111 [X.] 8). Dies zeigt, dass nicht jeder einem Sachbearbeiter eines Sozialversicherungsträgers unterlaufene Fehler genügt, sondern nur schwere [X.]flichtverstöße die Annahme eines groben Fehlverhaltens rechtfertigen können. Andernfalls würde die Regelung des § 111 [X.] oftmals leerlaufen, weil die von einem nachrangig zuständigen Träger erbrachte Leistung in einer Vielzahl von Fällen darauf beruht, dass der vorrangig zuständige Träger seine Zuständigkeit (vorwerfbar) fehlerhaft beurteilt hat. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kann danach - um das [X.] nicht ins Gegenteil zu verkehren - nur in engen Grenzen gelten, etwa wenn die eingetretene Verzögerung kein Einzelfall wäre und auf einer offensichtlich mangelhaften Organisation von Arbeitsabläufen bei der [X.] beruhte ([X.] 98, 238 = [X.]-1300 § 111 [X.] 4, Rd[X.] 22). Anhaltspunkte hierfür sind den Feststellungen des [X.] nicht zu entnehmen.

Zu Recht ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel, dass der Lauf der Frist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht gemäß § 111 S 2 [X.] auf einen späteren [X.]punkt als den nach § 111 [X.] [X.] maßgeblichen [X.]punkt der Leistungserbringung hinausgeschoben war. Die Regelung lautet: "Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem [X.]punkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht [X.]enntnis erlangt hat".

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann bei [X.] von Sozialleistungsträgern untereinander eine solche, den Fristenlauf hinausschiebende [X.]enntnisnahme von der "Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht" nicht vorliegen, wenn der Erstattungsverpflichtete eine materiell-rechtliche Entscheidung über Leistungen, wie sie der [X.] bereits erbracht hat, überhaupt nicht mehr treffen kann und darf ([X.]-1300 § 111 [X.] L[X.] und Rd[X.]5 f; dem folgend [X.] 98, 238 = [X.]-1300 § 111 [X.] 4, Rd[X.]6 f; ebenso BSG Urteil vom 28.2.2008 - B 1 [X.]R 13/07 R - [X.] Rd[X.]5 ff = US[X.] 2008-6). Das ist in aller Regel der Fall, wenn - wie hier - der Versicherte die Sachleistung bereits erhalten hat. Der Bedarf des Versicherten ist insoweit - wenn auch durch einen nachrangig zuständigen Träger - bereits gedeckt worden. Der (vorrangig) zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - hat keine Befugnis mehr, gegenüber [X.] nochmals eine materiell-rechtliche Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung gerade dieser Leistungen zu treffen und die Leistung zu bewilligen. Für einen entsprechenden Antrag des Versicherten würde es von vornherein an der dafür erforderlichen rechtlichen Betroffenheit fehlen. Denn sein Anspruch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger ist sowohl faktisch als auch rechtlich kraft der Fiktion des § 107 [X.] erfüllt ([X.]-1300 § 111 [X.] Rd[X.]5).

4. Der [X.]läger hat auch weder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder dem Recht des Auftrags bzw der Geschäftsführung ohne Auftrag noch einen wie auch immer begründeten "Schadensersatzanspruch", zB aus positiver Forderungsverletzung. Die unmittelbare oder auch nur entsprechende Anwendung des Bereicherungsrechts, der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Schadensersatzrechts scheidet aus, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung enthalten, die einen Rückgriff auf solche Ansprüche nicht erlaubt (zur Geschäftsführung ohne Auftrag [X.] 85, 110 = [X.] 3-2500 § 60 [X.] 4, [X.] Rd[X.]9, unter Hinweis insbesondere auf [X.], 102, 109 = NJW 1999, 858, 860; vgl Urteil des 6. Senats des [X.] [X.]A 59/98 R - zum abschließenden Charakter öffentlich-rechtlicher ärztlicher Gebührenordnungen). So liegt der Fall hier. Die §§ 102 ff [X.] regeln abschließend die Leistungsansprüche zwischen Leistungsträgern in einem aus dem Leistungsberechtigten, dem (vor-)leistenden und dem zuständigen Leistungsträger bestehenden Dreiecksverhältnis ([X.] in Diering/[X.]/[X.], L[X.][X.] [X.], 3. Aufl 2011, Vor §§ 102-114, Rd[X.]7). In der Begründung zum Entwurf der §§ 102 ff [X.] (BT-Drucks 9/95 S 24, Vor §§ 108 ff des Entwurfs) heißt es: "Mit diesen Vorschriften wird zum [X.] eine geschlossene Lösung für die schwierigen Fragen vorgelegt, welche Erstattungsansprüche bestehen und wie ihr Verhältnis untereinander ist. ...". Die §§ 102 bis 105 [X.] stellen einen öffentlich-rechtlich normierten Fall des Aufwendungsersatzes bei Führung eines fremden Geschäfts nach §§ 670, 683 BGB bzw der ungerechtfertigten Bereicherung nach §§ 812 ff BGB dar (vgl dazu BSG Urteil vom 29.5.1991 - 9a [X.] - [X.] Rd[X.] 9). Im Anwendungsbereich der §§ 102 ff [X.] kann dementsprechend ein Erstattungsanspruch auch dann nicht auf andere denkbare Anspruchsgrundlagen gestützt werden, wenn der Anspruch nach §§ 102 ff [X.] an § 111 [X.] scheitert.

5. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 [X.] Teils 3 [X.] iVm § 154 Abs 1, § 155 Abs 1 S 3, § 161 Abs 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 [X.] Teils 1 [X.] iVm § 63 Abs 2 [X.], § 52 Abs 1 und 3, sowie § 47 Abs 1 G[X.]G.

Meta

B 1 KR 12/14 R

18.11.2014

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Berlin, 22. Juli 2011, Az: S 208 KR 700/09, Urteil

§ 93 SGB 10, § 102 SGB 10, § 102ff SGB 10, § 103 Abs 1 SGB 10, § 104 Abs 1 S 1 SGB 10 vom 18.01.2001, § 104 Abs 1 S 2 SGB 10 vom 18.01.2001, § 104 Abs 1 S 3 SGB 10 vom 18.01.2001, § 107 SGB 10, § 111 S 1 SGB 10, § 111 S 2 SGB 10, § 10 Abs 1 SGB 5, § 27 SGB 5, § 264 Abs 2 SGB 5, § 2 Abs 1 SGB 12, § 48 SGB 12, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, § 670 BGB, § 683 BGB, § 812 BGB, § 812ff BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 KR 12/14 R (REWIS RS 2014, 1265)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1265

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