Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2018, Az. XII ZB 637/17

12. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 5838

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Familiensache: Wert der Beschwer für die Beschwerde gegen einen zur Auskunft und Belegvorlage verpflichtenden Beschluss


Leitsatz

Zum Wert der Beschwer für die Beschwerde gegen einen zur Auskunft und Belegvorlage verpflichtenden Beschluss (im Anschluss BGH, Beschluss vom 24. November 1994, GSZ 1/94, BGHZ 128, 85 = FamRZ 1995, 349).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. [X.] in [X.] des [X.] vom 17. November 2017 wird auf Kosten der Antragsgegnerin verworfen.

[X.]: bis 500 €

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin wird von ihrer inzwischen volljährigen Tochter im Wege des [X.] auf Abänderung eines Unterhaltstitels in Anspruch genommen.

2

Mit Teilbeschluss vom 3. März 2017 hat das Amtsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge der Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Vorlage des Einkommensteuerbescheids und der Einkommensteuererklärung mit den Anlagen AU[X.], [X.], [X.], L, N, [X.], [X.] und [X.]O für das Kalenderjahr 2015 verpflichtet.

3

Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin hat das [X.] verworfen, weil der Wert der Beschwer den Betrag von 600 € nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

II.

4

Die gemäß §§ 117 Abs. 1 [X.]atz 4 FamF[X.], 522 Abs. 1 [X.]atz 4, 574 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

5

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die [X.]icherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt die Antragsgegnerin nicht in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 [X.][X.] in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), welcher es den [X.]erichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.]achgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. [X.]enatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 - [X.] 405/15 - FamRZ 2016, 454 Rn. 6 mwN). Anders als die Rechtsbeschwerde meint, liegt auch kein entscheidungserheblicher Verstoß des [X.] gegen Art. 103 Abs. 1 [X.][X.] vor.

6

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die in der angegriffenen Entscheidung enthaltene Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Vorlage ihrer Einkommensteuerklärung mit allen überhaupt in Betracht kommenden Anlagen sei, wenn das [X.]ericht nicht den begründeten Anlass zu der Annahme gehabt habe, der Auskunftspflichtige habe sie sämtlich ausfüllen müssen, dahingehend auszulegen, dass nur die tatsächlich ausgefüllten Anlagen vorzulegen seien und im Übrigen die Erklärung des Auskunftspflichtigen genüge, dass er weitere Anlagen für seine [X.]teuererklärung nicht verwendet habe. Der Wert der Beschwer erhöhe sich auch nicht im Hinblick auf die Kosten der Abwehr einer möglichen unberechtigten Zwangsvollstreckung. Im vorliegenden Fall sei die vorzulegende [X.]teuererklärung bereits beim Finanzamt abgegeben worden. Der Antragsgegnerin stünde es daher zur Abwehr einer möglichen Zwangsvollstreckung frei, die Verpflichtung aus dem angefochtenen Beschluss durch Vorlage der [X.]teuererklärung nebst der ausgefüllten Anlagen zu erfüllen und die im [X.] zu beschaffenden anderen Anlageformulare unausgefüllt beizufügen. Dies könne jedoch dahinstehen, weil der erforderliche [X.] auch dann nicht erreicht werde, wenn die Beschwer der Antragsgegnerin um die Kosten der Abwehr einer unberechtigten Zwangsvollstreckung erhöht werde. In der [X.]umme würden diese Kosten und eine nach Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz bemessene Vergütung für die Übermittlung der vorzulegenden Unterlagen nicht einmal 300 € erreichen.

7

2. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

8

a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen [X.]eheimhaltungsinteresses ist hierbei auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert ([X.]enatsbeschluss vom 22. Januar 2014 - [X.] 278/13 - FamRZ 2014, 644 Rn. 6 mwN; B[X.]HZ [X.][X.]Z 128, 85 = FamRZ 1995, 349, 350 f.).

9

Auf dieser rechtlichen [X.]rundlage ist der Wert der Beschwer nach § 113 Abs. 1 [X.]atz 2 FamF[X.] iVm § 3 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur eingeschränkt darauf überprüfen, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen [X.]renzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat ([X.]enatsbeschluss vom 27. Juli 2016 - [X.] 53/16 - FamRZ 2016, 1681 Rn. 7 mwN).

b) Derartige Ermessensfehler liegen nicht vor.

aa) Der [X.] enthält die Verpflichtung zur Vorlage von Anlagen zur Einkommensteuererklärung für das [X.], für die die Antragsgegnerin geltend gemacht hat, diese lägen nicht vor und seien auch nicht erstellt worden. Zur Bemessung der Beschwer ist daher durch Auslegung zu ermitteln, ob das Amtsgericht die Antragsgegnerin bei Nichtexistenz der Anlagen zu deren Erstellung verpflichten wollte oder ob es - gegebenenfalls irrig - von deren Existenz ausgegangen ist. Nur im ersten Fall erhöht der für die Erstellung erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten (vgl. dazu etwa [X.]enatsbeschluss vom 11. März 2015 - [X.] 317/14 - FamRZ 2015, 838 Rn. 13 ff.) den [X.]. Im zweiten Fall hat er hingegen außer Betracht zu bleiben; werterhöhend kann sich dann lediglich auswirken, wenn der Verpflichtete gewärtigen muss, auf die Erfüllung der insoweit unmöglichen Leistung in Anspruch genommen zu werden und sich hiergegen zur Wehr setzen zu müssen (vgl. [X.]enatsbeschluss vom 2. [X.]eptember 2015 - [X.] 132/15 - FamRZ 2015, 2142 Rn. 13 mwN).

bb) Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Amtsgerichts dahin ausgelegt, dass die Antragsgegnerin nicht zur Erstellung von noch nicht existenten Anlagen zur Einkommensteuererklärung des Jahres 2015, sondern nur zur Vorlage von tatsächlich ausgefüllten Anlagen verpflichtet werden sollte, und es deshalb im Übrigen zur Erfüllung der [X.] die Erklärung der Antragsgegnerin genüge, dass sie keine weiteren Anlagen für ihre [X.]teuererklärung verwendet habe. Hiergegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

Die Rechtsbeschwerde wendet insoweit allerdings ein, diese Auslegung sei im Hinblick darauf nicht haltbar, dass das Amtsgericht im [X.] die für die Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin relevanten Unterlagen ausdrücklich konkretisiert habe. Dabei verkennt sie jedoch, dass im Rahmen der [X.] nach § 1605 Abs. 1 B[X.]B die Vorlage einer bereits eingereichten [X.]teuererklärung dem Zweck dient, auf der [X.]rundlage des Einkommensteuerbescheids das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Unterhaltsschuldners zu ermitteln. Denn in nicht seltenen Fällen reicht der [X.]teuerbescheid allein nicht aus, um die unterhaltsrechtlich wesentlichen Einkünfte verständlich zu belegen ([X.]enatsurteil vom 7. April 1982 - [X.] - FamRZ 1982, 680, 682). Dies erhellt, dass sich die Verpflichtung zur Vorlage der Einkommensteuererklärung nebst Anlagen nur auf die Anlagen bezieht, die aufgrund der von der Antragsgegnerin erzielten Einkunftsarten der Einkommensteuererklärung beigefügt werden mussten und zum Verständnis des Einkommensteuerbescheids erforderlich sind. Welche das sind ergibt sich wiederum aus dem vorzulegenden Einkommensteuerbescheid.

[X.]omit ist die Antragsgegnerin durch den amtsgerichtlichen Beschluss nicht verpflichtet worden, noch nicht existente Anlagen zu der vorzulegenden [X.]teuererklärung anzufertigen. Deshalb sind auch keine darauf bezogenen Kosten bei der Bemessung des [X.]s zu berücksichtigen. Der zusätzliche Aufwand für die Fertigung der einfachen Erklärung, keine weiteren als die vorgelegten Anlagen zu der [X.]teuererklärung 2015 verwendet zu haben, ist zu gering, um den Wert der Beschwer soweit zu erhöhen, dass die nach § 113 Abs. 1 [X.]atz 1, 61 Abs. 1 FamF[X.] maßgebliche Beschwerdesumme von 600 € überschritten wird.

cc) Zu Recht hat es das Beschwerdegericht auch abgelehnt, Kosten für die Abwehr der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Beschluss bei der Bemessung des Werts der Beschwer zu berücksichtigen. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Auslegung des Tenors der amtsgerichtlichen Entscheidung keine Zweifel aufwirft, sondern nach den vorstehenden Ausführungen eindeutig ist.

dd) [X.]chließlich hat es das Beschwerdegericht ebenfalls zu Recht abgelehnt, ein [X.]eheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin werterhöhend zu berücksichtigen.

Zwar kann ein solches im Einzelfall für die Bemessung des Rechtsmittelinteresses erheblich sein. Insoweit muss der Rechtsmittelführer dem Beschwerdegericht aber sein besonderes Interesse, bestimmte Tatsachen geheim zu halten, und den durch die Auskunftserteilung drohenden Nachteil substanziiert darlegen und erforderlichenfalls glaubhaft machen. Dazu gehört auch, dass gerade in der Person des die Auskunft Begehrenden die [X.]efahr begründet sein muss, dieser werde von den ihm gegenüber offenbarten Tatsachen über das Verfahren hinaus in einer Weise [X.]ebrauch machen, welche die schützenswerten wirtschaftlichen Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden könnte ([X.]enatsbeschlüsse vom 11. Mai 2016 - [X.] 12/16 - FamRZ 2016, 1448 Rn. 13; vom 30. Juli 2014 - [X.] 85/14 - FamRZ 2014, 1696 Rn. 9 und vom 9. April 2014 - [X.] 565/13 - FamRZ 2014, 1100 Rn. 11 mwN).

Derartiges hat die Antragsgegnerin weder in den Vorinstanzen dargelegt noch mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht. [X.]ie hat hierzu lediglich vorgetragen, dass der Vater der Antragstellerin Informationen zu einzelnen Versicherungen an seine Adresse "umgeleitet" habe und deshalb die [X.]efahr einer missbräuchlichen Verwendung der vorzulegenden [X.]teuerunterlagen und der sich daraus ergebenden Daten bestehe. Ein schutzwürdiges [X.]eheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin, das bei der Bemessung der Beschwer werterhöhend zu berücksichtigen wäre, ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht.

3. Für das weitere Verfahren wird die Antragstellerin auf den [X.]enatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - [X.] 422/15 - FamRZ 2017, 370 Rn. 39 hingewiesen.

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur [X.]icherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamF[X.]).

Dose     

      

[X.]     

      

[X.]ünter

      

Nedden-Boeger     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 637/17

18.07.2018

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 17. November 2017, Az: 6 UF 100/17

§ 1605 Abs 1 BGB, § 61 Abs 1 FamFG, § 113 Abs 1 S 1 FamFG, § 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2018, Az. XII ZB 637/17 (REWIS RS 2018, 5838)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1333-1334 REWIS RS 2018, 5838

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 116/19 (Bundesgerichtshof)

Beschwerdewert bezüglich der Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Zugewinnausgleichsverfahren


XII ZB 212/11 (Bundesgerichtshof)

Unterhaltsstufenklage des volljährigen Kindes: Beschwer nach Verurteilung eines steuerlich mit seinem Ehegatten zusammenveranlagten Unterhaltspflichtigen zur …


XII ZB 132/15 (Bundesgerichtshof)

Unterhaltsstufenklage: Bemessung des Beschwerdewerts nach Verurteilung des Unterhaltsschuldners zur Vorlage von Einkommensteuererklärungen


XII ZB 376/20 (Bundesgerichtshof)

Auskunftsverpflichtung im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung von Ehegatten ohne vollstreckbaren Inhalt: Anforderungen an die Bezeichnung …


XII ZB 588/17 (Bundesgerichtshof)

Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Verpflichtung zur Auskunftserteilung: Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresse des Beklagten; Werterhöhung bei …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.