Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.11.2012, Az. 7 AZR 314/12

7. Senat | REWIS RS 2012, 1664

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Versäumung der Berufungsbegründungsfrist - seelische Erkrankung der Prozessbevollmächtigten


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 24. Februar 2012 - 3 Sa 552/10 - aufgehoben, soweit es die gegen die Abweisung des [X.] zu 4. gerichtete Berufung des [X.] als unzulässig verworfen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird dem Kläger gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch.

2

[X.]er Kläger war seit dem 11. September 1977 bei der [X.] und deren Rechtsvorgängern in einem Arbeitsverhältnis tätig. Ab dem 1. Oktober 1999 war er im Zusammenhang mit der Ausgliederung des [X.] zur [X.] bei dieser beschäftigt und von der [X.] beurlaubt. Am 30. April 2005 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag. [X.]anach wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31. [X.]ezember 2005 beendet, um den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der [X.] zu ermöglichen. Zuletzt bestand das Arbeitsverhältnis zur [X.] ([X.]).

3

Gleichzeitig regelte der Aufhebungsvertrag mit der [X.] ein Rückkehrrecht des [X.] zur [X.] auf der Grundlage einer „[X.]“, die am 8. April 2005 zwischen der [X.], mehreren [X.], darunter auch der [X.], und dem [X.]undesvorstand der [X.] [X.] geschlossen wurde. Nachdem die [X.] das Arbeitsverhältnis des [X.] mit Schreiben vom 9. [X.]ezember 2008 zum 31. Juli 2009 gekündigt hatte, berief sich der Kläger gegenüber der [X.] auf sein Rückkehrrecht. [X.]iese reagierte darauf nicht. Gegen die Kündigung erhob der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage. [X.]as Verfahren endete mit einem Vergleich, nach dem die [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2009 bestehen blieb.

4

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Rückkehrrecht gerichtlich weiterverfolgt.

5

[X.]er Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass ihm ein Rückkehrrecht zur [X.] aufgrund des Auflösungsvertrages vom 30. April 2005 iVm. der Anlage ([X.] vom 8. April 2005) zum 1. August 2009 zusteht;

        

2.    

die [X.]eklagte zu verurteilen, ihn im gelernten [X.]eruf als Facharbeiter für Nachrichtentechnik im [X.]etrieb im Raum [X.] zu betriebsüblichen [X.]edingungen mit Wirkung zum 1. August 2009 wieder einzustellen, wobei er hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tariflichen Regelungen so gestellt wird, als wäre er ohne Unterbrechung bei der [X.] seit 1977 durchgehend beschäftigt worden;

        

3.    

die [X.]eklagte zu verurteilen, ihn im gelernten [X.]eruf als Facharbeiter für Nachrichtentechnik zu unveränderten Arbeitsbedingungen im [X.]etrieb im Raum [X.] mit Wirkung vom 1. August 2009 weiter zu beschäftigen, wobei er hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tariflichen Regelungen so gestellt wird, als wäre er ohne Unterbrechung bei der [X.] seit 1977 durchgehend beschäftigt worden;

        

4.    

hilfsweise die [X.]eklagte zu verurteilen, ihm mit Wirkung vom 1. August 2009 ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unterbreiten, wonach er als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in Vergütungsgruppe T 3 Stufe 4 nach § 10 des [X.] zu beschäftigen ist und die Tarifverträge der [X.] in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Parteien vereinbart gelten.

6

[X.]ie [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Mit Urteil vom 30. Juli 2010 hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. [X.]as Urteil ist dem Kläger am 12. August 2010 zugestellt worden. [X.]agegen hat der Kläger [X.]erufung eingelegt. [X.]ie [X.]erufungsschrift ist am 8. September 2010 beim [X.] eingegangen. Auf Antrag des [X.] vom 29. September 2010 hat das [X.] mit [X.]eschluss vom 30. September 2010 die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung bis zum 11. November 2010 verlängert. [X.]er [X.]eschluss schließt mit dem Satz: „Eine nochmalige Verlängerung ist nicht möglich.“

8

Mit Schriftsatz vom 10. November 2010 hat die seinerzeitige Prozessbevollmächtigte des [X.] unter [X.]ezugnahme auf ein geführtes Telefonat vom selben Tage mit der Vertreterin des Vorsitzenden der zuständigen Kammer eine Verlängerung der Frist zur [X.]erufungsbegründung bis einschließlich 25. November 2010 wegen Erkrankung beantragt. Mit diesem Antrag hat sie ein vom Prozessbevollmächtigten der [X.] unterschriebenes Anschreiben vorgelegt, wonach „diesseits mit dem zweiten Fristverlängerungsantrag der [X.]erufungsbegründungsfrist um zwei Wochen, dh. bis zum 25.11.2010, Einverständnis besteht“. [X.]araufhin hat die Vertreterin des Vorsitzenden die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung durch [X.]eschluss vom 11. November 2010 antragsgemäß bis zum 25. November 2010 verlängert. Auch dieser [X.]eschluss enthält die Aussage, eine nochmalige Verlängerung der Frist sei nicht möglich. [X.]ie [X.]erufungsbegründung des [X.] ist am 25. November 2010 beim [X.] eingegangen.

9

Mit [X.]eschluss vom 16. August 2011, der dem Kläger am 19. August 2011 zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten zugestellt worden ist, hat das [X.] darauf hingewiesen, die Frist zur [X.]erufungsbegründung sei nicht eingehalten. [X.]ie zweite Fristverlängerung sei wegen Verstoßes gegen § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG nichtig. Hierauf hat der Kläger mit Schriftsatz seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten, der am 19. September 2011 beim [X.] eingegangen ist, beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der [X.]erufungsbegründungsfrist zu gewähren. [X.]as hat er auf eine seelische Erkrankung seiner früheren Prozessbevollmächtigten gestützt. Er hat dazu eidesstattliche Versicherungen der früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] und des mit ihr in [X.] tätigen Ehemanns im Original sowie in Ablichtung eine auf den 10. März 2011 datierte ärztliche Stellungnahme des Assistenzarztes [X.]r. med. [X.] im [X.]epartment für Psychische Gesundheit, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in L, die dieser für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in [X.] erstellt hat, und einen [X.]escheid der [X.] vom 4. Mai 2011, wonach der seinerzeitige Ehemann der früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] wegen deren andauernder Erkrankung zu ihrem amtlich bestellten Vertreter bestellt wurde, vorgelegt.

[X.]as [X.] hat die [X.]erufung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil als unzulässig verworfen. Es hat dies zum einen darauf gestützt, dass die [X.]erufungsbegründung nach Ablauf der [X.]erufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Eine zweifache Verlängerung der [X.]erufungsbegründungsfrist sei unzulässig und rechtlich unerheblich. [X.]en Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das [X.] abgewiesen. Hinsichtlich der Hauptanträge des [X.] hat das [X.] die [X.]erufung zudem deshalb als unzulässig verworfen, weil sich die [X.]erufungsbegründung auch inhaltlich nicht mit tragenden Argumenten des Arbeitsgerichts hinsichtlich dieser Anträge auseinandergesetzt hatte.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen zu 4. gestellten Hilfsantrag weiter. [X.]ie [X.]eklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.].

A. Die Revision ist zulässig, insbesondere statthaft. Das [X.] hat durch Urteil nach mündlicher Verhandlung entschieden. Das ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO iVm. § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ArbGG zulässig. Nach dieser Vorschrift kann das [X.] als [X.]erufungsgericht über die Verwerfung der [X.]erufung zwar durch [X.]eschluss - und damit außerhalb der mündlichen Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO) - entscheiden, es muss dies aber nicht, kann also auch durch Urteil entscheiden. Nur wenn eine mündliche Verhandlung unterbleibt, ergeht die Entscheidung deshalb durch [X.]eschluss, den der Vorsitzende erlässt (§ 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG; vgl. [X.]/[X.] 5. Aufl. § 66 ArbGG Rn. 21; [X.]/[X.]/[X.] ArbGG 3. Aufl. § 66 Rn. 87; aA entgegen dem [X.] 7. Aufl. § 66 Rn. 43: Entscheidung durch [X.]eschluss des Vorsitzenden auch bei mündlicher Verhandlung). Ergeht danach die Entscheidung - wie hier - durch Urteil, richtet sich die Statthaftigkeit des Rechtsmittels auch nach den für Urteile geltenden Regeln. Danach ist hier im Hinblick auf die Zulassung durch das [X.] die Revision statthaft (§ 72 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 3 ArbGG).

[X.]. Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.]. Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Kläger die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung versäumt hat. Zu Unrecht hat das [X.] dem Kläger hinsichtlich des [X.] keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und deshalb die [X.]erufung als unzulässig verworfen. Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der [X.]erufungsbegründungsfrist hinsichtlich des in der Revision allein noch anhängigen zu 4. gestellten [X.] zu gewähren. Mangels Feststellungen in der Sache selbst ist der Rechtsstreit insoweit an das [X.] zurückzuverweisen.

I. Der Kläger hat die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung versäumt.

1. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 12. August 2010 zugestellt. Die zweimonatige Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung lief daher mit dem 12. Oktober 2010 ab (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, § 221 ZPO iVm. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 [X.]G[X.]).

2. Diese Frist hat das [X.] durch seinen ersten [X.]eschluss vom 30. September 2010 nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG wirksam bis zum 11. November 2010 verlängert. Der nach dieser [X.]estimmung erforderliche Antrag des [X.] stammt vom 29. September 2010 und ging innerhalb der gesetzlichen Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung und damit rechtzeitig beim [X.] ein (vgl. [X.] 4. Juni 2003 - 10 [X.] - zu I 1 der Gründe, [X.] [X.] § 209 Nr. 2 = EzA [X.] § 209 Nr. 1).

3. Demgegenüber war die weitere Verlängerung der [X.]erufungsbegründungsfrist durch [X.]eschluss vom 11. November 2010 bis zum 25. November 2010 unwirksam.

Nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG kann die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung „einmal“ auf Antrag verlängert werden. Aufgrund einer bewussten Entscheidung des historischen Gesetzgebers (dazu [X.]T-Drucks. 8/1567 S. 34) weicht diese Regelung von der entsprechenden Regelung in der Zivilprozessordnung ab. Nach § 520 Abs. 2 ZPO ist die Verlängerung der Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung bei Einwilligung des Gegners ohne Einschränkungen und damit auch mehrfach möglich. Eine mehrfache Verlängerung der [X.]erufungsbegründungsfrist ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren deshalb unwirksam ([X.] 13. September 1995 - 2 [X.] 855/94 - zu II 2 der Gründe mwN, [X.] ArbGG 1979 § 66 Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 22). Dass der [X.]eklagtenvertreter der mehrfachen Verlängerung der [X.]erufungsbegründungsfrist zugestimmt hat, steht dem wegen der Unterschiedlichkeit der Rechtslage zwischen dem Arbeitsgerichtsgesetz und der Zivilprozessordnung nicht entgegen (vgl. [X.]/[X.]/[X.] § 66 Rn. 83).

4. Die [X.]egründung der [X.]erufung ist erst am 25. November 2010, und damit nach Ablauf der [X.]erufungsbegründungsfrist am 11. November 2010 und damit verspätet beim [X.] eingegangen.

II. Rechtsfehlerhaft ist das [X.] jedoch davon ausgegangen, dass dem Kläger auf seinen Antrag keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung liegen vor.

1. Das [X.] hat dem Kläger mit fehlerhafter [X.]egründung die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand versagt.

a) Nach § 233 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden ua. die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung nicht eingehalten hat. Dabei steht nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des [X.]evollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.

Eine Partei ist ohne ihr Verschulden verhindert, eine der in § 233 ZPO genannten Fristen einzuhalten, wenn der Säumige diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die von ihm verständigerweise erwartet werden konnte. Dabei ist auf die Person des Säumigen und die gesamten Umstände abzustellen. Hinsichtlich der Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten bedeutet dies, dass ein Verschulden entsprechend § 276 [X.]G[X.] dann zu verneinen ist, wenn er die von einem Rechtsanwalt üblicherweise zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher nicht erst dann zu gewähren, wenn der Prozessbevollmächtigte trotz Aufwendung der äußersten nach Sachlage erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt die Frist versäumt hat (vgl. [X.] 8. Juni 1982 - 7 [X.] - zu II 2 der Gründe mwN, [X.] ZPO 1977 § 233 Nr. 6 = EzA ZPO § 233 Nr. 3). Für die Annahme eines Verschuldens genügt es nicht, eine lediglich objektiv mögliche Sorgfalt zu beschreiben, durch die der Fehler hätte verhindert werden können. Vielmehr muss die [X.]eachtung dieser Sorgfalt im Einzelfall auch zumutbar sein, dh. noch den nach der konkreten Sachlage zu stellenden Erwartungen entsprechen (vgl. [X.] 22. November 1984 - [X.]/84 - zu 2 a der Gründe mwN, NJW 1985, 1710).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör, das in Art. 103 Abs. 1 GG garantiert ist, in einem funktionellen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie steht. Die Gerichte dürfen durch ihre Auslegung und Anwendung des Prozessrechts den [X.]eteiligten den Zugang zu den in den [X.] eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Daher dürfen die Anforderungen daran, was der [X.]etroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, nicht überspannt werden ([X.] 26. Februar 2008 - 1 [X.]vR 2327/07 - Rn. 22 mwN, NJW 2008, 2167).

b) Das [X.] hat angenommen, der Rechtsirrtum der vormaligen Prozessbevollmächtigten des [X.] sei nicht unvermeidbar gewesen. Auch wenn zu Gunsten des [X.] unterstellt würde, die vormalige Prozessbevollmächtigte des [X.] sei aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr zu einer vertieften selbständigen Prüfung der Rechtslage in der Lage gewesen, so hätte sie - so das [X.] - doch aufgrund des Inhalts des ersten [X.]eschlusses des [X.]s vom 30. September 2010 erkennen müssen, dass eine nochmalige Verlängerung der [X.]erufungsbegründungsfrist nicht in [X.]etracht komme. Sie habe sich daher ohne vertiefte Prüfung der Rechtslage durch einen [X.]lick in § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG Klarheit verschaffen können. Dass ihr einfache Überlegungen aufgrund ihrer Erkrankung unmöglich gewesen seien, habe der Kläger nicht behauptet. Vielmehr ergebe sich aus der eidesstattlichen Versicherung der früheren Prozessbevollmächtigten, dass sie in der Lage gewesen sei, unter [X.] in Einzelfällen noch inhaltliche Schriftsätze zu fertigen. Sie habe auch die verspätet eingegangene [X.]erufungsbegründung tatsächlich gefertigt.

Der Rechtsirrtum sei auch nicht entschuldbar. Ein Rechtsanwalt müsse die Gesetze kennen. Aus dem Umstand, dass die frühere Prozessbevollmächtigte es überhaupt für möglich hielt, die [X.]erufungsbegründungsfrist um [X.] zu verlängern, sei zu schließen, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, dass die [X.]erufungsbegründungsfrist nach dem Arbeitsgerichtsgesetz nur einmal verlängert werden könne. Es seien keine Tatsachen vorgetragen, die belegen, dass die Prozessbevollmächtigte krankheitsbedingt dermaßen eingeschränkt gewesen sei, dass sie aus diesem Grund die ihr eigentlich bekannte Vorschrift nicht habe interpretieren können.

Eventuelle Fehler des Gerichts seien unerheblich. Sie seien nicht die alleinige Ursache für die Fristversäumung. Diese beruhten vielmehr maßgeblich darauf, dass die frühere Prozessbevollmächtigte die einschlägige Verfahrensvorschrift nicht kannte bzw. sie nicht erinnerte und zudem den Hinweis im ersten [X.]eschluss nicht beachtet habe. Ohne diese Fehler wäre es - so das [X.] - zu den Fehlern des Gerichts nicht gekommen. Dass gerichtliche Fehler die frühere Prozessbevollmächtigte in ihrem Irrtum bestärkt hätten, spiele daher keine entscheidende Rolle.

Zudem liege im vorliegenden Fall ein Organisationsverschulden vor. Im [X.] habe ein Hinweis dahingehend angebracht werden müssen, dass eine nochmalige Fristverlängerung ausgeschlossen sei.

c) Diese [X.]egründung wird entgegen den einfachgesetzlichen Vorgaben den vorgetragenen Umständen des Einzelfalles nicht gerecht und überspannt zudem entgegen den Vorgaben der Verfassungsnorm des Art. 103 GG die Anforderungen an die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

aa) Das [X.] ist - wie die Revision zu Recht rügt - fälschlicherweise davon ausgegangen, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die darauf hindeuteten, dass seine vormalige Prozessbevollmächtigte krankheitsbedingt nicht in der Lage war, eine an sich ihr bekannte Vorschrift anzuwenden. Damit hat das [X.] die Stoßrichtung der [X.]egründung und die Glaubhaftmachung des [X.] außer Acht gelassen und nicht alle vorgetragenen Umstände in die rechtliche Würdigung einbezogen.

Mit seinem Antrag hat der Kläger vorgebracht, seine seinerzeitige Prozessbevollmächtigte habe aufgrund einer ständig schwerer werdenden Depression unter einer Antriebslosigkeit gelitten und sei zunehmend nur noch unter großer und extremer Überwindung in der Lage gewesen, kurzzeitig einzelne berufliche und auch private Tätigkeiten wahrzunehmen. Seit Ende Oktober / Anfang November 2010 habe sie sich kaum mehr und im Einzelfall nur nach extremer Überwindung in der Lage gesehen, sich auf berufliche Tätigkeiten auch nur ansatzweise zu konzentrieren, rechtliche Fragestellungen und Problemstellungen zu erkennen, anzudenken oder gar eine umfassende rechtliche Prüfung vorzunehmen. Anfang November 2010 habe sich der Zustand weiter verschlechtert. Eine [X.]earbeitung der [X.]erufungsbegründung im vorliegenden Fall sei wegen der Antriebslosigkeit zunächst nicht erfolgt. Auf den drohenden Fristablauf durch das Sekretariat hingewiesen, habe die frühere Prozessbevollmächtigte einen weiteren Fristverlängerungsantrag gestellt, nachdem sie sich mit dem [X.]eklagtenvertreter und dem Sächsischen [X.] in Verbindung gesetzt habe. Durch die erfolgte Fristverlängerung sei der früheren Prozessbevollmächtigten der unmittelbare [X.] genommen worden und nur dies sei zu diesem Zeitpunkt für die frühere Prozessbevollmächtigte maßgeblich gewesen. Damit sei die bestehende Unfähigkeit zur Prüfung und [X.]earbeitung der [X.]erufungsbegründung überwunden gewesen. Im Zustand der früheren Prozessbevollmächtigten habe sie keine Veranlassung gehabt, an der rechtlichen Zulässigkeit einer weiteren Fristverlängerung zu zweifeln.

Damit geht der Sachvortrag des [X.] im Wiedereinsetzungsverfahren dahin, dass es seiner Prozessbevollmächtigten aus krankheitsbedingten Gründen nicht oder jedenfalls nur nach erheblicher Überwindung möglich gewesen sei, die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit von [X.] zu prüfen. Der Kläger hat also genau das vorgebracht, was das [X.] in seinem Vortrag vermisst hat.

bb) Soweit das [X.] davon ausgeht, es liege ein Organisationsverschulden der früheren Prozessbevollmächtigten vor, weil nicht im [X.] notiert worden sei, dass es sich bei der verlängerten [X.]erufungsbegründungsfrist um eine nicht mehr verlängerbare Frist handele, so überspannt das [X.] die Anforderungen an die [X.] in unzumutbarer Weise. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, Fristen und angemessene [X.] zu notieren (vgl. [X.] 25. März 1992 - [X.] - [X.] ZPO 1977 § 233 Nr. 21 und 5. Oktober 1999 - VI Z[X.] 22/99 - zu II 1 der Gründe, [X.] ZPO 1977 § 233 Nr. 63), nicht jedoch sie zu kommentieren. Dass wegen unzureichender Notierung von [X.] in der Kanzlei der früheren Prozessbevollmächtigten eine sachgemäße [X.]earbeitung von [X.] nicht gewährleistet war, hat das [X.] seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Darauf gibt es auch keine Hinweise.

2. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das [X.] hätte dem Wiedereinsetzungsantrag stattgeben müssen. Er ist zulässig. Er erweist sich auch in der Sache als begründet. Der [X.] kann über den Wiedereinsetzungsantrag auch in der Revisionsinstanz selbst entscheiden.

a) Der Antrag ist zulässig. Der Kläger hat ihn eingehend beim [X.] am 19. September 2011 gestellt und damit innerhalb eines Monats, nachdem seine seinerzeitige Prozessvertretung durch die Zustellung des [X.] vom 16. August 2011 am 19. August 2011 von der Versäumung der Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung Kenntnis erlangt hat; das ist rechtzeitig (§ 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Er hat mit dem Antrag alle Tatsachen, auf die er ihn stützt, angeführt und die Mittel der Glaubhaftmachung dieser Tatsachen im Laufe des Verfahrens eingeführt (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Soweit der Kläger lediglich Kopien vorgelegt hat, ist dies unschädlich; auch insoweit handelt es sich um Mittel der Glaubhaftmachung. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war die [X.]erufung bereits begründet und damit die versäumte [X.] nachgeholt (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

b) Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass weder ein ihm zurechenbares Verschulden seiner ehemaligen Prozessbevollmächtigten noch ihres als Kanzleikollegen tätigen Ehemanns vorliegt.

aa) Es ist davon auszugehen, dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte des [X.] an der Versäumung der [X.]erufungsbegründungsfrist wegen ihrer Erkrankung kein Verschulden trifft.

(1) Eine Erkrankung kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich rechtfertigen. Sie muss jedoch ursächlich dafür geworden sein, dass die Frist nicht eingehalten wurde. Die Erkrankung muss ihrer Art nach in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit der für die [X.] verantwortlichen Person gehabt haben (vgl. [X.] 17. Juli 2007 - 2 [X.]vR 1164/07 - NJW-RR 2007, 1717; [X.] 24. März 1994 - [X.] - NJW-RR 1994, 957). Auch eine starke krankheitsbedingte seelische [X.]elastungssituation kann die Wiedereinsetzung rechtfertigen (vgl. [X.] 6. Juli 2009 - II Z[X.] 1/09 - NJW 2009, 3037).

Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind dabei zweifelsfrei vorzutragen ([X.] 11. August 2011 - 9 [X.] 806/11 - Rn. 6, [X.] [X.]G[X.] § 613a Nr. 410). Sie sind zudem glaubhaft zu machen. Dafür kann sich der Antragsteller aller [X.]eweismittel, einschließlich der Versicherung an Eides statt bedienen (§ 294 ZPO). Zudem ist - anders als in Konstellationen, in denen eine Partei den vollen [X.]eweis für eine [X.]ehauptung zu erbringen hat - eine Glaubhaftmachung selbst bei Vorliegen vernünftiger Zweifel nicht ausgeschlossen. Zur Glaubhaftmachung genügt ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung. An Stelle des [X.] tritt eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung. Die [X.]ehauptung ist schon dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. Das ist der Fall, wenn bei der umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Falles mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden [X.]ehauptung spricht als dagegen ([X.] 21. Oktober 2010 - V [X.]/09 - Rn. 7 mwN, NJW-RR 2011, 136).

(2) Der Kläger hat in seinem Antrag einen Sachverhalt dargelegt, der zweifelsfrei ein ihm zurechenbares Verschulden seiner früheren Prozessbevollmächtigten ausschließt.

Der Kläger hat vorgetragen, dass seine frühere Prozessbevollmächtigte aufgrund einer sich verschlimmernden Depression an Antriebshemmungen gelitten habe, die sie nur noch unter großer und extremer Überwindung in die Lage versetzt hätten, sich mit rechtlichen Fragestellungen und Problemstellungen zu befassen. Das habe im konkreten Fall dazu geführt, dass es ihr nur noch um Abwendung des unmittelbaren [X.]es gegangen sei. Diese Vermeidungsstrategie habe dazu geführt, dass sie keine Veranlassung gehabt habe, an der rechtlichen Zulässigkeit einer weiteren Fristverlängerung zu zweifeln.

Damit hat der Kläger dargelegt, dass seine Prozessbevollmächtigte aufgrund ihrer seelischen Erkrankung das Ziel gehabt hat, sich den beruflichen [X.]elastungen und Anforderungen zu entziehen und dieses Ziel aufgrund ihrer Erkrankung ihr Verhalten dominierte. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es der früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] auf der [X.]asis dieses Sachvortrages möglich gewesen wäre, im Einzelfall tatsächlich ihre krankheitsbedingte Antriebslosigkeit zu überwinden und entgegen ihrem [X.]edürfnis, Druck von sich zu nehmen, rechtliche Erwägungen anzustellen, wäre dies jedenfalls nur unter großem persönlichen Aufwand möglich gewesen.

Legt man dies zugrunde, liegen [X.] vor. Angesichts der vorgetragenen seelischen Erkrankung und der damit verbundenen [X.]elastung war es der früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] unzumutbar zu problematisieren, ob der von ihr beschrittene Ausweg einer Fristverlängerung tatsächlich gangbar war. Dafür hätte sie unter erheblichen Anstrengungen, die ein gesunder Mensch nicht aufbringen muss, entgegen ihrer krankheitsbedingten Tendenz handeln müssen.

(3) Den so vorgetragenen Sachverhalt hat der Kläger auch glaubhaft gemacht. Der Sachverhalt ist überwiegend wahrscheinlich.

Der Kläger hat Kopien, an deren Authentizität keine Zweifel bestehen, eines [X.]escheides der [X.] vom 4. Mai 2011 und eines Arztberichtes des Assistenzarztes Dr. med. [X.] vom 10. März 2011 an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in [X.] vorgelegt. Aus dem [X.]escheid der Anwaltskammer ergibt sich, dass der Ehemann der früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] wegen deren langfristiger Arbeitsunfähigkeit zu deren amtlichen Vertreter bestellt wurde. Aus der ärztlichen Stellungnahme ergibt sich, dass bei der ehemaligen Prozessbevollmächtigen des [X.] mindestens seit Dezember 2010, als sie sich zuerst in der Ambulanz der Klinik vorstellte, eine aktuell schwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung bestand zusammen mit einer [X.] Phobie und dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte ab diesem Zeitpunkt für mindestens die nächsten drei Monate zur Ausübung ihres [X.]erufs vollständig unfähig war. Angesichts dessen besteht kein Zweifel, dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte des [X.] tatsächlich seit Dezember 2010 an einer schweren Depression litt, die Krankheitswert hat.

Darüber hinausgehend hat der Kläger eidesstattliche Versicherungen seiner früheren Prozessbevollmächtigten und ihres Ehemanns und Kanzleikollegen vorgelegt. Die ehemalige Prozessbevollmächtigte schildert darin den Krankheitsverlauf seit Ende Oktober / Anfang November 2010 sowie die [X.]eobachtungen des Ehemanns und Kanzleikollegen der früheren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich dieses Krankheitsverlaufs. Sie geben dabei an, dass die Symptome der schweren Erkrankung nicht erst zum Zeitpunkt der Vorstellung in der Ambulanz der psychiatrischen Klinik im Dezember 2010 aufgetreten sind, sondern bereits früher ab Ende Oktober. Es bestehen keine Zweifel, die die Annahme begründen würden, die darin gemachten Angaben seien unrichtig. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass eine schwere Erkrankung, die Anfang Dezember schon vorgelegen hat, sich jedenfalls seit Ende Oktober entwickelt hat. Es ist ebenso überwiegend wahrscheinlich, dass sie die von dem Kläger vorgetragenen Auswirkungen hatte, wie dies seine ehemalige Prozessbevollmächtigte ebenfalls an Eides statt versichert. Sie schildert, dass sie sich nur noch schwer überwinden konnte, wenn es um die Vermeidung von Forderungen ging und dass sie deshalb keine Veranlassung sah, den von ihr gewählten Weg auf seine rechtliche Richtigkeit zu überprüfen.

Angesichts dessen ist es auch überwiegend wahrscheinlich, dass die Außerachtlassung der rechtlichen Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG, wonach eine [X.]erufungsfrist nur einmal verlängert werden kann, auf der Erkrankung der früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] beruht. Dabei mag mit dem [X.] davon ausgegangen werden, dass die Prozessbevollmächtigte kein aktuelles Wissen über die Abweichung der Rechtslage im Arbeitsgerichtsgesetz von der in der Zivilprozessordnung hatte. Entscheidend ist, dass gerade vor dem Hintergrund des eindeutigen Hinweises im ersten [X.], wonach eine nochmalige Verlängerung der [X.]erufungsbegründungsfrist nicht möglich ist, es überwiegend wahrscheinlich ist, dass ohne die schwere Depression und die sich daraus ergebende Vermeidungsstrategie die Prozessbevollmächtigte diesen Hinweis wahrgenommen hätte. Dann wäre es der Prozessbevollmächtigten ohne weiteres möglich gewesen, die tatsächliche Rechtslage durch den vom [X.] geforderten [X.]lick in die gesetzliche Vorschrift festzustellen.

Gegen die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Kausalität der Erkrankung der ehemaligen Prozessbevollmächtigten des [X.] für die Fristversäumnis spricht entgegen der Ansicht der [X.]eklagten auch nicht, dass die Prozessbevollmächtigte in der Lage war, innerhalb der verlängerten Frist eine [X.]erufsbegründung zu erstellen, die dann unterzeichnet durch ihren Ehemann und Kanzleikollegen bei Gericht einging. Die ehemalige Prozessbevollmächtigte des [X.] hat insoweit an Eides statt versichert, dass, soweit sie sich doch überwunden hat, anwaltlich tätig zu werden, sie sich im Wesentlichen darauf beschränkte, früheres Vorbringen zu wiederholen. Aus dieser Glaubhaftmachung ergibt sich, dass auch dort, wo die frühere Prozessbevollmächtigte tätig wurde, sie nicht mehr in der Lage war, in vollem Umfange die Anforderungen an eine anwaltliche Arbeit zu erfüllen. Dies wird dadurch bestätigt, dass die [X.]erufungsbegründung nicht die gesetzlichen Anforderungen erfüllte und die [X.]erufung vom [X.] auch aus diesem Grunde hinsichtlich der Klageanträge zu 1. und 2. als unzulässig verworfen wurde.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Kausalität, wie es die [X.]eklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] angeregt hat, war nicht möglich. Im Verfahren der Glaubhaftmachung verbietet § 294 Abs. 2 ZPO eine [X.]eweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann.

bb) Ebenso ist davon auszugehen, dass auch die berufliche Verbindung zwischen der ehemaligen Prozessbevollmächtigten des [X.] und ihrem Ehemann sowie dessen Verhalten kein dem Kläger zurechenbares Verschulden begründen (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO).

Selbst wenn man mit der von der [X.]eklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] geäußerten Ansicht davon ausgeht, dass die berufliche Verbindung zu einer Mithaftung des früheren Ehemanns der Prozessbevollmächtigten des [X.] im Außenverhältnis führt, setzt eine solche Haftung einen Haftungstatbestand voraus. Der Ehemann der früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] würde deshalb lediglich für ein schuldhaftes Verhalten der früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] haften, ein dem Kläger zurechenbares Verschulden bei der [X.]earbeitung des vorliegenden Verfahrens läge jedoch nur vor, wenn dem Ehemann und Kanzleikollegen der ehemaligen Prozessbevollmächtigten des [X.] selbst ein Verschulden vorzuwerfen wäre. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass ein solches nicht vorliegt:

Zwar ergibt sich aus dem Vortrag des [X.], dass der Ehemann seiner früheren Prozessbevollmächtigten die von dieser gefertigte [X.]erufungsbegründung unterzeichnet hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur [X.]egründung der [X.]erufung jedoch schon verstrichen. Es gibt auch keine Pflicht zur ständigen gegenseitigen Überwachung beruflich miteinander verbundener Anwälte.

Im Übrigen hat der Kläger vorgetragen, dass der Ehemann seiner früheren Prozessbevollmächtigten die Probleme seiner Ehefrau zunächst als „[X.]urnout“ eingeordnet und die tatsächliche Schwere der Erkrankung erst Mitte Dezember 2010 und damit nach Ablauf der [X.]erufungsbegründungsfrist im vorliegenden Verfahren erkannt habe. Anlass war danach, dass ihm zufällig ein Faltblatt der [X.] in die Hände fiel, aus dem sich ergab, dass die dort für eine Depression genannten Symptome auch bei seiner Ehefrau vorlagen. Vorher habe er für die Verhaltensänderungen seiner Ehefrau lediglich die allgemeine [X.]elastungssituation verantwortlich gemacht. Hierin ein Verschulden des Ehemanns und früheren Kanzleikollegen der Prozessbevollmächtigten des [X.] zu sehen, würde die Anforderungen an das Zumutbare übersteigen.

Seinen Vortrag hat der Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen seiner ehemaligen Prozessbevollmächtigten und ihres Ehemanns und Kanzleikollegen glaubhaft gemacht. Die Richtigkeit dieser Versicherungen ist zumindest überwiegend wahrscheinlich.

cc) Der [X.] war befugt, die Voraussetzungen der Glaubhaftmachung selbst zu überprüfen.

Allerdings ist die Würdigung im Rahmen des Verfahrens der Glaubhaftmachung - ebenso wie bei einer [X.]eweiswürdigung nach § 286 ZPO - grundsätzlich Sache des Tatrichters ([X.] 21. Oktober 2010 - V [X.]/09 - Rn. 7, NJW-RR 2011, 136 für die Überprüfung einer Entscheidung über einen [X.]efangenheitsantrag). Jedoch geht es hier um die Frage, ob eine Prozessfortführungsvoraussetzung, nämlich die Zulässigkeit der [X.]erufung, vorliegt. Dies von Amts wegen zu prüfen, obliegt auch dem Revisionsgericht (vgl. nur [X.] 16. Mai 2012 - 4 [X.] 245/10 - Rn. 9, [X.] 2012, 599). Es kann dahingestellt bleiben, ob dies immer eine Prüfung auch der erfolgreichen Glaubhaftmachung von Tatsachen im Rahmen eines [X.] durch das Revisionsgericht erfordert. Jedenfalls berechtigt es das Revisionsgericht in Fällen wie dem vorliegenden, in dem das [X.] rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand verneint hat, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen nicht nur vorgetragen, sondern auch glaubhaft gemacht sind, soweit - wie hier - alle Mittel der Glaubhaftmachung vorliegen.

III. Damit war das Urteil des [X.]s aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 542 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mangels Feststellungen des [X.]s ist die Sache auch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. Dabei ist § 238 Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen (vgl. dazu [X.] 9. Januar 1990 - 3 [X.] 528/89 - zu III der Gründe mwN, [X.] ZPO 1977 § 233 Nr. 16 = EzA ZPO § 233 Nr. 12).

        

    Zwanziger    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Glock    

                 

Meta

7 AZR 314/12

07.11.2012

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Leipzig, 30. Juli 2010, Az: 3 Ca 2302/09, Urteil

§ 66 Abs 1 S 5 ArbGG, § 233 ZPO, § 294 ZPO, § 85 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.11.2012, Az. 7 AZR 314/12 (REWIS RS 2012, 1664)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1664

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

B 12 KR 10/17 R

B 2 U 6/18 R

6 Sa 407/14

M 2 K 17.35264

12 Ta 767/16

16 SaGa 8/13

4 SaGa 6/13

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