Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.09.2012, Az. 5 B 30/12

5. Senat | REWIS RS 2012, 2948

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Gegenstand

Ablehnung eines Beweisantrags wegen mangelnder Substantiierung


Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der geltend gemachte Verfahrensfehler rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

3

Die [X.]eschwerde rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und der gerichtlichen [X.] bzw. Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil das Oberverwaltungsgericht den hilfsweise gestellten [X.]eweisantrag der Klägerin in den Gründen des angefochtenen Urteils abgelehnt hat. Mit diesem Antrag hat sie begehrt, zum [X.]eweis dafür, dass sie mit ihrem Vater und auch mit den unmittelbaren Nachbarn bis zu ihrem vierten Lebensjahr überwiegend [X.] gesprochen habe und sich zu diesem Zeitpunkt auch auf [X.] habe unterhalten können und zum [X.]eweis dafür, dass bis zum Tode des [X.] in der Familie neben [X.] gelegentlich auch [X.] gesprochen worden sei, was dazu geführt habe, dass sie damals und aufgrund des in der Familie Vermittelten auch im maßgeblichen Zeitpunkt ein einfaches Gespräch in [X.] habe führen können, ihre Schwester als Zeugin zu vernehmen. Die Ablehnung dieses [X.]eweisantrags führt jedoch nicht zur Zulassung der Revision.

4

a) Das Prozessgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG wird zwar auch dann verletzt, wenn das Gericht einem (nur) hilfsweise gestellten [X.]eweisantrag nicht nachgeht, obgleich dies im Prozessrecht keine Stütze findet ([X.], [X.]eschlüsse vom 22. September 2009 - 1 [X.]vR 3501/08 - juris und vom 20. Februar 1992 - 2 [X.]vR 633/91 - NVwZ 1992, 659 <660>; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 10. Juni 1999 - [X.]VerwG 9 [X.] 81.99 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302). Dass [X.]eweisanträge nicht unbedingt gestellt sind, entbindet das Gericht lediglich von der verfahrensrechtlichen Pflicht des § 86 Abs. 2 VwGO, über sie vorab durch Gerichtsbeschluss zu entscheiden, nicht aber von den sonst für die [X.]ehandlung von [X.]eweisanträgen geltenden verfahrensrechtlichen [X.]indungen, wenn sie sich als erheblich erweisen ([X.], [X.]eschluss vom 22. September 2009 a.a.[X.]). Der von der [X.]eschwerde erhobene Vorwurf, dass die Ablehnung des ([X.] durch das Oberverwaltungsgericht keine Stütze im Prozessrecht finde, trifft jedoch nicht zu.

5

Dabei kann dahinstehen, ob das [X.]erufungsgericht den [X.]eweisantrag der Klägerin im Hinblick auf das Merkmal der familiären Vermittlung der [X.] (§ 6 Abs. 2 Satz 2 [X.]VFG) zu Unrecht mit der [X.]egründung abgelehnt hat, es handle sich um einen unzulässigen [X.]eweisermittlungs- bzw. Ausforschungsbeweisantrag, weil die als Zeugin benannte Schwester einen Sachverhalt bestätigen solle, den die Klägerin nicht schlüssig bzw. widersprüchlich vorgetragen habe ([X.]). Selbst wenn insoweit eine rechtsfehlerhafte Ablehnung des [X.]eweisantrags vorläge, könnte das Urteil des [X.] auf diesem Fehler nicht beruhen.

6

Liegt nämlich ein Verfahrensfehler wie etwa ein Gehörsverstoß vor, der sich auf einzelne tatsächliche Festsstellungen oder einzelne Rechtsfragen - wie hier die Frage der familiären Vermittlung der [X.] im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 2 [X.]VFG - bezieht und der sich nicht auf das ganze Urteil auswirken kann, so ist dessen Aufhebung und die Zurückverweisung des Rechtsstreits (vgl. § 133 Abs. 6, § 144 Abs. 4 VwGO) nicht gerechtfertigt (Urteil vom 2. September 1999 - [X.]VerwG 2 C 22.98 - [X.]VerwGE 109, 283 <285>). Gleiches gilt für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere je selbständig tragende [X.]egründungen gestützt, so kann die Revision nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser [X.]egründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa [X.]eschlüsse vom 28. Dezember 2010 - [X.]VerwG 5 [X.] 22.10 - juris Rn. 12 und vom 26. Oktober 1989 - [X.]VerwG 9 [X.] 405.89 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212). Das ist hier nicht der Fall.

7

Das [X.]erufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Aufnahmebescheides verneint, weil die Voraussetzungen der als entscheidungstragend herangezogenen Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 3 [X.]VFG aus seiner Sicht in zwei Punkten nicht erfüllt gewesen sind. Es hat sich - jeweils selbständig tragend - zum einen darauf gestützt, dass die Klägerin in dem nach seiner Ansicht maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über ihren Aufnahmeantrag im Jahre 2000 ein einfaches Gespräch auf [X.] nicht habe führen können und dass der Klägerin zum anderen die [X.] nicht ausreichend familiär vermittelt im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 2 [X.]VFG worden sei ([X.] ff., 13 ff.).

8

Soweit das Oberverwaltungsgericht sein Urteil - selbständig tragend - darauf gestützt hat, dass die Klägerin die Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 3 [X.]VFG insoweit nicht erfüllte, als sie im maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über ihren Aufnahmeantrag im Jahre 2000 nicht in der Lage gewesen sei, ein einfaches Gespräch auf [X.] zu führen, hat die [X.]eschwerde nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass dem Oberverwaltungsgericht insoweit durch die Ablehnung des [X.], die Schwester der Klägerin zu der vorgenannten Frage als Zeugin zu vernehmen, ein Verfahrensfehler unterlaufen ist. Vielmehr finden seine Ablehnungsgründe jedenfalls insoweit im Prozessrecht eine Stütze. Das Oberverwaltungsgericht hat den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten (Hilfs-)[X.]eweisantrag mit der [X.]egründung ([X.]) abgelehnt, dass der Vortrag der Klägerin, ihre Schwester könne bestätigen, dass sie im [X.] ein einfaches Gespräch in [X.] habe führen können, unsubstantiiert sei, weil in dem [X.]eweisantrag als "Tatsache" nur der Gesetzeswortlaut wiederholt worden und zudem nicht ersichtlich sei, dass die Schwester, die am 8. Juni 1999 selbst kein einfaches Gespräch auf [X.] habe führen können, mit der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt überhaupt deutsch gesprochen habe und die damaligen Sprachkenntnisse der Klägerin habe beurteilen können. Darin liegt entgegen der [X.]eschwerde weder eine unzulässige Vorwegnahme der [X.]eweisaufnahme noch eine Überspannung der Anforderungen an die Substantiierung von [X.]eweisanträgen.

9

In der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass das [X.] unsubstantiierten [X.]eweisangeboten nicht nachgehen muss (stRspr, vgl. [X.]eschluss vom 29. März 1995 - [X.]VerwG 11 [X.] 21.95 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266; ebenso etwa auch [X.]FH, [X.]eschluss vom 1. Februar 2007 - VI [X.] 118/04 - NJW 2007, 1615 <1616>). Um die Erheblichkeit eines [X.]eweisantrags beurteilen zu können, ist es unerlässlich, dass er konkrete [X.]eweisbehauptungen enthält und zudem dargelegt wird, weshalb das benannte [X.]eweismittel hierüber Erkenntnisse zu vermitteln vermag (vgl. [X.]eschlüsse vom 28. Dezember 2010 a.a.[X.] und vom 4. Dezember 1998 - [X.]VerwG 8 [X.] 187.98 - [X.] 310 § 6 VwGO Nr. 1). Dementsprechend bezieht sich die Pflicht zur Substantiierung eines Zeugenbeweisantrags (§ 98 VwGO, § 373 ZPO) zum einen auf das [X.]eweisthema, also die [X.]estimmtheit der [X.]eweistatsachen und deren Wahrheit, und zum anderen darauf, welche einzelnen Wahrnehmungen der angebotene Zeuge in [X.]ezug auf das [X.]eweisthema (also in [X.]ezug auf die [X.]eweistatsachen oder auf die zu deren Ermittlung dienenden Hilfstatsachen oder Indiztatsachen) selbst gemacht haben soll. Nur auf der Grundlage solcher Angaben kann das Gericht prüfen, ob die beantragte [X.]eweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beitragen kann und deshalb entweder im Rahmen der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Aufklärungspflicht oder mangels Vorliegens eines [X.] zulässigen Ablehnungsgrundes durchzuführen ist ([X.]eschlüsse vom 29. Juni 2001 - [X.]VerwG 1 [X.] 131.00 - [X.] 310 § 98 VwGO Nr. 63 und vom 28. Oktober 2002 - [X.]VerwG 5 [X.] 225.02 - [X.]A S. 14 jeweils m.w.[X.]).

[X.]ei Zugrundelegung dieses Maßstabs hat das [X.]erufungsgericht den (Hilfs-)[X.]eweisantrag der Klägerin in [X.] nicht zu beanstandender Weise wegen mangelnder Substantiierung abgelehnt. Mit der Formulierung ihres [X.]eweisantrags und ihrem sonstigen Vortrag hat die Klägerin - wie das [X.]erufungsgericht zu Recht moniert hat - schon nicht aufgezeigt, aufgrund welcher eigenen Wahrnehmungen ihre Schwester - trotz der Feststellung des [X.]erufungsgerichts, dass diese wegen Nichtbestehens eines Sprachtestes am 8. Juni 1999 ein einfaches Gespräch auf [X.] selbst nicht führen konnte - über diese Fähigkeit der Klägerin zu dem nach der Rechtsansicht des [X.]erufungsgerichts entscheidungserheblichen Zeitpunkt im [X.] eine tatsachengestützte [X.]ewertung hätte abgeben können. Allein die in dem [X.] enthaltene, den Gesetzeswortlaut wiederholende pauschale [X.]ehauptung der Klägerin, ihre Schwester werde aussagen, dass sie, die Klägerin, zum genannten Zeitpunkt in der Lage gewesen sei, ein einfaches Gespräch auf [X.] zu führen, genügt - bei der vorliegenden Sachlage - den Substantiierungsanforderungen nicht. [X.]ei dieser Sachlage wäre dazu etwa erforderlich gewesen, dass die Klägerin dem Oberverwaltungsgericht tatsächliche Anhaltspunkte dazu vermittelt hätte, aufgrund welcher eigenen [X.]eobachtungen die Schwester etwas über ihre, der Klägerin, Kenntnisse und Sprachfähigkeiten vermitteln konnte (etwa wann und wo sie mit der Klägerin [X.] gesprochen bzw. diese hat [X.] sprechen hören und aus welchem Anlass [X.] gesprochen wurde) und wie die Schwester diese Sprachfertigkeiten - trotz des negativen Ausgangs ihres eigenen [X.]tests - hat beurteilen können.

b) Das Oberverwaltungsgericht hat im Hinblick auf das vorgenannte [X.]eweisthema (Fähigkeit der Klägerin, zum maßgeblichen Zeitpunkt ein einfaches Gespräch auf [X.] führen zu können) durch die genannte Ablehnung des hilfsweise gestellten [X.]eweisantrags auch nicht gegen den Aufklärungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Der Vorwurf einer Verletzung der Aufklärungspflicht ist bei der Ablehnung eines [X.] nur dann begründet, wenn sich dem Gericht, namentlich im Hinblick auf die hilfsweise angeregte [X.]eweiserhebung, eine weitere [X.]eweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (vgl. etwa [X.]eschlüsse vom 12. März 2010 - [X.]VerwG 8 [X.] 90.09 - juris Rn. 19 und vom 10. Juni 1999 a.a.[X.] m.w.[X.]). Dies war hier jedoch nicht der Fall. Dem Oberverwaltungsgericht musste sich, weder aufgrund des hinreichend substantiierten [X.]eweisantrags noch aufgrund der Aktenlage eine weiter gehende [X.]eweiserhebung durch Vernehmung der Schwester der Klägerin zu dem vorgenannten [X.]eweisthema aufdrängen.

2. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Meta

5 B 30/12

24.09.2012

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 9. Februar 2012, Az: 11 A 4791/04, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 86 Abs 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 98 VwGO, § 6 Abs 2 BVFG, § 373 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.09.2012, Az. 5 B 30/12 (REWIS RS 2012, 2948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2948

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Referenzen
Wird zitiert von

B 9 SB 19/15 B

8 ZB 18.30325

AN 4 K 17.00537

AN 4 K 14.01227, AN 4 K 15.01109

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