Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.12.2015, Az. B 2 U 150/15 B

2. Senat | REWIS RS 2015, 421

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - Verfahrensfehler - Verstoß gegen § 153 Abs 3 S 1 SGG: Namenskürzel - absoluter Revisionsgrund gem § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO - Zurückverweisung gem § 160a Abs 5 SGG - unwirksames Nicht- oder Scheinurteil - Rechtsgedanke des § 170 Abs 1 S 2 SGG)


Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 21. Mai 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Klägerin verfolgt als Hinterbliebene die Ansprüche ihres tödlich verunglückten Ehemanns gegen den beklagten Unfallversicherungsträger.

2

Die Klägerin zeigte bei der Beklagten den Tod ihres am 18.4.2012 bei einem Unfall auf einer Baustelle verunglückten Ehemanns an. Die Beklagte lehnte mit [X.] vom 28.11.2012 die Gewährung von [X.] ab, weil der Ehemann zum Unfallzeitpunkt selbstständiger Unternehmer gewesen sei und keine freiwillige Unternehmerversicherung abgeschlossen habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7.2.2013).

3

Die Klägerin hat durch ihre Prozessbevollmächtigte, eine Rechtsanwältin, vor dem [X.] Klage erhoben und schriftsätzlich den Antrag angekündigt, die Beklagte unter Aufhebung ihrer [X.]e zu verurteilen, der Klägerin [X.] in gesetzlicher Höhe zu erbringen. In der mündlichen Verhandlung hat sie dann abweichend hiervon beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihrer [X.]e zu verurteilen, den Unfall vom 18.4.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Das [X.] hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 22.7.2014). Gegen dieses Urteil hat die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des [X.] aufzuheben. Weiterhin hat sie den erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag wiederholt. Das L[X.] hat mit Beschluss vom 23.3.2015 den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt, weil eine Klage einer Hinterbliebenen mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls unzulässig sei. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass im erstinstanzlichen Verfahren der ursprünglich angekündigte Klageantrag auf Verurteilung zur Gewährung von [X.] gerichtet gewesen sei. Allein aufgrund des Hinweises der Vorsitzenden Richterin auf die Unzulässigkeit dieses Antrags sei der Antrag von ihr in der mündlichen Verhandlung geändert worden. Das L[X.] hat die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung hat es [X.] ausgeführt, die auf Verurteilung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage sei unzulässig, weil Hinterbliebene - anders als Versicherte - keinen Anspruch auf eine isolierte Vorabentscheidung über das Vorliegen eines Versicherungsfalls durch den Unfallversicherungsträger hätten.

4

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin das Vorliegen von [X.] iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G geltend. Sie rügt zum einen die Verletzung des § 153 Abs 3 [X.]G, weil das schriftlich abgefasste, mit Gründen versehene Urteil des L[X.] von der Vorsitzenden nicht mit deren Namen, sondern nur mit einem Namenskürzel unterzeichnet worden sei. Zum anderen rügt sie Verstöße gegen §§ 123, 106 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 [X.]G und gegen den aus Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3, Art 19 Abs 4 GG und Art 6 Abs 2 [X.] folgenden Grundsatz des fairen Verfahrens. Das L[X.] hätte keine Verfahrensnachteile aus der Änderung des Klageantrags herleiten dürfen, weil diese allein auf einen richterlichen Hinweis erfolgt und das Ziel der Klägerin nach wie vor die Gewährung von [X.] gewesen sei.

5

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom [X.] zuzulassen,

        

hilfsweise,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom [X.] aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen,

        

weiter hilfsweise,

        

festzustellen, dass es sich bei dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom [X.] nicht um ein Urteil im Sinne der §§ 153 Abs 1, 125, 124 Abs 2, 133 [X.]G handelt und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen.

6

Das L[X.] hat in einer Stellungnahme vom 2.9.2015 gegenüber dem B[X.] erklärt, dass es sich bei der Unterschrift der Vorsitzenden, die handbehindert sei, nicht um ein Namenskürzel, sondern um die Unterschrift handele, die "mal gut und mal weniger gut" gelinge. Auf Nachfrage des Senats hinsichtlich der Umstände der Antragstellung vor dem [X.] hat die Vorsitzende Richterin des [X.] mit Schreiben vom 5.10.2015 mitgeteilt, sich an den genauen Ablauf der mündlichen Verhandlung nicht mehr erinnern zu können.

7

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Rechtssache ist gemäß § 160a Abs 5 [X.]G an das L[X.] zurückzuverweisen, weil die schriftliche Ausfertigung des Urteils entgegen § 153 Abs 3 [X.]G nicht von der Vorsitzenden unterschrieben ist.

8

Die Begründung der fristgerecht eingelegten Beschwerde genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G. Sie bezeichnet die Tatsachen, aus denen sich ein möglicher Verstoß gegen § 153 Abs 3 Satz 1 [X.]G ergibt. Selbst wenn mangels vollständiger Unterschriften das ohne mündliche Verhandlung ergangene, nicht verkündete Urteil gänzlich unwirksam sein sollte und deshalb ein unwirksames Nicht- bzw [X.] vorläge, wäre als Rechtsmittel zur Beseitigung des [X.]s die Beschwerde statthaft (vgl hierzu [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 125 Rd[X.] 4b, 5a, b, c). Auch ein möglicher Verstoß gegen den aus Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3, Art 19 Abs 4 GG und Art 6 Abs 2 [X.] folgenden Grundsatz des fairen Verfahrens wird in der Beschwerdebegründung hinreichend dargelegt.

9

1. Die Beschwerde ist auch begründet, denn das angefochtene Urteil des L[X.] verstößt gegen § 153 Abs 3 Satz 1 [X.]G. Nach dieser Vorschrift ist das Urteil von den Mitgliedern des Senats am L[X.] zu unterschreiben. Für eine Unterschrift in diesem Sinne ist erforderlich, aber auch genügend, dass ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug vorliegt, der individuelle und charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Dieses Erfordernis ist auch erfüllt, wenn der Schriftzug nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Auch ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug kann als Unterschrift anzuerkennen sein. Dabei ist von Bedeutung, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Hingegen genügt ein Schriftzug, der nach seinem äußeren Erscheinungsbild eine bewusste und gewollte Namensabkürzung (Handzeichen, Paraphe) darstellt, nicht (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 153 Rd[X.] 9, § 134 Rd[X.] 2a, 2b, vgl auch B[X.] vom [X.] - [X.] R 58/09 R - B[X.]E 106, 254 = [X.]-1500 § 102 [X.], Rd[X.] 49; [X.] vom [X.] - [X.], [X.] 19/13 - NJW 2013, 3451; [X.] vom 26.6.2014 - [X.]/13 - [X.]/NV 2014, 1568).

Die sich auf der mit Gründen versehenen Urteilsfassung befindenden Schriftzeichen der Vorsitzenden sind keine Unterschrift, sondern ein Handzeichen, das keine Unterschrift iS von § 153 Abs 3 Satz 1 [X.]G darstellt. Auch wenn berücksichtigt wird, dass die Unterschriftsleistung der Vorsitzenden durch eine Behinderung der Hand erschwert ist, ist eindeutig erkennbar, dass die schriftliche Urteilsfassung nur mit dem Namenskürzel und nicht - wie erforderlich - mit dem sonst als Unterschrift verwendeten Namenszug unterzeichnet wurde. Die Schriftzeichen auf der mit Gründen versehenen Urteilsfassung bestehen nur aus zwei bis drei Buchstaben und entsprechen exakt dem Namenskürzel, das sich [X.] unter der Schlussverfügung vom [X.] findet, die üblicherweise nicht mit dem vollen Namenszug, sondern nur mit einem Handzeichen des oder der Vorsitzenden versehen wird. Dass nur ein Handzeichen vorliegt, wird auch durch einen Vergleich dieser Schriftzeichen mit der unter dem Protokoll des Tenors am [X.] geleisteten Unterschrift bestätigt, die den aus sechs Buchstaben bestehenden vollen Namenszug der Vorsitzenden klar erkennen lässt. Die Unterschriftsleistung unter die schriftliche Fassung des Urteils wurde schließlich auch nicht nachgeholt, obwohl das L[X.] durch das Schreiben der Klägerin vom 28.8.2015 von der Rüge dieses Verfahrensfehlers Kenntnis hatte und es zu diesem Zeitpunkt ein leichtes gewesen wäre, diesen Fehler noch zu korrigieren.

Da nach Ablauf von fünf Monaten seit Erlass des Urteils eine Heilung durch Nachholung der Unterschrift nicht mehr möglich ist, liegt jedoch nunmehr ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 202 [X.]G iVm § 547 [X.] 6 ZPO vor (vgl hierzu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 153 Rd[X.]1, § 134 Rd[X.] 2c; [X.] vom 16.10.2006 - II ZR 101/05 - [X.], 351; vgl auch B[X.] vom [X.] - 3/1 RK 36/93 - B[X.]E 75, 74 = [X.]-2500 § 33 [X.]2 und vom 20.11.2003 - [X.] RJ 41/03 R - B[X.]E 91, 283 = [X.]-1500 § 120 [X.], Rd[X.]6), sodass davon auszugehen ist, dass das Urteil auch auf dem Fehler beruht.

Das angefochtene Urteil war gemäß § 160a Abs 5 [X.]G wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückzuverweisen. Dies gilt unabhängig davon, ob das ohne mündliche Verhandlung ergangene, nicht verkündete Urteil bereits wirksam geworden war oder es sich letztlich um ein unwirksames Nicht- bzw [X.] handelt, dessen [X.] zu beseitigen ist (vgl hierzu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 125 Rd[X.] 4b, 5a, b, c). Einer Zurückverweisung steht auch nicht der Rechtsgedanke des § 170 Abs 1 Satz 2 [X.]G entgegen, der auch bei Entscheidungen über Nichtzulassungsbeschwerden Anwendung findet. Nach § 170 Abs 1 Satz 2 [X.]G ist eine Revision bei einer Gesetzesverletzung auch dann zurückzuweisen, wenn sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt.

Dies gilt jedoch in der Regel nicht beim Vorliegen absoluter Revisionsgründe (vgl B[X.] vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - [X.]-1100 Art 101 [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 160a Rd[X.]8, 18a mwN). Zwar wird in Revisionsverfahren trotz des Vorliegens des absoluten Revisionsgrundes des § 547 [X.] 6 ZPO eine Entscheidung des B[X.] in der Sache für zulässig erachtet, wenn die Klage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg haben kann (vgl B[X.] vom [X.] - 3/1 RK 36/93 - B[X.]E 75, 74 = [X.]-2500 § 33 [X.]2 und vom 20.11.2003 - [X.] RJ 41/03 R - B[X.]E 91, 283 = [X.]-1500 § 120 [X.], Rd[X.]6). Auch im Beschwerdeverfahren wird bei Vorliegen eines Verfahrensfehlers eine Aufhebung des Urteils des L[X.], ggf verbunden mit einer Entscheidung des B[X.] in der Sache, für zulässig erachtet, wenn mit der Aufhebung der Rechtsstreit abgeschlossen ist oder wenn nach Zurückverweisung nur eine einzige Entscheidung in der Sache ergehen könnte (vgl B[X.] vom [X.] - B 12 KR 62/04 B - [X.]-1500 § 160a [X.] 6, vom 16.3.2006 - B 4 RA 24/05 B - [X.]-1500 § 160a [X.]3; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 160a Rd[X.]9e). Eine solche Prüfung, ob nach Zurückverweisung keine andere Entscheidung in der Sache ergehen kann, ist dem Senat hier aber nicht möglich. Diese setzt in der Regel Feststellungen des L[X.] voraus, die gerade nicht vorliegen, weil es überhaupt keine Urteilsgründe gibt, die gemäß § 163 [X.]G den Senat binden könnten. Der Senat hat daher in Ausübung seines ihm gemäß § 160a Abs 5 [X.]G eingeräumten Ermessens die Sache an das L[X.] zurückverwiesen.

2. Soweit die Klägerin allerdings als weiteren Verfahrensmangel geltend macht, sie sei erst durch die Hinweise der Vorsitzenden Richterin am [X.] zu der (falschen) Antragstellung veranlasst worden, so ist hierin kein Verfahrensmangel zu sehen. Der aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) sowie Art 6 Abs 1 Satz 1 [X.] abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren ist verletzt, wenn grundlegende Rechtsschutzstandards, wie das Gebot der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten, das Übermaßverbot (Gebot der Rücksichtnahme) und das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens oder einer Überraschungsentscheidung nicht gewahrt werden. Aus Fehlern, die den Gerichten selbst zuzurechnen sind, dürfen keine Verfahrensnachteile für den [X.] abgeleitet werden. Grundsätzlich darf sich ein anwaltlicher Prozessbevollmächtigter aber bei einer klaren Rechtslage nicht auf eine falsche Auskunft des Gerichts verlassen, es sei denn, besondere Umständen liegen vor (vgl [X.] vom 26.4.1988 - 1 BvR 669, 686, 687/87 - [X.]E 78, 123, vom 4.5.2004 - 1 BvR 1892/03 - [X.]E 110, 339 = [X.]-1500 § 67 [X.] 2, vom 21.3.2005 - 2 BvR 975/03 - [X.]K 5, 151; B[X.] vom 9.10.2012 - B 5 R 196/12 B - [X.]-1500 § 67 [X.]0 Rd[X.] 8). Auch unter Zugrundelegung des von der Klägerin geschilderten [X.] wird indes nicht ersichtlich, dass das L[X.] nach §§ 123, 106 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 [X.]G gehalten gewesen sein könnte, die in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] erhobene und im Berufungsverfahren aufrechterhaltene unzulässige Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Feststellung des Ereignisses vom 18.4.2012 als Arbeitsunfall (vgl hierzu B[X.] vom 4.12.2014 - [X.] U 18/13 R - [X.]-2700 § 101 [X.] 2 Rd[X.]5 - auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen; vom 29.11.2011 - [X.] U 26/10 R - [X.] Aktuell 2012, 412, und vom 12.1.2010 - [X.] U 5/08 R - [X.]-2700 § 9 [X.]7 Rd[X.] 26) als zulässig zu behandeln. Selbst wenn die zunächst zutreffend und zulässigerweise erhobene Klage auf Gewährung von [X.] einzig aufgrund eines (insofern falschen) richterlichen Hinweises im erstinstanzlichen Verfahren zurückgenommen und danach eine für Hinterbliebene unzulässige Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls erhoben worden sein sollte, so kann eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens aufgrund dieses fehlerhaften Verhaltens des Gerichts nicht dazu führen, dass entgegen den Formvorschriften des Prozessrechts geringere prozess[X.]le Anforderungen an die Durchsetzung von Rechten gestellt werden können. Oder anders gewendet: Aus dem Fehler des Gerichts kann kein Anspruch auf weitergehende prozess[X.]le Rechte folgen als sie das Gesetz vorsieht. Denn das L[X.] konnte ohne Verstoß gegen § 123 [X.]G davon ausgehen, dass die auf die Gewährung von Leistungen an Hinterbliebene gerichtete Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] nach § 102 [X.]G (konkludent) zurückgenommen worden ist und damit im Berufungsverfahren eine solche Klage nicht mehr anhängig war, nachdem die anwaltlich vertretene Klägerin ihren entsprechenden Antrag nicht mehr aufrechterhielt und nunmehr die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls beantragte. Als Prozesshandlung ist die Klagerücknahme grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (vgl hierzu B[X.] vom 20.12.1995 - 6 [X.] 18/95 - [X.] 95155 und vom 14.6.1978 - 9/10 RV 31/77 - [X.] 1500 § 102 [X.] 2; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 102 Rd[X.] 7c mwN), selbst wenn sie auf einem durch das Gericht erregten Irrtum beruht. Die unwiderruflich verfahrensbeendende Wirkung der Rücknahme einer Klage dient der Rechtssicherheit, weil andernfalls ein die Beendigung des Verfahrens betreffender Schwebezustand bestände (vgl [X.] vom 26.9.2007 - [X.]/07 - [X.], 43; anders für das finanzgerichtliche Verfahren [X.] vom 6.7.2005 - XI R 15/04 - [X.]E 210, 4).

Das L[X.] wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 2 U 150/15 B

17.12.2015

Bundessozialgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: U

vorgehend SG Stuttgart, 22. Juli 2014, Az: S 26 U 1178/13

§ 153 Abs 3 S 1 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 163 SGG, § 170 Abs 1 S 2 SGG, § 202 SGG, § 547 Nr 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.12.2015, Az. B 2 U 150/15 B (REWIS RS 2015, 421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 421

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X B 215/13

1 BvR 1892/03

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