Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.09.2023, Az. B 4 AS 56/23 B

4. Senat | REWIS RS 2023, 10193

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - objektive Klagehäufung - Darlegung von Zulassungsgründen für jeden prozessualen Anspruch - Verfahrensmangel - fehlende Teilverweisung an ein Zivilgericht - Amtshaftung als einzige mögliche Rechtsgrundlage - Prüfung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges - keine Entscheidung in der Hauptsache durch die Vorinstanz


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 22. Juni 2022 - L 12 AS 1147/20 - wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich in der Sache im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen ein von dem Beklagten gegen ihn [X.] sechsmonatiges Hausverbot und verlangt Schadensersatz.

2

Der Beklagte verhängte gegen den [X.] ein Hausverbot, das auf eine Auseinandersetzung im Rahmen des noch bis Januar 2020 laufenden klägerischen Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] zurückging. Dieses Verbot hat der Kläger zunächst vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit angegriffen, die dortige Klage aber zurückgenommen. Hierdurch sind ihm Gerichtskosten iHv insgesamt 308 Euro entstanden.

3

Im weiteren Verlauf hat der Kläger das Hausverbot vor dem [X.] angegriffen und zugleich Schadensersatz vom Beklagten in Höhe der verwaltungsgerichtlichen Gerichtskosten begehrt. Das [X.] hat das Hausverbot als rechtmäßig angesehen und die Fortsetzungsfeststellungsklage deshalb als unbegründet abgewiesen; auf die Zahlungsklage ist es nicht eingegangen (Gerichtsbescheid vom 8.7.2020). Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Allerdings sei die Klage insgesamt unzulässig. Das [X.] habe zu Unrecht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejaht. Soweit sich die Schadensersatzforderung auf einen sozialrechtlichen Anspruch stützen lasse, sei die Klage mangels einer diesbezüglichen Verwaltungsentscheidung des Beklagten unzulässig. Über einen Amtshaftungsanspruch könnten nur die ordentlichen Gerichte entscheiden; eine diesbezügliche Teilverweisung der Klage an das zuständige [X.] sei indes nicht vorgesehen.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde eingelegt, mit der er einen Verfahrensmangel geltend macht. Das L[X.] habe § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 17a Abs 2 Satz 1 [X.] verletzt, indem es von einer Abtrennung und Verweisung seiner Zahlungsklage abgesehen habe. Im vorliegenden Fall der objektiven Klagehäufung greife die umfassende Entscheidungskompetenz nach § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 17 Abs 2 Satz 1 [X.] nicht ein, zumal es sich um einen Ausnahmefall nach § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 17 Abs 2 Satz 2 [X.] handele. Eine sozialrechtliche Grundlage für den Schadensersatzanspruch sei nicht ersichtlich.

5

II. Werden - wie hier - mehrere eigenständige Streitgegenstände im Sinne einer objektiven Klagehäufung (§ 56 [X.]G) geltend gemacht, erfordert die Zulassung der Revision die formgerechte Darlegung von [X.] für jeden prozessualen Anspruch (vgl B[X.] vom 30.10.2007 - B 2 U 272/07 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.]; Voelzke in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]G, 2. Aufl 2022, § 160a [X.]). Da sich die Beschwerdebegründung gerade auf diese prozessuale Situation stützt, bezüglich der Entscheidung über die Fortsetzungsfeststellungsklage aber keinen Revisionszulassungsgrund geltend macht, geht der Senat davon aus, dass sich die Nichtzulassungsbeschwerde auf die Entscheidung des L[X.] über die Zahlungsklage beschränkt (vgl B[X.] aaO). Hinsichtlich der Fortsetzungsfeststellungsklage ist das Urteil des L[X.] damit bereits nach Ablauf der Beschwerdefrist rechtskräftig geworden.

6

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.]G, § 169 [X.]G).

7

Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) die diesen Verfahrensmangel des L[X.] (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; B[X.] vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). [X.] müssen auch Heilungsmöglichkeiten von Verfahrensfehlern erörtert und ausgeschlossen werden (B[X.] vom 13.10.2022 - [X.] [X.]/21 B - juris RdNr 2 mwN).

8

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass sich die Rechtsprechung des B[X.], auf die sich das L[X.] gestützt hat, wonach ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit keine Teilverweisung an ein Zivilgericht vornehmen darf, nicht auf Fälle der objektiven Klagehäufung bezieht, in denen für einen selbständigen prozessualen Anspruch nur die Amtshaftung als Rechtsgrundlage in Betracht kommt und sozialrechtliche Anspruchsgrundlagen von vornherein ausscheiden (vgl B[X.] vom 5.9.2022 - B 1 KR 99/21 B - juris RdNr 8). In diesem Fall ist eine Verweisung der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs an das zuständige [X.] zulässig und geboten. Die Beschwerde zeigt ferner auf, dass das L[X.] auch nicht auf der Grundlage von § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 17a Abs 5 [X.], wonach das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht prüft, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, zur Entscheidung über die Zahlungsklage berechtigt war (vgl dazu B[X.] vom 20.10.2010 - [X.] R 63/10 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] RdNr 26 ff), denn das [X.] hat bezüglich dieses Streitgegenstands keine Entscheidung in der Hauptsache getroffen.

9

Mit diesem Vorbringen rügt der Kläger aber letztlich nur, dass das L[X.] bei seiner Entscheidung, die Zahlungsklage sei jedenfalls mangels einer Verwaltungsentscheidung unzulässig, zu Unrecht von seiner Rechtswegzuständigkeit ausgegangen sei. Die Beschwerdebegründung geht aber nicht darauf ein, warum das B[X.] bei seiner Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache (siehe zu diesem Begriff, der auch Prozessurteile einschließt, nur B[X.] vom 16.7.2020 - B 1 KR 3/19 B - NZS 2021, 688 m [X.] Rd[X.] mwN) die Zulässigkeit des Rechtswegs abweichend von der Regel des § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 17a Abs 5 [X.] prüfen sollte (vgl dazu B[X.] vom 13.10.2022 - [X.] [X.]/21 B - juris Rd[X.]; B[X.] vom 23.1.2018 - B 2 U 4/16 R - B[X.]E 125, 120 = [X.] 4-2700 § 123 [X.], Rd[X.]; siehe zu der damit verbundenen Beschränkung der Revisionszulassung Meßling in Krasney/[X.]/[X.]/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, [X.] RdNr 124; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 17).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO. Soweit der Kläger die Zahlung von Schadensersatz begehrt, führt er den Rechtsstreit nicht in seiner Eigenschaft als (ehemaliger) Leistungsempfänger (vgl § 183 Satz 1 [X.]G).

        

Söhngen

Burkiczak

B. [X.]

Meta

B 4 AS 56/23 B

19.09.2023

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Düsseldorf, 8. Juli 2020, Az: S 19 AS 3827/19, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 56 SGG, § 202 S 1 SGG, § 17a Abs 5 GVG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.09.2023, Az. B 4 AS 56/23 B (REWIS RS 2023, 10193)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10193

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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